Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

deshalb, weil es keinen absoluten, überzeitlich gültigen Maßstab für die Bewertung und Berechnung
von Arbeit gibt 57 , der in solchen Umbruchsituationen als Ausgangspunkt zur Neuorientierung und -
ordnung herangezogen werden könnte. Neustrukturierung kann nur relational stattfinden und sollte
expliziter prozessual sowie gemeinschaftlich gestaltet werden.
Die zunehmende Umsetzung von Evaluierungsformen bedarf zur Formulierung sinnvoller Kriterien
eines ständigen Reflexions- und Diskussionsprozesses, der insbesondere die Gefahr der
ausschließlichen Fixierung von für heterodoxe und heterogene Lehrmeinungen und -praktiken
unangemessen Mainstreamkriterien bannen soll. 58
Je offener das Spiel der Ein- und Ausstiege innerhalb eines Berufsfeldes, desto leichter sei es für die
Arbeitslosen sich einzumischen, und desto schwächer wird die Langzeitarbeitslosenrate im Verhältnis
zur Gesamtarbeitslosenrate sein. 59 Die Schere zwischen Jobholdern und Langzeitarbeitslosen stehe
also in direktem Zusammenhang mit Offenheit bzw. Geschlossenheit der Arbeitsmärkte. Der
Hochschularbeitsmarkt in Österreich gehört zu den geschlossensten. Mobilität und Migration sind
daher hier im Gegensatz zu Deutschland oder den USA fast ausschließlich auf die außeruniversitären
bzw. befristeten DrittmittelforscherInnen (oder StipendiatInnen) und die Externen Lehrbeauftragten
beschränkt. Die Segmentierung des Hochschularbeitsmarktes wird weiters durch die Personalstruktur
(Abhängigkeitsverhältnis ProfessorInnen/unbefristet Beschäftigte - abhängige befristet Beschäftigte)
der Universitäten verstärkt. Diese Zweiteilung verschärft sich angesichts gleicher Qualifikationskriterien
und oftmals weitgehend gleicher Arbeit bei völlig unterschiedlicher Bezahlung und unterschiedlichem
Karriereverlauf; sie verweist auf das allgemeine Problem ungleicher Verteilung regulärer
Beschäftigungsverhältnisse und der damit verbundenen sozialen Absicherung, bei der zudem ein
signifikantes Geschlechter- und Generationsgefälle zuungunsten von Frauen sowie der jüngeren
Generationen konstatiert wurde.
Vor diesem Hintergrund siedeln sich Freiheit und Zwang zwischen kapitalistischer Ökonomie und
Selbstbestimmung, zwischen Risiko und Unsicherheit, aber auch zwischen Jugendlichkeit und
Erwachsensein an. Das alte, aus der Aufklärung stammende Gegensatzpaar von Autonomie und
Heteronomie ist zwar entgegen Marcel Gauchets Behauptung keineswegs verschwunden 60 , vielmehr
57 CASTORIADIS, Cornelius: Von Marx zu Aristoteles, von Aristoteles zu uns. In: Ders.: Durchs Labyrinth (I),
Stuttgart 1980, S. 221–276, 297–304.
58 Dies ging aus dem von Ulrike Felt im Rahmen einer IG-Veranstaltung 1998 gehaltenen Vortrag zur Umsetzung
universitärer Evaluierungsmaßnahmen in Forschung und Lehre hervor.
59 COHEN, Daniel: Les salaires ou l’emploi? In: Mongin, Olivier (Hg.): Le travail, quel avenir? Paris 1997, S. 83–
113.
60 GAUCHET, Marcel: La religion dans la dŽmocratie. Parcours de la la•citŽ, Paris 1998.
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