Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen
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sozusagen hängengeblieben ist, was rausgekommen sein soll, wenn dann im nächsten Studienjahr<br />
jemand sagt, mit dem können sie bei mir nichts anfangen, hat er Pech gehabt. Wir haben das<br />
Prinzip, wir geben den Prüferinnen <strong>und</strong> Prüfern das Vertrauen, die können absolute Normen setzen,<br />
ob das der Fall ist, halt’ ich für höchst zweifelhaft.” (Gesprächszitat: Weber)<br />
4.3.5. Nachwuchs<br />
“Es ist ein Spezifikum der österreichischen Universität. In keinem anderen Land würden sie mit 40<br />
als Nachwuchs bezeichnet werden. Dann sind sie entweder Freelance Researcher oder sie sind<br />
irgendetwas anderes, aber sie sind sicher nicht Nachwuchs. Das hat was mit der Hierarchisierung<br />
zu tun <strong>und</strong> das hat etwas damit zu tun, daß der Mittelbau im Gr<strong>und</strong>e genommen eine<br />
Fehlkonstruktion, als Gruppe, ich meine jetzt soziologisch gesehen, ist. Denn im Gr<strong>und</strong>e genommen<br />
ist es mein Ziel, wenn ich diese Gruppe betrete, sie so schnell wir möglich zu verlassen. Ich bin nur<br />
ein erfolgreicher Mittelbauer, wenn ich ein ausgeschiedener Mittelbauer bin. Insoferne ist von der<br />
Konstruktion her in der Gruppe zu verbleiben ein Versagen. Ich hab da Aussagen gehört von<br />
Professoren: ‘Der ist 39, in dem Alter sollte der schon Professor sein <strong>und</strong> den sollte man daher nicht<br />
mehr anstellen. Entweder er hat es bis dahin schon geschafft oder man sollte es nicht mehr<br />
tun.’”(Gesprächszitat: Felt)<br />
“Da sind jetzt mehrere Dinge drinnen, sie haben den Nachwuchsbegriff sehr schön problematisiert.<br />
Es beginnt in einem bestimmten Augenblick zu kippen, ich bin auch Mitglied der Personalkomission<br />
der Fakultät <strong>und</strong> erlebe dort gelegentlich, daß formal höher Qualifizierte nicht mehr genommen<br />
werden, etwa als Assistenten, unter dem Gesichtspunkt, das ist ja dann keine Nachwuchspflege<br />
mehr. Jetzt eigentlich außer Protokoll, es kommen bereits zahlreiche Fälle, das hängt mit den<br />
unterschiedlichen dienstrechtlichen Bestimmungen in der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> in Österreich<br />
zusammen, daß sich 40-jährige Habilitierte um Assistentenposten in Wien bewerben. Nun ist es<br />
eigentlich unglaublich schwierig, warum der Betreffende schlechter qualifiziert sein soll als ein<br />
Magister, der noch an seiner Dissertation arbeitet, den aber der zuständige Universitätslehrer oder<br />
die zuständige Universitätslehrerin lieber hätte, weil man ihn kennt, die eigenen Leut’, für die muß<br />
man um Gottes Willen ja auch was tun. Da fällt es schwierig mit der Argumentation, formal, da gibt’s<br />
Publikationen, da gibt’s ein Büchl oder zwei, wie soll ich dann sagen, der eigene, der zu den besten<br />
Hoffnungen berechtigt, vielleicht, ich weiß ja nicht ob die dann eingelöst werden, ist besser<br />
qualifiziert, als jemand sonst. Das ist ein Problem, das ist legistisch nicht lösbar, das ist nur ein<br />
unglaublich heikles Fingerspitzengefühl <strong>und</strong> läuft letztlich doch darauf hinaus, daß derjenige oder<br />
diejenige, der den Posten zu vergeben hat, letztlich seine Wünsche durchsetzen wird. Wir<br />
produzieren auf Halde, bis über die Habilitation hinaus, man kann sagen, aber es stimmt nicht, wer<br />
als Habilitierter mit 45 noch nicht einen Professorenposten hat, bei dem muß was nicht stimmen,<br />
aber so ist es nicht, weil die Zahl der zur Verfügung stehenden Habilitierten in keinem Verhältnis<br />
mehr steht zur Zahl der zur Verfügung stehenden Professorenstellen. In einem verwandten Fach<br />
haben sich 60 Leute beworben in einer B<strong>und</strong>esländeruniversität, die waren sehr stolz, bis jemand<br />
gesagt hat, seid’s wahnsinnig, seid’s euch doch bewußt, daß das nicht die Attraktivität dieser<br />
Universität ist, sondern die Tatsache, daß so viele arbeitslose Habilitierte im deutschsprachigen<br />
Raum herumlaufen. – Aber ich kann’s nicht lösen, nicht, <strong>und</strong> es wäre schön, wenn ich die Forderung<br />
stelle, die Forderung kann ich stellen, dem Staat sagen könnte: lieber Staat, a) du hast sehr viel<br />
Geld in die Ausbildung dieser Leute investiert, b) sie haben die höchstmögliche Qualifikation in<br />
ihrem Bereich erworben, bitte tu doch was, daß sie eben nicht Taxifahren müssen, aber das Geld<br />
haben wir nicht. Wir leisten uns mit viel Mühe die Staatsoper, die Universitäten sind insgesamt viel<br />
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