Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 113<br />
durch aktuelle Ereignisse ausgelösten phänomenalen Simulationen können<br />
unter Umständen sehr dominant werden <strong>und</strong> die aus aktuellem Input er<br />
zeugten mentalen Modelle überlagern. Ihnen fehlt jedoch in den meisten<br />
Fällen eine wichtige Eigenschaft: der Präsentationsaspekt. Diesefehlende<br />
Eigenschaft verhindert, daß Simulate zu Halluzinaten werden.<br />
(4) Mentale Modelle können einen puren Präsentationsaspekt besitzen.<br />
Mentale Modelle können qualitativen Gehalt instantiieren. Das tun sie<br />
genau dann, wenn sie als Datenstrukturen nicht nur die relationaleStruktur ihres Repräsentandums wiedergeben, sondern auch das besitzen, was ich<br />
oben als den „Signalaspekt“ beschrieben habe. In Standardsituationen ist<br />
das, was das mit geschlossenen Augen imaginierte oder mit offenen Augen<br />
assoziierte mentale Modell eines vergangenen Gesichtsausdrucks meiner<br />
Fre<strong>und</strong>in oder meines Fre<strong>und</strong>es von dem aktuellen, direkt durch retinalen<br />
Input verursachten mentalen Modell des Gesichts meiner Fre<strong>und</strong>in oder<br />
meines Fre<strong>und</strong>es unterscheidet, eben genau dies: Der prägnante qualitative<br />
Aspekt. Wenn Sie kein Eidetiker oder Visualisierungsexperte sind, dann<br />
wird das imaginierte Modell ihres Gegenübers nämlich nicht farbig sein.<br />
Das kommt daher, daß es nicht direkt durch den aktuellen Informations<br />
fluß von der Netzhaut aktiviert wird. Mentale Modelle können durch eine<br />
Vielzahl interner Vorgänge aufgerufen werden, zum Beispiel durch höher<br />
stufige kognitive Funktionen wie Gedächtnis <strong>und</strong> Erinnerung. Im allgemei<br />
nen zeigt die Tatsache, daß ein mentales Modell neben dem strukturell rela<br />
tionalen Aspekt noch einen puren Präsentationsaspekt besitzt die<br />
Farbigkeit, eine Klangqualität, emotionale Tönung, Schmerzhaftigkeit<br />
usw. zwei wichtige Zusammenhänge auf:<br />
es wird primär aus einem bestimmten physischen Subsystem heraus aktiviert<br />
(zum Beispiel aus dem visuellen oder auditorischen Cortex, aus dem limbi<br />
schen System oder den Schmerzzentren); <strong>und</strong><br />
sein Repräsentandum ist aktuell gegeben, es modelliert Teile der wirklichen<br />
Welt.<br />
Nun gibt es eine ganze Reihe von psychischen Ausnahmesituationen, in<br />
denen mentale Modelle konstruiert werden, die ganz offensichtlich nur<br />
Simulate sind <strong>und</strong> doch den fraglichen Signalaspekt besitzen. Paradebei<br />
spiele hierfür sind Träume, Visionen, Halluzinationen, hypnagoge Bilder,<br />
Phosphene176 usw. All dies sind jedoch Fälle, in denen man davon ausgehen<br />
kann, daß die verantwortlichen Signale intern erzeugt <strong>und</strong> vom System<br />
176 Phosphene sind Farbflecken im Sehfeld, die nicht dadurch entstehen, daß die Netzhaut<br />
gereizt wird. Sie können dadurch ausgelöst werden, daß man bei geschlossenen Augen mit den<br />
Handflächen auf die Augäpfel drückt <strong>und</strong> so die Blutzufuhr unterbricht aber auch durch<br />
direkte elektrische Stimulation des visuellen Cortex oder, wie man aus den Berichten von<br />
Astronauten weiß, durch kosmische Strahlung. Vgl. Hardin 1988: 94; Hurvich 1981: 14.<br />
Obwohl Phosphene eindeutig durch interne Signalquellen ausgelöst werden, erscheinen sie<br />
subjektiv als vor den Augen lokalisiert.