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Projektbericht (4.393 KB, pdf) - wiener wohnbau forschung

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Mit diesem seinem „Palais“ in der Kärntnerstraße 51 siedelt sich Eduard Todesco im<br />

unmittelbaren Bereich der Wiener Ringstraße an, vis a vis der Oper – an ausgezeich‐<br />

netem Ort, welcher der Wahrnehmung des Flaneurs wie jener des Vedutenmalers auch<br />

später sicher sein konnte. Seinem Beispiel folgt das aufsteigende Großbürgertum,<br />

welches ja gerade zur Zeit der Stadterweiterung eine ihm angemessene, d.h. ebenso<br />

repräsentative wie exklusive Wohnsphäre sucht. Während die Innere Stadt mit ihren<br />

historischen Palästen dem alten Geburtsadel vorbehalten bleibt, bietet die neu angelegte<br />

Prachtstraße der Donaumetropole für die neuen „Geldbarone“ d i e adäquate, höchst<br />

attraktive Wohnumgebung: als Ort der wichtigsten öffentlichen Bauten und gleichsam<br />

„architektonische Zitatensammlung“ vergangener Stile, die den historischen, politisch‐<br />

kulturellen (Selbstdarstellungs‐)Anspruch der Habsburgermonarchie und ihrer Träger<br />

insgesamt legitimieren soll. Hier, in unmittelbarer Nähe zur kaiserlichen Hofburg, den<br />

Museen sowie dem Parlamentsgebäude – feudal‐liberaler geht es kaum – residiert auch<br />

der neu‐reiche, neu‐nobilitierte Börsianer Gustav Ritter von Epstein.<br />

Die großbürgerlichen, neoaristokratischen Bauherren an der Wiener Ringstraße – so<br />

auch jene Hansens – gehören soziologisch der sogenannten Zweiten Gesellschaft an,<br />

jener hierarchisch zwischen eigentlichem Bürgertum und Hocharistokratie einzuordnen‐<br />

den Schicht. Als Industrielle, Bankiers und Großhändler der Hochgründerzeit sind sie<br />

wohl noch immer bestrebt, ihre wirtschaftliche Position weiter auszubauen; sie rein‐<br />

vestieren aber nicht mehr alle Kapitalüberschüsse, sondern können – ja müssen – Teile<br />

ihres Vermögens für Repräsentation und Prestigeaufwand freisetzen, um einen ihrer<br />

ökonomischen Macht entsprechenden gesellschaftlichen Status zu demonstrieren. Dabei<br />

trachten die Angehörigen dieser Oberschicht der Bourgeoisie nicht nach Verwirklichung<br />

eines bürgerlich‐fortschrittlichen Selbstverständnisses, sondern konkurrierend nach<br />

Gleichstellung mit dem gesellschaftlichen und politisch noch immer tonangebenden<br />

Hochadel. Orientierung an dem Ideal feudaler Lebensformen einerseits, Weitertradier‐<br />

ung bürgerlicher Besitz‐ und Erwerbsformen andererseits – dies sind d i e Richtlinien<br />

großbürgerlicher Existenz und demgemäß auch d i e Richtlinien großbürgerlicher<br />

Wohnpraxis.<br />

So entsteht nun unter dem Wirken Hansens ein Bautypus, zwei Ausrichtungen zugleich –<br />

unter einem Dach quasi – abzudecken. Es ist dies das sogenannte Zins‐Palais, das reprä‐<br />

sentativen wie ökonomischen Anforderungen nachkommen soll, ganz der Struktur<br />

seiner Auftraggeberschicht entsprechend: als Architektur ein Verschnitt hin zum<br />

Ganzen – wie die Gesellschaft auf die sie berechnet ist.<br />

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