Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 173<br />
Die in unserem Zusammenhang interessante Frage lautet: Ist die Rela<br />
tion zwischen Person <strong>und</strong> phänomenaler Person eine epistemische Bezie<br />
hung? Wir haben es hier mit einem Sonderfall zu tun, bei dem eine Person<br />
sich mental selbst als Person repräsentiert. Das bedeutet: Sie simuliert sich<br />
intern als eine Entität mit physischen <strong>und</strong> psychologischen Eigenschaften,<br />
die gewissen philosophischen Theorien zufolge durch einen logisch nicht<br />
weiter analysierbaren Begriff nämlich „Person“ erfaßt wird. Sie tut dies,<br />
indem sie eine interne Datenstruktur erzeugt, die neurobiologisch realisiert<br />
ist. Die phänomenale Person ist also ein neurobiologisch realisiertes Simu<br />
lat, das in einer Ähnlichkeitsrelation zu dem physischen System steht,<br />
durch das es generiert wird. Während derjenigen Zeiträume, in denen eine<br />
Person eine phänomenale Person in sich erzeugt, ist sie demnach auch eine<br />
selbstähnliche physische Struktur.<br />
Nun kann man fragen, ob diese dem psychischen Phänomen des Selbst<br />
bewußtseins zugr<strong>und</strong>eliegende interne Selbstähnlichkeit eines informa<br />
tionsverarbeitenden Systems bzw. einer Person als eine Form von Wissen<br />
außerhalb von Sätzen gelten darf. Entscheidet man sich für einen engen<br />
Wissensbegriff, der öffentliche, propositionale Repräsentate, Wahrheit <strong>und</strong><br />
Referenz voraussetzt, dann folgt daraus die Opazität von <strong>Subjekt</strong>ivität.<br />
Was soll das heißen? Es bedeutet, daß unser inneres Erleben der eigenen<br />
Zustände prinzipiell nicht als Wissen gelten kann: Unser Selbstbewußtsein<br />
ist epistemisch dunkel, die cartesianische Selbsttransparenz des Bewußt<br />
seins existiert nicht. Esgibt nur subjektives Erleben,aberkeineSelbstgewiß<br />
heit des <strong>Subjekt</strong>s. Vielen Philosophen, die an eine radikale Biologizität aller<br />
psychologischen Eigenschaften glauben, wird diese Interpretation auch<br />
angesichts der genetischen Erklärung des phänomenalen <strong>Subjekt</strong>s als eines<br />
abstrakten Organs, das im Verlauf einer biologischen Wettbewerbssituation<br />
entstanden ist zusagen.<br />
Man kann den Spieß jedoch auch umdrehen <strong>und</strong> erwidern: Um so<br />
schlechter für den philosophischen Wissensbegriff, umso schlechter für die<br />
derzeitige Erkenntnistheorie. Die Leistungen, die Organismen durch<br />
<strong>Selbstmodell</strong>ierung erbringen können, speziell die Fortschritte des Men<br />
schen in bezug auf seine Interaktion mit der Welt <strong>und</strong> seinen Artgenossen,<br />
die ihm durch ein reiches, stabiles <strong>Selbstmodell</strong> möglich wurden, sind<br />
gegenüber früheren Entwicklungsstufen so enorm, daß man sie überhaupt<br />
nur verstehen kann, wenn man sie als einen Zuwachs von Wissen interpre<br />
tiert. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e muß man die Entwicklung einer Epistemologie<br />
natürlicher Repräsentationssysteme fordern.<br />
Daß die Natur der Beziehung zwischen Person <strong>und</strong> Selbstbewußtsein ein<br />
Problem ist, tritt erst auf der Ebene theoretischer Reflexion zutage. Unser<br />
durch mentale Modellierung erzeugtes phänomenales Bewußtsein kennt<br />
keine kritische Distanz zu sich selbst, weil sich unser <strong>Selbstmodell</strong> durch<br />
die bereits erwähnte van Gulicksche semantische Transparenz 37 auszeich<br />
37 Man darf den van Gulickschen Begriff der „semantischen Transparenz“ nicht mit dem<br />
von Clark verwechseln. Clark möchte mit ihm klassische kognitivistische Systeme im Sinne