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learning from las vegas oder die identität einer stadt

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8. Öffentlicher Raum als Teilstruktur von Öffentlichkeit<br />

Ausgehend von Habermas’ Partizipation der BürgerInnen im Diskurs beschreibt Benkler (2006) in<br />

seinem Werk The Wealth of Networks fünf Prinzipien <strong>einer</strong> „deliberativen Öffentlichkeit“: Allgem<strong>einer</strong><br />

Zugang, Filter für politische Relevanz, Filter für <strong>die</strong> Zu<strong>las</strong>sung von Akteuren, Synthesemechanismen<br />

für eine “öffentliche Meinung” und Unabhängigkeit von der Regierung.<br />

Auch Mitchell (1995, 116) beschäftigt sich mit dem allgemeinen Zugang als Bedingung öffentlicher<br />

Räume und Grundlage demokratischer Gesellschaften. Er führt den Begriff des öffentlichen Raumes<br />

auf Orte der griechischen Agora zurück, wo öffentlich Handel betrieben, politische Entscheide getroffen<br />

und juristische Verhandlungen abgehalten wurden. Öffentlichkeit wird entsprechend als Raum<br />

der Polis (öffentlicher Diskurs), der Ökonomie und der Durchsetzung von Gerechtigkeit (vgl. Rawls’<br />

politische Gerechtigkeit, Kapitel 8.1.2) definiert, zu dem alle Zugang haben sollten. Das Prinzip des<br />

allgemeinen Zugangs als bedeutsame normative Leitlinie für öffentliche Sphären lässt sich somit mit<br />

den vier zeitgenössischen Autoren Habermas, Rawls, Benkler und Mitchell theoretisch beschreiben.<br />

Es ist nun von Interesse, zu suchen, wie <strong>die</strong>ser allgemeine Zugang tatsächlich verstanden wird und<br />

wo seine Grenzen beschrieben werden. Die Diskussion beginnt mit folgender Aussage Habermas’, <strong>die</strong><br />

klare Zu<strong>las</strong>sungskriterien zur – „politisch fungierenden“ – Öffentlichkeit beschreibt (Habermas 1976,<br />

42,108).<br />

„Rechtsform und Öffentlichkeit entspringen dem ökonomischen Tauschverhältnis (Habermas 1976, 42). Die<br />

politisch fungierende Öffentlichkeit erhält den normativen Status eines Organs der Selbstvermittlung der<br />

bürgerlichen Gesellschaft mit <strong>einer</strong> ihren Bedürfnissen entsprechenden Staatsgewalt. Dieser Gegensatz<br />

zwischen öffentlich und privat wird als richtig ideologisiert und nimmt so mit der Zeit einen exiferen<br />

und natürlichen Charakter an. Nicht alle gehören <strong>die</strong>ser bürgerlichen Öffentlichkeit an. Die Beteiligung<br />

am öffentlichen Raisonnement der Privatleute, dem Medium der politischen Auseinandersetzung in der<br />

Öffentlichkeit ist vielmehr an Voraussetzungen gebunden. Bildung ist das eine Zu<strong>las</strong>sungskriterium, der<br />

Besitz das andere (Habermas 1976, 108).“<br />

Habermas begreift Bildung und Besitz als Zu<strong>las</strong>sungskriterien zur bürgerlichen Öffentlichkeit. Der<br />

theoretische Soll-Zustand (Prinzip des allgemeinen Zugangs) unterscheidet sich demnach vom realen<br />

Ist-Zustand (Zu<strong>las</strong>sungskriterien zur Öffentlichkeit). Es ist nicht klar, wie eng Habermas <strong>die</strong>se<br />

Zu<strong>las</strong>sungskriterien betrachtet, inwiefern sich zum Beispiel fehlender Besitz mit zusätzlicher Bildung<br />

kompensieren liesse, <strong>oder</strong> inwiefern der Umfang des Besitzes für den Zugang zur öffentlichen Sphäre<br />

eine Rolle spielt. In <strong>einer</strong> weiteren Aussage, bezieht er sich im Gegensatz zur ersten Aussage ganz<br />

deutlich auf das Eigentum und nicht auf den Besitz, welches das Private konstituiert:<br />

„Der positive Sinn von privat bildet sich überhaupt am Begriff der freien Verfügung über kapitalistisch<br />

fungierendes Eigentum.“ (Habermas 1976, 96)<br />

In der Annahme, dass erst durch das Private Öffentlichkeit überhaupt definiert werden kann, spielt <strong>die</strong><br />

Entwicklung des Eigentums eine zentrale Rolle für <strong>die</strong> Entstehung der Dichotomie öffentlich/privat.<br />

Kapitalistisch fungierendes Eigentum existiert gemäss Meil<strong>las</strong>oux (1975) erst seit dem 18. Jahrhundert,<br />

als Personen mit Grossgrundbesitz – erstmals in England – begonnen haben, Eigentumstitel für<br />

ihre riesigen Ländereien auszustellen.<br />

Diese Gleichsetzung der Entwicklung der Dichotomie öffentlich/privat mit der Entwicklung des Eigentums<br />

und der Bildung wird heute von zahlreichen zeitgenössischen AutorInnen, insbesondere aus der<br />

feministischen Forschung und der Radical Geography, kritisiert. Obwohl Habermas auf Zu<strong>las</strong>sungskriterien<br />

zur Öffentlichkeit hinweist, vernachlässigt er gemäss seinen KritikerInnen <strong>die</strong> vielfältigen<br />

gesellschaftlichen Machtstrukturen, welche <strong>die</strong> Dichotomie öffentlich/privat bedingen. Im nächsten<br />

Abschnitt möchte ich hinsichtlich der gesellschaftlichen Produktion öffentlichen Raumes mehr Klarheit<br />

schaffen.

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