Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 167<br />
modells auf. Die Frage „Wie ist es, ein nicht zentrierter Bewußtseinsraum<br />
zu sein?“scheint sinnlos. 26 Wenn „Wie es ist, ein X zu sein“gleichbedeutend<br />
ist mit „Wie es ist, das von X konstruierte <strong>Selbstmodell</strong> (in dem von X<br />
konstruierten Weltmodell) zu sein“, dann ergibt sich unter anderem die<br />
folgende Frage: Ist die phänomenale Eigenschaft der <strong>Subjekt</strong>zentriertheit<br />
mentaler Zustände logisch verknüpft mit ihrem qualitativen Gehalt? Ge<br />
hört das Auftreten von Qualia zum Begriff des psychologischen <strong>Subjekt</strong>s in<br />
einer modernen, naturalistischen Theorie des Geistes?<br />
Ich meine, wir müssen uns vor jeder Form von Humanchauvinismus<br />
hüten. Tatsächlich ist es wahr, daß Selbstbewußtsein in unserem eigenen<br />
Fall fast ausschließlich mit qualitativem Gehalt einhergeht. Es ist sogar so,<br />
daß die allermeisten von uns sich Selbstbewußtsein ohne Emotionen <strong>und</strong><br />
Körpergefühl, ohne Farben, Klänge <strong>und</strong> Gerüche nicht einmal vorstellen<br />
können. 27 Aus der in den vorangegangenen Abschnitten skizzierten Theorie<br />
mentaler Repräsentation geht jedoch eines hervor: Imaginierbarkeit ist<br />
nicht dasselbe wie Analytizität. Daß wir uns etwas vorstellen können, be<br />
deutet nämlich nur, daß unsere Gehirne die entsprechenden mentalen Si<br />
mulationen problemlos durchführen können. Da mentale Modelle jedoch<br />
keine Syntax besitzen <strong>und</strong> untereinander nicht in Folgerelationen stehen,<br />
kann man aus der Möglichkeit oder Unmöglichkeit! gewisser mentaler<br />
Simulationen nicht auf logische Möglichkeit oder Unmöglichkeit verwand<br />
ter propositionaler Wahrheiten schließen. 28<br />
Es ist durchaus denkbar, daß im menschlichen Wachbewußtsein qualita<br />
tiver Gehalt <strong>und</strong> <strong>Subjekt</strong>ivität nur deshalb immer koinstantiiert sind, weil<br />
die neurobiologischen Randbedingungen für mentale Präsentation <strong>und</strong><br />
mentale <strong>Selbstmodell</strong>ierung identisch oder in ihrem Auftreten eng ver<br />
knüpft sind. Aus dieser Tatsache dürfen keine voreiligen Schlüsse für eine<br />
generelle, philosophische Theorie des Geistes gezogen werden. In jedem<br />
Fall ist es richtig, zu sagen, daß durch interne <strong>Selbstmodell</strong>ierung eine<br />
faszinierende neue Eigenschaft phänomenalen Bewußtseins erzeugt wird,<br />
die uns ein philosophisches Rätsel aufgibt. Eine befriedigende naturalisti<br />
scheTheoriedesGeisteswirdunsdieLösungdiesesRätselsbietenmüssen<br />
oder sollte uns zumindest erklären, warum wir es immer falsch verstan<br />
den haben. Die problematische neue Eigenschaft habe ich als Zentriertheit<br />
26 Sicher gibt es solche Klassen von Realitätsmodellen, etwa bei Tieren, Kleinkindern oder<br />
im Falle mystischer Bewußtseinszustände. Für Systeme, die solche nicht zentrierten Reprä<br />
sentationsräume in sich öffnen, sind bestimmte theoretische Fragestellungen jedoch apriori<br />
unzugänglich. Ein System ohne <strong>Selbstmodell</strong> kann Thomas Nagels philosophisches Problem<br />
nicht erfassen.<br />
27 Die Frage, die sich hier stellt, ist die nach der Möglichkeit qualia freier Realitätsmodelle.<br />
Wenn ich recht habe <strong>und</strong> es prinzipiell auch komplexe mentale Modelle der Realität ohne<br />
Präsentate (vgl. Abschnitt 2.1.3)geben könnte, dann ist auch so etwas wie ein nicht sinnliches,<br />
nicht leibgeb<strong>und</strong>enes phänomenales Bewußtsein logisch möglich. Vielleicht könnten sich<br />
Großrechner oder Mathematiker im Mathematikerhimmel einer solchen psychischen Lebens<br />
form ohne qualitativen Gehalt erfreuen oder auch nicht.<br />
28 Dieser Fehler unterläuft sogar Saul Kripke in seinem Argument gegen die Identitätstheo<br />
rie. Vgl. Kripke 1971, 1972.