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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 141<br />

zits als durchaus komplett. Philosophisch interessant ist deshalb an dem<br />

hier geschilderten pathologischen Fall, daß auch eine starke räumliche<br />

Einschränkung des phänomenalen Modells der Welt nicht mit einem phä<br />

nomenalen Bewußtsein der Eingeschränktheit einhergehen muß. 242 Diese<br />

Tatsache zeigt einmal mehr, was phänomenale Unhintergehbarkeit heißt:<br />

Das <strong>Subjekt</strong> kann die phänomenale Welt nur propositional transzendieren<br />

niemals phänomenal.<br />

(3) Blindsicht<br />

Von besonderem theoretischen Interesse sind Störungsbilder, die eine Dis<br />

soziation funktionaler <strong>und</strong> phänomenaler Zustände zur Folge haben. Da<br />

mit sind all jene Situationen gemeint, in denen die funktionale Analyse<br />

eines Systems bzw. der interne Informationsfluß bis hin zum motorischen<br />

Output weitgehend unverändert bleibt, es auf der Ebenedes phänomenalen<br />

Modells der Wirklichkeit jedoch zu Ausfällen oder Umstrukturierungen<br />

kommt. Blindsicht stellt ein solches Phänomen dar.<br />

Bei Patienten mit einer Läsion innerhalb der geniculostriatalen Projek<br />

tion des visuellen Cortex läßt sich ein Skotom nachweisen, ein „blinder<br />

Fleck“ in dem korrespondierenden Bereich ihres Sehfeldes. In diesem Be<br />

reich des visuellen Modells befindet sich, so könnte man sagen, ein phäno<br />

menales Loch: Es gibt keine visuellen Bewußtseinsinhalte in bezug auf<br />

diesen Bereich 243 der Welt. Trotzdem können solche Patienten, wie sich<br />

experimentell <strong>und</strong> unter Einsatz nicht verbaler Techniken zeigen läßt,<br />

komplexe visuelle Informationsverarbeitung durchführen. Sie können mit<br />

erstaunlichem Erfolg die Präsenz oder Abwesenheit von Zielobjekten „er<br />

raten“ oder innerhalb des Skotoms präsentierte Farben <strong>und</strong> Muster unter<br />

scheiden. All diese Leistungen werden nach den Berichten der Patienten<br />

erbracht ohne daß es zu einem subjektiven Seherlebnis kommt daher der<br />

Name dieser Störung. Manche der Versuchspersonen beschreiben die in<br />

nere Erfahrung, die sie während erfolgreicher Versuche „nicht erlebnisbe<br />

gleiteten Sehens“ durchleben, als Raten, andere dagegen protestieren sogar<br />

bei den Versuchsleitern gegen eine vermeintliche Aufforderung zur Lü<br />

ge. 244<br />

Die philosophische Interpretation dieses empirischen Materials ist nicht<br />

einfach, zumal manche Patienten über „Ahnungen“ oder diffuse emotio<br />

nale Bewußtseinsinhalte vor einem erfolgreichen Akt des „Ratens“ berich<br />

ten. Sicher scheint, daß es in den fraglichen Bereichen zu weitreichender<br />

perzeptueller Verarbeitung bei gleichzeitiger Abwesenheit phänomenalen<br />

Bewußtseins kommt. Diese Möglichkeit einer Dissoziation von intentiona<br />

lem <strong>und</strong> phänomenalem Gehalt des entsprechenden mentalen Modells<br />

242 Vgl. Bisiach 1988.<br />

243 Vgl. zum Beispiel Bodis Wollner 1977, Cowey 1979, Cowey ⁄ Stoerig 1991b, Pöppel et<br />

al. 1973, Stoerig et al. 1985, Stoerig⁄ Cowey 1990, 1991a, 1992, 1993 Weiskrantz et al. 1974,<br />

Weiskrantz 1986, Werth 1983, Zihl 1980.<br />

244 Vgl. Weiskrantz 1988: 188f.

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