Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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3. Kapitel<br />
Das Körpergefühl besitzt beim Menschen die bereits erwähnte „instan<br />
tane“ Qualität, weil der Vorgang seiner Aktivierung nicht noch einmal<br />
phänomenal modelliert wird. In komplexe mentale Simulationen geht es<br />
normalerweise nicht ein. Andererseits ist es eng verknüpft mit einer<br />
phylogenetisch sehr alten Klasse von mentalen Modellen, deren Auftreten<br />
deutlich mit Aktivitäten des limbischen Systems korreliert ist: Emotio<br />
nen. Emotionen kann man als sehr schnelle <strong>und</strong> stammesgeschichtlich alte<br />
(d. h. für die biologische Umwelt wahrscheinlich funktional stark opti<br />
mierte) mentale Modelle der gegenwärtigen Interessenlage des Organis<br />
mus bezeichnen. In den Worten von Robert Ornstein: „Emotionen waren<br />
hier, bevor wir es waren“. 10 Wegen dieser engen Verwandschaft können<br />
emotionale Simulationen auch spezifische Körpergefühle erzeugen. Allge<br />
mein gilt jedoch, daß das mentale Präsentat des Körpers nicht simula<br />
tionsfähig ist, weil es auf spezifischem Input beruht. Wenn wir uns mit<br />
geschlossenen Augen einen Salto vom Siebenmeterbrett vorstellen, löst<br />
dies normalerweise nicht die entsprechenden kinästhetischen Qualia auf<br />
der phänomenalen Ebene aus. Es ist jedoch denkbar, daß mentale Simula<br />
tionen eines anderen Typs den andauernden Informationsfluß aus affe<br />
renten, propriozeptiven Signalen modulieren <strong>und</strong> so auch für die qualita<br />
tive Veränderung unseres erlebten Selbstpräsentats verantwortlich sein<br />
können. All dies sind Fragen, die in das Gebiet empirischer Einzeldiszipli<br />
nen fallen. Die Antworten, die diese Disziplinen uns geben, werden zu<br />
künftig zu immer genaueren begrifflichen Unterscheidungen zwingen <strong>und</strong><br />
uns vielleicht ganz nebenbei auch zu besseren Phänomenologen machen,<br />
als wir es je waren. 11<br />
Wenden wir uns nun jedoch wieder der Frage zu, was für eine mentale<br />
Struktur es ist, die die in den vergangenen drei Abschnitten skizzierten<br />
Funktionen in sich vereint, <strong>und</strong> welche Bedeutung diese Struktur für eine<br />
philosophische Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität haben könnte.<br />
3.2 Was ist ein mentales <strong>Selbstmodell</strong>?<br />
Ein <strong>Selbstmodell</strong> ist ein in ein internes Modell der Welt eingeb<strong>und</strong>enes<br />
Analogrepräsentat deseskonstruierendenSystemsinseinerUmwelt.Sein<br />
Gegenstand ist ein diskretes physikalisches System, <strong>und</strong> hierbei handelt es<br />
10 Vgl. Ornstein 1986.<br />
11 Daß eine materialistische Revolution zu einer Bereicherung unseres Innenlebens führen<br />
wird, ist eine These, die Paul Churchland immer wieder vertreten hat: „I suggest, then, that<br />
those of us who prize the flux and content of our subjective phenomenological experience need<br />
not view the advance of materialist neuroscience with fear and foreboding. Quite the contrary.<br />
The genuine arrival of a materialist kinematics and dynamics for psychological states and<br />
cognitive processes will constitute not a gloom in which our inner life is suppressed or eclipsed,<br />
but rather a dawning, in which its marvellous intricacies are finally revealed most notably, if<br />
we apply [it] ourselves, in direct self conscious introspection.“(Churchland 1989: 66)