Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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05.09.2013 Aufrufe

1.2. Externe Lehrbeauftragte und Freie WissenschafterInnen: ein Segment von Individuen in einer prekären Intersektion 1.2.1. “Identität” eines im Entstehen begriffenen kollektiven Subjekts?1.2.1. Identität eines im Entstehen begriffenen kollektiven Subjekts? 1.2.1.1. Elemente und Grenzen der Identitätsbestimmung Der Begriff der Identität ist in den letzten Jahrzehnten grundlegend problematisiert worden, insbesondere was die “Identität” kollektiver Subjekte bzw. die über soziale und ökonomische Kategorisierung und Hierarchisierung begründete “Identität” von immer schon sozialisierten Individuen betrifft. 39 Mit der Erforschung des “Profils”der Externen Lehrbeauftragten und Freien WissenschafterInnen geht es um die Bestimmung einer Personengruppe, die in mehreren Schnittfeldern angesiedelt ist, die vorerst nur über eine sich im wissenschaftlichen Betrieb häufende, aber nicht durchgängige Kongruenz zweier Arten der Berufsausübung definiert wird. Dies bedeutet zwar eine Eingrenzung der aufgrund ihrer Heterogenität und Fluktuation schier unerforschbaren Menge der Externen Lehrbeauftragten an österreichischen Universitäten, stellt aber angesichts der Vielfältigkeit der Forschungstätigkeit sowie aufgrund des sowohl quantitativ wie auch qualitativ stark variierenden Status die operationalen Schwierigkeiten des Identitätsbegriffs noch deutlicher heraus. Es ging daher mehr um die kontextualisierte Phänomenalisierung eines im Entstehen begriffenen polymorphen Berufsbildes, das symptomatisch und auch zukunftsweisend ist für allgemeinere Entwicklungen von “Beruf” und “Arbeit”. Des weiteren ging es um die Skizzierung des dynamischen Verhältnisses zwischen dieser Art der professionellen (Un-)Situiertheit und der wissenschaftlichen Arbeit. Ziel war es also nicht so sehr, eine Identität nachzuzeichnen oder gar aufzubauen, sondern im Kontext von sehr unkoordiniert sich wandelnden Arbeits- und Sozialversicherungsverhältnissen, von Hochschulrecht und Forschungslandschaft, von Wissenschaft und Lehre, universitären und außeruniversitären Forschungsinstitutionen sowie von Ausschluß und Einschluß in den 39 Dieses Problemfeld wurde vor allem im Anschluß an postmarxistische und poststrukturalistische Ansätze im Kontext feministischer Theorie seit den 70er Jahren behandelt, hat aber in gewissen sozialwissenschaftlichen Disziplinen erst vor einigen Jahren an Relevanz gewonnen (“multiple identities”, “crossing”, “intersexions” usw., um nur einige der dort gerade gängigen Begriffe zu nennen). 25

Universitätsbetrieb, Möglichkeiten und Existenzwirklichkeiten von an Universitäten als Externe LektorInnen lehrenden WissenschafterInnen auszuloten und in einen ersten, soweit wie möglich systematischen Zusammenhang zu bringen. Daß die herkömmlichen sozialwissenschaftlichen Analysekategorien hierfür nicht ausreichend sind, hatte zur Folge, daß wir uns aus verschiedenen theoretischen wie auch erhebungsmethodologischen Perspektiven unserer Zielgruppe näherten. Der disziplinenspezifischen Heterogenität der Forschungs- und Lehrbedingungen für Externe und Freie konnte dabei nur relativ schematisch Rechnung getragen werden. 40 Die Frage der Identität bzw. die Problematik einer nicht vorhandenen kollektiven (aber auch individuellen) Identität als “Externe/Freie” ist dennoch aus verschiedenen Gründen zentral; sie ist nicht als Frage nach einer kollektiven Substanz, sondern nach den Bedingungen und Kriterien einer solchen (Nicht-)Identität relevant; sie ist grundlegend für die Frage nach politischer Präsenz und sie ermöglicht als diese spezielle die Skizzierung eines Profils einer neuen Generation von WissenschafterInnen, die sich weder auf die bevorzugten Identifikationsmuster jener reduzieren läßt, welche sich politisch organisieren, noch auf irgendeine der bisher erforschten Kategorien von HochschullehrerInnen und/oder WissenschafterInnen. Die Schwierigkeiten liegen dabei nicht zuletzt in der Wahl der Perspektive. Nicht eindeutig und längerfristig beantworten läßt sich etwa die Frage, ob die betreffende Gruppe und die Frage nach ihrer (Nicht-)Identität stärker aus der Perspektive des Konkurrenzverhältnisses Interne-Externe, also eher vom Standpunkt der Klassenproblematik her zu untersuchen ist (Jobholder vs. Freelancer ohne angemessenen bzw. entsprechenden Arbeits- bzw. Auftragsmarkt und ohne Standesvertretung), oder vom mehr “ständischen” Standpunkt des Berufs her (Wissenschaft und Lehre als Beruf(-ung), Fluktuation im Beruf, jeder ist in seinem Leben beides: angestellt und frei/arbeitslos , wo also die Abwechslung der Zustände und des Status relevanter ist als die Klasse, die eine zwingendere und dauerhaftere Zugehörigkeit voraussetzt). Konkret läßt sich diese Frage selbst wieder nur über eine Einteilung gemäß anderen Perspektiven beantworten: Der Standpunkt der Klasse überwiegt hinsichtlich der materiellen Existenz bzw. Subsistenz, verbunden mit der (Nicht-)Positionierbarkeit innerhalb der Struktur bzw. der Felder und der Arbeitsverhältnisse, während der Standpunkt des Standes wohl für das jeweilige Berufsverständnis überwiegt, insbesondere was die Perspektive einer wissenschaftlichen Laufbahn bzw. das Selbstverständnis als WissenschafterIn betrifft. Doch diese Einteilung ist keineswegs absolut: Die Grenzen verschwimmen dort, wo die bewußte Positionierung innerhalb der Struktur und gegenüber den Arbeitsverhältnissen – und damit eine Klassenperspektive – in das berufliche Selbstverständnis 40 am konkretesten in den qualitativen Interviews, siehe Kapitel 2 26

1.2. Externe Lehrbeauftragte <strong>und</strong> Freie WissenschafterInnen: ein Segment von<br />

Individuen in einer prekären Intersektion<br />

1.2.1. “Identität” eines im Entstehen begriffenen kollektiven Subjekts?1.2.1. Identität eines im<br />

Entstehen begriffenen kollektiven Subjekts?<br />

1.2.1.1. Elemente <strong>und</strong> Grenzen der Identitätsbestimmung<br />

Der Begriff der Identität ist in den letzten Jahrzehnten gr<strong>und</strong>legend problematisiert worden,<br />

insbesondere was die “Identität” kollektiver Subjekte bzw. die über soziale <strong>und</strong> ökonomische<br />

Kategorisierung <strong>und</strong> Hierarchisierung begründete “Identität” von immer schon sozialisierten Individuen<br />

betrifft. 39<br />

Mit der Erforschung des “Profils”der Externen Lehrbeauftragten <strong>und</strong> Freien WissenschafterInnen geht<br />

es um die Bestimmung einer Personengruppe, die in mehreren Schnittfeldern angesiedelt ist, die<br />

vorerst nur über eine sich im wissenschaftlichen Betrieb häufende, aber nicht durchgängige Kongruenz<br />

zweier Arten der Berufsausübung definiert wird. Dies bedeutet zwar eine Eingrenzung der aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Heterogenität <strong>und</strong> Fluktuation schier unerforschbaren Menge der Externen Lehrbeauftragten an<br />

österreichischen Universitäten, stellt aber angesichts der Vielfältigkeit der Forschungstätigkeit sowie<br />

aufgr<strong>und</strong> des sowohl quantitativ wie auch qualitativ stark variierenden Status die operationalen<br />

Schwierigkeiten des Identitätsbegriffs noch deutlicher heraus. Es ging daher mehr um die<br />

kontextualisierte Phänomenalisierung eines im Entstehen begriffenen polymorphen Berufsbildes, das<br />

symptomatisch <strong>und</strong> auch zukunftsweisend ist für allgemeinere Entwicklungen von “Beruf” <strong>und</strong> “Arbeit”.<br />

Des weiteren ging es um die Skizzierung des dynamischen Verhältnisses zwischen dieser Art der<br />

professionellen (Un-)Situiertheit <strong>und</strong> der wissenschaftlichen Arbeit.<br />

Ziel war es also nicht so sehr, eine Identität nachzuzeichnen oder gar aufzubauen, sondern im Kontext<br />

von sehr unkoordiniert sich wandelnden Arbeits- <strong>und</strong> Sozialversicherungsverhältnissen, von<br />

Hochschulrecht <strong>und</strong> Forschungslandschaft, von Wissenschaft <strong>und</strong> Lehre, universitären <strong>und</strong><br />

außeruniversitären Forschungsinstitutionen sowie von Ausschluß <strong>und</strong> Einschluß in den<br />

39 Dieses Problemfeld wurde vor allem im Anschluß an postmarxistische <strong>und</strong> poststrukturalistische Ansätze im<br />

Kontext feministischer Theorie seit den 70er Jahren behandelt, hat aber in gewissen sozialwissenschaftlichen<br />

Disziplinen erst vor einigen Jahren an Relevanz gewonnen (“multiple identities”, “crossing”, “intersexions” usw.,<br />

um nur einige der dort gerade gängigen Begriffe zu nennen).<br />

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