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Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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Studentinnen <strong>und</strong> Lektorinnen beschrieben den Universitätsbetrieb als einen Ort, an dem Intrigen,<br />

Kämpfe <strong>und</strong> Verletzungen dominieren <strong>und</strong> ein fast nicht bewältigbarer Leistungs-<strong>und</strong> Publikationsdruck<br />

vorherrsche. Die von vielen Studentinnen formulierte Zukunftsperspektive “Lektorin” kann als Versuch<br />

interpretiert werden, mit der “Wissensfabrik Universität” in Verbindung zu bleiben, ohne sich jedoch<br />

mit den wahrgenommenen Intrigen <strong>und</strong> Kämpfen auseinandersetzen zu müssen, ein Faktor der auch<br />

für unsere InterviewpartnerInnen gewisse Gültigkeit hatte (siehe Kapitel 2.3.). 123 Auch bei<br />

Erzählungen zu Erfahrungen in den Forschungsprojekten dominierte die Erzählfigur des “Glück-<br />

Gehabt-Habens” <strong>und</strong> mehr oder weniger zufällig in die ersten Projekte “Hineingerutschtseins”, also<br />

eine passive Haltung <strong>und</strong> nicht strategische Überlegungen.<br />

“Und die Dissertation hab’ ich dann, also 1990 war ich dann fertig mit dem Studium <strong>und</strong> hab’ dann,<br />

da ein Kollege ein Projekt nicht antreten konnte, das eingereicht <strong>und</strong> bewilligt war, hab’ ich schon<br />

parallel, noch bevor ich meine Promotion gehabt hab’, mit dem Projekt angefangen. Bin faktisch von<br />

meiner Diss. ins nächste Projekt reingerutscht (...).”<br />

Angesichts der sich insgesamt verschlechternden beruflichen Aussichten bei zunehmendem Alter <strong>und</strong><br />

den ökonomisch schwierigen, wenig aussichtsreichen Zukunftsperspektiven ist diese Passivität auch<br />

eine verständliche Reaktion. Die Sozialpsychologie behauptet, daß sich die Aufmerksamkeit eines<br />

Menschen bei der Konfrontation mit etwas, das ungewiß, konfliktträchtig <strong>und</strong> daher beunruhigend ist,<br />

eher auf die unmittelbaren Umstände als auf langfristige Perspektiven richtet: die Augen des<br />

Kaninchens sind starr auf die Schlange geheftet. 124 In der Sozialpsychologie wird diese Verfassung<br />

als “kognitive Dissonanz” miteinander konfligierender Bedeutungsrahmen bezeichnet. 125<br />

Übertragen auf die Situation ExterneR <strong>LektorInnen</strong> könnte dies bedeuten, daß sich die<br />

Aufmerksamkeit auf das naheliegendste Problem (nächstes Projekt, nächster Lehrauftrag, Artikel etc.)<br />

fixiert, <strong>und</strong> angesichts wenig realistischer Berufsalternativen größere Zusammenhänge (z. B. äußerst<br />

unsichere, immer prekärer werdende Zukunftsaussichten) dabei ausgeblendet werden. Vielleicht kann<br />

die riskante Laufbahn als ExterneR LektorIn/FreieR WissenschafterIn gerade aufgr<strong>und</strong> eines<br />

kurzfristigen Planens beibehalten werden.<br />

“(...) hab’ ich ein Vermögen sicherlich nie ausgebildet, <strong>und</strong> das ist so ein Vermögen, so ein<br />

vorausplanendes Vermögen, weißt Du?(...) Wo man sagt, man überlegt sich jetzt einmal, was man<br />

die nächsten fünf Jahre tun will oder so, ja? Oder was einem eigentlich wichtig ist? Und man kann<br />

sagen, daß ich eigentlich bis vor kurzem immer nur in den Tag hinein gelebt habe, sozusagen. Und<br />

immer nur auf Monate gedacht habe, aber nie auf ein Jahr. Das schon in den letzten Jahren<br />

123 Ebd. S. 454<br />

124 Vgl. SENNETT, S. 121<br />

125 Ebd. S. 120<br />

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