Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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3. Kapitel<br />
net: Das <strong>Selbstmodell</strong> wird so zuverlässig <strong>und</strong> schnell aktiviert, daß es<br />
mental nicht als Konstrukt repräsentiert wird zumindest gilt dies für seine<br />
phylogenetisch alten Elemente. Man kann deshalb sagen, daß wir erlebnis<br />
mäßig in einem naiv realistischen Selbstmißverständnis gefangen sind, da<br />
wir den Unterschied zwischen Person <strong>und</strong> phänomenaler Person subjektiv<br />
nicht machen können. Dieses naiv realistische Selbstmißverständnis ist ein<br />
zentrales Charakteristikum unserer Form von Selbstbewußtsein <strong>und</strong> wird<br />
durch die speziellen Mechanismen der Informationsverarbeitung verur<br />
sacht, die dieses Bewußtsein hervorbringen. Es könnte natürlich andere<br />
Formen der Selbstrepräsentation geben, die unter Umständen auch andere<br />
psychologische Eigenschaften mit sich brächten.<br />
Analytische Philosophen haben sich dem Problem der <strong>Subjekt</strong>ivität oft<br />
genähert, indem sie die Logik des Wörtchens „Ich“ akribischen Untersu<br />
chungen unterzogen. Phänomenale <strong>Subjekt</strong>ivität entsteht jedoch durch in<br />
terne Analogrepräsentation <strong>und</strong> nicht durch öffentliche Selbstbezugnahme.<br />
Auf der anderen Seite bedienen sich zumindest menschliche Organismen<br />
auch externer Repräsentationssysteme, um Wissen über sich selbst zu er<br />
werben oder in Kommunikationssituationen auf sich selbst bezugzuneh<br />
men. Externe Repräsentationsprozesse zum Beispiel die sprachliche<br />
Selbstzuschreibung psychologischer Eigenschaften („Ich bin jetzt gerade<br />
etwas verwirrt“) beeinflussen den psychischen Zustand von menschlichen<br />
Personen ohne Zweifel sehr stark, aber sie tun dies nur indirekt. Nach<br />
unserem derzeitigen Kenntnisstand ist es plausibel, anzunehmen, daß die<br />
Bewußtseinszustände <strong>und</strong> psychologischen Eigenschaften von Menschen<br />
sehr eng mit den internen, repräsentationalen Gesamtzuständen ihrer Ge<br />
hirne korreliert sind. 38 Die Entstehung von repräsentationalen Gesamtzu<br />
ständen folgt jedoch, wie wir gesehen haben, völlig anderen Gesetzmäßig<br />
keiten. Externe Symbolketten beinflussen unsere subjektiven Zustände<br />
nur, indem sie durch unsere Gehirne in Form von mentalen Modellen,d.h.<br />
in analogem Format intern abgebildet werden. Es mag sein, daß wir man<br />
che höherstufigen kognitiven Operationen überhaupt erst erlernt haben,<br />
weil wir sie zuerst mit Hilfe externer, physischer Symbolsysteme (Schall<br />
wellen, Schriftzeichen) erbracht haben <strong>und</strong> dann die sequentielle Abfolge<br />
<strong>und</strong> Manipulation externer Repräsentate intern durch mentale Modelle<br />
von Fodor <strong>und</strong> Pylyshyn bezeichnen, die eine interne Syntax besitzen <strong>und</strong> eine regelgeleitete<br />
Transformation von Symbolen durchführen, welche auf formalen Eigenschaften mentaler<br />
Repräsentate beruht. Die Einführung des Terms „semantisch transparentes System“ (STS)<br />
geschieht hier in Anlehnung an Arbeiten von Smolensky; vgl. Smolensky 1987, 1988 mit<br />
der Zielsetzung der Abgrenzung solcher Systeme gegenüber konnektionistischen Systemen, die<br />
repräsentationalen Gehalt intern durch „verborgene Einheiten“ darstellen. Vgl. Clark 1989:<br />
17 21, 111 120.<br />
38 Die Korrelationsthese kann sowohl als Prämisse für Identitätstheorien als auch für<br />
dualistische Interpretationen der psychophysischen Relation fungieren. Dies gilt natürlich<br />
letztlich auch für die Beziehung zwischen phänomenalen <strong>und</strong> repräsentationalen Zuständen:<br />
Aus ihrer Korreliertheit folgt noch nicht ihre Identität. Empirisch plausibel ist dagegen die<br />
These, daß phänomenale Eigenschaften durch bestimmte Kombinationen <strong>und</strong> höherstufige<br />
Verschachtelungen repräsentationaler Zustände instantiiert werden.