Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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05.09.2013 Aufrufe

Gerade in den ältesten aber auch stets sich erneuernden und vervielfältigenden Fächern, den nicht exakten Wissenschaften, in denen das Dogma (Lehrmeinung) die zentrale Kanonisierungsinstanz ist, sind die meisten Externen angesiedelt. Dies ist nicht allein über die Kategorie des Arbeitsmarktes d.h. des größeren Angebots an Lehrenden erklärbar. Die Frage nach dem Selbstverständnis der in diesen Fächern verankerten UniversitätslehrerInnen und WissenschafterInnen, sowie eine wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftstheoretische Einbeziehung des Verhältnisses zwischen Gegenstand der Disziplin und Subjekt bzw. Akteur, verweist darauf, daß die Umstrittenheit des Kanons mit einem umstritteneren aber oft auch offeneren, ja demokratischeren Zugang zur Lehrauftragstätigkeit korreliert. Die Ausschreibungsbedingungen sind dementsprechend transparenter als in naturwissenschaftlichen oder technischen Fachrichtungen. 1.2.3.2. Der Arbeitsbegriff im Wandel Deregulierung, Kumulation von Tätigkeitsfeldern, veränderte Zeitlichkeit der Beschäftigungsverhältnisse, neuer Generationenvertrag (Rekrutierungszyklen, Nachwuchs, Überalterung, universitäre Gerontokratie), Neue Selbständige und befristete Angestellte, Beschäftigungsstatus zwischen Sozialhilfe und geringfügiger Beschäftigung: all diese Phänomene verweisen auf eine generelle “Krise der Arbeit”, d.h. auf Unterbeschäftigung sowie auf ein Mißverhältnis sowohl zwischen Qualifikation und Arbeitsplatzschaffung als auch zwischen Zahl und Intensität der Beschäftigungen. Strukturelle Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur sind unmittelbar mit dem Aufklaffen von Löchern in den Absicherungssystemen der Wohlstandsgesellschaften verbunden. Dennoch sind diese Phänomene bis vor kurzem in der österreichischen Sozialforschung, aber vor allem von den politischen und sozialpartnerschaftlichen EntscheidungsträgerInnen, weitgehend vernachlässigt worden, fast scheint es, als hätten sie den historisch-institutionellen Wahrnehmungsrahmen, den letztere verkörpern, gesprengt. Diese Phänomene gehören auch zu den grundlegendsten Entstehungsbedingungen der Externen/Freien als kollektives Subjekt. Deren wohl prägnantesten Merkmale sind die finanzielle und soziale Unabgesichertheit; die Diskontinuität in der Beschäftigungslage und die Unklarheit über die berufliche Zukunft. Erstere ist bei den Frauen unter den Externen/Freien noch merklich größer als bei den Männern, bei den jüngeren massiver als bei den älteren, wobei die Alterskurve sinkt. 37

Allgemein weist die Beschäftigungslage in Österreich eine Zunahme von verschiedenen Tätigkeitskombinationen in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen auf. 53 Externe/Freie werden in der Statistik zweifellos auch als TelearbeiterInnen geführt, doch kennzeichnet diese Art der Arbeit nur zum Teil ihren Beschäftigungsmodus. Es ist außerdem fraglich, ob Universitätsbedienstete, für die es ja keine Anwesenheitspflicht gibt, und die sehr oft auch in ihren eigenen Arbeitsräumen zu Hause forschen, auch als Telearbeiter geführt werden. WohnzimmerforscherInnen werden sie jedenfalls im Gegensatz zu den Externen/Freien und außeruniversitär forschenden so selten genannt wie Gelegenheits- oder FreizeitwissenschafterInnen, obwohl sie dies, aufgrund der wachsenden Arbeitsbelastung mit nicht wissenschaftlichen Tätigkeiten an den Universitäten, immer öfter zu sein angeben. 1.2.3.2.1. Freiheit und Zwang, Autonomie und Entfremdung Die Verortung in der “normalen”Erwerbsarbeit ist für viele zu stark an Zwang und Kontrolle durch Anwesenheit gebunden, die der freien Arbeitskraft und der freien Wissenschaft nur abträglich sein können. Doch vor der versuchten Integration von Werkverträgen in das Netz der Sozialversicherung sind unklare Grenzen zwischen selbständigen und unselbständigen WissenschafterInnen, zwischen eigenen Produktionsmittel (Computer, Handy, Telekommunikation) und öffentlich bereitgestellten Produktionsmittel (Bibliotheken, Archive) in den “software”-Wissenschaften (Geistes-, Kultur-, und theoretische Wissenschaften) immer expliziter geworden. Der von vielen WissenschafterInnen zunehmend beklagte Taylorismus in den industrialisierten “technosciences”, insbesondere im Bereich der Biologie und Humanmedizin (der medizinisch- industrielle Sektor bindet mittlerweile mehr Kapital als der militärische), trägt maßgeblich zur wachsenden Entfremdung in den Wissenschaften bei. Entsprechend häufiger werden 53 Ebenso steigen Teilzeitarbeit (Talos, 1997: allg. in Ö, Frauen haben 26% Teilzeitquote; 85% der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen), geringfügige Beschäftigung (Quote 6,5% 1999, Frauen 72,3%), die Arbeitslosigkeit sowie die Häufigkeit arbeitsloser Phasen, Arbeit im “Freien Dienstvertrag” und von “Neuen Selbständigen” (allg. mehr Männer, Zunahme der “selbständigen” WissenschafterInnen vor allem unter den Frauen). Zu den atypisch Beschäftigen zählen weiters die sogenannten “arbeitnehmerähnlichen” bzw. “abhängigen Selbständigen” (insgesamt 32.000; befristet: 7,8%; Frauen 8,4%, Männer 7,3%, davon 41,7% Frauen bzw. 57,8 Männer mit Ausbildungsvertrag). Bei dem atypischen Beschäftigungsverhältnis Telearbeit fällt auf, daß 60% über einen Hochschulabschluß verfügen, die Beschäftigten zumeinst männlich sind (81%), sowie jeweils zur Hälfte selbständig bzw. unselbständig erwerbstätig sind. “Rund 90% aller Telearbeiter arbeiten in den Berufsabteilungen ‘Gesundheits-, Lehr- und Kulturberufe’, ‘Mandatare, Rechts-, Verwaltungs- und Büroberufe’, ‘Handels- und Verkehrsberufe’ und ‘technische Berufe’; rund drei Viertel arbeiten im Dienstleistungssektor.” (Hammer 1998, zit. nach TALOS, Emmerich (Hg.): Atypische Beschäftigung. Internationale Trends und Sozialstaatliche Regelungen. Europa – USA, Wien 1999, S. 263). 38

Allgemein weist die Beschäftigungslage in Österreich eine Zunahme von verschiedenen<br />

Tätigkeitskombinationen in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen auf. 53 Externe/Freie werden<br />

in der Statistik zweifellos auch als TelearbeiterInnen geführt, doch kennzeichnet diese Art der Arbeit<br />

nur zum Teil ihren Beschäftigungsmodus. Es ist außerdem fraglich, ob Universitätsbedienstete, für die<br />

es ja keine Anwesenheitspflicht gibt, <strong>und</strong> die sehr oft auch in ihren eigenen Arbeitsräumen zu Hause<br />

forschen, auch als Telearbeiter geführt werden. WohnzimmerforscherInnen werden sie jedenfalls im<br />

Gegensatz zu den Externen/Freien <strong>und</strong> außeruniversitär forschenden so selten genannt wie<br />

Gelegenheits- oder FreizeitwissenschafterInnen, obwohl sie dies, aufgr<strong>und</strong> der wachsenden<br />

Arbeitsbelastung mit nicht wissenschaftlichen Tätigkeiten an den Universitäten, immer öfter zu sein<br />

angeben.<br />

1.2.3.2.1. Freiheit <strong>und</strong> Zwang, <strong>Autonomie</strong> <strong>und</strong> Entfremdung<br />

Die Verortung in der “normalen”Erwerbsarbeit ist für viele zu stark an Zwang <strong>und</strong> Kontrolle durch<br />

Anwesenheit geb<strong>und</strong>en, die der freien Arbeitskraft <strong>und</strong> der freien Wissenschaft nur abträglich sein<br />

können. Doch vor der versuchten Integration von Werkverträgen in das Netz der Sozialversicherung<br />

sind unklare Grenzen zwischen selbständigen <strong>und</strong> unselbständigen WissenschafterInnen, zwischen<br />

eigenen Produktionsmittel (Computer, Handy, Telekommunikation) <strong>und</strong> öffentlich bereitgestellten<br />

Produktionsmittel (Bibliotheken, Archive) in den “software”-Wissenschaften (Geistes-, Kultur-, <strong>und</strong><br />

theoretische Wissenschaften) immer expliziter geworden.<br />

Der von vielen WissenschafterInnen zunehmend beklagte Taylorismus in den industrialisierten<br />

“technosciences”, insbesondere im Bereich der Biologie <strong>und</strong> Humanmedizin (der medizinisch-<br />

industrielle Sektor bindet mittlerweile mehr Kapital als der militärische), trägt maßgeblich zur<br />

wachsenden Entfremdung in den Wissenschaften bei. Entsprechend häufiger werden<br />

53 Ebenso steigen Teilzeitarbeit (Talos, 1997: allg. in Ö, Frauen haben 26% Teilzeitquote; 85% der<br />

Teilzeitbeschäftigten sind Frauen), geringfügige Beschäftigung (Quote 6,5% 1999, Frauen 72,3%), die<br />

Arbeitslosigkeit sowie die Häufigkeit arbeitsloser Phasen, Arbeit im “Freien Dienstvertrag” <strong>und</strong> von “Neuen<br />

Selbständigen” (allg. mehr Männer, Zunahme der “selbständigen” WissenschafterInnen vor allem unter den<br />

Frauen). Zu den atypisch Beschäftigen zählen weiters die sogenannten “arbeitnehmerähnlichen” bzw.<br />

“abhängigen Selbständigen” (insgesamt 32.000; befristet: 7,8%; Frauen 8,4%, Männer 7,3%, davon 41,7%<br />

Frauen bzw. 57,8 Männer mit Ausbildungsvertrag). Bei dem atypischen Beschäftigungsverhältnis Telearbeit fällt<br />

auf, daß 60% über einen Hochschulabschluß verfügen, die Beschäftigten zumeinst männlich sind (81%), sowie<br />

jeweils zur Hälfte selbständig bzw. unselbständig erwerbstätig sind. “R<strong>und</strong> 90% aller Telearbeiter arbeiten in den<br />

Berufsabteilungen ‘Ges<strong>und</strong>heits-, Lehr- <strong>und</strong> Kulturberufe’, ‘Mandatare, Rechts-, Verwaltungs- <strong>und</strong> Büroberufe’,<br />

‘Handels- <strong>und</strong> Verkehrsberufe’ <strong>und</strong> ‘technische Berufe’; r<strong>und</strong> drei Viertel arbeiten im Dienstleistungssektor.”<br />

(Hammer 1998, zit. nach TALOS, Emmerich (Hg.): Atypische Beschäftigung. Internationale Trends <strong>und</strong><br />

Sozialstaatliche Regelungen. Europa – USA, Wien 1999, S. 263).<br />

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