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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 187<br />

tieren, daß Träume überhaupt nicht subjektive Bewußtseinszustände sind,<br />

weil ein Träumer die Frage „Wie ist es, ein Träumer zu sein?“ nicht stellen<br />

oder beantworten könnte, ohne den Traum zu beenden. Denn die Nagel<br />

sche Frage nach der Gesamtqualität des inneren Erlebnisraumes, die durch<br />

die sprachliche Formulierung des „Wie es ist, ein X zu sein“herausgegriffen<br />

werden soll, kann immer erst hinterher, nach dem Wechsel des Realitäts<br />

modells, beantwortet werden. Wie ich von Peter Bieri gelernt habe, bedeu<br />

tet dies aber nicht, daß Träumer keinen phänomenalen Innenraum besit<br />

zen: Es ist letztlich nur eine Aussage über den Gehalt <strong>und</strong> das funktionale<br />

Profil des <strong>Selbstmodell</strong>s im Traum.<br />

Wir kennen sogar noch umfangreichere <strong>und</strong> auch stabilere Selbst Hallu<br />

zinationen des räumlich körperlichen Selbst als Bewegungsillusionen,<br />

Träume oder die von Philosophen so gern diskutierten Phantomglieder. 62<br />

Ein solcher Typus sind die sogenannten außerkörperlichen Erfahrungen<br />

(AKEs; auch in der deutschsprachigen Literatur häufig als „OBEs“ = Out<br />

of body experiences bezeichnet), bei denen die betreffende Person das uner<br />

schütterliche Gefühl hat, ihren physischen Körper (meist in einer Art äthe<br />

rischenDoubles)zuverlassen<strong>und</strong>sichaußerhalbvonihmzubewegen.<br />

Nicht selten beinhalten diese Bewußtseinszustände ein komplettes visuel<br />

les Modell der Welt. Der eigene physische Körper wird dabei von außen<br />

überwiegend aus der Vogelperspektive wahrgenommen. 63<br />

Berichte über Erlebnisse dieser Art finden wir in allen Kulturen <strong>und</strong> in<br />

allen Zeiten, deswegen deuten sie auf ein invariantes „neuropsychologi<br />

sches Potential“ des menschlichen Gehirns hin. Man darf annehmen, daß<br />

solcheErfahrungenderebenfallsinvielenKulturenüberliefertenmythi<br />

schen Prototheorie des Geistes 64 zugr<strong>und</strong>e liegen, nämlich einer Theorie des<br />

62 Neueres empirisches Material deutet darauf hin, daß es eine genetisch determinierte<br />

Neuromatrix des Körperschemas gibt, deren kontinuierliche, inputunabhängige Aktivität<br />

auch für Schmerzen in Phantomgliedern mitverantwortlich sein könnte. Vgl. Melzack 1989,<br />

1992. Einegute Hypothese für die im Text diskutierten OBEs könnte davon ausgehen, daß in<br />

speziellen Streßsituationen, in denen das Gehirn von allem propriozeptiven Input abgeschnit<br />

ten ist, die Aktivität der „fest verdrahteten“ Neuromatrix jedoch andauert, ein phänomenales<br />

Modell der Form <strong>und</strong> der Bewegungen des Körpers ohne Schwereempfindungen erzeugt wird:<br />

Ein ätherischer Leib, mit dem das Erlebnissubjekt durch vom Gehirn simulierte Modelle der<br />

Wirklichkeit schweben kann.<br />

63 Einen kurzen Überblick über die Literatur <strong>und</strong> die Forschungstrends vom neunzehnten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert bis zum Jahre 1987 bietet Alvarado in Alvarado 1989 an. Ein Überblick über die<br />

Phänomenologie findet sich in Irwin 1985: 76ff; eine Analyse von verschiedenen Fallstudien<br />

in Blackmore 1982a: 56ff, von Berichten über OBEs in anderen Kulturen <strong>und</strong> verschiedenen<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen in Blackmore 1982a: 71ff bzw. 82ff.<br />

64 In vielen Kulturen finden wir vorwissenschaftliche Theorien über einen Lebenshauch<br />

(den hebräischen ruach, den arabischen ruh, den lateinischen spiritus, das griechische Pneuma<br />

oder das indische prana bzw. die fünf koshas usw.) , welcher den Körper belebt <strong>und</strong> bei<br />

Ohnmachten <strong>und</strong> im Tod verläßt. Wir haben es hier mit einem noch sinnlich konkreten Bild<br />

des Geistigen zu tun, das Teile zusammenhält auch Gesellschaften <strong>und</strong> Gruppen von Men<br />

schen. In der abendländischen Philosophie des Geistes hat dieser Protobegriff des Geistes<br />

durch die Pneumatologie von Anaximenes im sechsten vorchristlichen Jahrh<strong>und</strong>ert über<br />

Diogenes von Apollonia <strong>und</strong> die aristotelische Unterscheidung zwischen Atemluft <strong>und</strong> psychi

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