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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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116<br />

2. Kapitel<br />

Selbstverständlich gibt es nicht interpretierte mentale Strukturen. Dazu<br />

gehören zum Beispiel visuelle Perzepte („unverstandene“ Elemente aus den<br />

frühen Stadien visueller Wahrnehmung), abstrakt geometrische Halluzina<br />

tionen 180 wie sie manchmal kurz vor dem Einschlafen oder nach Ein<br />

nahme psychoaktiver Substanzen erlebt werden können oder auch durch<br />

Alkoholkonsum oder Boxhiebe verursachte phänomenale Sternenhagel.<br />

Besonders interessant scheinen in diesem Zusammenhang ambige mentale<br />

Strukturen, die durch „unterdeterminierte Datensätze“ wie zum Beispiel<br />

das Bild eines Neckerschen Würfels hervorgerufen werden. Interessant am<br />

Beispiel des Neckerschen Würfels ist zweierlei. Erstens können wir ihn zu<br />

einem gegeben Zeitpunkt t immer nur in einer Interpretation erleben. Zwei<br />

tens scheint es uns unmöglich, mehrdeutige Bilder wie etwa den Necker<br />

schen Würfel absichtlich als mentales Bild zu generieren.<br />

Abb. 1: Die 1832 von dem Schweizer Naturforscher L. A. Necker erf<strong>und</strong>enen „Neckerschen<br />

Würfel“. Die zweidimensionale Darstellung des Würfels im ersten Bild gibt dem menschli<br />

chen Sehsystem die Möglichkeit, zwischen zwei dreidimensionalen Interpretationen (darge<br />

stellt im zweiten <strong>und</strong> dritten Bild) hin <strong>und</strong> herzuspringen.<br />

Das bedeutet, daß menschliche Gehirne zu einem gegebenen Zeitpunkt<br />

offensichtlich aus einem Perzept oder einem bestimmten Input immer nur<br />

ein mentales Modell konstruieren können, auch wenn die einströmende<br />

Information die Konstruktion eines oder mehrerer alternativer Modelle<br />

bzw. Interpretationen erlauben würde. Haben Sie schon einmal längere<br />

Zeit das Bild eines Neckerschen Würfels betrachtet? Wenn Sie es sorgfältig<br />

tun, können Sie beobachten, wie zwei mentale Modelle sich abwechseln.<br />

Sie können aber manchmal auch erleben, daß es zwischen der Aktivierung<br />

des ersten mentalen Modells <strong>und</strong> der des zweiten, alternativen Modells<br />

einen kurzen Zeitraum gibt, in denen ein nicht interpretiertes Perzept ihr<br />

phänomenales Bewußtsein in diesem Bereich ausfüllt. 181<br />

180 Vgl. hierzu Siegel 1975.<br />

181 Die Dauer dieses Zeitraums hängt für ein gegebenes System (wie etwa den visuellen<br />

Cortex) von der Länge des Weges ab, die das System durch seinen Zustandsraum von einem<br />

stabilen Zustand in den anderen zurücklegen muß. Die Geschwindigkeit, mit der es von einer<br />

Interpretation zur nächsten wechseln kann, hängt von seinem globalen energetischen Zustand<br />

(seiner inneren „Landschaft“) <strong>und</strong> damit letztlich von physikalischen Bedingungen ab.

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