Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen
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So wird die Frage nach der Innovativität des Wissens aus der Perspektive des Präsidenten des Fonds<br />
mit der Frage der Innovativität der Disziplin (Biologie versus Physik) gleichgesetzt <strong>und</strong> in gewisser<br />
Weise auf diese reduziert.<br />
“Innerhalb der Naturwissenschaften ist soeben eine Schwerpunktsverschiebung zu beobachten: Die<br />
dominante Rolle, die Physik vor allem in den 20er Jahren eingenommen hat, ist am Verschwinden.<br />
Die modernen Biologien nehmen zunehmend den Platz der Physik ein. Sie scheinen die<br />
Leitwissensschaften der Zukunft zu sein. Die ehrgeizigen, wirklich ‘tüchtigen’ jungen Leute gehen<br />
jetzt schon dorthin.” (Gesprächszitat: Schmidt)<br />
Der Konkurrenzdruck zwischen “Innen” <strong>und</strong> “Außen” verhindert innerhalb der Institutionen auch die<br />
Wahrnehmung von Differenzen im “Außen”, wie sie etwa in der Diagnose von Frank Hartmann<br />
anklingt. Demnach sei ein großer Teil der Freien WissenschafterInnen, die bei außeruniversitären<br />
Instituten arbeiten, eben deshalb von innovativen Forschungsprozessen abgeschnitten, weil diese<br />
Institute auf Gr<strong>und</strong> der Konkurrenzsituation auf dem Markt darauf angewiesen sind, eher Mainstream-<br />
Forschung zu betreiben.<br />
“Die außeruniversitäre Forschung stellt ein sehr traditionelles, wenig innovatives Wissen dar, weil<br />
man sich dort nicht leisten kann, zu sehr dekonstruktivistisch oder auch feministisch zu sein, weil<br />
man sehr stark Mainstream-Forschung macht, die sich rechnen muß, die verkaufbar sein muß, die<br />
darstellbar sein muß, <strong>und</strong> die Innovation nur von den Themen kommt, die fast automatisch den<br />
Forschenden aufgezwungen werden, weil sie brisant sind.”(Gesprächszitat: Hartmann)<br />
Innovativität ist innerhalb <strong>und</strong> außerhalb der Universität an ambivalente Bedingungs-zusammenhänge<br />
geb<strong>und</strong>en, die die Konkurrenz zwischen Externen <strong>und</strong> Freien bzw. fest an der Universität Angestellten<br />
auch als Konkurrenz um spezifische Arbeitsverhältnisse sichtbar macht, Arbeitsverhältnisse, die in den<br />
jeweiligen Vorstellungen Innovativität entweder ermöglichen oder auch erzwingen.<br />
“Es geht um Innovation <strong>und</strong> prekäre Arbeitsverhältnisse: Jemand, der sich nicht einer bestimmten<br />
Tradition verpflichtet fühlt, der nicht über den Weg des besten Schülers des Professors rekrutiert<br />
wird <strong>und</strong> dessen Theorie weiter schreibt, die Festschrift zum 60. Geburtstag herausgibt <strong>und</strong> dafür<br />
den Assistentenposten kriegt – wenn man da nichts zu verlieren hat, tut man sich leichter sich mit<br />
interessanten <strong>und</strong> innovativen Themen zu beschäftigen. Es ist ja auch ein Konkurrenzdenken da;<br />
wenn niemand weiß, was ist Dekonstruktivismus, <strong>und</strong> ich weiß es <strong>und</strong> habe dazu Publikationen,<br />
kriege ich vielleicht wieder einen Lehrauftrag. Einerseits wird man da hineingedrängt, andererseits<br />
kann man sich’s eben leisten, was Innovatives zu machen, weil man eh nichts zu verlieren hat.”<br />
(Gesprächszitat: Hartmann)<br />
Innovativität wird von den ExpertInnen großteils als Produkt autonomen Arbeitens jenseits von<br />
inneruniversitären <strong>und</strong> traditionellen Gratifikationsritualen <strong>und</strong> Verwaltungsaufgaben gedacht. Die<br />
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