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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 179<br />

Die Grenzen des <strong>Selbstmodell</strong>s sind die Grenzen des phänomenalen<br />

Selbst. 46 An dem Beispiel der „körperlosen Frau“ wird zudem deutlich, was<br />

es bedeutet, daß das <strong>Selbstmodell</strong> ein multimodales Modell ist: Es kann um<br />

einzelne Modalitäten depriviert werden, aber in manchen Situationen den<br />

Verlust von Informationsquellen über eine Verstärkung anderer Kanäle<br />

funktional kompensieren. Fällt durch einen Defekt auf der „Hardware<br />

Ebene“ ein bestimmtes sensorisches Modul aus, bleibt der entsprechende<br />

phänomenale Verlust jedoch für die Dauer der Störung bestehen. Das<br />

<strong>Selbstmodell</strong> wird um einen bestimmten qualitativen Aspekt ärmer, ob<br />

wohl die Steuerfunktion in manchen Situationen dadurch rehabilitiert wer<br />

den kann, daß auf den Informationsfluß aus den verbliebenen Sinnesmodu<br />

len verstärkt zugegriffen wird. Die Psychologie des Systems kann sich dabei<br />

jedoch tiefgreifend verändern. In dem tragischen Fall, den ich hier als<br />

Beispiel anführe, wurde das phänomenale Loch im subjektiven Erlebnis<br />

raum zu einem bleibenden Verlust.<br />

...InfolgedesnochimmerbestehendenVerlustesderEigenwahrnehmunghat<br />

sie das Gefühl, ihr Körper sei tot, nicht wirklich, gehöre nicht zu ihr sie ist<br />

unfähig, eine Verbindung zwischen ihm <strong>und</strong> sich selbst herzustellen. Es fehlen<br />

ihr die Worte, um diesen Zustand zu beschreiben. Sie muß auf Analogien<br />

zurückgreifen, die sich auf andere Sinnesorgane beziehen: „Es ist, als sei mein<br />

Körper sich selbst gegenüber blind <strong>und</strong> taub . . . Er hat kein Gefühl für sich<br />

selbst.“...<br />

...„Esist,alshättemanmiretwasentfernt,etwasausmeinemZentrum.Das<br />

macht man doch mit Fröschen, stimmt’s? Man entfernt ihnen das Rücken<br />

mark, man höhlt sie aus . . .Genau das ist es: Ich bin ausgehöhlt,wieeinFrosch<br />

. . . Kommen Sie, meine Herrschaften, treten Sie ein, sehen Sie Chris, das erste<br />

ausgehöhlte menschliche Wesen. Sie hat keine Eigenwahrnehmung, kein Ge<br />

fühl für sich selbst Chris, die ausgehöhlteFrau, die Frau ohne Körper!“ Sie<br />

bricht in ein haltloses, fast hysterisches Lachen aus. Ich beruhige sie, während<br />

ich denke: Hat sie vielleicht recht? 47<br />

Der räumlich codierte Teil unseres <strong>Selbstmodell</strong>s, unseres Erlebniszen<br />

trums kann ausgehöhlt werden. Dann sind wir uns nur noch visuell als res<br />

extensa gegeben. Was aber geschieht, wenn höhere Formen mentaler Reprä<br />

sentation ausfallen, Formen die intellektuell kognitive Funktionen in der<br />

Ökonomie unseres Innenlebens erfüllen?<br />

46 Das <strong>Selbstmodell</strong> ist also genau diejenige Partition des von einem Repräsentationssy<br />

stem intern geöffneten Darstellungsraums, der zu seinem phänomenalen Innenraum wird.<br />

Thomas Nagel hat in einer frühen Arbeit darauf hingewiesen, daß eine der zentralen philoso<br />

phischen Fragen auf die inneren Grenzen des Selbst, auf den Horizont des inneren Raumes<br />

verweist. Kann uns ein auf der personalen Ebene angesiedelter Begriff des Wissens oder der<br />

absichtsvollen Handlung bei dieser kategorialen Demarkation behilflich sein? „It may be<br />

(though I doubt it) that the idea of a person, with which these other concepts are bo<strong>und</strong> up, is a<br />

dying notion, not likely to survive the advances of scientific psychology and neurophysiology.<br />

Perhaps we shall have to fall back on the idea of an organism or an organic system.“ (Nagel<br />

1969: 457)<br />

47 Vgl. Sacks 1987: 79f.

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