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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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102<br />

2. Kapitel<br />

sentanda die fragliche Qualität verleihen. Dann wäre erstens Bewußtsein<br />

aus der Perspektive der Wissenschaft keine instantane Qualität mehr, weil<br />

der es erzeugende neurobiologische Prozeß Zeit benötigt. Dieser Umstand<br />

macht es für das Gehirn notwendig, seine Informationsverarbeitung zeit<br />

lich zu quanteln 150 <strong>und</strong> gewisse Reize etwa zu antedatieren 151 ,umzueinem<br />

homogenen, multimodalen Modell des fraglichen Repräsentandums zu ge<br />

langen. Das bedeutet, daß das subjektive Jetzt den vielen objektiven Ereig<br />

nissen, durch die es konstituiert wird, hinterherhinkt: Bewußtes Erleben ist<br />

im Gr<strong>und</strong>e eine Form von Erinnerung. Zweitens könnte diese Funktion<br />

Diskontinuitäten, zeitliche Brüche oder Ambiguitäten ausfiltern, indem sie<br />

mehrere Input Repräsentanda der tieferliegenden Repräsentationsebenen<br />

zusammenfaßt 152 zum Output von wesentlich weniger Repräsentaten auf<br />

der Ebene phänomenalen Bewußtseins. Vollständige Homogenität wäre<br />

aber nur zu erreichen, wenn diegesamte Information in ein einziges Reprä<br />

sentat zusammengeführt würde. Dieses Repräsentat, das aktuelle bewußte<br />

Realitätsmodell des Systems, wäre somit eine jeweils gerade aktive Daten<br />

struktur mit sehr spezifischen abstrakten Eigenschaften.<br />

Deshalb kann man diesen Gedanken möglicherweise auch vom Begriff<br />

des„Formats“herzuentwickelnversuchen.Wirhabenbereitsgesehen,<br />

daß mentale Repräsentate in verschiedenen Formaten auftreten. Eines der<br />

philosophisch interessantesten Charakteristika der Ebene subjektiven Erle<br />

bens ist dabei Multimodalität das Vorhandensein unterschiedlicher Re<br />

präsentatformate bei gleichzeitiger Homogenität. Wenn es prinzipiell<br />

möglich ist, die phänomenale Ebene als einen speziellen Sonderfall oder<br />

Teilbereich interner Informationsverarbeitung zu erklären, dann muß es<br />

eine neuroinformatische Antwort auf die Frage geben, wie die verschiede<br />

nen Formate bruchlos integriert werden können zu der phänomenalen<br />

Repräsentation einer Welt, in der dennoch verschiedene Wissens <strong>und</strong><br />

Wahrnehmungsquellen unterschieden werden können. Vielleicht stellt die<br />

bewußte Ebene ein eigenes Repräsentationsformat dar. Das würde bedeu<br />

ten, daß die fragliche Homogenität eben genau aus der Tatsache resultiert,<br />

daß wir es beim Gehalt von phänomenalem Bewußtseins als Ganzem<br />

überhaupt nur mit einem Repräsentat zu tun haben. Dieses Repräsentat<br />

besitzt einen eigenen Set abstrakter Eigenschaften, eben sein Format. Das<br />

Format könnte letztlich das sein, was wir als die verbal so schwer zu<br />

beschreibende „Feldqualität“ unseres phänomenalen Raums erleben. Man<br />

kann vermuten, daß dieser Set von abstrakten Eigenschaften innerhalb<br />

150 Vgl. etwa Libet 1979, Pöppel 1985, 1989.<br />

151 Vgl. Fußnote 71.<br />

152 Wenn diese empirische Spekulation in die richtige Richtung geht, dann bestimmt das<br />

Auflösungsvermögen der Metarepräsentationsfunktion (über die „Körnung“ des von ihr er<br />

zeugten Repräsentats; vgl. Sellars 1963, Lycan 1987) die Größe der kleinsten phänomenalen<br />

Einheiten. Das durch die Kapazität der neurobiologischen „Wetware“ begrenzte phänomenale<br />

Zeitbewußtsein besteht zum Beispiel aus subjektiven „Augenblicken“ von maximal 3 Sekun<br />

den. Innerhalb der durch das „Gegenwartsfenster“ der neuronalen Mechanismen determinier<br />

ten inneren Jetzte herrscht bezüglich des Zeiterlebens dann genau die fragliche temporale Ho<br />

mogenität.

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