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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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170<br />

3. Kapitel<br />

Von den Bildern an den Wänden unserer Wohnungen unterscheiden sich<br />

die von unseren Gehirnen gezeichneten Bilder dadurch, daß sie mehrere<br />

Modalitäten umfassen <strong>und</strong> von dem sie erzeugenden Künstler in Abstän<br />

den von wenigen Millisek<strong>und</strong>en ständig verbessert <strong>und</strong> revidiert werden.<br />

Sie sind auch dadurch gekennzeichnet, daß sie in komplexe mentale Simu<br />

lationen eingehen können <strong>und</strong> daß sie in unserem eigenen Fall in<br />

regelmäßigen Zeitabständen vollkommen verschwinden.<br />

<strong>Selbstmodell</strong>e ermöglichen einem System eine ganz spezifische Form<br />

von Selbsterkenntnis. Sie verhelfen dem System zu analogem Wissen über<br />

sich selbst. Ein solches analoges Selbstwissen beruht mutatis mutandis<br />

gelten hier die meisten meiner in Abschnitt 2.2.1 über den Unterschied<br />

zwischen analogem <strong>und</strong> digitalem Wissen gemachten Bemerkungen auf<br />

einem epistemischen Vorgang des Typs „Simulation durch interne Model<br />

le“. Dieser Vorgang ist gr<strong>und</strong>verschieden von demjenigen, bei dem Spre<br />

cher natürlicher Sprachen Selbsterkenntnis in Form von wahren Sätzen<br />

über sich selbst zu erreichen versuchen.<br />

Ein <strong>Selbstmodell</strong> ist ein gutes mentales Modell des es konstruierenden<br />

Systems, wenn es eine hohe Funktionalität für dieses System besitzt. Für<br />

biologische Organismen besteht diese Funktionalität in Überlebenssiche<br />

rung <strong>und</strong> hohem Fortpflanzungserfolg. Von biologischen Systemen wie uns<br />

selbst entworfene künstliche <strong>Selbstmodell</strong>erzeuger könnten sich da sie<br />

einer anders definierten Umwelt entstammen mit ganz anderen Zielen<br />

selbst modellieren. Die Funktionalität eines <strong>Selbstmodell</strong>s ist jedoch nicht<br />

gleichbedeutend mit epistemischem Reichtum 31 , sie manifestiert sich näm<br />

lich in optimaler Verhaltenssteuerung relativ zu einer gegebenen Umwelt.<br />

Weil die von menschlichen Gehirnen erzeugten <strong>Selbstmodell</strong>e einem Mil<br />

lionen Jahre dauernden „kognitiven Wettrüsten“ 32 auf unserem Planeten<br />

entstammen, das relativ zu der spezifischen biologischen Umwelt des Men<br />

schen auf diesem Planeten zu einer Optimierung von Funktionalität führte,<br />

kann man nicht davon ausgehen, daß sie gr<strong>und</strong>sätzlich einen größeren<br />

epistemischen Gehalt besitzen als die Ergebnisse anderer Selbstrepräsenta<br />

tionsprozesse etwa Beschreibungen unserer selbst durch wissenschaftli<br />

che Theorien. Wenn sie jedoch einen hohen Wissensgehalt besitzen, dann<br />

dadurch, daß sie einen optimalen Grad von Ähnlichkeit erreichen. Wir<br />

erinnern uns: Ein gutes internes Simulat ist im Normalfall durch seine<br />

problemlose Einbettbarkeit in das aktuelle Weltmodell charakterisiert.<br />

Auch für <strong>Selbstmodell</strong>e gilt, daß das System die Tatsache, daß sie sich<br />

problemlos in die relationale Gesamtstruktur des internen Realitätsmo<br />

dells einfügen lassen, als Indiz für eine weitgehende Isomorphie zwischen<br />

innerer Struktur <strong>und</strong> Repräsentandum wertet.<br />

31 In den Worten von Marcel Kinsbourne: „Iftheconceptofselfevolved,itdidsoonaccount<br />

of adaptive advantage, not because it reflects some objective truth. The concept of self reifies the<br />

organizing activity of a cybernetic device that incorporates its history (,experience‘) into the basis<br />

for its actions. It is the construct aro<strong>und</strong> which are organized impressions and intentions that<br />

reach awareness.“ (Kinsbourne 1988: 249)<br />

32 Diese Metapher stammt von Andy Clark. Vgl. Clark 1989: 62.

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