Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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2. Kapitel<br />
ihn auf die Welt zu beziehen. An die Stelle von intentionalen Objekten<br />
treten intern erzeugte Datenstrukturen etwa mentale Modelle die eine<br />
physische Realisierung besitzen (zum Beispiel: komplexe neuronale Erre<br />
gungsmuster). Für die natürliche Genese der repräsentationalen Beziehung<br />
zwischen internen Datenstrukturen <strong>und</strong> Teilen der Welt gibt esgute kausale<br />
<strong>und</strong> funktionale Erklärungen, weil diese internen Strukturen Instrumente<br />
für die jeweiligen Systeme sind. Ihre Bedeutung erhalten mentale Modelle<br />
dadurch, daß sie von einem System benutzt werden. Eine interessante<br />
Beobachtung ist in diesem Zusammenhang, daß Information genau in die<br />
entgegengesetzte Richtung fließt (nämlich primär in das System „hin<br />
ein“) 209 , in die der „Pfeil der Intentionalität“ zeigt. Intendere arcum, den<br />
Bogen des Geistes spannen <strong>und</strong> den Pfeil der Erkenntnis auf Teile der Welt<br />
richten, ist zusammen mit der Lehre von der direkten Intentionalität eine<br />
intuitiv eingängige <strong>und</strong> weitverbreitete philosophische Metapher. 210 Aber<br />
warum ist der Pfeil der Intentionalität eine viel einleuchtendere Denkfigur<br />
als das Einwärtsfliessen von Information? Dies mag daran liegen, daß unser<br />
mentales Modell der Repräsentationsbeziehung sich an dem psychischen<br />
Phänomen der Aufmerksamkeit 211 also am subjektiven Erleben von ge<br />
richteter Metarepräsentation orientiert. Mit anderen Worten: Das men<br />
tale Modell von uns selbst als kognitiven Agenten ist häufig eines von<br />
Organismen, die ihren „epistemischen Scheinwerferstrahl“ nach Belieben<br />
auf die Welt <strong>und</strong> in ihr eigenes Inneres richten, von Wesen, die als Erlebnis<br />
subjekte die Repräsentationsbeziehung stiften. 212 Dieses Modell ist dem<br />
209 Das gilt nicht für interne Metarepräsentation, in der repräsentationalen „Hierarchie“<br />
des Systems ist sie eine abwärtsgerichtete Aktivität. Bewußtsein ist interne Intentionalität.<br />
210 Vgl. Dennett 1991: 333. Dennett hat auch darauf hingewiesen, daß die verschiedenen<br />
Formen des „cartesianischen Materialismus“, also die Annahme einer letzten inneren Bühne,<br />
auch innerhalb repräsentationalistischer Theorien des Geistes entstehen, indem fälschlicher<br />
weise das, was er als die intentional stance gekennzeichnet hat, ins System hineingetragen<br />
wird; vgl. Dennett 1991: 458. Thomas Nagel hat allerdings zu Recht darauf hingewiesen, daß<br />
auch Dennetts eigene Strategie der „Heterophänomenologie“ sich implizit immer noch auf die<br />
Perspektive der ersten Person verlassen muß, wenn sie nicht in einen platten Behaviorismus<br />
zurückfallen will. Vgl. Nagel 1991.<br />
211 Eine alternative <strong>und</strong> trotzdem verwandte Vermutung ist, daß sich das philosophische<br />
Theoretisieren über die Intentionalitätsbeziehung nach dem mentalen Bild der Welt gerichtet<br />
hat, das durch unseren stärksten Sinn erzeugt wird: Wenn mentale Repräsentation nach dem<br />
Modell der dominanten sensorischen Modalität (dem Sehen) interpretiert wird, dann gibt es<br />
automatisch wie in unserem visuellen Realitätsmodell distale Objekte. DieGegenstände<br />
von mentaler Metarepräsentation bzw. phänomenalem Bewußtsein werden dann fast zwangs<br />
läufig eine philosophischen Deutung als systemexterne mentale Objekte erfahren. Für den<br />
interessanten Sonderfall der mentalen Selbstrepräsentation führt der Weg der verdinglichen<br />
den Analyse zu einem ganz besonderen mentalen Objekt, nämlich dem metaphysischen Sub<br />
jekt es ist gleichzeitig unendlich fern <strong>und</strong> unendlich nah.<br />
212 Wenn man so will ist Informationsverarbeitung „invertierte Intentionalität“, weil das<br />
Gehirn die Repräsentationsbeziehung mental genau umgekehrt modelliert. Die klassischen<br />
Intentionalitätstheorien explizieren das (falsche) mentale Modell der Repräsentationsbezie<br />
hung. Dieses entsteht, weil die „intentionalen Akte des Vermeinens“ irrtümlich dem Selbst<br />
modell (Vgl. Kapitel 3) zugeschrieben werden <strong>und</strong> nicht dem es konstruierenden Gehirn.