Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
166<br />
3. Kapitel<br />
welches den Vorgang der Selbstsimulation „beobachtet“, steuert <strong>und</strong> sich<br />
selbst als den mentalen Agenten betrachtet. Zumindest ist dies sein Gehalt:<br />
Es ist das <strong>Selbstmodell</strong> eines Systems, das jetzt gerade absichtlich eine<br />
Selbstsimulation durchführt. 24 Ist ein solches, die kritische Distanz zum<br />
eigenen psychischen Zustand schaffendes Meta <strong>Selbstmodell</strong> nicht vorhan<br />
den, so entstehen Zustände des phänomenologischen Typs „Traum“ oder<br />
„komplexe Halluzination“. Ich werde auf solche Zustände im übernächsten<br />
Abschnitt zurückkommen <strong>und</strong> dort auf verschiedene Formen der mentalen<br />
Simulation des Selbst hinweisen.<br />
Ob wir es nun mit <strong>Selbstmodell</strong>ierung als Repräsentationsprozeß oder<br />
bloß mit <strong>Selbstmodell</strong>ierung als Simulation zu tun haben: Immer wird die<br />
Struktur des mentalen Realitätsmodells gr<strong>und</strong>legend verändert. Mit der<br />
Aktivierung eines stabilen <strong>Selbstmodell</strong>s geht nämlich die Instantiierung<br />
völlig neuer phänomenaler Eigenschaften durch das System einher. Und<br />
zwar kann man die Funktion, die <strong>Selbstmodell</strong>ierung für ein System be<br />
sitzt, auch als die Zentrierung des Weltmodells bezeichnen. Mit anderen<br />
Worten: <strong>Selbstmodell</strong>erzeuger können ein zentriertes Bewußtsein instan<br />
tiieren. Was das heissen soll, werde ich jetzt zu erläutern versuchen. 25<br />
Mit der Aktivierung eines <strong>Selbstmodell</strong>s innerhalb eines Repräsentatio<br />
nen konstruierenden Systems werden innere Erfahrung <strong>und</strong> Introspektion<br />
überhaupt erst möglich. Aus einem Realitätsmodell wird nun ein zentrier<br />
tes Realitätsmodell <strong>und</strong> dadurch entsteht überhaupt erst subjektives Be<br />
wußtsein in der uns bekannten Form. Wenn ein Wirklichkeitsmodell sich<br />
schrittweise zu zentrieren beginnt, indem ein mehr oder weniger reiches<br />
Submodell des es konstruierenden physischen Systems in es integriert wird,<br />
steigt die Zahl der in ihm abbildbaren Sachverhalte drastisch an. Der durch<br />
das System geöffnete Repräsentationsraum wird sozusagen um die „Di<br />
mensionen“ Ich <strong>und</strong> Welt, Zukunft, Gegenwart <strong>und</strong> Vergangenheit erwei<br />
tert sein Auflösungsvermögen steigt an. Introspektion wird nun möglich,<br />
weil es erstmalig innere <strong>und</strong> äußere Zustände gibt. Gleichzeitig entsteht so<br />
auf der vorphilosopischen Ebene psychischer Realität zum ersten Mal das<br />
Leib Seele Problem. Der Raum wird differenziert in „die Welt“ <strong>und</strong> in<br />
„meinen Körper“; die Zeit zerfällt in ein „Jetzt“ <strong>und</strong> in Vergangenheit (alle<br />
gespeicherten Weltmodelle des Systems) oder Zukunft (komplexe mentale<br />
Simulate mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten).<br />
Die Qualität des „Wie es ist, ein X zu sein“, derwirimnächstenKapitel<br />
in Zusammenhang mit Thomas Nagels Arbeiten zur <strong>Subjekt</strong>ivität mentaler<br />
Zustände begegnen werden, tritt überhaupt erst im Kontext eines Selbst<br />
24 Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß mentale Modelle von manchen<br />
informationsverarbeitenden Systemen eingesetzte Werkzeuge sind. Wenn das stimmt, dann<br />
ist der kognitive Agent, der das <strong>Selbstmodell</strong> erzeugt, das System als Ganzes. Man könnte auch<br />
sagen: Personen erzeugen aus bestimmten Gründen phänomenale Personen, um sich selbst<br />
intern darzustellen. Insofern ist das im Text angesprochene Meta <strong>Selbstmodell</strong> epistemisch<br />
leer oder falsch, wenn es die phänomenale Person als den kognitiven Agenten modelliert.<br />
25 Vgl. auch <strong>Metzinger</strong> 1989.