23.10.2012 Aufrufe

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 147<br />

Inkongruenzen <strong>und</strong> Diskontinuitäten im Lauf der Dinge lösen keinerlei<br />

Zweifel in uns aus, wir geraten niemals in ein produktives, kritisches Ver<br />

hältnis zur Realität <strong>und</strong> uns selbst ein Zustand, der zumindest allen<br />

Philosophen verabscheuungswürdig erscheinen sollte. Unser Defizit ist je<br />

doch zweitens nicht nur eines von „Meta Bewußtheit“ oder Zustandsklar<br />

heit, sondern auch ein epistemisches. Es gibt nämlich gute Gründe zu der<br />

Annahme, daß die mentalen Realitätsmodelle, die wir aus der Perspektive<br />

des Wachzustandes als unsere Träume zu bezeichnen pflegen, epistemisch<br />

weitgehend leer 255 sind. Wenn sich das aber als wahr herausstellen sollte,<br />

könnte man sagen: Träume basieren vollständig auf Simulation, es handelt<br />

sich bei ihnen aufgr<strong>und</strong> der Abwesenheit mentaler Repräsentate nicht um<br />

repräsentationale, sondern um simulationale Gesamtzustände. Ein kurzer<br />

Blick auf die funktionale Analyse <strong>und</strong> die neurobiologischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

des Traumzustandes wird diese Vermutungjedoch nur teilweise bestätigen.<br />

Die wichtigsten funktionalen Merkmale des Realitätsmodells „Traum“<br />

sind die folgenden:<br />

(1) Output Blockade: Träumer sind keine Handelnden. Das menschliche<br />

Gehirn ist nämlich, wenn es sich in dem für die Erzeugung des Realitätsmo<br />

dells „Traum“ notwendigen Zustand befindet, nicht in der Lage, motori<br />

schen Output zu erzeugen. Träumende Systeme sind aufgr<strong>und</strong> physischer<br />

Rahmenbedingungen nicht fähig, komplexe Verhaltensweisen oder Hand<br />

lungen in der physischen Welt zu initiieren. Allerdings gibt es spezifische<br />

Formen von Mikro Verhalten, wie zum Beispiel die schnellen Augenbewe<br />

gungen (rapid eye movements), welche typischerweise die Traumphasen<br />

begleiten <strong>und</strong> nach denen diese Phasen auch als REM Schlaf benannt wur<br />

den. 256 Träume sind somit Modelle der Welt, die in bezug auf die Verhal<br />

tenssteuerung funktionslos sind. Diese behaviorale Afunktionalität könnte<br />

jedoch einen tieferen Sinn haben: Sie verhindert, daß das System sich<br />

durch reafferente Signale selbst weckt <strong>und</strong> so das gerade aktive mentale<br />

Modell der Wirklichkeit zum Zusammenbruch bringt. Der Schlafzustand<br />

selbst benötigt bestimmte physische Randbedingungen (zum Beispiel eine<br />

weitgehende Input Blockade) <strong>und</strong> das System darf diese Randbedingungen<br />

nicht durch die „unabsichtliche“ Ausführung von Motorbefehlen zerstö<br />

255 Die epistemische Leerheit von Träumen ließe sich, wenn sie denn ein etabliertes Fak<br />

tum sein sollte, trotzdem mit einer sehr hohen funktionalen Adäquatheit der betreffenden<br />

inneren Vorgänge für das System vereinbaren. Nach der Hypothese von Crick <strong>und</strong> Mitchison<br />

könnte der REM Schlaf dem aktiven Verlernen „parasitischer Repräsentate“ dienen. Auch<br />

Hobson <strong>und</strong> McCarley haben ihre ursprüngliche Hypothese vom „Zufallsgenerator“ auf der<br />

Ebene des Hirnstamms mittlerweile zurückgenommen bzw. modifiziert. Eine weitere neue<br />

Hypothese zur entwicklungsgeschichtlichen Genese des REM Schlafes <strong>und</strong> seiner Rolle für<br />

Gedächtnis <strong>und</strong> Reifung des Gehirns schlägt Winson 1991 vor.<br />

256 In Grenzfällen einer unvollständigen motorischen Blockade kann es auch etwa beim<br />

„Sprechen im Schlaf“ zu nicht intendierten komplexen Verhaltensformen kommen. Hier<br />

handelt es sich nicht um Handlungen, sondern um (wahrscheinlich afunktionale, d. h. keine<br />

Funktion für das System erfüllende) „behaviorale Artefakte“.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!