Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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3. Kapitel<br />
bezeichnet, <strong>und</strong> zwar um anzudeuten, daß sie dem erlebten Modell der<br />
Welt einen Mittelpunkt verleiht. Das Rätsel besteht in der bereits im ersten<br />
Kapitel formulierten Frage: Wie können in einer objektiv mittelpunktlosen<br />
Welt derartige phänomenale Zentren entstehen? Im nächsten Kapitel wer<br />
den wir dieser Frage erneut begegnen.<br />
<strong>Selbstmodell</strong>e sind physisch realisierte Datenstrukturen, die von infor<br />
mationsverarbeitenden Systemen intern aufgebaut werden. Dadurch, daß<br />
sie in eine umfassendere interne Datenstruktur eingebettet werden, ent<br />
steht bezüglich des so veränderten Gesamtmodells der Wirklichkeit eine<br />
neue Eigenschaft: Es wird nun zu einem perspektivischen Modell der Wirk<br />
lichkeit. Diese „Perspektivität“ ist aufs engste verwandt mit dem, was ich<br />
Zentriertheit genannt habe. Ich glaube andererseits nicht, daß es „perspek<br />
tivische Fakten“ im Nagelschen Sinne gibt <strong>und</strong> werde später gegen diesen<br />
ungerechtfertigten Schluß argumentieren. „Perspektivität“ ist aber eine<br />
sehr fruchtbare phänomenologische Metapher, weil sie genau den essentiel<br />
len <strong>und</strong> doch relationalen Aspekt psychologischer <strong>Subjekt</strong>ivität einfängt,<br />
der eine so große Schwierigkeit für post metaphysische Theorien des<br />
Selbstbewußtseins darstellt. <strong>Selbstmodell</strong>e sind möglicherweise diejenigen<br />
empirisch verankerbaren theoretischen Entitäten unterhalb der personalen<br />
Beschreibungsebene, die wir benötigen, um das theoretische Rätsel zu lö<br />
sen. Denn <strong>Selbstmodell</strong>e treten nicht isoliert auf, sie verändern repräsenta<br />
tionale Gesamtzustände. Das tun sie, indem sie ihrerseits einen Teil der<br />
vom System konstruierten mentalen Repräsentate verbinden <strong>und</strong> so auf ein<br />
psychologisches <strong>Subjekt</strong> dessen Zustände sie nun werden zentrieren.<br />
Man kann sagen: Mentale <strong>Selbstmodell</strong>ierung durch Systeme unseres eige<br />
nen Typs ist genau der Sonderfall von repräsentationaler Objektbildung,<br />
der zugleich auch zu einer <strong>Subjekt</strong>bildung führt.<br />
Fassen wir noch einmal zusammen. <strong>Selbstmodell</strong>e sind komplexe Daten<br />
strukturen, die innerhalb größerer Datenstrukturen auftreten <strong>und</strong> diese<br />
verändern. Ihre Funktion besteht unter anderem darin, daß sie solche dy<br />
namischen, sich ständig verändernden Datenstrukturen zentrieren. Diese<br />
Zentriertheit des repräsentationalen Gesamtzustandes bringt neue psychi<br />
sche Phänomene mit sich. Zum Beispiel entsteht ein Erlebnisbrennpunkt,<br />
<strong>und</strong> dadurch erhalten manche internen Repräsentate eine neue Qualität:<br />
Meinigkeit. Beim Menschen besteht das phylogenetische F<strong>und</strong>ament des<br />
<strong>Selbstmodell</strong>s wahrscheinlich im Körperschema, also in einem räumlichen<br />
Modell des es konstruierenden Biosystems. Später kommen mentale Mo<br />
delle von abstrakteren Eigenschaften des Organismus zum Beispiel seiner<br />
Interessenlage hinzu, welche das <strong>Selbstmodell</strong> schrittweise anreichern<br />
<strong>und</strong> die mehr oder weniger plastisch sind. Schließlich hat sich beim Men<br />
schen ein kognitiv intellektuelles <strong>Selbstmodell</strong> entwickelt. Dessen Bestand<br />
teile sind durch höherstufige Operationen generierte mentale Modelle, die<br />
keine räumliche Codierung mehr besitzen <strong>und</strong> auch nicht mehr einzelnen<br />
sensorischen Systemen zugeordnet werden können. <strong>Selbstmodell</strong>e sind<br />
durch funktionale Zustände erzeugte interne Datenstrukturen, die eine<br />
Funktion für das System besitzen. Bei biologischen Systemen besitzen sie