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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 139<br />

reits intern vorhandenen Wissensstruktur verknüpfen können. Patienten<br />

mit solchen Läsionen können ihre Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Verwandten sofort <strong>und</strong><br />

ohne Schwierigkeiten an der Stimme erkennen. Sie sind jedoch nicht mehr<br />

in der Lage, die Identität von Personen (einschließlich ihrer selbst) durch<br />

die innere Aktivierung eines bestimmten Elements in ihrem phänomenalen<br />

Modell der Welt festzustellen. Durch einen Defekt auf der Hardware Ebene<br />

können also bestimmte Integrationsleistungen (nämlich die Einbettung ei<br />

nes bestimmten aktuellen Personenmodells in ein bereits bestehendes)<br />

nicht mehr erbracht werden. Das hat zur Folge, daß das interne Modell der<br />

Welt nicht nur funktional eingeschränkt, sondern auch phänomenal depri<br />

viert wird: Personale Identität als visuell gegebene verschwindet für immer<br />

aus der Erlebniswelt des <strong>Subjekt</strong>s.<br />

(2) Neglekte<br />

Neglekte sind selektive Störungen der Aufmerksamkeit, d. h. gerichteter<br />

Bewußtheit. 236 Patienten mit den entsprechenden Syndromen können ihre<br />

Aufmerksamkeit nicht mehr auf bestimmte Sektionen des mentalen Mo<br />

dells der Wirklichkeit richten, was perzeptuelle, motorische <strong>und</strong> motivatio<br />

nale Folgen nach sich zieht. 237 Eine der bekanntesten Formen, der Hemi<br />

Neglekt, tritt nach unilateralenSchädigungen oder Tumoren überwiegend<br />

in der rechten Hemisphäre auf. Manche solcher Patienten sind nicht<br />

mehr in der Lage, dielinke Hälfte von Sätzen zu lesenoder Ereignissein der<br />

linken Hälfte ihres Wahrnehmungsfeldes phänomenal zu repräsentieren.<br />

Viele von ihnen waschen oder kleiden ihre linke Körperhälfte nicht mehr,<br />

manche der männlichen Patienten hören auf, die linke Seite ihres Gesichts<br />

zu rasieren. Oliver Sacks beschreibt eine Patientin, die unter den Folgen<br />

einer Läsion in ihrer rechten Hemisphäre litt:<br />

Manchmal beschwert sie sich bei den Schwestern, sie hätten ihr keinen Kaffee<br />

oder Nachtisch auf ihr Tablett gestellt. Wenn sie dann antworten: „Aber Mrs. S.<br />

da steht es doch links von Ihrem Teller“, scheint sie nicht zu verstehen, was<br />

sie sagen, <strong>und</strong> sieht nicht nach links. Wenn man ihren Kopf sanft nach links<br />

dreht, so daß das Dessert in der intakten rechten Hälfte ihres Gesichtsfeldes<br />

erscheint, sagt sie: „Ach, da ist es ja aber eben war es noch nicht da.“ Sie hat<br />

den Begriff „links“, bezogen sowohl auf die Außenwelt als auch auf ihren<br />

eigenen Körper, vollständig verloren. Manchmal beklagt sie sich, ihre Por<br />

tionen seien zu klein, aber das kommt daher, daß sie nur von der rechten Hälfte<br />

des Tellers ißt. Es kommt ihr nicht in den Sinn, daß er auch eine linke Hälfte<br />

236 Nicht gerichtete Aufmerksamkeit oder Vigilanz scheint dagegen ein allgemeiner Hin<br />

tergr<strong>und</strong>parameter unseres repräsentationalen Gesamtzustandes zu sein, der sich auf der<br />

phänomenalen Ebene als allgemeine „Bewußtseinshelligkeit“ manifestiert. Diese psychische<br />

Qualität könnte Resultat einer generalisierten Form mentaler Präsentation (vgl. Abschnitt<br />

2.1.3) sein, da sie einen über das gesamte phänomenale Modell der Welt verteilten Signala<br />

spekt darstellt der nicht relational ist, aber in unterschiedlichen Intensitäten auftreten kann.<br />

Wir wissen, daß das wichtigste materielle Substrat für Vigilanz die Aktivität der formatio<br />

reticularis ist.<br />

237 Vgl. Mesulam 1987, Bisiach ⁄ Vallar 1988.

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