Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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05.09.2013 Aufrufe

efassen, um nicht ewig das gleiche zu reproduzieren, sondern auch zu neuen Fragen und Antworten zu kommen. Das ist etwas, was bei der derzeitigen Form der – jetzt spreche ich über die Externen– Forschungsförderung und Finanzierung von Forschungsarbeiten nicht gewährleistet ist. Es wird nur die effektive Stundenleistung am Projekt bezahlt, es wird nicht der Teil, den man braucht, um überhaupt auf eine Idee zu kommen bezahlt, vielleicht eine gescheite neue Methode zu überlegen. Jetzt rede ich nicht speziell vom Wissenschaftsministerium, weil da gehts immer noch ein bißchen. In der Regel geht es aber nicht. Darum, denke ich, muß man diesen Produktivitäts- und Effizienzbegriff in die Richtung erweitern, daß es wirklich qualitativ inhaltliche Kriterien gibt. Nachdenken, Neudenken, das Konzeptive muß Bestandteil sein, nicht nur – ich krieg einen Auftrag und den erledige ich. Das ist das Eine, das Zweite sind die Kriterien die dem Messen der Effizienz zugrunde gelegt werden, und zwar das Messen von Produktivität und Output, zum Beispiel anhand der Zahl von Publikationen. Das ist ein System, das nicht funktionieren kann. Das ist erstens traditionell naturwissenschaftlich männlich orientiert, das ist zweitens in Europa zum Beispiel anders als in den USA. Es gibt eine ganze Reihe von Einschränkungen, wo man sagt, mit dem kann es nicht gehen, das kann man nicht zum vorwiegenden Beurteilungskriterium von Produktivität machen. Die Tendenzen gehen aber weiterhin in die Richtung. Ein Kriterium wäre auch Internationalität, Kooperation, es könnte auch Interdisziplinarität sein, da müßte man Neues entwickeln, um feststellen zu können: Was heißt überhaupt Produktivität? Das ist in den forschungspolitischen Strategien nicht drinnen oder zu wenig drinnen.”(Gesprächszitat: König) “Ich selbst bin ein Grundlagenforscher, so nach dieser vordergründigen Einteilung. Ich bin hilflos diesbezüglich [bezüglich Produktivitätsparameter] und das sind alle diejenigen, die sich mit Evaluierungsfragen beschäftigen. Ich kann natürlich im Bereich der Technik, Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften anwenderorientiert denken und sagen,schaut etwas heraus, das brauchbar ist, kann ich das direkt oder indirekt umsetzen. Wenn ich aber Monate investiere in die Frage der Datierung einer Handschrift – wem nutzt das was? Ich weiß nicht welche Parameter sich im Bereich dieser Geistes-/Humanwissenschaftlichen Grundlagenforschung finden lassen. Auch die Evaluierer haben dieses Problem, denn das ist auch so etwas, das aus der Naturwissenschaft kommt: wie oft wird man, natürlich in der ausländischen, und wenn ausländischen, dann englischsprachigen, und wenn englischssprachigen, dann US-amerikanischen Literatur zitiert, das ist gut, je öfter man dort vorkommt. Vielleicht arbeite ich aber gerade an einem Bereich, der momentan keinen Menschen interessiert, vielleicht werde ich erst in 20 Jahren zitiert, wobei das “Ich” jetzt nicht konkret ist, sondern ganz allgemein, soll ich mir deswegen jetzt nur einen Gegenstand suchen, weil ich weiß, daß der woanders interessiert?” (Gesprächszitat: Weber) Die Produktivitätsparameter im Bereich der Lehre sind mittlerweile eng vernüpft mit Evaulierungsmaßnahmen, die an den Universitäten durchgeführt werden, wiewohl in den Interviews immer wieder nach den Paramtern für die Lehre noch einmal nachgefragt werden mußte. “Je mehr ich mich mit der Frage der Evaluierung in der Uni auseinander setze, umso mehr wird mir klar, daß sich das wahrscheinlich in den bestehenden Strukturen, in den eingeübten Verhaltensmuster, vor allem im Forschungsbereich, nicht wirklich umsetzen läßt.” (Gesprächszitat: Felt) 221

Die vor allem auf den Forschungsbereich bezogene resignative Haltung wird für die Lehre durchaus relativiert. Hier werden Evaluierungsmaßnahmen in erster Linie als “Vorgabe eines Wertesystems” (Felt) gesehen, die an sich schon eine Veränderung im Bewußtsein bewirken. Eine Differenzierung zwischen Externen und Internen findet in den Interviews de facto nicht statt. Lediglich Frank Hartmann verweist als Externer auf den Unterschied: “Wir werden immer beinhart evaluiert!” Gemeint ist hier der Zusammenhang zwischen Feststellung der Qualifikation und Vergabe eines Lehrauftrages. Während die Vergabe eines Lehrauftrages an Externe semesterweise erfolgt, so ist die Abhaltung der Lehrveranstaltung durch Interne Dienstpflicht. Die Interviews zeigen, daß die Begriffe Produktivitätsparameter und Evaluierung der Lehre höchst unterschiedlich aufgefaßt und definitorisch festgelegt werden. Ilse König fordert in diesem Zusammenhang die Abkehr von “traditionell männlich definierten Evaluierungskriterien”, die sich im wesentlichen an den bereits oben angesprochenen Kriterien orientieren. Mit einem“feministischen Blick” sollten andere Verfahren, wie etwa prozeßhafte Supervision, Selbstreflexion etabliert werden. “Ausbildung durch Wissenschaft halte ich für eine der wichtigsten Auswirkungen wissenschaftlicher Forschung, wichtig für das intellektuelle Leben, aber auch ganz allgemein für das gesamte soziale und ökonomische Leben. Der Fonds kommt ja nur indirekt über die von ihm bezahlten Doktorandenstellen mit der Lehre in Berührung. Forschung und Lehre ist für mich etwas was völlig verzahntes. Man kann keine hochkarätige Lehre machen, ohne daß diese an Forschung geknüpft ist und umgekehrt: Ordentliche Forschung zu machen ohne junge Leute, ist für mich absurd. Ich weiß nicht, wie das in anderen Gebieten ist, aber in den Naturwissenschaft, und in der Mathematik erst recht, dominieren bei allen neuen Entwicklungen die 25-jährigen. Ohne wesentliche Übertreibung: Ein Forschungsinstitut, das keine 25- bis 35-jährigen hat, ist für mich schwer vorstellbar, gleichgültig wie eminent die Herren sind, die älter sind. Wissenschafter meines Alters haben primär andere Funktionen. Sie sind aber nicht die, die originell sind und die Sache weiterbringen.” (Gesprächszitat: Schmidt) “Die Akzeptanz durch die Studierenden! Wenn Sie was Besseres wissen, wär’ ich auch sehr dankbar. Die Akzeptanz der einzelnen Lehrveranstaltung ist halt dann die Beurteilung: redet er gut, macht er Witze, erweckt er den Eindruck, sich in seinem eigenen Gegenstand auszukennen, ist er im Stande, das auch rüberzubringen. Es gäbe natürlich auch eine zweite Möglichkeit der Lehrveranstaltungsevaluation, das ist die Akzeptanz im Fachbereich, das müßten die Kollegen machen, die dann die Leute aus diesen Lehrveranstaltungen haben und plötzlich festellen, was wissen s’, was haben sie sich gemerkt, was haben sie mitgebracht aus der Lehrveranstaltung, das ist immer eine sehr originelle Frage beim Seminar, irgendjemand zeigt Lücken, dann frage ich, bei wem haben sie das Proseminar gemacht, dann sag’ ich, bitte sagen sie es nicht, dann weiß ich, sie haben es bei mir gemacht, aber das ist sozusagen nicht ernst. Die Möglichkeit oder die Notwendigkeit, um so etwas zu machen wäre eigentlich, daß die Prüfung über diese Lehrveranstaltung dann durch diejenigen abgenommen wird, die in der Folge die Betreffenden weiterbilden – ich sage nicht, daß ich dieses Prinzip haben möchte, wir haben das wahrscheinlich bessere Prinzip, daß die Prüfer die Leiter der Lehrveranstaltung sind, daß die beurteilen, was 222

Die vor allem auf den Forschungsbereich bezogene resignative Haltung wird für die Lehre durchaus<br />

relativiert. Hier werden Evaluierungsmaßnahmen in erster Linie als “Vorgabe eines Wertesystems”<br />

(Felt) gesehen, die an sich schon eine Veränderung im Bewußtsein bewirken.<br />

Eine Differenzierung zwischen Externen <strong>und</strong> Internen findet in den Interviews de facto nicht statt.<br />

Lediglich Frank Hartmann verweist als Externer auf den Unterschied: “Wir werden immer beinhart<br />

evaluiert!” Gemeint ist hier der Zusammenhang zwischen Feststellung der Qualifikation <strong>und</strong> Vergabe<br />

eines Lehrauftrages. Während die Vergabe eines Lehrauftrages an Externe semesterweise erfolgt, so<br />

ist die Abhaltung der Lehrveranstaltung durch Interne Dienstpflicht.<br />

Die Interviews zeigen, daß die Begriffe Produktivitätsparameter <strong>und</strong> Evaluierung der Lehre höchst<br />

unterschiedlich aufgefaßt <strong>und</strong> definitorisch festgelegt werden.<br />

Ilse König fordert in diesem Zusammenhang die Abkehr von “traditionell männlich definierten<br />

Evaluierungskriterien”, die sich im wesentlichen an den bereits oben angesprochenen Kriterien<br />

orientieren. Mit einem“feministischen Blick” sollten andere Verfahren, wie etwa prozeßhafte<br />

Supervision, Selbstreflexion etabliert werden.<br />

“Ausbildung durch Wissenschaft halte ich für eine der wichtigsten Auswirkungen wissenschaftlicher<br />

Forschung, wichtig für das intellektuelle Leben, aber auch ganz allgemein für das gesamte soziale<br />

<strong>und</strong> ökonomische Leben. Der Fonds kommt ja nur indirekt über die von ihm bezahlten<br />

Doktorandenstellen mit der Lehre in Berührung. Forschung <strong>und</strong> Lehre ist für mich etwas was völlig<br />

verzahntes. Man kann keine hochkarätige Lehre machen, ohne daß diese an Forschung geknüpft ist<br />

<strong>und</strong> umgekehrt: Ordentliche Forschung zu machen ohne junge Leute, ist für mich absurd. Ich weiß<br />

nicht, wie das in anderen Gebieten ist, aber in den Naturwissenschaft, <strong>und</strong> in der Mathematik erst<br />

recht, dominieren bei allen neuen Entwicklungen die 25-jährigen. Ohne wesentliche Übertreibung:<br />

Ein Forschungsinstitut, das keine 25- bis 35-jährigen hat, ist für mich schwer vorstellbar, gleichgültig<br />

wie eminent die Herren sind, die älter sind. Wissenschafter meines Alters haben primär andere<br />

Funktionen. Sie sind aber nicht die, die originell sind <strong>und</strong> die Sache weiterbringen.” (Gesprächszitat:<br />

Schmidt)<br />

“Die Akzeptanz durch die Studierenden! Wenn Sie was Besseres wissen, wär’ ich auch sehr<br />

dankbar. Die Akzeptanz der einzelnen Lehrveranstaltung ist halt dann die Beurteilung: redet er gut,<br />

macht er Witze, erweckt er den Eindruck, sich in seinem eigenen Gegenstand auszukennen, ist er<br />

im Stande, das auch rüberzubringen. Es gäbe natürlich auch eine zweite Möglichkeit der<br />

Lehrveranstaltungsevaluation, das ist die Akzeptanz im Fachbereich, das müßten die Kollegen<br />

machen, die dann die Leute aus diesen Lehrveranstaltungen haben <strong>und</strong> plötzlich festellen, was<br />

wissen s’, was haben sie sich gemerkt, was haben sie mitgebracht aus der Lehrveranstaltung, das<br />

ist immer eine sehr originelle Frage beim Seminar, irgendjemand zeigt Lücken, dann frage ich, bei<br />

wem haben sie das Proseminar gemacht, dann sag’ ich, bitte sagen sie es nicht, dann weiß ich, sie<br />

haben es bei mir gemacht, aber das ist sozusagen nicht ernst. Die Möglichkeit oder die<br />

Notwendigkeit, um so etwas zu machen wäre eigentlich, daß die Prüfung über diese<br />

Lehrveranstaltung dann durch diejenigen abgenommen wird, die in der Folge die Betreffenden<br />

weiterbilden – ich sage nicht, daß ich dieses Prinzip haben möchte, wir haben das wahrscheinlich<br />

bessere Prinzip, daß die Prüfer die Leiter der Lehrveranstaltung sind, daß die beurteilen, was<br />

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