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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 189<br />

schränkten Umweltkontakts immer ein möglichst komplettes Realitätsmo<br />

dell zu konstruieren, deviante phänomenale Modelle des Selbst hervorbrin<br />

gen können. Manchmal beinhaltet dieses neue innere Bild des Ich sogar<br />

eine Perspektive auf ein zweites <strong>Selbstmodell</strong> (zum Beispiel den auf einem<br />

Operationstisch oder Bett liegenden physischen Körper).<br />

Klassisch essentialistische Theorien der <strong>Subjekt</strong>ivität haben große<br />

Schwierigkeit mit der Buntheit <strong>und</strong> Vielfalt der menschlichen Psychologie,<br />

besonders mit Multiplikationen der subjektiven Perspektive innerhalb ei<br />

ner Person. Eine naturalistische Theorie mentaler Repräsentation dagegen<br />

erlaubt es prinzipiell, auch auf solche „dissoziativen“ Zustände phänome<br />

nalen Bewußtseins eine erfolgversprechende Perspektive einzunehmen,<br />

ohne unsere Ontologie um Astralkörper oder aggressive Geistwesen berei<br />

chern zu müssen. Dieser vorsichtige Optimismus läßt sich auch durch das<br />

nun folgende Beispiel abweichender mentaler <strong>Selbstmodell</strong>ierung illustrie<br />

ren.<br />

3) Multiple Selbste<br />

Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß mentale Modelle ab<br />

strakte Organe sind. Sie besitzen nicht nur phänomenalen <strong>und</strong> intentiona<br />

len Gehalt, sondern auch ein funktionales Profil. Dieses funktionale Profil<br />

wird durch ihre Rolle in der mentalen Ökonomie des Systems, dessen<br />

Organe sie sind, sowie bezüglich einer Umwelt fixiert. Die mentalen Mo<br />

delle von Biosystemen wurden genau wie ihre konkreten Organe im<br />

Verlauf der phylogenetischen Evolution funktional optimiert <strong>und</strong> an sich<br />

verändernde Umgebungen (an die jeweilige „kognitive Nische“) angepaßt.<br />

Funktionale Optimierung bedingt jedoch nicht automatisch eine gleichzei<br />

tige epistemische Anreicherung.<br />

Auch das zentrierte Wachbewußtsein menschlicher Wesen ist Resultat<br />

der Entwicklung eines besonderen abstrakten Organs des <strong>Selbstmodell</strong>s<br />

durch biologische Repräsentationssysteme. Vielleicht ist das mentale<br />

<strong>Selbstmodell</strong> des Menschen sogar das komplizierteste <strong>und</strong> effektivste biolo<br />

gische Instrument, das in der Geschichte unseres Planeten entstanden ist.<br />

Selbstverständlich besitzen auch <strong>Selbstmodell</strong>e ein funktionales Profil für<br />

die sie benutzenden Organismen relativ zu einer gegebenen Umwelt mit<br />

ihren spezifischen Problemstellungen. Gute <strong>Selbstmodell</strong>e sind zum Bei<br />

spiel unerläßlich für eine erfolgreiche Operation in sozialen Umwelten <strong>und</strong><br />

für die Interaktion mit anderen Mitgliedern derselben Spezies. 68<br />

68 Viele Autoren haben diese Funktion <strong>und</strong> ihre genetische Bedeutung für das Entstehen<br />

subjektiven Bewußtseins betont. Keith Oatley hat diesen wichtigen Aspekt (in Anlehnung an<br />

Mead 1964) als Meadean Consciousness bezeichnet, als die internalisierte symbolische Reprä<br />

sentation eines Prozesses, der seine Wurzeln in einem extrapersonalen Beziehungsgeflecht<br />

besitzt. Dieser Prozeß definiert das Selbst über soziale Rollen <strong>und</strong> Regeln, weil er externe<br />

Kommunikationssituationen in dialogische Situationen auf der inneren Bühne transformiert.<br />

Oatley macht dabei ebenfalls explizit Gebrauch von dem auf Kenneth Craik zurückgehenden

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