Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 163<br />
der phänomenalen Plastizität seiner Emotionen verschafft ihm eine Ah<br />
nung von dem Grad seiner eigenen funktionalen Determiniertheit.<br />
Wir sind jedoch noch wesentlich mehr als Wesen, die einen Körper <strong>und</strong><br />
biologische Interessen besitzen: Wir sind informationsverarbeitende Syste<br />
me, die intern mit nicht sensorischen Repräsentaten zweiter Ordnung ope<br />
rieren. Wir fassen mentale Modelle von über die Sinnesmodule gegebenen<br />
Gegenständen zu Klassen zusammen, repräsentieren Relationen zwischen<br />
solchen Klassen <strong>und</strong> erzeugen mentale Modelle von Propositionen oder<br />
Sätzen in öffentlichen Sprachen. 19 Unter Standardbedingungen haben diese<br />
höherstufigen kognitiven Leistungen beim Menschen eines gemeinsam:<br />
Sie werden noch einmal zu Repräsentanda eines internen Abbildungsvor<br />
gangs, der sie in Elemente des <strong>Selbstmodell</strong>s verwandelt.<br />
Die als Resultate höherstufiger Kognitionsvorgänge entstehenden inne<br />
ren Zustände haben eine Reihe spezifischer Charakteristika. In bezug auf<br />
ihre kausalen Auslösemechanismen gehen sie nicht mit einer körperlichen<br />
Erregung einher, deshalb besitzen sie auch selten eine phänomenale Loka<br />
lisierung im Körperschema. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Die<br />
höheren kognitiven Vorgängen zugr<strong>und</strong>eliegenden neuronalen Operatio<br />
nen bilden nur solche Zustände ab, die selbst bereits auf komplizierten<br />
Ereignisfolgen im zentralen Nervensystem beruhen. Das ZNS selbst ist<br />
jedoch frei von jeder Sensorik (so ist zum Beispiel das Gehirn vollkom<br />
men schmerzunempfindlich). Darum tragen höherstufige Repräsentate<br />
von Gehirnzuständen erstens keinen sinnlich qualitativen Charakter 20<br />
mehr, <strong>und</strong> zweitens besitzen sie nur noch eine sehr schwache erlebnismäs<br />
sige Lokalisierung im Körperschema. 21 Dadurch erhält dieser phylogene<br />
tisch junge <strong>und</strong> für uns Menschen sehr dominante Teil des <strong>Selbstmodell</strong>s<br />
aufgr<strong>und</strong> der in unserem mentalen Modell der Realität verkörperten<br />
„Hintergr<strong>und</strong>annahmen“ automatisch den Charakter von Nicht Welt<br />
lichkeit <strong>und</strong> von Nicht Räumlichkeit. Die auf diese Weise entstandene<br />
phänomenale Gr<strong>und</strong>struktur unseres <strong>Selbstmodell</strong>s bildet das F<strong>und</strong>a<br />
ment der Intuitionen, die die klassische abendländische <strong>Subjekt</strong>philoso<br />
phie zu explizieren versucht hat.<br />
19 Oatley (1988: 383f) argumentiert dafür, daß eine der zentralen Funktionen des Selbst<br />
modells in der Organisation <strong>und</strong> Strukturierung der Zielhierarchie eines Systems besteht.<br />
20 Wie fast alle Philosophen wissen, gibt es jedoch sehr konkrete phänomenale Qualitäten,<br />
die mit intellektuellen Operationen einhergehen etwa „Aha Erlebnisse“. Wenn ein System<br />
wie das Gehirn sich nach langen Wegen durch seinen Zustandsraum plötzlich in einem<br />
stabilen Zustand wiederfindet, kann diese Zustandsänderung auf der Ebene subjektiven Erle<br />
bens durch das Auftreten einer sehr konkreten „intellektuellen Quale“ begleitet werden. Aus<br />
gehend von der in Abschnitt 2.1.3 aufgestellten Hypothese AIT könnte man sagen: Das<br />
entsprechende mentale „Aha! Präsentat“ hat eine Funktion für das System, indem es nämlich<br />
ein plötzliches Absinken des inneren energetischen Niveaus signalisiert.<br />
21 Das Gefühl, alle wichtigen Erkenntnisvorgänge liefen im Kopf ab, ist (bei genauerem<br />
Hinsehen) nur eine Extrapolation aus der perspektivischen Organisation unseres visuellen<br />
Modells der Welt um ein scheinbar hinter unseren Augen liegendes Zentrum herum.