Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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2. Kapitel<br />
zu den Phänomenen führenden Operationen zu unterstützen? Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> werde ich jetzt versuchen, den Begriff des mentalen Modells anzu<br />
reichern, indem ich einige der oben bereits angegebenen Kriterien in Form<br />
von Thesen vorstelle <strong>und</strong> näher erläutere.<br />
(1) Mentale Modelle sind multimodale Datenstrukturen.<br />
Die Inhalte unseres phänomenalenBewußtseinszeichnen sich dadurch aus,<br />
daß Information aus verschiedenen Quellen bruchlos zu einheitlichen men<br />
talen Modellen verschmolzen wird. Wenn Sie dieses Buch simultan fühlen<br />
<strong>und</strong> sehen, dann erleben Sie es als eines als singuläres Objekt in der<br />
Außenwelt, das Ihnen durch zwei verschiedene Sinne gegeben ist. Das<br />
mentale Modell des Buches enthält nämlich noch die Information 158 ,daßes<br />
auf mindestens zwei unterschiedliche Weisen gegeben ist: Visuelle <strong>und</strong><br />
taktile Eigenschaften werden zu einer erlebnismäßig einheitlichen Struktur<br />
verb<strong>und</strong>en. 159 Es ist dies der Prozeß, den ich weiter oben als Formatintegra<br />
tion bezeichnet habe. Durch die Verschmelzung zweier interner Repräsen<br />
tate unterschiedlicher Genese <strong>und</strong> unterschiedlichen Formats entsteht eine<br />
höherstufige mentale Struktur. Diese einheitliche Struktur ist das mentale<br />
Modell des Buches.<br />
158 Diese Information wird dadurch dargestellt, daß ein mentales Modell mit zwei Präsen<br />
tatformaten unterlegt wird. Vgl. Abschnitt 2.1.3.<br />
159 Die subjektive Einheitlichkeit muß dann nicht mehr von oben erklärt werden, wenn es<br />
eine gute neurowissenschaftliche Theorie derjenigen Leistung gibt, die in der Fachterminolo<br />
gie der Hirnforschung als feature binding bezeichnet wird: Die Fusionierung verschiedener<br />
Objekteigenschaften wie Kanten, Bewegungen oder Farben (die aber nachweislich durch<br />
weit auseinanderliegende Neuronenverbände im Gehirn repräsentiert werden) zu einer<br />
einheitlichen internen Struktur. Wolf Singer <strong>und</strong> seine Mitarbeiter haben entdeckt, daß weit<br />
verteilte Neuronen im Gehirn von Katzen, die auf von ein <strong>und</strong> demselben visuell präsentier<br />
ten Objekt ausgehende Stimuli reagieren, synchron mit einer Frequenz von 30 bis 80 Hertz zu<br />
oszillieren beginnen. Daß die Bindung visueller Eigenschaften durch sehr kurze Synchronisie<br />
rungen verteilter Aktivitätsmuster geleistet werden könnte, hatte Christoph von der Malsburg<br />
schon 1981 vorgeschlagen. Diese neuen Entdeckungen zeigen nun, daß sich tatsächlich für<br />
sehr kurze Perioden von weniger als einer halben Sek<strong>und</strong>e solche Oszillationen des Feldpoten<br />
tials mit etwa 40 Hz etablieren. Es ist noch zu früh, um zu folgern, daß dies die neurobiologi<br />
schen Korrelate von phänomenalen Eigenschaften wie „Aufmerksamkeit“ oder „Bewußtheit“<br />
sind schließlich könnten wir hier auch einfach mit afunktionalen Epiphänomenen konfron<br />
tiert sein, wie sie in komplexen Systemen immer zu finden sind. Interessant ist an diesen<br />
Prozessen allerdings, daß sie sich bei der Selbstorganisation an den klassischen Gestaltkrite<br />
rien wie etwa Nachbarschaft, Ähnlichkeit, Bewegungskontinuität usw. orientieren <strong>und</strong> auch,<br />
daß sie in etwa die selbe Zeit beanspruchen, in der die Aufmerksamkeit einer Person von<br />
einem Objekt zum anderen springt. „One of the features that makes the 40 hertz oscillations<br />
attractiveasamediatorofvisualawareness,...,isthattheirtimescalecorrespondswiththatof<br />
attention flitting from one object to another. The neurons typically stay phase locked for several<br />
h<strong>und</strong>red milliseconds, which would allow them to make and break their liaisons in roughly the<br />
same period that a person’s attention moves from one subject to the next. As different subjects<br />
competeforattention,differentsetsofneuronsmaysetuposcillations,...Onewinsmomentari<br />
ly, and attention is briefly focussed. Then that oscillation fatigues and attention is directed<br />
elsewhere.“ (Barinaga 1990: 857). Ein hochauflösender zeitlicher Code um Relationen auszu<br />
drücken ist deshalb auch philosophisch interessant, weil er auf theoretischer Ebene verständ<br />
lich machen könnte, wie das Gehirn aus Eigenschaftsmengen Objekte bilden <strong>und</strong> diese durch