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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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146<br />

2. Kapitel<br />

Gehalt bereichert aber nicht um Wissen über die Welt. GibtesZustände,<br />

die epistemisch völligleer sind, aber einen reichen subjektiven Gehalt besit<br />

zen?<br />

(5) Träume<br />

Träume sind nicht pathologische, episodisch wiederkehrende repräsenta<br />

tionale Gesamtzustände von Menschen, die sich durch eine ganze Reihe<br />

von Kriterien vom üblichen Wachbewußtsein unterscheiden. Die phäno<br />

menale Welt des Traums ist wesentlich instabiler als die des Wachzustan<br />

des. Die mentalen Modelle, aus denen sie sich zusammensetzt, scheinen<br />

tatsächlich anomische Entitäten zu sein, was ihre Beziehung zu anderen<br />

Elementen der phänomenalen Ebene angeht. 253 Die Inhalte unseres Traum<br />

bewußtseins ändern sich ständig, unvorhersehbar <strong>und</strong> nicht selten auf bi<br />

zarre Weise. Emotionen können stark intensiviert sein, während auf der<br />

anderen Seite Schmerzwahrnehmungen sowie Geruchs <strong>und</strong> Geschmack<br />

serlebnisse seltener auftreten als im Wachzustand. 254 Der Traum ist außer<br />

dem ein Beispiel für Bewußtsein ohne Erinnerung: Sogar beim Aufwachen<br />

gelingt es uns nur teilweise, phänomenale Fragmente aus der Traumwelt im<br />

Kurzzeitgedächtnis lange genug aufrechtzuerhalten um sie via innerer<br />

oder äußerer Berichterstattung festzuhalten <strong>und</strong> in re präsentierbare Epi<br />

soden unserer psychischen Biographie zu verwandeln. Intern dagegen kön<br />

nen Träume sogar hypermnestische Zustände sein. Denn häufig sind Erin<br />

nerungen in unser Traumerleben eingewoben, die uns im Wachzustand nur<br />

sehr schwer zugänglich gewesen wären. Eigenschaften wie deutliche kogni<br />

tive Fehlleistungen, komplexe Halluzinationen, Amnesien <strong>und</strong> Überemo<br />

tionalisierungen machen den Traum zu einem Zustand, der sich auch als<br />

neurobiologisches Modell für andere veränderte Bewußtseinzustände (wie<br />

etwa die Schizophrenie) eignet.<br />

Für eine philosophische Oneirologie sind zwei Aspekte des Traumzu<br />

standes von besonderem Interesse. Erstens zeichnen sich Träume durch ein<br />

ganz bestimmtes metakognitives Defizit aus: In normalen Träumen fehlt<br />

dem psychologischen <strong>Subjekt</strong> jede Einsicht über das Wesen des Zustandes.<br />

Das bedeutet, daß der repräsentationale Gesamtzustand selbst nicht noch<br />

einmal phänomenal als zu einer bestimmten Klasse gehörig repräsentiert<br />

wird. (Interessanterweisegibt es auch solche Träume, in denen dieses meta<br />

kognitive Defizit aufgehoben ist. In solchen Träumen weiß das <strong>Subjekt</strong>, in<br />

welchem Bewußtseinszustand es sich befindet. Da metakognitive Über<br />

gänge dieser Art von zentralem Interesse für eine Theorie des <strong>Subjekt</strong>ivität<br />

sind, werde ich im nächsten Kapitel auf sie zurückzukommen haben.) Die<br />

Selbsttransparenz unseres Bewußtseins ist im Traumzustand gering: Wir<br />

gleichen Betrunkenen, die sich in eine Geisterbahn verirrt haben. Stärkste<br />

253 Bezüglich der Anomalie des Mentalen in Hinsicht auf die Formulierung strikter extra<br />

mentaler, also psychophysischer Gesetze vgl. Davidson 1970, 1981.<br />

254 Vgl. Hobson 1987.

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