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Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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WissenschafterInnen dort in immer stärker taylorisierten Arbeitsprozessen aber zugleich auch in<br />

unsicheren Beschäftigungsverhältnissen eingesetzt, was manche ArbeitssoziologInnen wiederum als<br />

Zeichen des Postfordismus deuten. Wird beides zusammengenommen, so kann von einem steigenden<br />

Grad der Entfremdung gesprochen werden (der Grad der Unzufriedenheit nicht nur über das<br />

übertriebene Arbeitspensum – 60 Wochenst<strong>und</strong>en sind die Regel – ist unter den MolekularbiologInnen<br />

nicht zufällig am größten). 54<br />

Gleichzeitig monopolisieren diese Bereiche zunehmend den öffentlichen Begriff von “Wissenschaft”,<br />

sogar in dem von Humboldt geprägten deutschsprachigen Raum, <strong>und</strong> auch strukturell werden alle<br />

Wissenschaften immer stärker am Modell dieser Art von “Sciences”gemessen. Diese Aspekte tragen<br />

zur weiteren Entzauberung der Wissenschaft als Einheitsbegriff bei. Allgemein kann von einer<br />

Ungleichzeitigkeit der Produktionsweisen bzw. von einer Verschiedenheit der Arbeitsweisen <strong>und</strong> -<br />

verhältnisse, nicht nur gemäß der Disziplinen bzw. Subdisziplinen, sondern auch gemäß Technik <strong>und</strong><br />

Methode sowie gemäß der Tatsache, ob die “Produkte” für den Bildungs-, den Kultur- oder den kapital-<br />

<strong>und</strong> produktionsmittelintensiven Konsumgütermarkt bzw. die Industrie (Patente) hergestellt werden.<br />

Zugleich ist es seit dem Aufstieg der Kulturindustrie schwierig, genaue Trennlinien zu ziehen. Auch<br />

verschieben sich mit der Entstehung neuer gesellschaftlich verwerteter<strong>und</strong> auch in kapitalistischen<br />

Termini verwertbarer Kultur- <strong>und</strong> “Wissens”-Arbeit die Trennlinien zwischen humanistischem bzw.<br />

“noblessebehaftetem”“nonprofit”-Sektor <strong>und</strong> den gewinnorientierten Arbeitsfeldern. Verhältnismäßig<br />

zunehmend zum Rückzug des Staates aus seiner Verantworlichkeit gegenüber dem Erhalt <strong>und</strong> der<br />

Erweiterung des “kulturellen Erbes” werden ehemalige“nonprofit”-Bereiche ebenso unter das Diktat der<br />

Verwertbarkeit <strong>und</strong> Verkäuflichkeit gestellt. Nur noch der Lehrsektor, also vor allem der Unterricht,<br />

unterstehen dem klaren Bildungsauftrag des Staates; doch ist auch hier eine beginnende Tendenz zu<br />

Privatisierung, Globalisierung <strong>und</strong> Auslagerung (Lehrveranstaltungen über das Internet) sowie zum<br />

Rückgriff auf weitgehend unabgesicherte“freie” Arbeitskräfte zu bemerken.<br />

Die heute vertrauten Modi der Ressourcenverteilung sind an Verortung <strong>und</strong> Tradition, an Lobbying der<br />

Disziplinen durch ihre amtstitelmäßig ausgezeichnetsten Vertreter sowie an die unmittelbare<br />

Verwertbarkeit der Forschung geb<strong>und</strong>en. Sie lenken implizit Entwicklungen, ohne explizite Beratung<br />

darüber, was gesellschaftlich langfristig gebraucht <strong>und</strong> gewünscht wird. Der Aufbruch dieser starren<br />

Pfründewirtschaft <strong>und</strong> Standespolitik bzw. die Vorherrschaft derartigen Lobbyings kann nur positiv für<br />

die Dynamik zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Gemeinwohl sein. Diese Dynamik der Bildung wird einer<br />

immer rasanteren <strong>und</strong> unüberlegteren Technikentwicklung unterworfen, sowie der Abhängigkeit<br />

zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum, sprich: einem kapitalistisch-oligarchischem<br />

54 Hierbei ist allerdings auf die Entwicklungen in der Laborautomatisierung zu verweisen, die derartige<br />

Tätigkeiten von überqualifizierten ForscherInnen auf Maschinen bzw. Roboter übertragen.<br />

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