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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 183<br />

ternen Wirklichkeit ereignen: Optisch halluzinatorische Erscheinungen 54 ,<br />

auditiv visuelle Synästhesien (zum Beispiel Item 138: „Die Farben von<br />

dem, was ich sah, wurden durch Töne oder Geräusche verändert“) 55 ,inten<br />

sives Bedeutungserleben in bezug auf Gegenstände in der Umgebung (man<br />

könnte sagen: Die Entstehung eines magischen mentalen Modells der Welt)<br />

<strong>und</strong> eine aus der Erhöhung des allgemeinen neuronalen Erregungsniveaus<br />

resultierende „Aktivierung der Vorstellungstätigkeit, daß sie Wahrneh<br />

mungscharakter erhält“. 56<br />

Mit Blick auf die philosophisch interessante Frage nach den Bedingun<br />

gen des Zerfalls von <strong>Subjekt</strong>ivität sind natürlich die Dimensionen Angst<br />

volle Ichauflösung <strong>und</strong> Ozeanische Selbstentgrenzung interessant, weil sie<br />

unter anderem zeigen, wie die Desintegration des eigenen <strong>Selbstmodell</strong>s<br />

von unserem Gehirn emotional sehr unterschiedlich modelliert werden<br />

kann. Den klassischen „Horrortrip“, die dysphorische Variante des zerfal<br />

lenden <strong>Subjekt</strong>s, beschreibt Dittrich wie folgt:<br />

Darüber hinaus ist die Einheit der Person im Vergleich zum NWB [= normalen<br />

Wachbewußtsein, Anmerkung TM] zersplittert, indem die Verfügbarkeit über<br />

normale Ichfunktionen nicht mehr gegeben ist: Das Denken ist verändert,<br />

indem man Wichtiges von Unwichtigem nicht mehr unterscheiden kann (Item<br />

9), Gedankengänge von Nebengedanken unterbrochen werden (Item 32) <strong>und</strong><br />

immer wieder abreißen (Item 136). Der Zustand einer „völligen Leere im<br />

Kopf“ (Item 158) tritt auf. Das Gefühl der willentlichen Selbstbestimmbarkeit<br />

ist verlorengegangen (Item 66), man hat Mühe, auch nur die kleinste Entschei<br />

dung zu treffen (Item 107), fühlt sich wie gelähmt (Item 110), wie eine Mario<br />

nette (Item 83) oder wie ein Automat (Item 55) <strong>und</strong> verharrt wie erstarrt in<br />

einer ganz unnatürlichen Haltung (Item 105). 57<br />

Interessant in Zusammenhang mit Thomas Nagels objective self ist auch<br />

Item 157: „Ich beobachtete mich selbst wie einen fremden Menschen“.<br />

Hier handelt es sich aber nicht um eine mentale Simulation (ein philosophi<br />

sches Gedankenexperiment), sondern um einen komplett veränderten Be<br />

wußtseinszustand, also um einen abweichenden phänomenalen Gesamtzu<br />

54 Solche mentalen Modelle weisen Formkonstanten über verschiedene repräsentationale<br />

Gesamtzustände hinweg auf, die man deshalb vielleicht als determiniert durch Eigenheiten<br />

der spezifischen neurobiologischen Implementationsstruktur des menschlichen Gehirns (zum<br />

Beispiel der anatomischen Struktur des visuellen Cortex) interpretieren kann. Vgl. Dittrich<br />

1985: 208; Siegel ⁄ Jarvik 1975.<br />

55 In Rahmen der von mir angedeuteten Theorie mentaler Repräsentation bedeutet das,<br />

daß mentale Präsentate durch veränderte physische Randbedingungen miteinander interagie<br />

ren bzw. daß ein sensorischer information overflow dazu führt, daß die normale Zuordnung<br />

von Format <strong>und</strong> auslösendem Modul nicht mehr gegeben ist. Vgl. Abschnitt 2.1.3 des vorange<br />

gangenen Kapitels.<br />

56 Vgl. Dittrich 1985: 209. Das zuletzt genannte Phänomen kann man vielleicht durch<br />

folgende provisorische Hypothese einer Erklärung näherbringen: Aufgr<strong>und</strong> des erhöhten Erre<br />

gungsniveaus gewinnen mentale Simulate durch die stark angestiegene unterliegende Signal<br />

stärke einen Präsentationsaspekt hinzu <strong>und</strong> werden deshalb vom System irrtümlich als über<br />

die Standard Kausalketten aktivierte Repräsentate interpretiert.<br />

57 Vgl. Dittrich 1985: 206.

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