03.09.2013 Aufrufe

Auftrags- und Konzessionsvergabe - EUFIS: Das EU ...

Auftrags- und Konzessionsvergabe - EUFIS: Das EU ...

Auftrags- und Konzessionsvergabe - EUFIS: Das EU ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Vorschläge der Europäischen Kommission zu<br />

Richtlinien über die öffentliche <strong>Auftrags</strong>vergabe [KOM (2011) 896]<br />

<strong>und</strong> über die <strong>Konzessionsvergabe</strong> [KOM (2011) 897)]<br />

I. Überblick<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22<br />

Brüssel, Mai 2012<br />

Die Europäische Kommission hat Ende 2011 Vorschläge für die Reform des<br />

Europäischen Vergaberechts vorgelegt. Ziele sind vor allem die Vereinfachung <strong>und</strong><br />

Flexibilisierung der Vergaberegeln, die Förderung des Zugangs von KMU zu<br />

öffentlichen Aufträgen sowie Einbeziehung sozialer Kriterien <strong>und</strong> Umweltkriterien in<br />

die Vergabe öffentlicher Aufträge <strong>und</strong> damit eine qualitativ verbesserte Anwendung<br />

der <strong>Auftrags</strong>vergabe.<br />

Zudem soll der Rechtsrahmen für die öffentliche <strong>Auftrags</strong>vergabe durch eine<br />

Konzessionsrichtlinie vervollständigt werden, die für die bisher nur in Ansätzen<br />

gemeinschaftsrechtlich geregelte <strong>Konzessionsvergabe</strong> Rechtssicherheit schaffen<br />

<strong>und</strong> einen wirksamen Zugang aller europäischen Unternehmen zum<br />

Konzessionsmarkt gewährleisten soll.<br />

Interessant sind aus dem Blickwinkel der Wohlfahrtspflege vor allem die Regelungen<br />

für soziale Dienstleistungen, auf die sich die Ausführungen im Folgenden<br />

beschränken.<br />

II. Richtlinienentwurf über die öffentliche <strong>Auftrags</strong>vergabe [KOM (2011)<br />

896]<br />

1. Soziale Dienstleistungen nach dem Richtlinienentwurf (RLE)<br />

Für den sozialen Sektor sind vor allem die geplanten Änderungen im Bereich der<br />

sozialen (personenbezogenen) Dienstleistungen von Bedeutung.<br />

So sieht der Richtlinienvorschlag den Wegfall der Einteilung in A- <strong>und</strong> B-<br />

Dienstleistungen vor, sodass gr<strong>und</strong>sätzlich alle Dienstleistungen von der neuen<br />

Richtlinie erfasst werden.<br />

Einschub:<br />

Seit dem 22.03.2012 gilt nach Änderung der Vergabeverordnung in<br />

Deutschland der neue Schwellenwert von 200.000 Euro für B -<br />

Dienstleistungen (vgl. Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung über<br />

die Vergabe öffentlicher Aufträge vom 14.März 2012).<br />

Allerdings sind unter Titel III, Kapitel 1 in den Artikel 74 bis 76 RLE besondere<br />

Beschaffungsregelungen für „soziale <strong>und</strong> andere besondere Dienstleistungen“<br />

vorgesehen.<br />

Welche Dienstleistungen darunter zu fassen sind, ergibt sich aus der abschließenden<br />

Aufzählung im Anhang XVI RLE: Es handelt sich im Einzelnen um Dienstleistungen


im Sozial-, Ges<strong>und</strong>heitswesen, im Bildungs- <strong>und</strong> Kulturbereich, Dienstleistungen der<br />

gesetzlichen Sozialversicherung, von Arbeitnehmervereinigungen <strong>und</strong> von religiösen<br />

Vereinigungen, sonstige öffentliche <strong>und</strong> persönliche Dienstleistungen sowie<br />

Beihilfen, Unterstützungsleistungen <strong>und</strong> Zuwendungen.<br />

Für öffentliche Aufträge über diese Dienstleistungen schreibt Artikel 4 d) RLE einen<br />

Schwellenwert von 500.000 Euro fest, Aufträge mit einem darunter liegenden<br />

Nettowert sind somit vergabefrei.<br />

Gemäß Artikel 75 RLE sind für die Vergabe solcher Dienstleistungen von den<br />

öffentlichen Auftraggebern bestimmte Bekanntmachungspflichten zu erfüllen.<br />

Artikel 76 Absatz 1 RLE verpflichtet die Mitgliedstaaten, unter Beachtung der<br />

Gr<strong>und</strong>sätze der Transparenz <strong>und</strong> Gleichbehandlung geeignete Verfahren für die<br />

Vergabe sozialer Dienstleistungen einzurichten, sodass den Mitgliedstaaten<br />

diesbezüglich eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird. Zudem soll<br />

sichergestellt werden, dass die „Spezifik der jeweiligen Dienstleistung“ berücksichtigt<br />

wird.<br />

Dieser unbestimmte Rechtsbegriff erfährt durch Erwägungsgr<strong>und</strong> Nummer 11 RLE<br />

eine Konkretisierung dahingehend, dass die für soziale Dienstleistungen<br />

charakteristischen Besonderheiten (z.B. fehlende grenzüberschreitende Relevanz<br />

<strong>und</strong> kultureller Kontext personenbezogener Dienstleistungen) Beachtung finden.<br />

Danach sind zudem auch andere Verfahren als die öffentliche <strong>Auftrags</strong>vergabe<br />

zulässig, soweit diese Verfahren eine ausreichende Bekanntmachung garantieren<br />

<strong>und</strong> transparent <strong>und</strong> diskriminierungsfrei sind.<br />

Danach wäre es somit zumindest für soziale Dienstleistungen, die eine<br />

entsprechende „Spezifik“ aufweisen, möglich, diese in vergabefreier Weise zu<br />

organisieren.<br />

Artikel 76 Absatz 2 RLE sieht vor, dass die Qualität, Kontinuität, Zugänglichkeit,<br />

Verfügbarkeit <strong>und</strong> Vollständigkeit der Dienstleistungen von den Auftraggebern<br />

gewährleistet wird sowie dass die Einbeziehung der Nutzer, die Berücksichtigung der<br />

besonderen Bedürfnisse verschiedener Nutzer <strong>und</strong> innovative Aspekte garantiert<br />

werden. Im Rahmen einer Ermessensregelung statuiert Artikel 76 Abs. 2 RLE, dass<br />

die <strong>Auftrags</strong>vergabe nicht allein auf der Gr<strong>und</strong>lage des Preises erfolgen muss.<br />

2. Arbeitsdokument des IMCO-Auschusses im Europäischen Parlament<br />

Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament ist der Ausschuss für<br />

Binnenmarkt <strong>und</strong> Verbraucherschutz (IMCO). Der Berichterstatter Tarabella ordnet<br />

die seinem Arbeitspapier vom 23.02.2012 den Richtlinienentwurf hinsichtlich der<br />

sozialen Dienstleistungen wie folgt ein:<br />

o Abschaffung der A- <strong>und</strong> B - Dienstleistungen<br />

Zunächst positioniert sich der Berichterstatter nicht ausdrücklich für oder gegen die<br />

Abschaffung der A- <strong>und</strong> B-Dienstleistungen, sondern führt deren Wegfall unter<br />

Bündel 10: Begriffsbestimmungen <strong>und</strong> Anwendungsbereich auf Seite 7 lediglich auf<br />

ohne konkret darauf einzugehen.<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22


Allerdings formuliert er im Rahmen seiner Ausführungen unter Bündel 2:<br />

Strategische Nutzung der Vergabe öffentlicher Aufträge: „Aufbauend auf der<br />

vorgeschlagenen Sonderregelung für soziale Dienstleistungen …“ Daraus lässt sich<br />

ableiten, dass der Berichterstatter entsprechend das geplante Sonderregime für<br />

soziale Dienstleistungen <strong>und</strong> damit auch die Abschaffung der Unterteilung in A- <strong>und</strong><br />

B-Dienstleistungen befürwortet.<br />

o Schwellenwert von 500.000 Euro<br />

Nicht ganz eindeutig ist die Ansicht des Berichterstatters zu der geplanten<br />

Sonderregelung des Schwellenwertes für u.a. soziale Dienstleistungen von 500.000<br />

Euro. Nach vorstehender Argumentation würde mit der Sonderregelung<br />

entsprechend auch der Schwellenwert von 500.000 Euro für soziale Dienstleistungen<br />

befürwortet.<br />

Dagegen spricht jedoch, dass sich der Berichterstatter dann unter Bündel 10<br />

pauschal „für die Beibehaltung der bisherigen Schwellenwerte“ ausspricht. Dies<br />

könnte demnach als Absage an die Regelung des Artikel 4d) RLE zu verstehen sein.<br />

o Vergabekriterium „niedrigster Preis“<br />

Eindeutig ist die Stellungnahme des Berichterstatters hinsichtlich des<br />

Vergabekriteriums des Preises. Der Richtlinienvorschlag sieht im Rahmen einer<br />

Ermessensregelung vor, dass die Auswahl der Dienstleister nicht allein auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage des Preises getroffen werden muss, lässt damit aber im Umkehrschluss<br />

noch eine „rein preisbasierte“ Vergabe zu.<br />

Der Berichterstatter geht diesbezüglich über den Richtlinienentwurf hinaus <strong>und</strong><br />

fordert die Abschaffung der <strong>Auftrags</strong>vergabe ausschließlich nach dem Kriterium des<br />

niedrigsten Preises zugunsten einer <strong>Auftrags</strong>vergabe, die generell nach dem<br />

Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots auszuführen ist. Dieser Ansatz<br />

ermögliche es den öffentlichen Auftraggebern, unter Berücksichtigung strategischer<br />

gesellschaftlicher Aspekte neben dem Preiskriterium im Hinblick auf ihre besonderen<br />

Bedürfnisse die beste Wahl zu treffen.<br />

o Sonderregelung für soziale Dienstleistung<br />

Der Berichterstatter spricht sich hinsichtlich einer Sonderregelung für soziale<br />

Dienstleistungen inhaltlich dafür aus, dass für die Gr<strong>und</strong>sätze für den Zuschlag bei<br />

sozialen Dienstleistungen erweitert werden, indem ein Verweis auf die<br />

Erschwinglichkeit <strong>und</strong> auf schutzbedürftige Nutzer aufgenommen wird.<br />

Ausführungen dazu, ob <strong>und</strong> ggf. wie weitgehend eine vergabefreie Organisation von<br />

spezifischen sozialen Dienstleistung im Sinne des Art. 76 Absatz 1 RLE möglich ist,<br />

finden sich in dem Arbeitsdokument allerdings nicht.<br />

3. Stellungnahme des EWSA vom 26.04.2012<br />

o Abschaffung der A- <strong>und</strong> B – Dienstleistungen/Schwellenwert von 500.000<br />

Euro<br />

Hinsichtlich der A <strong>und</strong> B – Dienstleistungen spricht sich der EWSA in seiner<br />

Stellungnahme für eine Kompromisslösung aus:<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22


• Die Unterscheidung soll beibehalten werden, soweit diesbezüglich<br />

Rechtssicherheit besteht <strong>und</strong> grenzübergreifende Verträge über B-<br />

Dienstleistungen verlängert werden können. Dabei soll eine regelmäßige<br />

Überprüfung der Liste der B-Dienstleistungen durch die Kommission erfolgen<br />

dahingehend, ob bestimmte B-Dienstleistungen als A-Dienstleistungen<br />

qualifiziert werden sollen. Zudem äußert der EWSA Besorgnis angesichts der<br />

diversen öffentlichen Dienstleistungsaufträge, die bisher auf der Liste der<br />

B-Dienstleistungen standen <strong>und</strong> die nun aus Anhang XVI RLE gestrichen<br />

wurden.<br />

• Hiervon unabhängig begrüßt der EWSA die Anwendung eines vereinfachten<br />

Verfahrens für soziale <strong>und</strong> andere besondere Dienstleistungen.<br />

Ebenfalls begrüßt der EWSA die Anhebung der Schwellenwerte <strong>und</strong> den größeren<br />

Ermessensspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Einführung der<br />

entsprechenden Verfahren zugestanden wird, da es in erster Linie der Bereich der<br />

personenbezogenen Dienstleistungen ist, in dem durch das geltende<br />

Verfahrensrecht ein Gleichgewicht zwischen den im Primärrecht verankerten<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen des Wettbewerbs <strong>und</strong> den Anforderungen des Sozialrechts geschaffen<br />

werden muss.<br />

o Vergabekriterium „niedrigster Preis“<br />

Auch hinsichtlich des Vergabekriteriums niedrigster Preis nimmt der EWSA eine<br />

Kompromissstellung ein. Er ist der Ansicht, dass das Zuschlagskriterium "niedrigster<br />

Preis" bzw. "günstigste Kosten" nach wie vor viel Raum einnimmt übermäßig<br />

angewendet werde, was wiederum ein Hindernis für Innovationen <strong>und</strong> das Streben<br />

nach besserer Qualität <strong>und</strong> einem günstigeren Preis-Leistungsverhältnis darstelle.<br />

<strong>Das</strong> Kriterium des niedrigsten Preises solle deshalb gr<strong>und</strong>sätzlich die Ausnahme,<br />

nicht die Regel darstellen.<br />

o Ausschluss vom Anwendungsbereich der Vergabevorschriften<br />

Der EWSA hat sich im Sinne der freien Wohlfahrtspflege für die Aufnahme einer<br />

Ausschlussregelung für soziale Dienstleistungen in die Richtlinie ausgesprochen (vgl.<br />

auch Mail von Herrn Schlüter, MdEWSA, vom 26.04.2012 an die Mitglieder des<br />

Europaausschusses).<br />

Punkt 2.7 der EWSA-Stellungnahme führt dazu aus:<br />

Bezüglich der öffentlichen <strong>Auftrags</strong>vergabe <strong>und</strong> der Vergabe von<br />

Konzessionen begrüßt der EWSA, dass die Kommission die Besonderheit<br />

von sozialen Dienstleistungen berücksichtigt hat <strong>und</strong> ein vereinfachtes<br />

Verfahren vorschlägt. Allerdings fehlt es noch an einer präzisen Abgrenzung<br />

der "<strong>Auftrags</strong>vergabe" <strong>und</strong> der "Konzession" von anderen Arten der Wahrnehmung<br />

öffentlicher <strong>und</strong> insbesondere sozialer Aufgaben. Der EWSA schlägt<br />

daher vor, in beiden Richtlinien Ergänzungen folgenden Inhalts einzufügen:<br />

Mitgliedstaatliche Verfahren, die darauf beruhen, dass alle<br />

Dienstleistungserbringer, welche die vorab gesetzlich festgelegten<br />

Bedingungen erfüllen, unabhängig von ihrer Rechtsform <strong>und</strong> unter Beachtung<br />

der Prinzipien der Transparenz <strong>und</strong> des Diskriminierungsverbots zur<br />

Leistungserbringung zugelassen werden, gelten nicht als<br />

Dienstleistungskonzessionen oder als <strong>Auftrags</strong>vergabe.<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22


III. Richtlinienentwurf über die <strong>Konzessionsvergabe</strong> [KOM (2011) 897]<br />

1. Soziale Dienstleistungen nach dem Richtlinienentwurf (RLE)<br />

Eine Kodifizierung für Dienstleistungskonzessionen existiert auf<br />

Gemeinschaftsebene bisher nicht, in diesem Bereich gelten derzeit lediglich die<br />

allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätze des Gemeinschaftsrechts wie insbesondere die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

der Gleichbehandlung, Transparenz, Verhältnismäßigkeit <strong>und</strong> Nicht-Diskriminierung.<br />

Diese Regelungslücke führt nach der Kommission zu Verzerrungen des<br />

Binnenmarktes, da nicht alle Wirtschaftsteilnehmer gleichen Zugang zu den mit<br />

Konzessionen verb<strong>und</strong>en wirtschaftlichen Möglichkeiten haben. Mit dem<br />

Richtlinienvorschlag will die Kommission dies ändern <strong>und</strong> im Gleichschritt zu der<br />

Überarbeitung der Vorschriften über die öffentliche <strong>Auftrags</strong>vergabe einen modernen<br />

Rechtsrahmen für das öffentliche Beschaffungswesen schaffen.<br />

Für Tätigkeiten im Bereich der sozialen Dienstleistungen stellt sich damit die Frage,<br />

ob die Leistungserbringung generell unter den Anwendungsbereich der geplanten<br />

<strong>Konzessionsvergabe</strong> fällt.<br />

Gemäß Artikel 17 RLE in Verbindung mit Artikeln 26 Absatz 3 RLE <strong>und</strong> 27 Absatz 1<br />

RLE sind für Konzessionen für soziale <strong>und</strong> andere besondere Dienstleistungen<br />

Bekanntmachungspflichten vorgesehen. Die davon erfassten Dienstleistungen<br />

ergeben sich aus der abschließenden Aufzählung im Anhang X RLE (inhaltsgleich<br />

mit Anhang XVI des Entwurfs zur öffentlichen <strong>Auftrags</strong>vergabe, siehe oben unter<br />

II.1.). Gr<strong>und</strong>sätzlich fallen damit soziale Dienstleistungen in den Anwendungsbereich<br />

der geplanten Konzessionsrichtlinie.<br />

Allerdings sind in Deutschland die Besonderheiten des sozialrechtlichen<br />

Dreiecksverhältnisses mit staatlichem Leistungsträger, nichtstaatlichem<br />

Leistungserbringer <strong>und</strong> Leistungsberechtigtem zu berücksichtigen, die<br />

möglicherweise zu einer anderen Einschätzung führen.<br />

Ansatzpunkte dazu finden sich in den Erwägungsgründen 6 <strong>und</strong> 22 RLE, die insoweit<br />

als Auslegungshilfe herangezogen werden können:<br />

Nach Erwägungsgr<strong>und</strong> 6 RLE sollen bestimmte staatliche Handlungen, wie die<br />

Erteilung von Genehmigungen oder Lizenzen, in deren Rahmen der Staat oder eine<br />

Behörde die Bedingungen für die Ausübung der Wirtschaftstätigkeiten bestimmt,<br />

nicht als Konzessionen gelten.<br />

Erwägungsgr<strong>und</strong> 22 RLE führt in diesem Rahmen weiter aus, dass es den<br />

Mitgliedstaaten auch künftig frei stehen soll, soziale Dienstleistungen selbst zu<br />

erbringen oder in konzessionsfreier Weise zu organisieren, beispielsweise durch die<br />

bloße Finanzierung oder durch eine Erteilung von Lizenzen oder Genehmigungen,<br />

solange diese beschränkungs- <strong>und</strong> quotenfrei allen Wirtschaftsteilnehmern<br />

offenstehen, die vorab festgelegte Kriterien erfüllen <strong>und</strong> das Verfahren ausreichende<br />

Bekanntmachung, Transparenz <strong>und</strong> Nichtdiskriminierung gewährleistet.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wären Zulassungsverfahren im sozialrechtlichen<br />

Dreiecksverhältnis mit einem transparenten <strong>und</strong> diskriminierungsfreien gewährten<br />

Zulassungsanspruch für alle potenziellen <strong>und</strong> vorher festgelegten Anforderungen<br />

genügenden Leistungserbringer weiterhin konzessionsfrei möglich.<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22


2. Arbeitsdokument des IMCO-Auschusses im Europäischen Parlament<br />

Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament ist der Ausschuss für<br />

Binnenmarkt <strong>und</strong> Verbraucherschutz (IMCO). Der Berichterstatter Juvin bewertet in<br />

seinem Arbeitspapier vom 20.02.2012 den Richtlinienentwurf zur<br />

<strong>Konzessionsvergabe</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich positiv <strong>und</strong> sieht diesen durch einen Mehrwert<br />

gerechtfertigt, soweit den Besonderheiten der Konzession insbesondere in<br />

Abgrenzung zu den öffentlichen Aufträgen Rechnung getragen wird.<br />

Hinsichtlich der Einstufung sozialer Dienstleistungen äußert sich der Berichterstatter<br />

unter Punkt 3b) Geltungsbereich <strong>und</strong> sektorspezifische Ausschlüsse zunächst unter<br />

Verweis auf Erwägungsgr<strong>und</strong> 21 RLE dahingehend, dass die Abschaffung der<br />

Einteilung in A- <strong>und</strong> B- Dienstleistungen zu „gewissen Unsicherheiten“ führe.<br />

Nach Erwägungsgr<strong>und</strong> 21 RLE sollen von der vollständigen Anwendung der<br />

Richtlinie nur diejenigen Dienstleistungen ausgenommen werden, die von<br />

begrenztem grenzübergreifender Interesse sind, nämlich die sogenannten<br />

personenbezogenen Dienstleistungen z. B. im Sozial-, Ges<strong>und</strong>heits- oder<br />

Bildungsbereich. Diese Dienstleistungen werden vor einem besonderen Hintergr<strong>und</strong><br />

erbracht, der sich in den einzelnen Mitgliedstaaten aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher<br />

kultureller Traditionen stark unterschiedlich darstellt. Für Konzessionen zur<br />

Erbringung dieser Dienstleistungen sollten daher eigene Regelungen gelten.<br />

Die Mitgliedstaaten sollten zudem geeignete Verfahren für die Vergabe von<br />

Konzessionen für diese Dienstleistungen einführen, wobei sie die volle Einhaltung<br />

der Gr<strong>und</strong>sätze der Transparenz <strong>und</strong> der Gleichbehandlung der<br />

Wirtschaftsteilnehmer sicherstellen <strong>und</strong> es den öffentlichen Auftraggebern <strong>und</strong><br />

Vergabestellen ermöglichen sollten, der Spezifik der jeweiligen Dienstleistungen<br />

Rechnung zu tragen.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sieht der Berichterstatter zum einen Bedarf an einer<br />

genauen Bestimmung der jeweiligen Dienstleistungen <strong>und</strong> an der Klärung der<br />

Einschlägigkeit der Beschränkungen des Kataloges der bisherigen B-<br />

Dienstleistungen.<br />

Zum anderen spricht sich der Berichterstatter dafür aus, auch die Nichtanwendung<br />

anderer Bestimmungen der Richtlinie (neben den gemäß Artikel 17 RLE<br />

vorgesehenen Bekanntmachungsvorschriften) zu klären.<br />

Hier kann aufgr<strong>und</strong> der sehr offen gehaltenen Formulierung nicht nachvollzogen<br />

werden, welche anderen Bestimmungen der Richtlinie keine Anwendung auf soziale<br />

Dienstleistungen finden sollen <strong>und</strong> ob dies ggf. gemäß der Überschrift bis hin zu<br />

einem sektorspezifischen Ausschluss vom Anwendungsbereich der Richtlinie führen<br />

soll.<br />

Darüber hinaus weist der Berichterstatter allgemein unter 2. Welche Regeln<br />

brauchen wir? darauf hin, dass die öffentliche Hand anerkanntermaßen die Freiheit<br />

besitzen muss, darüber zu entscheiden, wie sie die Wahrnehmung ihres<br />

Versorgungsauftrages zu organisieren gedenkt.<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22


Dies könnte im Licht der Erwägungsgründe 6 <strong>und</strong> 22 RLE so zu verstehen sein, dass<br />

soziale Dienstleistungen unter gewissen Voraussetzungen auch konzessionsfrei<br />

organisiert werden können.<br />

3. Stellungnahme des EWSA vom 26.04.2012<br />

o Kein Bedarf für eine Konzessionsrichtlinie<br />

Der EWSA äußert in seiner Stellungnahme zunächst erhebliche Zweifel an der<br />

Notwendigkeit einer Richtlinie über die <strong>Konzessionsvergabe</strong>. Er verweist<br />

diesbezüglich auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25.10.2011<br />

zu der Modernisierung im Bereich des öffentlichen <strong>Auftrags</strong>wesens (2011/2048(INI)),<br />

in der festgestellt wurde, "dass ein Vorschlag für einen Rechtsakt über<br />

Dienstleistungskonzessionen nur dann gerechtfertigt wäre, wenn durch ihn etwaige<br />

Verzerrungen beim Funktionieren des Binnenmarkts abgestellt würden; (das<br />

Parlament) weist darauf hin, dass derartige Verzerrungen bisher noch nicht festgestellt<br />

worden sind."<br />

Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass die Anwendung der im Vertrag<br />

gewährleisteten Gr<strong>und</strong>sätze auf die Vergabe von Konzessionen (Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Gleichbehandlung, Diskriminierungsverbot <strong>und</strong> Transparenzgebots) durch die<br />

Rechtsprechung des EuGH weitgehend geklärt worden seien. Wie vom EuGH<br />

verdeutlicht fänden diese Gr<strong>und</strong>sätze auf die Vergabe von Konzessionen für alle<br />

Arten von Dienstleistungen von grenzübergreifendem Interesse einschließlich der<br />

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Anwendung.<br />

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der EWSA im Bereich der<br />

Konzessionen auf Gemeinschaftsebene keine Regelungslücke sieht, die mit einem<br />

entsprechenden Legislativakt zu schließen wäre.<br />

o Ausschluss vom Anwendungsbereich <strong>Konzessionsvergabe</strong><br />

Auch hier hat sich der EWSA im Sinne der freien Wohlfahrtspflege für die Aufnahme<br />

einer Ausschlussregelung für soziale Dienstleistungen in die Richtlinie<br />

ausgesprochen, vgl. Punkt 2.7 der Stellungnahme (siehe oben unter II.3.) sowie Mail<br />

von Herrn Schlüter, MdEWSA, vom 26.04.2012 an die Mitglieder des<br />

Europaausschusses.<br />

Die vom EWSA formulierte Änderung entspricht insoweit inhaltlich dem<br />

Ergänzungsvorschlag der BAGFW-Stellungnahme vom 12.03.2012.<br />

IV. Kurzeinschätzung<br />

Die Arbeitsdokumente des Europäischen Parlaments lassen keine ausdrücklichen<br />

Rückschlüsse darauf zu, ob <strong>und</strong> ggf. wie weitgehend eine vergabe- bzw.<br />

konzessionsfreie Organisation von sozialen Dienstleistungen nach den geplanten<br />

Richtlinien möglich sein soll.<br />

Bezüglich der geplanten Richtlinie über die öffentliche <strong>Auftrags</strong>vergabe spricht der<br />

Berichterstatter Tarabella lediglich abstrakt über Sonderregeln für soziale<br />

Dienstleistungen, Ausführungen zu einer vergabefreien Organisation von<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22


spezifischen sozialen Dienstleistung im Sinne des Art. 76 Absatz 1 RLE fehlen<br />

jedoch.<br />

Für den Richtlinienentwurf zur <strong>Konzessionsvergabe</strong> verweist der Berichterstatter<br />

Juvin ebenfalls nur pauschal auf die Klärung der Nichtanwendung anderer<br />

Bestimmungen der Richtlinie auf soziale Dienstleistungen bzw. auf die<br />

Organisationsfreiheit der öffentlichen Hand hinsichtlich ihres Versorgungsauftrages.<br />

Ansätze für eine vergabe- bzw. konzessionsfreie Organisation von sozialen<br />

Dienstleistungen finden sich in den Richtlinienentwürfen selbst ohnehin nur in den<br />

Erwägungsgründen, die zwar als Auslegungshilfe dienen, selbst aber keine<br />

Rechtswirkung entfalten.<br />

Bestrebungen, entsprechende Ausschlussregelungen für soziale Dienstleistungen in<br />

die Richtlinien aufzunehmen, waren im EWSA erfolgreich, vgl. Punkt 2.7 der<br />

Stellungnahme des EWSA.<br />

Es bleibt abzuwarten, ob diese Empfehlung des EWSA im Parlament ein Echo<br />

findet. Mit der Vorlage der Entwürfe wird ab Mitte Mai gerechnet.<br />

Bank für Sozialwirtschaft Europa-Service<br />

Rue de Pascale 4 – 6 1040 Brüssel<br />

h.braem@eufis.de<br />

Tel.: + 32 2230 39 22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!