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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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128<br />

2. Kapitel<br />

ihn auf die Welt zu beziehen. An die Stelle von intentionalen Objekten<br />

treten intern erzeugte Datenstrukturen etwa mentale Modelle die eine<br />

physische Realisierung besitzen (zum Beispiel: komplexe neuronale Erre<br />

gungsmuster). Für die natürliche Genese der repräsentationalen Beziehung<br />

zwischen internen Datenstrukturen <strong>und</strong> Teilen der Welt gibt esgute kausale<br />

<strong>und</strong> funktionale Erklärungen, weil diese internen Strukturen Instrumente<br />

für die jeweiligen Systeme sind. Ihre Bedeutung erhalten mentale Modelle<br />

dadurch, daß sie von einem System benutzt werden. Eine interessante<br />

Beobachtung ist in diesem Zusammenhang, daß Information genau in die<br />

entgegengesetzte Richtung fließt (nämlich primär in das System „hin<br />

ein“) 209 , in die der „Pfeil der Intentionalität“ zeigt. Intendere arcum, den<br />

Bogen des Geistes spannen <strong>und</strong> den Pfeil der Erkenntnis auf Teile der Welt<br />

richten, ist zusammen mit der Lehre von der direkten Intentionalität eine<br />

intuitiv eingängige <strong>und</strong> weitverbreitete philosophische Metapher. 210 Aber<br />

warum ist der Pfeil der Intentionalität eine viel einleuchtendere Denkfigur<br />

als das Einwärtsfliessen von Information? Dies mag daran liegen, daß unser<br />

mentales Modell der Repräsentationsbeziehung sich an dem psychischen<br />

Phänomen der Aufmerksamkeit 211 also am subjektiven Erleben von ge<br />

richteter Metarepräsentation orientiert. Mit anderen Worten: Das men<br />

tale Modell von uns selbst als kognitiven Agenten ist häufig eines von<br />

Organismen, die ihren „epistemischen Scheinwerferstrahl“ nach Belieben<br />

auf die Welt <strong>und</strong> in ihr eigenes Inneres richten, von Wesen, die als Erlebnis<br />

subjekte die Repräsentationsbeziehung stiften. 212 Dieses Modell ist dem<br />

209 Das gilt nicht für interne Metarepräsentation, in der repräsentationalen „Hierarchie“<br />

des Systems ist sie eine abwärtsgerichtete Aktivität. Bewußtsein ist interne Intentionalität.<br />

210 Vgl. Dennett 1991: 333. Dennett hat auch darauf hingewiesen, daß die verschiedenen<br />

Formen des „cartesianischen Materialismus“, also die Annahme einer letzten inneren Bühne,<br />

auch innerhalb repräsentationalistischer Theorien des Geistes entstehen, indem fälschlicher<br />

weise das, was er als die intentional stance gekennzeichnet hat, ins System hineingetragen<br />

wird; vgl. Dennett 1991: 458. Thomas Nagel hat allerdings zu Recht darauf hingewiesen, daß<br />

auch Dennetts eigene Strategie der „Heterophänomenologie“ sich implizit immer noch auf die<br />

Perspektive der ersten Person verlassen muß, wenn sie nicht in einen platten Behaviorismus<br />

zurückfallen will. Vgl. Nagel 1991.<br />

211 Eine alternative <strong>und</strong> trotzdem verwandte Vermutung ist, daß sich das philosophische<br />

Theoretisieren über die Intentionalitätsbeziehung nach dem mentalen Bild der Welt gerichtet<br />

hat, das durch unseren stärksten Sinn erzeugt wird: Wenn mentale Repräsentation nach dem<br />

Modell der dominanten sensorischen Modalität (dem Sehen) interpretiert wird, dann gibt es<br />

automatisch wie in unserem visuellen Realitätsmodell distale Objekte. DieGegenstände<br />

von mentaler Metarepräsentation bzw. phänomenalem Bewußtsein werden dann fast zwangs<br />

läufig eine philosophischen Deutung als systemexterne mentale Objekte erfahren. Für den<br />

interessanten Sonderfall der mentalen Selbstrepräsentation führt der Weg der verdinglichen<br />

den Analyse zu einem ganz besonderen mentalen Objekt, nämlich dem metaphysischen Sub<br />

jekt es ist gleichzeitig unendlich fern <strong>und</strong> unendlich nah.<br />

212 Wenn man so will ist Informationsverarbeitung „invertierte Intentionalität“, weil das<br />

Gehirn die Repräsentationsbeziehung mental genau umgekehrt modelliert. Die klassischen<br />

Intentionalitätstheorien explizieren das (falsche) mentale Modell der Repräsentationsbezie<br />

hung. Dieses entsteht, weil die „intentionalen Akte des Vermeinens“ irrtümlich dem Selbst<br />

modell (Vgl. Kapitel 3) zugeschrieben werden <strong>und</strong> nicht dem es konstruierenden Gehirn.

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