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Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? - IG LektorInnen

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Wissenschafter gehen nicht als Einzelne auf die Jagd. Sie jagen im Rudel! 227 Eine Gruppe von<br />

Wissenschaftern arbeitet auf irgendeinem Gebiet, publiziert in den gleichen vier oder fünf Journalen,<br />

trifft sich in kurzen Abständen immer wieder, sei es in Peru, in Australien oder Nordamerika. Wenn<br />

einer was Neues entdeckt, wird er das so rasch wie möglich <strong>und</strong> laut verkünden. Wird es für<br />

interessant gehalten, dreht sich das ganze Rudel in diese Richtung. Das heißt, Forschen ist heute<br />

sehr stark ein soziologisches Phänomen. Ich betone den soziologischen <strong>und</strong> gruppendynamischen<br />

Charakter der Forschung vor allem deshalb, weil für Menschen, die mit Wissenschaft nicht direkt zu<br />

tun haben, nach wie vor die Vorstellung des genialen Denkers, der urplötzlich eine tiefe Einsicht<br />

gewinnt, so evident ist. So ist es aber nicht.”(Gesprächszitat: Schmidt)<br />

Aus der Perspektive der außeruniversitären Forschung wird demgegenüber von Frank Hartmann auf<br />

die paradoxe Gleichzeitigkeit eines nach wie vor auf den Einzelforscher männlichen Geschlechts<br />

zugeschnittenen Ausbildungssystems <strong>und</strong> eines appellativ eingeforderten Zukunftsideals der<br />

kollektiven Wissensproduktion verwiesen.<br />

“Die Ausbildung läuft in eine Richtung, die am Schluß den monomanisch Monographien<br />

produzierenden Forscher, ich sage bewußt den Forscher, produziert. Andererseits gibt es die<br />

Sonntagsrederei von Transdisziplinarität <strong>und</strong> Teamwork, das kommt von den Naturwissenschaften.”<br />

(Gesprächszitat: Hartmann)<br />

Die Bewertung <strong>und</strong> auch die Durchsetzbarkeit von kollektiven Arbeitsformen erscheint in hohem Maße<br />

von der disziplinären Orientierung der ExpertInnen strukturiert. So ist es im naturwissenschaftlichen<br />

Bereich geradezu <strong>und</strong>enkbar, alleine zu forschen, während im geisteswissenschaftlichen Bereich<br />

durchaus die Vorstellung des Einzelforschers, der Einzelforscherin existiert.<br />

“Ich war am Freitag bei einer Veranstaltung, da sagte mir ein Naturwissenschafter, es gibt den<br />

Einzelforscher nicht mehr, <strong>und</strong> hat das belegt anhand von Publikationen; wenn ich mir heute eine<br />

Publikation anschaue, stehen dort mindestens drei Namen, wenn nicht mehr, <strong>und</strong> vor zwanzig,<br />

dreißig Jahren war vor allem die Einzelpublikation en vogue <strong>und</strong> nicht nur en vogue, weil anders<br />

hätte ich mich nicht habilitieren können. Im Bereich der Naturwissenschaften ist es also schon<br />

gegeben.”(Gesprächszitat:Müller)<br />

Die Naturwissenschaft gerät im Bewußtsein der meisten befragten ExpertInnen zum alleinigen<br />

Paradigma kollektiver Wissensproduktion. Andere, trans- <strong>und</strong> interdisziplinäre Traditionen kollektiver<br />

Wissensproduktion, wie etwa jene der feministischen Wissenschaft, werden dabei ausgeblendet. 228<br />

227 Vgl. NOWOTNY, Helga; Felt, Ulrike: After the breakthrough: the emergence of high-temperature<br />

superconductivity as a research field, Cambridge u. a. 1997.<br />

228 Vgl. Kapitel 1.3.<br />

207

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