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Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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Studien bereits vollkommen getrennt, wird in den Geisteswissenschaften kommen<br />

müssen.”(Gesprächszitat: Weber)<br />

Die gesellschaftliche Kritik von der Praxisferne der Universitäten allerdings erschließt sich nicht allein<br />

über die Frage der Regelung des Lehramtsstudiums im Verhältnis zum Diplomstudium. Die<br />

ExpertInnen aus dem Feld der Forschungsförderung betonen beide die problematischen Aspekte der<br />

Praxis-Apelle von Seiten der Wirtschaft <strong>und</strong> insistieren auf eine nicht primär anwendungsorientierte<br />

Wissensproduktion der Universitären <strong>und</strong> der außeruniversitären Forschung.<br />

“Ich glaube, es ist völlig unmöglich vorherzusagen was ein heute Zwanzigjähriger, sagen wir<br />

Naturwissenschaftler, in seiner beruflichen Praxis später wirklich brauchen wird. In erster Linie sollte<br />

man viel, möglichst langlebiges Wissen vermitteln. Für Sie möglicherweise überraschend, gibt es<br />

gerade auch in den Naturwissenschaften Wissen <strong>und</strong> auch Methoden, die schon zur Zeit unsere<br />

Großväter erlehrt wurden, <strong>und</strong> immer noch großen Wert besitzen. Umgekehrt ist vieles, was vor 20<br />

Jahren der letzte Schrei modernen Technologie war, heute schon am Zentralfriedhof der<br />

Technologiegeschichte. Ich halte von diesem modischen Schrei nach Praxis-Bezug überhaupt<br />

nichts. Ich kenne zur Genüge den Vorwurf der Wirtschaft, die Universität arbeite kontrollos <strong>und</strong> gebe<br />

sich ‘Spinnereien’. Gelegentlich ist er auch berechtigt, aber nur dann, wenn nicht drauf geachtet<br />

wird, die richtigen Maßstäbe anzulegen. Mißt man die Arbeit von Wissenschaftern fachgerecht, das<br />

heißt, legt man internationale Maßstäbe an, tauchen diese Probleme erst gar nicht auf. Aber der<br />

andere Vorwurf, zuweit weg von der Praxis zu sein, ist auch noch unter einen anderen<br />

Gesichtspunkt zu sehen. Hochwertige Ausbildung, wie sie die Universitäten durchaus liefern kann,<br />

‘produziert’ Leute, für die die existierende österreichische Industrie nicht ausreichend Jobs hat. Die<br />

österreichische Industrie kommt auch heute noch überwiegend mit HTL-Absolventen aus. Der Boom<br />

der Fachhochschulen hängt meines Erachtens auch damit zusammen, daß die nächste Stufe der<br />

Industrialisierung mit deren Absolventen gedeckt werden kann. Wann immer die Industrie gefragt<br />

wurde: ‘Was wollt ihr von den Universitäten?’ beinhaltete die Antwort vier Hauptkritikpunkte: Die<br />

Leute sind zu alt, sie sind nicht teamfähig, sie können keine Fremdsprachen, <strong>und</strong> sie sind praxisfern.<br />

Auf die Zusatzfrage: ‘Stimmt das Niveau?’ kam die Antwort: ‘Kein Problem!’, gelegentlich mit dem<br />

Zusatz, daß es unnötig hoch sei. Nun, zum Englischlernen ist eine Universität zu teuer, das ist wie<br />

Nägelschneiden auf einer Intensivstation, Englisch kann man woanders lernen, da braucht man<br />

keine Hochschule. Der Vorwurf mangelnder Teamfähigkeit ist schon eher berechtigt. Die<br />

Universitäten könnten da ein bißchen mehr leisten, das ist wohl wahr. Der Vorwurf der mangelnden<br />

Praxisnähe hat sich immer darauf bezogen, daß die Studenten in ihrer Ausbildung zu sehr<br />

wissenschaftsbezogen arbeiteten <strong>und</strong> so sozusagen für die Industrie verdorben wurden. Sehr<br />

verkürzt: Die Industrie wünscht sich Hochschulstudien, die drei Jahre dauern, mit Curricula, die<br />

exakt auf die unmittelbar aktuellen Bedürfnisse der Industrie abgestimmt sind. Das ist schlecht für<br />

die Universitäten. Universitäten leben ja auch davon, daß jemand an sie hohe Ansprüche stellt, so<br />

wie das bei den amerikanischen Universitäten der Fall ist. Leider haben wir das nicht.”<br />

(Gesprächszitat: Schmidt)<br />

“Praxis im Sinne von Anwendungsorientierung – ich kann das nicht mehr hören. Es muß eine<br />

Verbindung von der Theorie hergestellt werden zu dem, was ich dann damit tue, <strong>und</strong>zu dem, was<br />

dann die gesellschaftspolitischen Konsequenzen daraus sind (...). Die Praxis kann sich nur aus der<br />

Theorie ableiten, für das was ich mir überlege – Methoden, Lösungsmöglichkeiten – muß ich die<br />

Theorie kennen, damit ich was ableiten kann, sonstkann ich nichts ableiten, sonst bleibe ich auf<br />

dem bereits Gedachten, es kommt immer wieder das Gleiche raus. Nachgedacht wird nicht mehr,<br />

das nimmt sehr, sehr ab. Das Theorie- <strong>und</strong> auch ein Methodendefizit fallen mir am allermeisten auf,<br />

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