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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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138<br />

2. Kapitel<br />

Schließlich können über die Betrachtung struktureller Eigenschaften des<br />

phänomenalen Modells (interne Konsistenz, Speicherbarkeit, inhaltliche<br />

Verknüpfung mit früheren oder späteren Weltmodellen anderen Typs, Va<br />

riabilität <strong>und</strong> Plastizität des Gehalts, Zentriertheit) Schlüsse auf die einer<br />

Instantiierung der interessierenden psychologischen Eigenschaften zugrun<br />

deliegenden Mechanismen der neuronalen Informationsverarbeitung (<strong>und</strong><br />

damit auch die Formulierung neuer Hypothesen) vorbereitet werden.<br />

Ich werde aber an dieser Stelle keines dieser Projekte verfolgen können,<br />

sondern mich mit einer kursorischen <strong>und</strong> unvollständigen Aufzählung eini<br />

ger devianter mentaler Modelle der Welt begnügen müssen. Ich hoffe, daß<br />

auch durch diese knappen neurophänomenologischen Betrachtungen deut<br />

lich wird, was es heißt, daß mentale Modellierung unter anderem eine<br />

umfassende, phänomenale Makro Struktur erzeugt eine interne Struktur,<br />

die unsere subjektiv erlebte Welt ist. Die nun folgenden Beispiele haben alle<br />

eines miteinander gemein: Weder die vorwissenschaftlich lebensweltliche<br />

Alltagspsychologie noch die klassischen philosophischen Theorien des Gei<br />

stes können sie adäquat erklären.<br />

(1) Agnosien<br />

Können Sie sich vorstellen, wie es wäre, Ihr eigenes Gesicht nicht mehr im<br />

Spiegel wiedererkennen zu können? Ein Schlaganfall in einem bestimmten<br />

Bereich Ihres Gehirns könnte Sie dauerhaft in einen solchen agnostischen<br />

Zustand versetzen. Unter Agnosien leidende Patienten sind nicht mehr in<br />

der Lage, ihnen vormals bekannte Stimuli als solche wiederzuerkennen.<br />

Obwohl keinerlei Störungen der Wahrnehmungsfunktionen vorliegen <strong>und</strong><br />

auch höhere kognitive Funktionen einschließlich der Sprachverarbei<br />

tung233 nicht beeinträchtigt sind, kann der Patient die Bedeutung des<br />

jeweiligen Perzepts nicht mehr bewußt erfassen, weshalb diese Erkrankung<br />

früher auch als „Seelenblindheit“ bezeichnet wurde. 234 Die Ursache für<br />

solche Ausfälle sind häufig durch Schlaganfälle ausgelöste Schädigungen<br />

spezifischer Hirnbereiche. Im Falle visueller Agnosien sind dies zum Bei<br />

spiel bilaterale Schädigungen derjenigen okzipito temporalen Regionen,<br />

welche die unteren visuellen Assoziationsbereiche in Teilen der Brodmann<br />

schen Felder 18 <strong>und</strong> 19 betreffen. Eine phänomenologisch sehr eng um<br />

grenzte <strong>und</strong> häufig zitierte visuelle Agnosie ist die eingangs erwähnte Pro<br />

sopagnosie: 235 Sie besteht in der Unfähigkeit, Gesichter wiederzuerkennen<br />

in manchen Fällen sogar einschließlich des eigenen Gesichts im Spiegel.<br />

Die visuelle Welt prosopagnostischer Patienten bleibt ansonsten uneinge<br />

schränkt bis auf die Tatsache, daß sieeinenganz bestimmten Stimulusauf einer sehr spezifischen, kontextabhängigen Ebene nicht mehr mit der be<br />

233 Es handelt sich hier also nicht bloß um Anomien, d. h. um die Unfähigkeit, Perzepte zu<br />

benennen.<br />

234 Vgl. Teuber 1965, Damasio 1987.<br />

235 Vgl. Damasio et al. 1982, Tranel ⁄ Damasio 1985. Vgl. auch Dennett 1991: Kapitel 11.

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