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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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136<br />

2. Kapitel<br />

„mentale Modell der Wirklichkeit“ bezeichnen. 230 Für ein solches System<br />

sind die Grenzen seines internen Modells der Welt die Grenzen seiner Welt.<br />

In einem verschärften Sinn gilt dies noch einmal für Systeme mit phänome<br />

nalem Bewußtsein.<br />

Das phänomenale Modell der Wirklichkeit besteht zu einem gegebenen<br />

Zeitpunkt immer aus all jenen Elementen des repräsentationalen Gesamt<br />

zustandes, die gerade Bewußtseinsinhalte darstellen. Wenn die in Ab<br />

schnitt 2.1.4 skizzierte Hypothese bezüglich des „Bewußtheits Aspekts“<br />

von <strong>Subjekt</strong>ivität richtig ist, dann ist der bewußte Teil des Weltmodells<br />

immer genau derjenige, der durch eine spezifische, einheitliche Metare<br />

präsentations Funktion (die selbst nicht zum Repräsentandum werden<br />

kann) noch einmal mental modelliert wird. Wenn wir uns selbst als Erleb<br />

nissubjekte betrachten, so ist es genau diese durch neuronale Informa<br />

tionsverarbeitung generierte Sektion des mentalen Modells der Wirk<br />

lichkeit, in der sich das psychische Drama unseres phänomenalen Lebens<br />

entfaltet. Auf die Frage, wer die Hauptrolle in diesem Drama spielt, werde<br />

ich im nächsten Kapitel eine neue Antwort zu geben versuchen.<br />

Unser mentales Modell der Welt ist eine dynamische, sich permanent<br />

verändernde <strong>und</strong> multimodale Landkarte des uns zugänglichen Teilbe<br />

reichs der Wirklichkeit. Je größer ihr Detailreichtum <strong>und</strong> ihre innere Kon<br />

sistenz sind, desto realer erscheint sie dem Erlebnissubjekt phänomenaler<br />

Zustände. 231 Eine normale Landkarte, so wie sie im Klassenzimmer hängt,<br />

ist ein zweidimensionales, externes Analogrepräsentat. Sie verändert sich<br />

nicht mit der Landschaft, die sie repräsentiert, <strong>und</strong> sie benutzt nur eine<br />

einzige „Modalität“. Das von unserem Gehirn erzeugte phänomenale Mo<br />

dell der Welt auf der anderen Seite ist ein partiell räumliches Modell,<br />

230 Ich ignoriere hier systematisch eine Reihe möglicher theoretischer Komplikationen. Sie<br />

bestehen in der (logischen) Möglichkeit von a) „direktem“ Informationsgewinn über nicht<br />

physikalische Trägermedien (außersinnliche Wahrnehmung, „klassische“ Intentionalität), b)<br />

Informationsgewinn durch noch unbekannte, naturwissenschaftlich zu beschreibende Medi<br />

en, der nicht unter den Begriff der „Repräsentation“ fallen kann, <strong>und</strong> c) das Vorhandensein<br />

multipler Realitätsmodelle im System bzw. isolierter Modelle, die auf keine Weise in das<br />

aktuelle mentale Modell der Welt eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> doch verhaltenswirksam sind.<br />

231 Diese These kann man durch Beobachtungen an Personen stützen, deren Welterfahrung<br />

zunehmend den Charakter der „Unwirklichkeit“ oder „Traumartigkeit“ trägt. (In schweren<br />

Fällen spricht die Psychiatrie von Derealisation). Wir alle kennen solche psychischen Zu<br />

stände in schwächerer Ausprägung nach traumatischen Ereignissen verschiedenster Art (nach<br />

Unfällen, nach seelischen Schockerlebnissen): Der Detailreichtum unseres phänomenalen<br />

Weltmodells nimmt vorübergehend dramatisch ab <strong>und</strong> die Welt erhält eine „traumartige“ <strong>und</strong><br />

„unwirkliche“ Qualität. Andererseits kann in solchen Zuständen, in denen die Verarbeitungs<br />

kapazität <strong>und</strong> das allgemeine Erregungsniveau des Gehirns wahrscheinlich deutlich erhöht<br />

sind (zum Beispiel bei Manien, religiösen Erfahrungen, pharmakologisch induzierten Zustän<br />

den oder „Gipfelerlebnissen“) die phänomenale Wirklichkeit eine „überreale“ Qualität gewin<br />

nen. Diesen variablen phänomenalen Realitätsaspekt (sozusagen die subjektiv erlebte „Au<br />

thentizität“ der Welt, die „Seinsgewißheit“) kann man hypothetisch mit der Informations<br />

dichte des vom Gehirn erzeugten Weltmodells korrelieren.

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