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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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158<br />

3. Kapitel<br />

Das Körpergefühl besitzt beim Menschen die bereits erwähnte „instan<br />

tane“ Qualität, weil der Vorgang seiner Aktivierung nicht noch einmal<br />

phänomenal modelliert wird. In komplexe mentale Simulationen geht es<br />

normalerweise nicht ein. Andererseits ist es eng verknüpft mit einer<br />

phylogenetisch sehr alten Klasse von mentalen Modellen, deren Auftreten<br />

deutlich mit Aktivitäten des limbischen Systems korreliert ist: Emotio<br />

nen. Emotionen kann man als sehr schnelle <strong>und</strong> stammesgeschichtlich alte<br />

(d. h. für die biologische Umwelt wahrscheinlich funktional stark opti<br />

mierte) mentale Modelle der gegenwärtigen Interessenlage des Organis<br />

mus bezeichnen. In den Worten von Robert Ornstein: „Emotionen waren<br />

hier, bevor wir es waren“. 10 Wegen dieser engen Verwandschaft können<br />

emotionale Simulationen auch spezifische Körpergefühle erzeugen. Allge<br />

mein gilt jedoch, daß das mentale Präsentat des Körpers nicht simula<br />

tionsfähig ist, weil es auf spezifischem Input beruht. Wenn wir uns mit<br />

geschlossenen Augen einen Salto vom Siebenmeterbrett vorstellen, löst<br />

dies normalerweise nicht die entsprechenden kinästhetischen Qualia auf<br />

der phänomenalen Ebene aus. Es ist jedoch denkbar, daß mentale Simula<br />

tionen eines anderen Typs den andauernden Informationsfluß aus affe<br />

renten, propriozeptiven Signalen modulieren <strong>und</strong> so auch für die qualita<br />

tive Veränderung unseres erlebten Selbstpräsentats verantwortlich sein<br />

können. All dies sind Fragen, die in das Gebiet empirischer Einzeldiszipli<br />

nen fallen. Die Antworten, die diese Disziplinen uns geben, werden zu<br />

künftig zu immer genaueren begrifflichen Unterscheidungen zwingen <strong>und</strong><br />

uns vielleicht ganz nebenbei auch zu besseren Phänomenologen machen,<br />

als wir es je waren. 11<br />

Wenden wir uns nun jedoch wieder der Frage zu, was für eine mentale<br />

Struktur es ist, die die in den vergangenen drei Abschnitten skizzierten<br />

Funktionen in sich vereint, <strong>und</strong> welche Bedeutung diese Struktur für eine<br />

philosophische Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität haben könnte.<br />

3.2 Was ist ein mentales <strong>Selbstmodell</strong>?<br />

Ein <strong>Selbstmodell</strong> ist ein in ein internes Modell der Welt eingeb<strong>und</strong>enes<br />

Analogrepräsentat deseskonstruierendenSystemsinseinerUmwelt.Sein<br />

Gegenstand ist ein diskretes physikalisches System, <strong>und</strong> hierbei handelt es<br />

10 Vgl. Ornstein 1986.<br />

11 Daß eine materialistische Revolution zu einer Bereicherung unseres Innenlebens führen<br />

wird, ist eine These, die Paul Churchland immer wieder vertreten hat: „I suggest, then, that<br />

those of us who prize the flux and content of our subjective phenomenological experience need<br />

not view the advance of materialist neuroscience with fear and foreboding. Quite the contrary.<br />

The genuine arrival of a materialist kinematics and dynamics for psychological states and<br />

cognitive processes will constitute not a gloom in which our inner life is suppressed or eclipsed,<br />

but rather a dawning, in which its marvellous intricacies are finally revealed most notably, if<br />

we apply [it] ourselves, in direct self conscious introspection.“(Churchland 1989: 66)

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