Botond J. Kiss DAS DONAUDELTA - Adatbank

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23.10.2012 Aufrufe

sehen den Zweigen der Bäume wimmelte. Ein Zaunkönig verschwand im Dickicht der Sträucher, ein Buntspecht hämmerte auf einen trockenen Ast, über dem Wald kreiste ein Mäusebussard und ließ seinen Territorialruf erschallen. In der Nähe hörte ich plötzlich ein dumpfes Klopfen, ähnlich Hammerschlägen gegen ein Holzgefäß. Ein lauter und doch gedämpfter Ton. Nach einigen Minuten wiederholte sich das Klopfen. Ich befahl meinem Spürhund, zu warten, und näherte mich allein diesen Tönen. Abermals vernahm ich das Klopfen. Was konnte das sein? Da erblickte ich die Urheber des Lärms: zwei Schildkröten. Die eine war etwas größer und hatte einen grauen, erdverkrusteten Panzer. Mit ihren schuppigen, krummen Beinen trottete sie gleichmütig dahin. Manchmal streckte sie ihren faltigen, langen Hals nach Gräsern aus. Die andere, kleinere war flinker. Sie näherte sich der ersten, beschleunigte dann ihren Gang, zog den Kopf unter den Panzer und stieß sie heftig in die Seite, etwa in der Art, wie die kleinen elektrischen Autos im Vergnügungspark zusammenstoßen. Dann hörte ich das Klopfen ganz klar wieder. Die größere Schildkröte schüttelte sich ein bißchen und zog ihren Hals für einen Augenblick ein. Dann trottete sie gleichmütig weiter. Die kleinere startete abermals, erreichte die Seite der größeren, wollte sie anrennen, hatte sich aber in der Entfernung verschätzt und lief hinter dem Ziel vorbei. Sie gab nicht auf, kehrte zurück, wiederholte alles, diesmal mit Erfolg. Die größere schritt immer noch ruhig weiter, als ob sie nichts bemerken würde. So wurde ich Zeuge eines Schildkrötenpaarungsspieles. Die kleinere der beiden war das Männchen (hätte ich es aufgehoben, hätte ich sehen können, daß sein Bauchpanzer eingedrückt war, sonst wäre aus der Paarung nichts geworden). Will er mit solch unzartem Klopfen das sich weigernde Weibchen zur Liebe entflammen? Ich muß mich einer Szene aus dem Dokumentarfilm „Mondo Cane” entsinnen: Ein junger Mann eines südamerikanischen Indianerstammes wollte auf ähnliche Weise seine Gefühle der Erwählten mitteilen. Während ich nach meinem Hund spähte, überlegte es sich die Schildkrötendame und blieb stehen. Die Paarung 125

fand statt. Das Männchen riß seinen Mund weit auf (es sah aus, als hätte man eine Nuß mit rotem Kern entzweigeschnitten) und schrie vor lauter Wonne. Und ich hatte die Schildkröten für kaltblütige, ruhige Kerle gehalten! Die beobachteten Panzertiere waren sogenannte maurische Landschildkröten. Ihnen ähnelt die griechische Landschildkröte, die nur im südwestlichen Teil Rumäniens, in der Umgebung des Kasanpasses und des Cernatales lebt. Ihr kurzer Schwanz endet in einem stumpfen Hornnagel, der bei der maurischen Landschildkröte fehlt. Als Ersatz dafür haben letztere zwischen Schwanz und Schenkel einen Hornknoten. Beide Arten sind harmlose Pflanzenfresser, die besonders feuchte Pflanzenteile, saftiges Obst und manchmal sogar Hundekot fressen. (Letzteren seines Kalkgehaltes wegen, um ihren Panzer zu kräftigen.) Das Weibchen legt höchstens ein Dutzend weiße, runde Eier mit lederner Haut und verscharrt sie in der Erde. Im Oktober graben sich die Schildkröten für den Winterschlaf Löcher in den Waldboden. Gleich nach ihrem Hervorkriechen im Frühling, beginnt die Paarungszeit. Trotz ihres Panzers, der zwar einen passiven, aber einen wirksamen Schutz darstellt, haben sie (vor allem die Jungtiere) viele Feinde. Der Panzer der jungen Schildkröten ist noch weich und kann von Hunden oder Füchsen durchgebissen werden. Über Geier wurde nicht nur in Sagen erzählt, sondern auch die Fachliteratur verzeichnet, daß sie mit einer Schildkröte in die Luft steigen können, sie von dort auf einen Felsen fallenlassen und ihren zerschmetterten Körper verzehren. (Heutzutage besteht keine solche Gefahr für die Dobrudschaer Schildkröten, da die Geier in dieser Gegend ausgestorben sind. Kein einziges Exemplar der tüchtigen Leichenvertilger ist mehr übriggeblieben.) Die Schildkröte wird von Schmarotzern wie Milben, Würmern und Zecken gequält. Doch ihr größter Feind ist der Mensch. In den Wäldern findet man oft Reste von Schildkröten, die durch Axthiebe barbarisch zerschlagen worden sind. Auf den Äckern werden sie oft von Landmaschinen überfahren 126

sehen den Zweigen der Bäume wimmelte. Ein Zaunkönig<br />

verschwand im Dickicht der Sträucher, ein Buntspecht<br />

hämmerte auf einen trockenen Ast, über dem Wald kreiste<br />

ein Mäusebussard und ließ seinen Territorialruf erschallen.<br />

In der Nähe hörte ich plötzlich ein dumpfes<br />

Klopfen, ähnlich Hammerschlägen gegen ein Holzgefäß.<br />

Ein lauter und doch gedämpfter Ton. Nach einigen Minuten<br />

wiederholte sich das Klopfen. Ich befahl meinem<br />

Spürhund, zu warten, und näherte mich allein diesen Tönen.<br />

Abermals vernahm ich das Klopfen. Was konnte<br />

das sein?<br />

Da erblickte ich die Urheber des Lärms: zwei Schildkröten.<br />

Die eine war etwas größer und hatte einen grauen,<br />

erdverkrusteten Panzer. Mit ihren schuppigen, krummen<br />

Beinen trottete sie gleichmütig dahin. Manchmal streckte<br />

sie ihren faltigen, langen Hals nach Gräsern aus. Die<br />

andere, kleinere war flinker. Sie näherte sich der ersten,<br />

beschleunigte dann ihren Gang, zog den Kopf unter den<br />

Panzer und stieß sie heftig in die Seite, etwa in der<br />

Art, wie die kleinen elektrischen Autos im Vergnügungspark<br />

zusammenstoßen. Dann hörte ich das Klopfen<br />

ganz klar wieder. Die größere Schildkröte schüttelte sich<br />

ein bißchen und zog ihren Hals für einen Augenblick ein.<br />

Dann trottete sie gleichmütig weiter. Die kleinere startete<br />

abermals, erreichte die Seite der größeren, wollte sie anrennen,<br />

hatte sich aber in der Entfernung verschätzt und<br />

lief hinter dem Ziel vorbei. Sie gab nicht auf, kehrte<br />

zurück, wiederholte alles, diesmal mit Erfolg. Die größere<br />

schritt immer noch ruhig weiter, als ob sie nichts<br />

bemerken würde. So wurde ich Zeuge eines Schildkrötenpaarungsspieles.<br />

Die kleinere der beiden war das Männchen<br />

(hätte ich es aufgehoben, hätte ich sehen können,<br />

daß sein Bauchpanzer eingedrückt war, sonst wäre aus<br />

der Paarung nichts geworden). Will er mit solch unzartem<br />

Klopfen das sich weigernde Weibchen zur Liebe entflammen?<br />

Ich muß mich einer Szene aus dem Dokumentarfilm<br />

„Mondo Cane” entsinnen: Ein junger Mann eines<br />

südamerikanischen Indianerstammes wollte auf ähnliche<br />

Weise seine Gefühle der Erwählten mitteilen.<br />

Während ich nach meinem Hund spähte, überlegte es<br />

sich die Schildkrötendame und blieb stehen. Die Paarung<br />

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