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Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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Expansion der wissenschaftlichen “work force” weit geringere Aufmerksamkeit. “<strong>Zwischen</strong> 1976 <strong>und</strong><br />

1986 stieg die Zahl der reinen ForscherInnen [weltweit] von einer Million auf über zwei Millionen an.<br />

Und heute [Mitte der 90er Jahre] sind es mehr als drei Millionen, von denen r<strong>und</strong> ein Drittel in den USA<br />

arbeitet.” 91 Sofern es in der – wie es ein zu Beginn der 90er Jahre entwickeltes Konzept der OECD<br />

nennt – “knowledge based economy” gar nicht zu viele ForscherInnen geben kann, weil implizit<br />

angenommen wird, daß alle ForscherInnen beschäftigt <strong>und</strong> folglich produktiv sind, weil der Status<br />

“ForscherIn” – <strong>und</strong> dem englischen Sprachgebrauch von “scientist”folgend sind im wesentlichen allein<br />

NaturwissenschafterInnen <strong>und</strong> VertreterInnen der “technosciences” gemeint – überhaupt nur über die<br />

Einnahme eines Arbeitsplatzes innerhalb einer Forschungsinstitution (universitär, außeruniversitär,<br />

betrieblich) erfaßt wird, wird das explosionsartige Wachstum als völlig unproblematisch erlebt <strong>und</strong><br />

hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Laufbahn- <strong>und</strong> Einkommenssituation der betroffenen<br />

Individuen nicht hinterfragt.<br />

Aber nicht nur die Gruppe der “scientists”, auch die Gruppe der “scolars” – ForscherInnen in den<br />

Sozial-, Geistes- <strong>und</strong> Kulturwissenschaften” – haben ein exponentielles Wachstum erfahren. Werden<br />

auch nur die Ausweitung der Dienstposten für universitär Lehrende <strong>und</strong> Forschende in den<br />

sogenannten Geisteswissenschaften herangezogen, zeigt sich ein außerordentliches Wachstum seit<br />

den 60er Jahren. 92 .<br />

Trotz des massiven, weiterhin ungebrochenen Anstiegs der Zahl der Forschenden, bleibt ein Modell,<br />

wie im folgenden kurz mehr karikiert als skizziert, für die vielen forschungspolitischen Überlegungen<br />

prägend: “große” Forscherpersönlichkeiten sind selten, ihnen ist jedoch das Gros allen<br />

wissenschaftlichen Fortschritts zuzuschreiben. Der Staat setzt sie an privilegierte Positionen mit großer<br />

Machtfülle – insbesondere, was die Reproduktion der Disziplin <strong>und</strong> die Lehre betrifft –, stellt<br />

außerordentliche Mittel (Personal, Infrastruktur) zur Verfügung <strong>und</strong> sorgt für ein vergleichsweise<br />

hohes, von verschiedenen Privilegien (z. B. Pensionsregelungen) begleitetes Einkommen.<br />

Während sich Elemente der alten Ordinarienuniversität aufgr<strong>und</strong> des bloßen Wachstums des<br />

Wissenschaftssystems aufgelöst haben – in einem System, mit einigen dutzend gleichrangigen<br />

Mitspielern lassen sich nicht dieselben Strategien verfolgen, wie in einem Feld, das nur wenige,<br />

oftmals sogar öffentlich bekannte Großordinarien kennt – haben sich die Grenzen zwischen<br />

privilegierten “Insidern” gegenüber der prekären Situation der “Outsider” vermutlich verschärft, bzw.<br />

werden nun erstmals KonkurrentInnen innerhalb des wissenschaftlichen Feldes sichtbar, die – wie<br />

Main 1981. BOURDIEU, Pierre;Passeron, Jean-Claude: Die Illusion der Chancengleichheit –Untersuchungen zur<br />

Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs, Rosenheim 1971.<br />

91 FELT 1995, S. 45<br />

92 Vgl. für Deutschland insbes. WEINGART, Peter u. a.: Die sogenannten Geisteswissenschaften:<br />

Außenansichten: Die Entwicklung der Geisteswissenschaften in der BRD 1954 – 1987, Frankfurt am Main 1991.<br />

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