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Projektbericht (4.393 KB, pdf) - wiener wohnbau forschung

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Vom Zinspalais fordert der großbürgerliche Bauherr zum einen künstlerisch ausgestat‐<br />

tete Prunkgemächer im ersten Stock, der sogenannten Beletage; zum andern geeignete<br />

Comptoirräumlichkeiten sowie vermietbare Wohnungen und Geschäftslokale. Oder wie<br />

Hansen 1871 anlässlich der Fertigstellung des Palais Epstein bemerkt: "Dem Programme<br />

gemäss sollte der 1. Stock als Wohnung des Bauherrn selbst, der 2. Stock im Gesammten für<br />

eine Miethpartei und der 3. Stock für 3 Miethparteien eingerichtet werden... Im<br />

Erdgeschosse befinden sich auf der einen Seite das Comptoir des Bauherrn, auf der andern<br />

vermiethbare Gewölbe... Die Gemächer des 1. Stockes sind als Wohnung des Bauherrn bis in<br />

das kleinste Detail künstlerisch ausgestattet. Die Renaissancedecken sind plastisch in Stuck<br />

... ausgeführt und durch Freskogemälde sowie durch Malereien und Vergoldungen<br />

prunkvoll verziert." 1<br />

Adäquat erfüllt ist das Programm dann, wenn – wie auch bei Hansens Palais Ephrussi<br />

gegenüber der Universität – eben die Architektur und deren Ausgestaltung<br />

repräsentative u n d ökonomische Ansprüche effizient realisieren. Ein und dasselbe<br />

Gebäude soll also nicht nur die getätigten Investitionen verzinsen, sondern auch die<br />

spezifische, vom Hausherrn als Benützer der Architektur gewünschte Funktionalität<br />

aufweisen. Und gerade das tut das Zins‐Palais und wird deshalb zum Prototyp der<br />

Wohnhausarchitektur der "Zweiten Gesellschaft" an der Wiener Ringstraße.<br />

Nun: ein neuer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschaffener Bautypus mit der<br />

Anforderung, dem Repräsentationsbedürfnis und dem Erwerbssinn einer neu sich<br />

formierten Schicht Ausdruck zu verleihen und Rechnung zu tragen, ein solcher Typus<br />

braucht seine Vorbilder und – findet sie: nämlich im adeligen Palast des 18. Jahrhunderts<br />

wie auch im bürgerlichen Wohnhaus dieser Zeit. Das Zins‐Palais erweist sich jedenfalls<br />

als Vermischung beider im Barock noch streng voneinander getrennter Typen, eine<br />

Vermischung, ausgerichtet auf ideale Einheit. Beide: Vermischung wie Verschnitt sind<br />

wichtige Strategien, die hier auf typologischen Schienen das System "Gesamtkunstwerk"<br />

ansteuern.<br />

Sollte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der von der Großbourgeoisie<br />

intendierten Gleichstellung mit dem Geburtsadel architektonisch Ausdruck gegeben<br />

werden, musste man an das feudale Barockpalais anschließen, war doch nur dort jene<br />

repräsentative Sphäre vorgebildet, die der neoaristokratische Lebensstil forderte, die<br />

1 Palais Epstein in Wien, in: Allgemeine Bauzeitung, 36, 1971, S. 422<br />

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