Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 129<br />
tatsächlichen Sachverhalt sehr unähnlich, bestimmt aber weiterhin in sehr<br />
starkem Maß unser Denken <strong>und</strong> Selbsterleben <strong>und</strong> führt zu immer neuen<br />
philosophischen Verwirrungen, besonders was die Innerlichkeit mancher<br />
Formen von mentalem Gehalt angeht. Denn wenn unser Realitätsmodell<br />
die cartesianische Bühne beinhaltet, dann werden auch Introspektionsbe<br />
richte mental wieder nach dem Modell des Berichtens über externe Ereig<br />
nisse in der Welt modelliert.<br />
Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf die Überlegenheit des Infor<br />
mationsverarbeitungsansatzes in der Philosophie des Geistes gegenüber<br />
früheren theoretischen Strategien eingehen <strong>und</strong> auch nicht auf die interes<br />
santere Frage, welche der klassischen Probleme durch den neuen Ansatz in<br />
welche neuen Fragestellungen transformiert werden. Ich möchte vielmehr<br />
das Augenmerk meiner Leser auf einen anderen Punkt lenken: Wenn wir<br />
mentale Repräsentate als von Systemen eingesetzte abstrakte Instrumente<br />
analysieren, dann werden unterschiedliche Typen von Instrumenten zur<br />
Instantiierung unterschiedlicher Typen von Intentionalität führen. Ich<br />
werde an dieser Stelle keine komplette Typologie mentaler Repräsentate<br />
anbieten können, sondern lediglich auf eine sehr einfache (<strong>und</strong> etwas idio<br />
synkratische) Unterscheidung zwischen zwei Klassen von Repräsentaten<br />
hinweisen. Diese Unterscheidung scheint mir deshalb interessant, weil in<br />
ihr die Verknüpfung physischer <strong>und</strong> intentionaler Eigenschaften mentaler<br />
Repräsentate deutlich wird. Es ist die Unterscheidung zwischen „digitalen“<br />
<strong>und</strong> „analogen“ Repräsentaten.<br />
Propositionale Repräsentate sind digitale Repräsentate. Sie haben Wahr<br />
heitswerte <strong>und</strong> stehen untereinander in Folgerelationen. Der paradigmati<br />
sche Fall solcher digitalen Codes sind natürliche Sprachen. 213 Digitale Co<br />
des zeichnen sich dadurch aus, daß die Relation zwischen ihren Elementen<br />
<strong>und</strong> den Repräsentanda willkürlich konstruiert ist. Die Konstruktion die<br />
ser Bedeutungsrelation ist unter anderem, wie wir von Wittgenstein gelernt<br />
haben, ein soziales Phänomen: Natürliche Sprachen entstehen in Gesell<br />
schaften. Die syntaktischen oder phonetischen Eigenschaften ihrer Ele<br />
mente lassen keinerlei Rückschlüsse auf die Eigenschaften der jeweiligen<br />
Repräsentanda zu. Sätze beschreiben Sachverhalte, aber sie können sie<br />
nicht simulieren. Wahre Sätze besitzen eine Referenz, aber sie stehen in<br />
keiner wie auch immer gearteten Ähnlichkeitsrelation zu ihren Inhalten.<br />
Diese Eigenschaften machen sie ungeeignet für „mentale Testläufe“, da<br />
solche Testläufe ja gerade ein komplexes Simulat erzeugen sollen, an dem<br />
Diesem sind die einzelnen physischen Kausalketten <strong>und</strong> ihre Zeitabfolge intern nicht gegeben,<br />
sondern nur ihre Endprodukte. Nicht das Bewußtsein richtet sich auf die Welt, sondern<br />
komplexe physikalische Ereignisse determinieren mentale Modelle. Allerdings ist es richtig,<br />
daß die „Bewußtsein“ erzeugende Metamodellierungsfunktion (vgl. Abschnitt 2.1.4) sich auf<br />
(naiv realistisch „mißverstandene“) mentale Modelle richtet.<br />
213 Obwohl es in natürlichen Sprachen meist auch Formen der Beschreibung durch Ähn<br />
lichkeit gibt, zum Beispiel durch onomatopoetische Weisen der Lautnachahmung.