Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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3. Kapitel<br />
Das Cogito ist nämlich die Beschreibung des phänomenalen Zustandes,<br />
der entsteht, wenn solche mentalen Modelle in ein metarepräsentiertes<br />
<strong>Selbstmodell</strong> eingebettet werden, die<br />
keine räumlichen Parameter besitzen,<br />
keinem Sinnesmodul direkt zugeordnet werden können,<br />
extern in Form propositionaler Repräsentate dargestellt 22 werden kön<br />
nen.<br />
Für das Gehirn ist die mögliche Zuordnung eines mentalen Modells zu<br />
einem Sinnesmodul ein starkes Indiz für die Externalität des Repräsen<br />
tandums, für seine „Weltlichkeit“. Die Korrelation eines mentalen Mo<br />
dells (zum Beispiel eines Gefühls) mit einer wahrnehmbaren Veränderung<br />
im räumlichen Modell des eigenen Körpers als eines ausgedehnten Ob<br />
jekts gibt ihm die Chance, es mit dem evolutionsgeschichtlichen F<strong>und</strong>a<br />
ment des internen Selbstbilds zu verknüpfen. Problematisch ist jedoch für<br />
Systeme wie uns selbst die Modellierunggewisser höherstufiger Systemzu<br />
stände („kognitive Operationen“) als eigene immer dann, wenn diese<br />
keine der beiden oben genannten Eigenschaften besitzen. Diese Situation<br />
zwingt das System, sich selbst als ein Ding mit nicht räumlichen <strong>und</strong><br />
nicht weltlichen Eigenschaften intern zu repräsentieren. Man kann sagen:<br />
Mit dem Auftreten höherer kognitiver Funktionen war das Gehirn ge<br />
zwungen, sein <strong>Selbstmodell</strong> um einen tendenziell stetig anwachsenden<br />
Bereich zu erweitern, der den Organismus intern als transm<strong>und</strong>anes,<br />
nicht geometrisches Objekt repräsentiert. Die philosophische Interpreta<br />
tion dieser komplexen neuroinformatischen Entwicklung <strong>und</strong> ihrer Fol<br />
gen für die phänomenale Struktur unseres psychischen Lebens erfolgte im<br />
abendländischen Kulturkreis durch die Einführung des metaphysischen<br />
<strong>Subjekt</strong>s in all seinen Varianten.<br />
Diesen Zusammenhang zwischen natürlicher <strong>Selbstmodell</strong>ierung (durch<br />
Gehirne) <strong>und</strong> theoretischer <strong>Selbstmodell</strong>ierung (durch philosophische <strong>und</strong><br />
wissenschaftliche Theorien) näher zu untersuchen, ist an dieser Stelle nicht<br />
mein Vorhaben. Vielmehr möchte ich meinen Lesern ein genaueres Gefühl<br />
dafür vermitteln, was mit dem neuen Begriff „<strong>Selbstmodell</strong>“ gemeint ist.<br />
Wie wir sehen, setzt es sich aus über räumliche Relationen dargestellten<br />
Elementen (Körperschema, „Leiberleben“, Emotionen) <strong>und</strong> aus sequentiell<br />
modellierten Inhalten zusammen (kognitive Operationen, „Gedanken“).<br />
Abstrakte kognitive Operationen bringen die Aktivierung solcher mentalen<br />
Modelle mit sich, die sich extern leicht in propositionaler Form wiederge<br />
ben lassen: Unsere Gedanken lassen sich sprachlich leichter ausdrücken<br />
<strong>und</strong> mitteilen, als unsere Gefühle oder Körperwahrnehmungen. Man kann<br />
deshalb solche mentalen Modelle als systeminterne Analogrepräsentate<br />
verstehen, mit denen das System externe Digitalrepräsentate (etwa Sätze in<br />
natürlichen Sprachen) für sich darstellt. Vice versa kann es manche seiner<br />
inneren Analogrepräsentate für andere Systeme in äußeren, digitalen Codes<br />
22 Oder im Sinne von McGinn 1989 durch diese indiziert werden können.