Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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3. Kapitel<br />
für das System auch ein Vorteil sein, ein möglichst gutes inneres Bild seines<br />
Körpers in seiner Umgebung zu besitzen. Denn sobald ein Biosystem sich<br />
in einer Umwelt wiederfindet, in der koordinierte <strong>und</strong> effektive Körperbe<br />
wegungen einen Selektionsvorteil bedeuten, wird der Besitz eines internen<br />
Modells dieses Körpers für es nützlich sein. Dabei ist es wichtig, daß dieses<br />
Modell in einer Relation zum Modell der Welt steht: Ein System, das kein<br />
Modell der Welt besitzt oder parallel zu Wahrnehmung der Umwelt in<br />
isolierten solipsistischen Fantasien schwelgt, wird auch seine Interaktionen<br />
mit dieser Umwelt nicht auf diese Weise optimieren können. Für eine<br />
optimale Bewegungskoordination sind zuallererst diegeometrischen Eigen<br />
schaften des Organismus von Bedeutung. Das bedeutet: Er muß sich intern<br />
als res extensa modellieren, als räumlich ausgedehntes physisches Ding,<br />
welches sich zusammen mit ähnlichen Objekten in einem durch gewisse<br />
physikalische Gesetze beherrschten Raum befindet. Dazu ist eine mög<br />
lichst exakte Repräsentation der Oberfläche bzw. der physischen System<br />
grenze nötig. Für komplexeres Verhalten sind dann eine ganze Reihe weite<br />
rer körperlicher Eigenschaften relevant: Die Beschleunigung, das Gewicht,<br />
die Solidität, die „Kollisionseigenschaften“ des Systems etc. Dies sind letzt<br />
lich empirische Fragen, ich gehe deshalb an dieser Stelle nicht weiter ins<br />
Detail.<br />
Man kann jedoch davon ausgehen, daß eine der ersten kognitiven Lei<br />
stungen in der Unterscheidung von Fremd <strong>und</strong> Eigenreizung bestanden<br />
hat, also in einer sehr einfachen dualen Kategorisierung mentaler Präsenta<br />
te. 15 Sobald es Systeme gab, die zur Erzeugung relationaler Repräsentate in<br />
der Lage waren, konnten auch die ersten Modelle von räumlichen Relatio<br />
nen bezüglich solcher Fremd <strong>und</strong> Eigenreize entstehen, <strong>und</strong> damit die<br />
ersten geometrischen <strong>Selbstmodell</strong>e. Solche geometrischen <strong>Selbstmodell</strong>e<br />
habensichwahrscheinlichzudementwickelt,waswirheutzutageausexter<br />
ner Perspektive als das Körperschema einer Person bezeichnen.<br />
Das Körperschema ist in unserem eigenen Fall das repräsentationale<br />
F<strong>und</strong>ament des <strong>Selbstmodell</strong>s. Neuere Erkenntnisse bezüglich des<br />
Schmerzerlebens in Phantomgliedern (z. B. nach Amputationen) deuten<br />
auf die Existenz einer genetisch determinierten Neuromatrix 16 hin, deren<br />
Aktivitätsmuster die Gr<strong>und</strong>lage des Körperschemas <strong>und</strong> des Körpergefühls<br />
sein könnte. Der inputunabhängige Teil dieses neuronalen Aktivitätsmu<br />
sters erzeugt ein kontinuierliches repräsentationales F<strong>und</strong>ament für das<br />
körperliche <strong>Selbstmodell</strong> <strong>und</strong> wird dadurch zur Gr<strong>und</strong>lage des „gewisse<br />
15 Mit anderen Worten: Zum repräsentationalen Gehalt von <strong>Selbstmodell</strong>en gehört eine<br />
bestimmte Teilmenge der durch das System erfaßbaren kausalen Eigenschaften der Welt,<br />
nämlich genau diejenigen kausalen Eigenschaften, die vom System sehr leicht, direkt <strong>und</strong><br />
zuverlässig verändert werden können.<br />
16 „In essence, I postulate that the brain contains a neuromatrix, or network of neurons, that,<br />
in addition to responding to sensory stimulation, continuously generates a characteristic pattern<br />
of impulses indicating that the body is intact and unequivocally one’s own. I call this pattern a<br />
neurosignature. If such a matrix operated in the absence of sensory inputs from the periphery of<br />
the body, it would create the impression of having a limb even when that limb has been<br />
removed.“ (Melzack 1992: 93) Vgl. auch Melzack 1989, Melzack et al. 1997.