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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 185<br />

Typs einen wie auch immer gearteten epistemischen Gehalt, stehen sie in<br />

einer repräsentationalen Ähnlichkeitsbeziehung zur Situation des Systems<br />

in der Welt oder sind mystische Erlebnisse zwar die schönsten <strong>und</strong> ergrei<br />

fendsten Bewußtseinszustände, die dem Menschen möglich sind, aber aus<br />

der Perspektive einer empirisch f<strong>und</strong>ierten, philosophischen Theorie des<br />

Geistes leere Makro Simulate? Solche Fragen beziehen sich auf Bewußt<br />

seinszustände, die man im Vorgriff <strong>und</strong> in Anlehnung auf die in den beiden<br />

folgendenKapitelndiskutiertenGedankenThomasNagelsalsdenGroßen<br />

Blick von nirgendwo bezeichnen könnte. Der Große Blick von nirgendwo<br />

setzt allerdings keinen inneren Perspektivenwechsel voraus, sondern den<br />

Tod des phänomenalen Selbst: Das vollständige Zurruhekommen der die<br />

Perspektivität überhaupt erst schaffenden Zentrierungsfunktion.<br />

Die klassischen Beispiele für aus zerfallenden <strong>Selbstmodell</strong>en resultie<br />

rende Ich Störungen sind Schizophrenien. Es scheint allerdings noch keine<br />

wissenschaftlich befriedigende <strong>und</strong> empirisch abgesicherte Typologie der<br />

unter diesem Sammelbegriff zusammengefaßten pathologischen Bewußt<br />

seinszustände zu geben. 60 Vielleicht kann eine Neuroinformatik der Zu<br />

kunft uns präzise Erklärungen dafür anbieten, welche Störungen im Infor<br />

mationsfluß des menschlichen Gehirns verantwortlich sind für die mit der<br />

Schizophrenie meist einhergehenden Depersonalisationserscheinungen.<br />

Da die Phänomenologie dieser traurigen Zustände weithin bekannt ist,<br />

möchte ich sie nicht näher betrachten <strong>und</strong> wende mich nun einigen Fällen<br />

zu, in denen fiktive Selbste im inneren Erlebnisraum eines informationsver<br />

arbeitenden Systems auftreten.<br />

2) Halluzinierte Selbste<br />

Schon der Bus zum Bahnhof hatte Verspätung <strong>und</strong> zu allem Ärger haben<br />

SiesichauchnochinderSchlangeamfalschenFahrkartenschalterange<br />

stellt. Trotzdem erreichen Sie den Zug gerade noch rechtzeitig <strong>und</strong> lassen<br />

sich in einem leeren Abteil erschöpft in den Sitz fallen. Nun betrachten Sie<br />

in einem leicht unkonzentrierten <strong>und</strong> geistesabwesenden Gemütszustand<br />

die Passagiere in dem Zug auf der anderen Seite des Bahnsteigs. Plötzlich<br />

spüren Sie, wie der Zug, in dem Sie sitzen, sanft, aber mit einer stetigen<br />

Beschleunigung anfährt, die Sie in Ihrem Körper spüren. Ebenso plötzlich<br />

setzt die körperliche Empfindung aus <strong>und</strong> Ihnen wird bewußt, daß es der<br />

andere Zug ist, der langsam begonnen hat, den Bahnhof zu verlassen.<br />

Was Sie soeben erlebt haben war eine kinästhetisch propriozeptive Hal<br />

luzination, ein irrtümlich vom Gehirn aktiviertes Modell des Gewichts <strong>und</strong><br />

der Beschleunigung ihres Körpers. Das in solchen Situationen dominante<br />

visuelle Modell ihrer Umgebung ließ in der speziellen Input Konstellation<br />

zwei konsistente Interpretationen zu: Der andere Zug fährt an oder der<br />

60 Auch die Genese dieser endogenen Psychose ist noch weitgehend ungeklärt. Zur Diffe<br />

rentialdiagnose <strong>und</strong> den diagnostischen Kriterien der verschiedenen Formen schizophrenifor<br />

mer Störungen vgl. etwa das DSM II R 295.10 295.94 (1989: 165ff.).

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