05.09.2013 Aufrufe

Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ein Stück weit offen gehalten werden kann. Ich glaube, das würde wegfallen, wenn die Universität<br />

offen wäre. Und abgesehen davon glaube ich, daß wir schon ein Stück weit was verändern <strong>und</strong><br />

verbessern können. Ich möchte nur nicht in das Nächste hinüberkippen, daß ich dann nur mehr<br />

Rhetorik-Skills meinen Studenten beibringe <strong>und</strong> der Inhalt ist dann egal. Da muss man sehr<br />

aufpassen, daß dann nicht die Form über den Inhalt gewinnt <strong>und</strong> die Auseinandersetzung mit der<br />

Form nicht die Auseinandersetzung mit dem Inhalt in den Hintergr<strong>und</strong> bringt, was schon eine Gefahr<br />

ist.<br />

Kommunikative Kompetenz beizubringen würde heißen, daß die Lehre kommunikativer gestaltet<br />

werden muß als bisher. Wenn es das bedeuten würde, würde ich das durchaus begrüßen. Ich<br />

brauche kein eigenes Rhetorikseminar, aber ich sollte meine Studenten aufmerksam machen, daß<br />

etwa Präsentationen rhetorisch eine mittlere Katastrophe waren. Ich konnte zwar nachvollziehen,<br />

daß sie das brav durchgearbeitet <strong>und</strong> auch verstanden haben, aber so kann man das nicht<br />

präsentieren. Und das ist momentan ein bißchen schwierig.<br />

Im Gr<strong>und</strong>e genommen spielt es sich so ab, daß das Studium an sich in den Hintergr<strong>und</strong> getreten ist.<br />

Was die Leute wollen ist ein abgeschlossenes Studium. Sie nehmen sie nicht weil sie in einem Fach<br />

soviel wissen, etwa in Soziologie, in Politikwissenschaft oder sonst irgendeinem Fach, sondern weil<br />

sie bewiesen haben, daß sie unter bestimmten Bedingungen etwas hingebracht haben <strong>und</strong> daß sie<br />

einen gewissen Entwicklungsstandard erreicht haben. Das meiste wird ja dann neu im Beruf gelernt.<br />

Ich habe einen Diplomanden, der ist in die Schweiz gegangen – nach St. Gallen zu einer<br />

Managmentberatungsfirma als Unternehmensberater. Er hat bei mir sicher nicht<br />

Unternehmensberatung gelernt. Denen hat gefallen, daß er sehr viel Unterschiedliches gemacht<br />

hat, bei sehr viel Organisationssachen mitgewirkt hat, daß er vorher eine HTL gemacht hat <strong>und</strong><br />

dann Sozialwissenschaften studiert hat, denen war völlig egal ob er Soziologie abgeschlossen hat.<br />

Die haben den genommen aus ganz anderen Gründen. Aber sie wollten einen Abschluß, das war<br />

eine Voraussetzung, also ohne Abschluß ist nichts. Die Diskussion um die Zusatzqualifikation hat<br />

schon einen Hintergr<strong>und</strong>. Die idealtypische Vorstellung, daß eine Lebenskarriere irgendwo bei A<br />

beginnt <strong>und</strong> bei B aufhört <strong>und</strong> daß ich ungefähr einschätzen kann – ab einem bestimmten<br />

Anstiegswinkel – wie die dann laufen wird <strong>und</strong> wie die dann ungefähr ausschauen wird, das ist<br />

passŽ. Ich glaube, das hat sich geändert. Es ist viel chaotischer geworden. Es hat das vorher auch<br />

schon gegeben, aber weniger häufig. Früher war es einfach möglich zu sagen, ich werde das <strong>und</strong><br />

das <strong>und</strong> daher studiere ich das. Und das war geplant <strong>und</strong> die Ausnahmen waren halt die, die dann<br />

was ganz anderes gemacht haben. Und jetzt ist es so, daß ich sagen würde die Ausnahmen sind<br />

die, die das machen, was sie sich vorstellen <strong>und</strong> die Regel ist die, daß was ganz anderes passiert.”<br />

(Gesprächszitat: Felt)<br />

“Das, was vernünftigerweise dahintersteht, ist, daß das, was auf der Universität geschieht nicht<br />

abgehoben sein sollte von dem, was danach von den Absolventinnen <strong>und</strong> Absolventen gefordert<br />

wird. Praxisbezug bedeutet zunächst nicht, daß die Leute während des Studiums Praxis machen<br />

müssen, das kann in vielen Fällen nützlich sein, man wird es in diesen Fällen vielleicht sogar<br />

vorschreiben, obwohl das auch Probleme mit sich bringt, aber das Schlagwort hat ein anderes Ziel<br />

gehabt. Das Schlagwort hat –ich hoffe, ich tue jetzt niemandem weh – hat zum Beispiel bedeutet,<br />

weniger Rechtsgeschichte für Juristen <strong>und</strong> mehr Prozessrecht, B<strong>und</strong>esabgabenordnung, also Dinge<br />

mit denen der Jurist später tatsächlich konfrontiert wird. Die Schwierigkeit, die sich dabei auftut, ist<br />

Berufsausbildung <strong>und</strong> wissenschaftliche Ausbildung. Für einen Rechtswissenschaftler würde ich<br />

voraussetzten, die Geschichte der Rechstentwicklung mitbekommen zu haben, für die Anwendung<br />

des Rechts in der Praxis, für die Beurteilung von rechtsrelevanten Sachverhalten ist es vermutlich<br />

wurscht, ob irgendwann im 3. Jahrh<strong>und</strong>ert ein römischer Rechtgelehrter einen ähnlichen Fall<br />

diskutiert hat. Das ist, was mit Praxisorientiertheit eigentlich gemeint war. Das Praxissemester, das<br />

Hinausgehen in die Wirtschaft <strong>und</strong> dort einmal als Wirtschaftswissenschafter in einem Betrieb<br />

gesessen zu sein, das ist auch Praxis. Die Idee, Berufspraxis mitzudenken ist sicher brauchbar. Die<br />

Trennung zwischen Diplom- <strong>und</strong> Lehramtsstudium, in den Naturwissenschaften sind diese beide<br />

216

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!