Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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05.09.2013 Aufrufe

4.3.4. Produktivität von Forschung und Lehre – “Qualitätsstandards” Ausgangspunkt dieses Themenfeldes war die Frage nach den Produktivitätsparametern in Forschung und Lehre und die Frage, wovon diese abhängen. Die Fragestellung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Evaluationsdebatte und der gesetzlichen Verpflichtung zur Evaluation, vor allem im Bereich der Lehre, zu sehen. In den Interviews reichen die thematisierten Produktivitätsparameter in der Forschung vom klassischen Parameter –Quantität und Qualität von Publikationen – bis hin zur Kritik an diesem. Die nicht nur disziplinär unterschiedliche Definition des Begriffs verdeutlicht die Schwierigkeiten, die sich eben auch in hohem Maße auf die Forschungsarbeiten der Externen/Freien auswirken. Die beiden ExpertInnen aus dem Feld der Forschungsförderung beziehen hier hinsichtlich der Frage der Produktivitätsparameter in der Wissenschaft durchaus Gegenpositionen. Deutlich wird in den beiden Positionen auch der unterschiedliche Charakter der Antrags- und Auftragsforschung. Während im Rahmen des FWF nach wie vor die “Output”-Orientierung hinsichtlich der Finanzierung eines Forschungsprojektes eine untergeordnetere Rolle spielt, orientiert sich der Produktivitätsparameter im Bereich der Auftragsforschung an Ergebnissen und am Berichtswesen. Hinsichtlich auch der Produktivitätsparameter setzt sich ein von den Naturwissenschaften geprägter Standard durch, der sich in anderen Disziplinen nur schwer erreichen läßt. Felt weist zum Beispiel auf die unterschiedliche Bedeutung des Schreibens im Zusammenhang mit Wissensproduktion hin. “In den Geisteswissenschaften ist das Schreiben der zentrale Akt der Wissensproduktion, wohingegen das Schreiben bei den Naturwissenschaftern nur mehr der Formalisierungsakt der Wissensproduktion ist. Es wird sich nie und nimmer auf die gleiche Form von Arbeiten bringen lassen.”(Gesprächszitat: Felt) Nur in geringem Ausmaß werden Produktivitätsparameter im Zusammenhang mit Produktionsbedingungen gesehen. Zwar wird darauf verwiesen, daß es nicht um einen Produktivitätsbegriff gehen kann, der ein für allemal festgelegt und festgeschrieben ist, sondern vielmehr ständig diskutiert werden muß (Felt), aber die unterschiedliche Qualität der Produktionsbedingungen spielt in dieser Diskussion nur eine untergeordnete Rolle. “Produktivität, das sind Publikationen, Einladung zu Vorträgen, Artikel und so weiter. Externe sind sehr produktiv was Publikationen und die Teilnahme am öffentlichen Diskurs angeht, sie sind oft vertreten, Uni-Angestellte hingegen nicht. Das ist doppelt ungerecht: weil der akademische Markt funktioniert ja in der Logik einer “gift economy”, das heißt, man ist als Externer zu Produktivität gezwungen ohne allerdings Gegeneinladungen machen zu können. Das Problem ist auch, 219

Publikationen sind nicht bezahlt, wenn man für einen Vortrag 3.000-5.000 Schilling bekommt, ist es schwer plausibel zu machen, daß man eigentlich das dreifache verlangen müßte. Externe sind also gezwungen zu einer Produktivität, die sich nicht rechnet. Die Uni-Lehrer sind nicht faul, aber ein Buch bei vollem Gehalt sollte herausschauen, wenn es bei Externen auch herausschaut.” (Gesprächszitat: Hartmann) “Ich denke, die vordringlichste Aufgabe der österreichischen Wissenschafts- und Forschungspolitik, und damit auch des FWF, ist Forschung in Österreich auf einem Niveau zu treiben, das international nicht nur akzeptabel ist. Man muß eine Spitzenstellung anstreben. Das wichtigste Instrument dafür ist für den FWF das Begutachtungsverfahren. Seit Jahren benutzen wir, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur ausländische Gutachter. Wir verlangen von den Antragstellern englische Anträge und wir schreiben jedes Jahr 4.000 Gutachter in der ganzenWelt an, von denen dann etwa 60 Prozent für uns arbeiten. Die größte Gruppe kommt nach wie vor, wenn auch abnehmend, aus Deutschland. Aber auch die USA, Großbritannien, Frankreich, die Schweiz und andere sind gut vertreten. Durch diese Art von Gutachtersystem haben wir einen automatischen Link zur Forschungs- und Wissenschaftsszene der gesamten Welt. In bezug auf Forschungspolitik im engeren Sinn erlauben wir uns relativ wenig eigenes Urteil. Unsere Tätigkeit ähnelt dem Betrieb einer Maschine, die möglichst gut gewartet und geölt ist. Der gängige Wissenschaftsbegriff wird von uns nicht hinterfragt, unser Anspruchsniveau orientiert sich an dem der ‘international scientific community’. In den Naturwissenschaften gibt es zu dieser Vorgangsweise keine vernünftige Alternative. Ich glaube aber in den anderen Wissenschaften auch nicht. Im übrigen ist nicht anzunehmen, daß Österreich einen besonderen Weg in bezug auf Wissenschaftsentwicklung erfindet oder demnächst erfinden wird und die Welt uns dann folgen wird. Das geht wirklich weit über meine Vorstellungskraft hinaus. Wir können nichts anderes wollen als Teil der ‘international scientific community’ zu sein und wir tun mit und in unseren Programmen alles, um diese Internationalität zu erreichen. Wir schicken massiv Leute ins Ausland. Mit geringerem Nachdruck holen wir Leute aus dem Ausland. In Zukunft wollen wir das stärker tun. Wir haben jetzt ein bißchen mehr Geld um ausländische Post-Docs nach Österreich zu bringen. Quoten nach Nationalität oder Wissenschaftsdisziplinen kennen wir nicht. Im übrigen verhalten wir uns bei allen unseren Programmen so: Wir haben keine Quotenregelung zwischen den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. Wir lassen das frei laufen, mit dem Effekt, daß wir zu Verteilung kommen, wie woanders auch. Also, beispielweise für die Sozial- und Geisteswissenschaften sind das etwa 18 Prozent vom finanziellen Gesamtvolumen. Das entspricht den Werten in der Schweiz und in Deutschland. Produktivität ist an der Publikationstätigkeit abzulesen. Im engeren Sinn sind Publikationen in hochkarätigen Journalen für uns der Ausweis einer hohen Leistungsfähigkeit, ohne daß wir das exzessiv betreiben, weil diese Art von Bewertung nicht ganz unproblematisch ist. Wieder läuft es darauf hinaus: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind dann hervorragend, wenn die Welt sagt, sie sind hervorragend.” (Gesprächszitat: Schmidt) “Das, was unter Effizienz und unter Produktivität zu verstehen ist, daß man in einer gewissen Zeit eine bestimmtes Thema, einen bestimmten Forschungsauftrag behandelt und zu einem vernünftigen Ergebnis kommt, das ist es simpel gesagt. Das führt leider dazu, daß es nur mehr darum geht. Es ist so, daß Auftraggeber, die öffentliche Hand – wenn es private sind dann wahrscheinlich noch viel stärker –, weil sie immer mehr gerade auch die externe Forschung im Sinne einer Politikberatung nützen wollen, hier und jetzt und sofort zu einem verwertbaren Ergebnis kommen wollen. Das bedeutet, es werden Aufträge vergeben, wo es eine relativ klare Fragestellung gibt, die sofort, hier und jetzt, möglichst schnell und mit möglichst simplen Methoden beantwortet werden soll. Das ist schon auch Effizienz, wenn man das leisten kann. Für mich gehört zur Effizienz aber dazu, daß wirklich versucht wird, in einer Forschungstätigkeit Dinge neu zu denken, sich mit Dingen nicht nur an der Oberfläche und möglichst rasch, sondern möglichst kontinuierlich, grundlegend und tiefer zu 220

Publikationen sind nicht bezahlt, wenn man für einen Vortrag 3.000-5.000 Schilling bekommt, ist es<br />

schwer plausibel zu machen, daß man eigentlich das dreifache verlangen müßte. Externe sind also<br />

gezwungen zu einer Produktivität, die sich nicht rechnet. Die Uni-Lehrer sind nicht faul, aber ein<br />

Buch bei vollem Gehalt sollte herausschauen, wenn es bei Externen auch herausschaut.”<br />

(Gesprächszitat: Hartmann)<br />

“Ich denke, die vordringlichste Aufgabe der österreichischen Wissenschafts- <strong>und</strong> Forschungspolitik,<br />

<strong>und</strong> damit auch des FWF, ist Forschung in Österreich auf einem Niveau zu treiben, das international<br />

nicht nur akzeptabel ist. Man muß eine Spitzenstellung anstreben. Das wichtigste Instrument dafür<br />

ist für den FWF das Begutachtungsverfahren. Seit Jahren benutzen wir, von wenigen Ausnahmen<br />

abgesehen, nur ausländische Gutachter. Wir verlangen von den Antragstellern englische Anträge<br />

<strong>und</strong> wir schreiben jedes Jahr 4.000 Gutachter in der ganzenWelt an, von denen dann etwa 60<br />

Prozent für uns arbeiten. Die größte Gruppe kommt nach wie vor, wenn auch abnehmend, aus<br />

Deutschland. Aber auch die USA, Großbritannien, Frankreich, die Schweiz <strong>und</strong> andere sind gut<br />

vertreten. Durch diese Art von Gutachtersystem haben wir einen automatischen Link zur<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Wissenschaftsszene der gesamten Welt. In bezug auf Forschungspolitik im<br />

engeren Sinn erlauben wir uns relativ wenig eigenes Urteil. Unsere Tätigkeit ähnelt dem Betrieb<br />

einer Maschine, die möglichst gut gewartet <strong>und</strong> geölt ist. Der gängige Wissenschaftsbegriff wird von<br />

uns nicht hinterfragt, unser Anspruchsniveau orientiert sich an dem der ‘international scientific<br />

community’.<br />

In den Naturwissenschaften gibt es zu dieser Vorgangsweise keine vernünftige Alternative. Ich<br />

glaube aber in den anderen Wissenschaften auch nicht. Im übrigen ist nicht anzunehmen, daß<br />

Österreich einen besonderen Weg in bezug auf Wissenschaftsentwicklung erfindet oder demnächst<br />

erfinden wird <strong>und</strong> die Welt uns dann folgen wird. Das geht wirklich weit über meine Vorstellungskraft<br />

hinaus. Wir können nichts anderes wollen als Teil der ‘international scientific community’ zu sein <strong>und</strong><br />

wir tun mit <strong>und</strong> in unseren Programmen alles, um diese Internationalität zu erreichen. Wir schicken<br />

massiv Leute ins Ausland. Mit geringerem Nachdruck holen wir Leute aus dem Ausland. In Zukunft<br />

wollen wir das stärker tun. Wir haben jetzt ein bißchen mehr Geld um ausländische Post-Docs nach<br />

Österreich zu bringen. Quoten nach Nationalität oder Wissenschaftsdisziplinen kennen wir nicht. Im<br />

übrigen verhalten wir uns bei allen unseren Programmen so: Wir haben keine Quotenregelung<br />

zwischen den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. Wir lassen das frei laufen, mit dem Effekt, daß<br />

wir zu Verteilung kommen, wie woanders auch. Also, beispielweise für die Sozial- <strong>und</strong><br />

Geisteswissenschaften sind das etwa 18 Prozent vom finanziellen Gesamtvolumen. Das entspricht<br />

den Werten in der Schweiz <strong>und</strong> in Deutschland.<br />

Produktivität ist an der Publikationstätigkeit abzulesen. Im engeren Sinn sind Publikationen in<br />

hochkarätigen Journalen für uns der Ausweis einer hohen Leistungsfähigkeit, ohne daß wir das<br />

exzessiv betreiben, weil diese Art von Bewertung nicht ganz unproblematisch ist. Wieder läuft es<br />

darauf hinaus: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind dann hervorragend, wenn die Welt sagt,<br />

sie sind hervorragend.” (Gesprächszitat: Schmidt)<br />

“Das, was unter Effizienz <strong>und</strong> unter Produktivität zu verstehen ist, daß man in einer gewissen Zeit<br />

eine bestimmtes Thema, einen bestimmten Forschungsauftrag behandelt <strong>und</strong> zu einem vernünftigen<br />

Ergebnis kommt, das ist es simpel gesagt. Das führt leider dazu, daß es nur mehr darum geht. Es ist<br />

so, daß Auftraggeber, die öffentliche Hand – wenn es private sind dann wahrscheinlich noch viel<br />

stärker –, weil sie immer mehr gerade auch die externe Forschung im Sinne einer Politikberatung<br />

nützen wollen, hier <strong>und</strong> jetzt <strong>und</strong> sofort zu einem verwertbaren Ergebnis kommen wollen. Das<br />

bedeutet, es werden Aufträge vergeben, wo es eine relativ klare Fragestellung gibt, die sofort, hier<br />

<strong>und</strong> jetzt, möglichst schnell <strong>und</strong> mit möglichst simplen Methoden beantwortet werden soll. Das ist<br />

schon auch Effizienz, wenn man das leisten kann. Für mich gehört zur Effizienz aber dazu, daß<br />

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