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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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168<br />

3. Kapitel<br />

bezeichnet, <strong>und</strong> zwar um anzudeuten, daß sie dem erlebten Modell der<br />

Welt einen Mittelpunkt verleiht. Das Rätsel besteht in der bereits im ersten<br />

Kapitel formulierten Frage: Wie können in einer objektiv mittelpunktlosen<br />

Welt derartige phänomenale Zentren entstehen? Im nächsten Kapitel wer<br />

den wir dieser Frage erneut begegnen.<br />

<strong>Selbstmodell</strong>e sind physisch realisierte Datenstrukturen, die von infor<br />

mationsverarbeitenden Systemen intern aufgebaut werden. Dadurch, daß<br />

sie in eine umfassendere interne Datenstruktur eingebettet werden, ent<br />

steht bezüglich des so veränderten Gesamtmodells der Wirklichkeit eine<br />

neue Eigenschaft: Es wird nun zu einem perspektivischen Modell der Wirk<br />

lichkeit. Diese „Perspektivität“ ist aufs engste verwandt mit dem, was ich<br />

Zentriertheit genannt habe. Ich glaube andererseits nicht, daß es „perspek<br />

tivische Fakten“ im Nagelschen Sinne gibt <strong>und</strong> werde später gegen diesen<br />

ungerechtfertigten Schluß argumentieren. „Perspektivität“ ist aber eine<br />

sehr fruchtbare phänomenologische Metapher, weil sie genau den essentiel<br />

len <strong>und</strong> doch relationalen Aspekt psychologischer <strong>Subjekt</strong>ivität einfängt,<br />

der eine so große Schwierigkeit für post metaphysische Theorien des<br />

Selbstbewußtseins darstellt. <strong>Selbstmodell</strong>e sind möglicherweise diejenigen<br />

empirisch verankerbaren theoretischen Entitäten unterhalb der personalen<br />

Beschreibungsebene, die wir benötigen, um das theoretische Rätsel zu lö<br />

sen. Denn <strong>Selbstmodell</strong>e treten nicht isoliert auf, sie verändern repräsenta<br />

tionale Gesamtzustände. Das tun sie, indem sie ihrerseits einen Teil der<br />

vom System konstruierten mentalen Repräsentate verbinden <strong>und</strong> so auf ein<br />

psychologisches <strong>Subjekt</strong> dessen Zustände sie nun werden zentrieren.<br />

Man kann sagen: Mentale <strong>Selbstmodell</strong>ierung durch Systeme unseres eige<br />

nen Typs ist genau der Sonderfall von repräsentationaler Objektbildung,<br />

der zugleich auch zu einer <strong>Subjekt</strong>bildung führt.<br />

Fassen wir noch einmal zusammen. <strong>Selbstmodell</strong>e sind komplexe Daten<br />

strukturen, die innerhalb größerer Datenstrukturen auftreten <strong>und</strong> diese<br />

verändern. Ihre Funktion besteht unter anderem darin, daß sie solche dy<br />

namischen, sich ständig verändernden Datenstrukturen zentrieren. Diese<br />

Zentriertheit des repräsentationalen Gesamtzustandes bringt neue psychi<br />

sche Phänomene mit sich. Zum Beispiel entsteht ein Erlebnisbrennpunkt,<br />

<strong>und</strong> dadurch erhalten manche internen Repräsentate eine neue Qualität:<br />

Meinigkeit. Beim Menschen besteht das phylogenetische F<strong>und</strong>ament des<br />

<strong>Selbstmodell</strong>s wahrscheinlich im Körperschema, also in einem räumlichen<br />

Modell des es konstruierenden Biosystems. Später kommen mentale Mo<br />

delle von abstrakteren Eigenschaften des Organismus zum Beispiel seiner<br />

Interessenlage hinzu, welche das <strong>Selbstmodell</strong> schrittweise anreichern<br />

<strong>und</strong> die mehr oder weniger plastisch sind. Schließlich hat sich beim Men<br />

schen ein kognitiv intellektuelles <strong>Selbstmodell</strong> entwickelt. Dessen Bestand<br />

teile sind durch höherstufige Operationen generierte mentale Modelle, die<br />

keine räumliche Codierung mehr besitzen <strong>und</strong> auch nicht mehr einzelnen<br />

sensorischen Systemen zugeordnet werden können. <strong>Selbstmodell</strong>e sind<br />

durch funktionale Zustände erzeugte interne Datenstrukturen, die eine<br />

Funktion für das System besitzen. Bei biologischen Systemen besitzen sie

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