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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 177<br />

3.2.2 Deviante mentale Modelle des Selbst: Ich Störungen, halluzinierte<br />

Selbste, multiple Selbste <strong>und</strong> luzide Träume<br />

Ich habe schon in Abschnitt 2.3.2 einige Grenzfälle mentaler Realitätsmo<br />

dellierung untersucht, um zu einem besseren Verständnis der Behauptung<br />

beizutragen, phänomenales Bewußtsein sei aufs engste mit repräsentatio<br />

nalen Gesamtzuständen korreliert. Durch eine solche Analyse von psychi<br />

schen Nicht Standardsituationen wollte ich neue Perspektiven auf die<br />

Frage gewinnen, was es heißt, daß unser normales Wachbewußtsein <strong>und</strong><br />

seine Inhalte das Resultat vielfältiger Repräsentationsprozesse in unseren<br />

Gehirnen sind. In Analogie zu diesem Unternehmen werde ich nun meine<br />

Leser erneut zu einem kleinen Seitensprung in die empirische Psychologie<br />

veränderter Bewußtseinszustände einladen denn grau ist alle Theorie <strong>und</strong><br />

vielerlei Früchte wachsen auf dem goldenen Baum unseres Innenlebens.<br />

Manche von ihnen sind süß, andere bitter doch lehrreich ist ihr Genuß<br />

allemal. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam einige Fälle betrachten, in<br />

denen die Aktivierung ungewöhnlicher <strong>Selbstmodell</strong>e zu ungewöhnlichen<br />

Formen von subjektivem Bewußtsein <strong>und</strong> Selbsterleben führt.<br />

1) Zerfallende <strong>Selbstmodell</strong>e: Ich Störungen<br />

Beginnen wir mit dem phylogenetisch ältesten Teil des menschlichen<br />

<strong>Selbstmodell</strong>s, dem mentalen Körperbild. Wir kennen vielfältige Störungen<br />

des phänomenalen Körperschemas. SolcheStörungen können wir zum Bei<br />

spiel beim Einschlafen erleben oder in der Aufwachphase nach einer Voll<br />

narkose. Es gibt außerdem neurologische Erkrankungen (zu denen auch<br />

einigedervonmiramBeginndesletztenKapitelsangesprochenenNeglek<br />

te <strong>und</strong> Agnosien gehören), in deren Folge Patienten Teile ihres Körpers<br />

nicht mehr als Teile ihres Körpers erleben etwa, wenn sie ihr eigenes<br />

Gesicht nicht mehr im Spiegel wiedererkennen können, eine Hälfte ihres<br />

Körpers nicht mehr waschen <strong>und</strong> ankleiden oder eine Gesichtshälfte nicht<br />

mehr rasieren.<br />

Das körperliche <strong>Selbstmodell</strong> wird aus Information konstruiert, die über<br />

wiegend aus drei Quellen stammt: Dem Gleichgewichtssinn, der visuellen<br />

Modalität <strong>und</strong> der propriozeptiven Eigenwahrnehmung. Ein scharf um<br />

grenzter Ausfall der Propriozeption führt zum Ausfall des Körpergefühls,<br />

desjenigen Teils unseres phänomenalen <strong>Selbstmodell</strong>s, der uns vielleicht als<br />

der sicherste <strong>und</strong> gewisseste überhaupt erscheint. Oliver Sacks beschreibt<br />

den seltenen Fall einer sehr selektiven sensorischen Polyneuropathie, der<br />

ausschließlich propriozeptive Nervenfasern betraf. 41<br />

Aber am Tag der Operation hatte sich Christinas Zustand weiter verschlechtert.<br />

Sie konnte nur stehen, wenn sie dabei auf ihre Füße sah. Ihre Hände „machten<br />

sich selbständig“, <strong>und</strong> sie konnte nur etwas festhalten, wenn sie sie im Auge<br />

behielt. Wenn sie etwas in die Hand nehmen oder etwas in den M<strong>und</strong> stecken<br />

41 Vgl. Sacks 1987: 69ff. Siehe auch <strong>Metzinger</strong> 1997.

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