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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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106<br />

2. Kapitel<br />

zu den Phänomenen führenden Operationen zu unterstützen? Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> werde ich jetzt versuchen, den Begriff des mentalen Modells anzu<br />

reichern, indem ich einige der oben bereits angegebenen Kriterien in Form<br />

von Thesen vorstelle <strong>und</strong> näher erläutere.<br />

(1) Mentale Modelle sind multimodale Datenstrukturen.<br />

Die Inhalte unseres phänomenalenBewußtseinszeichnen sich dadurch aus,<br />

daß Information aus verschiedenen Quellen bruchlos zu einheitlichen men<br />

talen Modellen verschmolzen wird. Wenn Sie dieses Buch simultan fühlen<br />

<strong>und</strong> sehen, dann erleben Sie es als eines als singuläres Objekt in der<br />

Außenwelt, das Ihnen durch zwei verschiedene Sinne gegeben ist. Das<br />

mentale Modell des Buches enthält nämlich noch die Information 158 ,daßes<br />

auf mindestens zwei unterschiedliche Weisen gegeben ist: Visuelle <strong>und</strong><br />

taktile Eigenschaften werden zu einer erlebnismäßig einheitlichen Struktur<br />

verb<strong>und</strong>en. 159 Es ist dies der Prozeß, den ich weiter oben als Formatintegra<br />

tion bezeichnet habe. Durch die Verschmelzung zweier interner Repräsen<br />

tate unterschiedlicher Genese <strong>und</strong> unterschiedlichen Formats entsteht eine<br />

höherstufige mentale Struktur. Diese einheitliche Struktur ist das mentale<br />

Modell des Buches.<br />

158 Diese Information wird dadurch dargestellt, daß ein mentales Modell mit zwei Präsen<br />

tatformaten unterlegt wird. Vgl. Abschnitt 2.1.3.<br />

159 Die subjektive Einheitlichkeit muß dann nicht mehr von oben erklärt werden, wenn es<br />

eine gute neurowissenschaftliche Theorie derjenigen Leistung gibt, die in der Fachterminolo<br />

gie der Hirnforschung als feature binding bezeichnet wird: Die Fusionierung verschiedener<br />

Objekteigenschaften wie Kanten, Bewegungen oder Farben (die aber nachweislich durch<br />

weit auseinanderliegende Neuronenverbände im Gehirn repräsentiert werden) zu einer<br />

einheitlichen internen Struktur. Wolf Singer <strong>und</strong> seine Mitarbeiter haben entdeckt, daß weit<br />

verteilte Neuronen im Gehirn von Katzen, die auf von ein <strong>und</strong> demselben visuell präsentier<br />

ten Objekt ausgehende Stimuli reagieren, synchron mit einer Frequenz von 30 bis 80 Hertz zu<br />

oszillieren beginnen. Daß die Bindung visueller Eigenschaften durch sehr kurze Synchronisie<br />

rungen verteilter Aktivitätsmuster geleistet werden könnte, hatte Christoph von der Malsburg<br />

schon 1981 vorgeschlagen. Diese neuen Entdeckungen zeigen nun, daß sich tatsächlich für<br />

sehr kurze Perioden von weniger als einer halben Sek<strong>und</strong>e solche Oszillationen des Feldpoten<br />

tials mit etwa 40 Hz etablieren. Es ist noch zu früh, um zu folgern, daß dies die neurobiologi<br />

schen Korrelate von phänomenalen Eigenschaften wie „Aufmerksamkeit“ oder „Bewußtheit“<br />

sind schließlich könnten wir hier auch einfach mit afunktionalen Epiphänomenen konfron<br />

tiert sein, wie sie in komplexen Systemen immer zu finden sind. Interessant ist an diesen<br />

Prozessen allerdings, daß sie sich bei der Selbstorganisation an den klassischen Gestaltkrite<br />

rien wie etwa Nachbarschaft, Ähnlichkeit, Bewegungskontinuität usw. orientieren <strong>und</strong> auch,<br />

daß sie in etwa die selbe Zeit beanspruchen, in der die Aufmerksamkeit einer Person von<br />

einem Objekt zum anderen springt. „One of the features that makes the 40 hertz oscillations<br />

attractiveasamediatorofvisualawareness,...,isthattheirtimescalecorrespondswiththatof<br />

attention flitting from one object to another. The neurons typically stay phase locked for several<br />

h<strong>und</strong>red milliseconds, which would allow them to make and break their liaisons in roughly the<br />

same period that a person’s attention moves from one subject to the next. As different subjects<br />

competeforattention,differentsetsofneuronsmaysetuposcillations,...Onewinsmomentari<br />

ly, and attention is briefly focussed. Then that oscillation fatigues and attention is directed<br />

elsewhere.“ (Barinaga 1990: 857). Ein hochauflösender zeitlicher Code um Relationen auszu<br />

drücken ist deshalb auch philosophisch interessant, weil er auf theoretischer Ebene verständ<br />

lich machen könnte, wie das Gehirn aus Eigenschaftsmengen Objekte bilden <strong>und</strong> diese durch

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