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Ben Thustek<br />

Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des<br />

neuen Mediums Internet<br />

<strong>Examensarbeit</strong><br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

A. Theoretische Vorüberlegungen<br />

1. Regional- bzw. Lokalgeschichte als Teil der allgemeinen Geschichte<br />

1.1. Vorbemerkung<br />

1.2. Kurze Bemerkungen zum Verständnis von Heimat und Region<br />

1.3. Zur Einordnung von Lokal- bzw. Regionalgeschichte in den Rahmen der allgemeinen<br />

Geschichte<br />

1.4. Chancen und Risiken regionalgeschichtlicher Betrachtungen im Unterricht<br />

2. Das neue Medium Internet und der mögliche Einsatz im Unterricht<br />

2.1. Vorbemerkung<br />

2.2. Die Informationsrecherche mit Hilfe des Internets<br />

2.3. Möglichkeiten der Publikation im Internet<br />

2.4. Der Austausch zwischen zwei Teilnehmern: die e-mail<br />

2.5. Mögliche Risiken des Internets für die Schüler<br />

3. Fachwissenschaftliche Vorüberlegungen: Aspekte der Industrialisierung in<br />

Gütersloh<br />

3.1. Vorbemerkung<br />

3.2. Zur politischen Entwicklung in Gütersloh im 19. Jahrhundert<br />

3.3. Zur wirtschaftlichen Situation in Gütersloh im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert<br />

3.4. Ein industrieller Leitsektor in der Region: Die Entwicklung der Textilindustrie<br />

in Gütersloh<br />

3.5. Ein regional wichtiger Industriezweig: Die Entfaltung des graphischen Gewerbes<br />

4. Allgemeindidaktische Vorüberlegungen: Unterrichtsplanung auf Grundlage<br />

der Theorie der kategorialen Bildung Wolfgang Klafkis<br />

4.1. Vorbemerkung<br />

4.2. Grundformen des historischen Lernens<br />

4.3. Grundlegende Folgerungen für die Planung<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

B. Planung der Unterrichtssequenz<br />

1. Unterrichtliche Voraussetzungen<br />

1.1. Kurze Bemerkungen zur Lerngruppe<br />

1.2. Institutionelle Voraussetzungen<br />

2. Didaktische Begründungen zum Unterrichtsgegenstand auf Grundlage der<br />

theoretischen Überlegungen<br />

2.1. Die Einordnung des Themas in die übergeordnete Planung<br />

2.2. Die Notwendigkeit der didaktischen Reduktion und Schwerpunktsetzung<br />

2.3. Lernziele der Unterrichtsreihe<br />

3. Methodische Begründungen zum Unterrichtsgegenstand auf Grundlage der<br />

theoretischen Überlegungen<br />

3.1. Vorbemerkung<br />

3.2. Bilder<br />

3.3. Hausaufgaben<br />

3.4. Protokollführung<br />

3.5. Texte umsetzen und erleben: Als Zeitungsartikel gestalten<br />

3.6. Streitgespräch<br />

3.7. Projektarbeit<br />

4. Makrostruktur der Unterrichtsreihe<br />

C. Unterrichtsdurchführung und Reflexion<br />

1. Vorbemerkung<br />

2. Unterrichtsstunde:<br />

Die Planungen für die Köln-Mindener Eisenbahn und die Varianten für die<br />

Streckenführung: Gütersloher Bürger melden sich 1841 zu Wort - Welche<br />

Streckenführungen haben Aussicht auf Erfolg?<br />

2.1. Lernziele der Unterrichtsstunde<br />

2.1.1. Grobziele der Stunde<br />

2.1.2. Feinziele der Stunde<br />

2.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

2.3. Reflexion der Unterrichtsstunde<br />

3. Unterrichtsstunde:<br />

Eine Firma ändert ihr Gesicht - Die Veränderungen in der Textilwirtschaft<br />

am Beispiel der Gebr. Bartels: Vom Handwebstuhl zum mechanischen Web-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

stuhl oder vom Tuchgeschäft zur Fabrik und damit verbundene Folgen für<br />

die Menschen und die Stadt<br />

3.1. Lernziele der Unterrichtsstunde<br />

3.1.1. Grobziel der Stunde<br />

3.1.2. Feinziele der Stunde<br />

3.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

3.3. Reflexion der Unterrichtsstunde<br />

4. Die zweite Redaktion:<br />

Die Entwicklung der Eisenbahn und die damit verbundenen Auswirkungen auf<br />

Wirtschaft und Gesellschaft in Gütersloh im 19. Jahrhundert - Vom Sichten<br />

und Ordnen des erarbeiteten Materials zum endgültigen Produkt: Schüler<br />

setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung in einer Redaktion mit dem<br />

Themenkreis auseinander und gestalten mit Hilfe der technischen Redaktion<br />

selbständig mehrere websites<br />

4.1. Lernziele der Redaktionsphase<br />

4.1.1. Grobziele der Redaktionsphase<br />

4.1.2. Feinziele der Redaktionsphase<br />

4.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

4.3. Dokumentation der Durchführung und Reflexion<br />

5. Die dritte Redaktion:<br />

Aspekte der Industrialisierung am Beispiel der Entwicklung der Textilindustrie<br />

in Gütersloh - Vom Sichten und Ordnen des erarbeiteten Materials<br />

zum endgültigen Produkt: Schüler setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung<br />

in einer Redaktion mit dem Themenkreis auseinander und gestalten mit<br />

Hilfe der technischen Redaktion selbständig mehrere websites<br />

5.1. Lernziele der Redaktionsphase<br />

5.1.1. Grobziele der Redaktionsphase<br />

5.1.2. Feinziele der Redaktionsphase<br />

5.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

5.3. Dokumentation der Durchführung und Reflexion<br />

6. Die Endredaktion:<br />

Die redaktionelle Schlußbearbeitung und die technische Umsetzung des von<br />

den Redaktionen erarbeiteten Materials - Mit Hilfe eines Layoutprogrammes<br />

gestalten Schüler selbständig die verschiedenen websites zur Industrialisierung<br />

in Gütersloh und bereiten diese für den Server der Universität<br />

Bielefeld und somit für das Internet vor<br />

6.1. Lernziele der Endredaktion<br />

6.1.1. Grobziele der Endredaktionsphase<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

6.1.2. Feinziele der Endredaktionsphase<br />

6.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

6.3. Dokumentation der Durchführung und Reflexion<br />

Gesamtreflexion<br />

Literaturverzeichnis<br />

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Einleitung<br />

Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Die vorliegende Arbeit wird sich mit einigen ausgesuchten Aspekten der Industrialisierung im Raum<br />

Gütersloh beschäftigen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Verbindung zwischen der historischen<br />

Thematik und dem weitgehend neuen und unbekannten Medium Internet richten.<br />

Diese besondere und auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Beziehung macht<br />

eine Reihe von grundlegenden Entscheidungen nötig, um in einem vernünftigen und<br />

nachvollziehbaren Rahmen eine internetorientierte Unterrichtsreihe konzipieren<br />

und durchführen zu können.<br />

Aus diesem Grunde wurde die Arbeit in drei größere, aufeinander aufbauende Abschnitte<br />

gegliedert. 1 In einem ersten Teil werden zunächst die theoretischen<br />

Grundlagen für die unterrichtliche Planung und Durchführung der Sequenz gelegt.<br />

Hierin muß zunächst das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis hinsichtlich der<br />

Lokal- und Regionalgeschichte in gebührender Weise geklärt werden. Zudem erscheint<br />

es in diesem Teil notwendig, elementare Gesichtspunkte des Internets gerade<br />

im Hinblick auf den Lernort Schule zu erörtern. Da die Industrialisierung in<br />

Gütersloh bisher noch keine eingehende Untersuchung erfahren hat, müssen in<br />

einem weiteren Schritt notwendige fachwissenschaftliche Überlegungen und Einschränkungen<br />

zum Sachgegenstand erfolgen. Hierbei soll zunächst die politische<br />

Entwicklung in Gütersloh im 19. Jahrhundert kurz beleuchtet werden, da diese eine<br />

entscheidende Grundlage für das Gedeihen der Stadt bildete. Darüber hinaus<br />

erscheint es wichtig, grundlegende wirtschaftliche Gegebenheiten der Stadt im<br />

19. und beginnenden 20. Jahrhundert näher zu beleuchten. Sodann wird unter der<br />

Beachtung des Prinzips der Exemplarität die Entwicklung des industriellen Leitsektors<br />

der Textilindustrie im lokalen Kontext näher beschrieben. Zusätzlich findet<br />

die Entfaltung des regional sehr wichtigen graphischen Gewerbes Eingang in die<br />

Arbeit. In einem letzten Kapitel innerhalb der theoretischen Grundlegung sollen<br />

wichtige allgemeindidaktische Gesichtspunkte auf der Basis der Theorie der kategorialen<br />

Bildung Wolfgang Klafkis behandelt werden.<br />

Im zweiten Teil dieser Arbeit sollen einige wichtige Punkte zur Planung der Unterrichtssequenz<br />

näher herausgestellt werden. Zunächst müssen hier einige institutionelle<br />

und unterrichtliche Voraussetzungen geklärt werden, da diese die Verwendung<br />

des Internets während der Unterrichtsreihe in vielerlei Hinsicht beeinflussen.<br />

Sodann werden notwendige didaktische Entscheidungen zum Unterrichtsgegenstand<br />

auf der Grundlage des ersten Teils dieser Arbeit begründend dargelegt.<br />

Gerade im Hinblick auf die adäquate Nutzung des Internets innerhalb dieser Reihe<br />

erscheint hier der Grundatz der didaktischen Reduktion und Schwerpunktsetzung<br />

von sehr großer Bedeutung. Darüber hinaus erscheint es erforderlich, besonders<br />

für die inhaltliche Sequenz einige methodische Begründungen zum Unterrichtsgegenstand<br />

zu skizzieren. Da das Internet bereits im ersten Teil näher beschrieben<br />

1 Vgl. zur weiteren Orientierung Anhang, S. 2.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

worden ist, unterbleibt in diesem Zusammenhang eine weitere methodisch orientierte<br />

Darstellung des Mediums.<br />

Um der Aufgabenstellung gerecht zu werden, müssen im dritten und letzten Teil<br />

wichtige Aspekte der Unterrichtsdurchführung reflektiert dargelegt werden. Die<br />

besondere Beziehung zwischen dem Medium und dem historischen Gegenstand<br />

macht es unter Berücksichtigung des exemplarischen Zugangs notwendig, zunächst<br />

zwei inhaltliche Stunden zur Entwicklung der Eisenbahn in Gütersloh und zu den<br />

Veränderungen in der Textilwirtschaft (aufgezeigt an der Gütersloher Seidenfabrikation<br />

der Gebrüder Bartels) in vertiefender Weise zu beschreiben und kritisch<br />

zu hinterfragen. In einem zweiten Schritt müssen dann ausgehend von diesen<br />

Stunden weitere mit dem Internet verbundene Teile der Unterrichtssequenz gebührend<br />

erläutert werden. Dabei wird vornehmlich der Weg zu einem Ergebnis und<br />

nicht das Ergebnis selbst eingehend beschrieben, da gerade dort wichtige und interessante<br />

Einblicke in die Durchführungsorganisation und den damit verbundenen<br />

Schwierigkeiten einer lokalgeschichtlichen Internet-Unterrichtsreihe gewährt<br />

werden können.<br />

Eine Gesamtreflexion soll noch einmal einige Abschnitte dieser Arbeit gerade im<br />

Hinblick auf eine Verwendung des Internets im Geschichtsunterricht würdigen,<br />

aber auch kritisch hinterfragen.<br />

A. Theoretische Vorüberlegungen<br />

1. Regional- bzw. Lokalgeschichte als Teil der allgemeinen Geschichte<br />

1.1. Vorbemerkung<br />

Warum betreibt der Geschichtslehrer im Unterricht überhaupt Regionalgeschichte?<br />

Welche Vorteile kann eine lokale Auseinandersetzung mit einem historischen<br />

Thema für die Schüler besitzen? Wie muß Lokalgeschichte vermittelt werden?<br />

Wie versteht man eigentlich Regionalgeschichte? Wie ordnet sich diese in den allgemeinen<br />

geschichtlichen Zusammenhang ein? Welche Chancen und Risiken birgt<br />

ein solcher Unterrichtsgang letztlich in sich? - Dies sind nur einige wenige Fragen,<br />

die sich bei der Auseinandersetzung mit lokalgeschichtlichen Themen stellen.<br />

Die Richtlinien für Geschichte der gymnasialen Oberstufe äußern sich in diesem<br />

Zusammenhang nicht explizit zu regionalgeschichtlichen Themen im Unterricht.<br />

Allerdings lassen die auf Grundlage der demokratischen Ordnung geschaffenen<br />

Richtlinien curriculare Freiräume zu, so daß im Rahmen der weit gefaßten verbindlichen<br />

Gegenstandsbereiche eine Erörterung regionalgeschichtlicher Themen als<br />

notwendig und wünschenswert erscheint. 2<br />

Die folgende kurze theoretische Einführung will in einem einleitenden Abriß versuchen,<br />

die unterschiedlichen Auffassungen von Heimat in der Vergangenheit aufzu-<br />

2 Vgl. hierzu die Richtlinien für Geschichte für die gymnasiale Oberstufe in Nordrhein-Westfalen,<br />

Düsseldorf 1981, S. 11 (künftig zitiert: Richtlinien Sek. II.).<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

zeigen, die vielfach der Beschäftigung mit Heimatgeschichte einen negativen Zug<br />

gaben. Darüber hinaus wird gefragt, wie heute Regionalgeschichte im Rahmen der<br />

allgemeinen Geschichte verstanden bzw. eingeordnet werden kann. Abschließend<br />

soll auch der Sinn und Zweck einer Auseinandersetzung innerhalb der Schule Eingang<br />

in die Erörterung finden. Diese Überlegungen sind schon deshalb notwendig,<br />

da für die unterrichtliche Beschäftigung mit der Regionalgeschichte Güterslohs<br />

bisher kein didaktisches Rahmenkonzept erarbeitet wurde.<br />

1.2. Kurze Bemerkungen zum Verständnis von Heimat und Region<br />

Der Begriff der Heimat wurde in der Vergangenheit in unterschiedlicher Weise<br />

verstanden und interpretiert, und so fand die Auseinandersetzung mit der lokalen<br />

Geschichte im Rahmen des Geschichtsunterrichts verschiedenartig statt. 3<br />

Während Heimat noch vor 1850 eher als ein Begriff des Alltags bzw. der bäuerlichen<br />

Rechtssprache gebraucht wurde, der den an den Hoferben übertragenen Besitz<br />

bezeichnete, verband man ihn später sehr stark mit dem Aspekt des Bodens<br />

und der Scholle. Der Gegenstand der Heimat wurde somit als primär geographisch<br />

abgrenzbarer Raum verstanden. Das geographische oder Raum-Prinzip besaß somit<br />

eine geradezu konstituierende Rolle in der Auseinandersetzung. 4 Sogenannte Geschichtslandschaften,<br />

also z.B. Grenzverläufe, Flüsse, Bäche, Rand- oder Zentrallagen,<br />

traten in den Vordergrund und prägten das Verständnis von Heimat. 5 Hierin<br />

untersuchte man zunächst den Charakter einer Region und sondierte ihre funktionale<br />

Typenvielfalt. 6 Dieses Verständnis führte dazu, weitgehend Verwaltungs-,<br />

Wirtschafts- und Herrschaftsräume zu analysieren, Territorien, Stammesgebiete<br />

oder ein Bundesland zum Gegenstand der Untersuchung zu nehmen oder einfach<br />

ländliche Gebiete im Unterschied zur Stadt zu untersuchen. 7<br />

Eine weitere Problematik trat hinzu, als verstärkt seit den 1920er Jahren der<br />

3 Vgl. D. Peukert, Didaktik der Heimatgeschichte, in: K. Bergmann (Hrsg.), Handbuch der Geschichtsdidaktik,<br />

Bd. 1, Düsseldorf 3. Aufl. 1985, S. 310 (künftig zitiert: Peukert, Heimatgeschichte).<br />

4 4 Vgl. J. Hannig, Regionalgeschichte und Auswahlproblematik, in: Geschichtsdidaktik 2 (1984), S.<br />

132 (künftig zitiert: Hannig, Regionalgeschichte); Vgl. A. Flügel, Der Ort der Regionalgeschichte in<br />

der neuzeitlichen Geschichte, in: S. Brakensiek, A. Flügel u.a. (Hrsg.), Kultur und Staat in der Provinz.<br />

Perspektiven und Erträge der Regionalgeschichte, Bielefeld 1992, S. 6 (künftig zitiert: Flügel,<br />

Regionalgeschichte).<br />

5<br />

Vgl. H. Beilner, Der regionale Aspekt im Geschichtsunterricht, in: Pädagogische Welt 42 (1988) 1,<br />

S. 2.3 (künftig zitiert: Beilner, Regionaler Aspekt).<br />

6<br />

Vgl. H. Kuss, Regionale Identität im vereinten Deutschland. Chance und Gefahr. Bericht über die<br />

Tagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik in Magdeburg 2.-4. Oktober 1995, in: GWU 45 (1996)<br />

12, S. 773 (künftig zitiert: Kuss, Regionale Identität).<br />

7<br />

Vgl. T. Leeb, Regionalgeschichte im Unterricht. Analyse-Instrumente und empirische Ergebnisse,<br />

in: P. Knoch, T. Leeb (Hrsg.), Heimat oder Region? Grundzüge einer Didaktik der Regionalgeschichte,<br />

Frankfurt 1984, S. 70 (künftig zitiert: Leeb, Regionalgeschichte).<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Begriff Heimat mit dem der Nation eng verbunden wurde. 8 In einem Atemzug wurden<br />

später die Termini Heimat, Stamm, Volk und Führer sowie der heldische Gedanke<br />

genannt. Die Politik versuchte Heimatgefühle zielstrebig zu instrumentalisieren<br />

und forcierte ein rechtes Verständnis für den Zusammenhang von Rasse,<br />

Heimatboden und arteigener Kultur. Heimatkunde wurde in der NS-Zeit zu einer<br />

bestimmenden Richtgröße nationalsozialistischer Erziehung. 9<br />

Nach dem II. Weltkrieg hatte der Begriff der Heimat vielfach seinen gemütvollen<br />

Glanz und seine existentielle Bedeutung verloren. Eine Orientierung geschah vielfach<br />

an anderen Werten, aber auf jeden Fall nicht an der Heimat. Heimatgeschichte<br />

wurde zwischen 1949 und 1970 im Unterricht weitgehend nur am Rande<br />

erwähnt und fand als Thema meist nur Eingang in die Unterstufe.<br />

Die Auseinandersetzung mit der Heimat wurde darüber hinaus erschwert durch<br />

den Gedanken der Geborgenheit, einer Sehnsucht nach Heimat, einer rückwärtsgewandten<br />

Utopie der heilen, überschaubaren Dorfidylle, die mit Liebe und der<br />

Vermeidung von Elend verbunden wurde. 10<br />

Das Betreiben von Heimatgeschichte besaß in der Regel einen etwas konservativen,<br />

volkstümelnden und engstirnigen Zug. 11<br />

Karl Hermann Beeck verwendete in der Nachkriegszeit neben der Bezeichnung<br />

Heimatgeschichte nunmehr den unbelasteteren Begriff der Regionalgeschichte<br />

und nahm Abstand von vornehmlich räumlichen und dynastisch ausgerichteten Fragestellungen.<br />

Seine Untersuchungen orientierten sich jetzt mehr an strukturgeschichtlichen<br />

und sozialräumlichen Aspekten. 12 Damit wurde im Bereich der Regionalgeschichte<br />

der Blick geöffnet für eine Auseinandersetzung mit dem Menschen<br />

innerhalb einer Region. Hierin versteht man jetzt verstärkt die Untersuchung des<br />

Verhältnisses zwischen dem einzelnen Menschen und seiner Umwelt, zwischen<br />

Räumen und darin stattfindenden Handlungen, zwischen Gebietseinheiten und sozialen<br />

Situationen und Strukturen. 13 Dieser vorher als objektivistisch und statisch<br />

8<br />

Vgl. Flügel, Regionalgeschichte, S. 4.<br />

9<br />

Vgl. K. Plieninger, "... überströmenden Herzens von der Heimat künden". "Heimat" - schillerndes<br />

Leitbild im Wandel von Schule und Gesellschaft, in: GWU 46 (1995), S. 699.700.705.706 (künftig<br />

zitiert: Plieninger, Heimat).<br />

10<br />

Vgl. P. Knoch, Überlegungen zu einer Didaktik der Regionalgeschichte, in: P. Knoch, T. Leeb<br />

(Hrsg.), Heimat oder Region? Grundzüge einer Didaktik der Regionalgeschichte, Frankfurt 1984, S.<br />

4.5 (künftig zitiert: Knoch, Regionalgeschichte); Knoch wies in diesem Zusammenhang zu Recht darauf<br />

hin, daß es ein Trugschluß sei, daß uns in der Heimat die Krisen der Welt nicht erreichen.<br />

11<br />

Vgl. Plieninger, Heimat, S. 697; vgl. Beilner, Regionaler Aspekt, S. 5; Peukert spricht von einer<br />

sentimentalen Überhöhung des Lokalen Vgl. Peukert, Heimatgeschichte, S. 310.<br />

12<br />

Vgl. K.-H. Beeck, Die unterrichtlichen Mißverständnisse von Regionalgeschichte, in: ders., Landesgeschichte<br />

im Unterricht, Ratingen u.a. 1973, S. 1; vgl. ders., Kriterien für einen landesgeschichtlichen<br />

Geschichtsunterricht, in: ders., Landesgeschichte im Unterricht, Ratingen u.a. 1973, S. 29-43,<br />

hier bes. S. 31; Vgl. auch Plieninger, Heimat, S. 703; vgl. Kuss, Regionale Identität, S. 773; vgl. Hannig,<br />

Regionalgeschichte, S. 131.<br />

13<br />

Vgl. T. Leeb, Region als Figuration - Bemerkungen zu einer Didaktik der Regionalität des Men-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

verstandene Begriff der historischen Region als geographisch abgrenzbarer Raum,<br />

in dem sich "Geschichte" ereignet hat, wurde jetzt in einen prozeßhaften, subjektiven<br />

und interaktionistischen Begriff verwandelt. 14<br />

Region verstand man jetzt eher als ein Geflecht von Menschen, die handeln, wobei<br />

aber das Interaktionsfeld an einen Raum gebunden war. Hannig gab in diesem Zusammenhang<br />

einige interessante Impulse: Die Bindung des Individuums an einen<br />

bestimmten Raum, den es als seine "Heimat" ansehe, geschehe nicht durch die Beschaffenheit<br />

des Raumes selbst, sondern durch die spezifische Art und subjektive<br />

Intensität der Interaktionen der interdependenten Individuen, wobei die Individuen<br />

zugleich unterschiedlichen Lebenswelten mit verschieden großen Radien angehören<br />

können. 15 Und somit kann Heimat in unserer Zeit offenbar permanent aufgebaut<br />

werden. Heimat kann als Prozeß angesehen werden, der sich im Laufe eines<br />

Lebens zumeist mehrmals vollziehen kann, immer dann, wenn Aufenthalt und Wirkungsstätte<br />

aus privaten, wirtschaftlichen oder politischen Gründen wechseln.<br />

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang das Gefühl und Bewußtsein von Zugehörigkeit.<br />

Die Regionalgeschichte muß sich deshalb mit der Frage beschäftigen, welche verschiedenen<br />

Verflechtungszusammenhänge zu bestimmten Zeiten in einer Region<br />

möglich bzw. üblich gewesen sind. 16<br />

1.3. Zur Einordnung von Lokal- bzw. Regionalgeschichte in den Rahmen der allgemeinen<br />

Geschichte<br />

Anknüpfend an den ersten Gedankengang muß nach der Einordnung der Lokal- bzw.<br />

Regionalgeschichte in die allgemeine Geschichte gefragt werden. Eine erste Theorie<br />

konkretisiert globale Geschichte auf regionaler Basis. Vom Gesamtzusammenhang<br />

her läßt sich in diesem Kontext das historische Teilstück bestimmen. Diese<br />

sogenannte Abbildtheorie geht davon aus, daß im lokalen Bereich letztlich nur noch<br />

das Allgemeine früher oder später nachvollzogen wird. Der regionale Sektor gliedert<br />

sich hierbei in die allgemeine Geschichte ohne größere Schwierigkeiten ein<br />

schen, in: Geschichtsdidaktik 2 (1984), S. 123 (künftig zitiert: Leeb, Region als Figuration); vgl.<br />

Knoch, Regionalgeschichte, S. 12; auch Kuss zeigt sehr klar, daß heute Heimat und Region weniger<br />

geographisch, sondern eher sozial verstanden werden müssen Vgl. Kuss, Regionale Identität, S. 775.<br />

14<br />

Vgl. Hannig, Regionalgeschichte, S. 133; vgl. Knoch, Regionalgeschichte, S. 12.<br />

15<br />

Vgl. Hannig, Regionalgeschichte, S. 133.134; vgl. Plieninger, Heimat, S. 704; vgl. P. Knoch, Geschichte<br />

vor Ort, in: Praxis Geschichte (1989) 3, S. 8 (künftig zitiert: Knoch, Geschichte vor Ort);<br />

"Region als Figuration interdependenter Individuen ist ein Interaktionszusammenhang, der in bestimmten<br />

Räumen stattfindet." Leeb, Region als Figuration, S. 123.<br />

16<br />

Vgl. Hannig, Regionalgeschichte, S. 134.135; vgl. Leeb, Region als Figuration, S. 127; vgl. Knoch,<br />

Regionalgeschichte, S. 14; vgl. Kuss, Regionale Identität, S. 774.775; vgl. eingeschränkt Beilner,<br />

Regionaler Aspekt, S. 3.4; Dieser regionalgeschichtliche Ansatz mit seiner Hinwendung zur Aufhellung<br />

von Interaktionszusammenhängen kann darüber hinaus einen Beitrag zur Identitätsfindung bei<br />

Kindern ausländischer Mitbürger leisten.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

und verdeutlicht das historische Geschehen an den Ereignissen und Auswirkungen<br />

im engeren Raum, sozusagen in nuce. Der lokalen Geschichte wird eine eher nachgeordnete<br />

Rolle zugewiesen, der Totalität wird die uneingeschränkte Priorität eingeräumt.<br />

Leider bleibt diese Theorie u.a. die Begründung schuldig, warum bestimmte<br />

globale Abläufe sich nicht im lokalen Bereich auffinden lassen. Zudem erscheint<br />

die Denkweise doch recht fragwürdig, daß nur das lokal nachvollzogen werden<br />

muß, was an zentralen Stellen geschah. Eine Eigenständigkeit lokaler Handlungsweisen<br />

gerät in dieser Theorie nur unzureichend in den Blick. 17<br />

Eine zweite Theorie sieht die Regionalgeschichte als einen wesentlichen Bestandteil<br />

der allgemeinen Geschichte. Die lokale Geschichte wird hier als eine zusammenhängende<br />

und umfassende Geschichte eines bestimmten Raumes verstanden,<br />

wobei die Verbindung der verschiedenen, als eigenwüchsig und autonom aufgefaßten<br />

Regionalgeschichten letztlich die allgemeine Geschichte ausmachen. Dieser als<br />

Additionstheorie bezeichnete Ansatz verfährt nach dem Prinzip, daß die Summe<br />

der Teile dem Ganzen entsprechen. Dem regionalen Aspekt wird hier zwar eindeutig<br />

ein Vorrang zugestanden, allerdings verliert dieser Ansatz den Blick für die<br />

Eigenständigkeit der allgemeinen Geschichte. Es bleibt zu fragen, ob sich bestimmte<br />

regionale Abläufe global auffinden lassen und allgemeine Geschichte wirklich<br />

die Summe einzelner Regionalgeschichten ist. 18<br />

Aus der Kritik beider Ansätze entstand die sogenannte Interdependenztheorie,<br />

die die gegenseitige Abhängigkeit regionaler und globaler Geschichte im Sinne eines<br />

Beziehungsgeflechtes bzw. Wechselverhältnisses konstatierte. Hierin wird vor<br />

allem die spezifische Verknüpfung regionaler und globaler Ereignisse aufgezeigt,<br />

ohne einzelne Sektoren zu bevorzugen. Zudem läßt dieser Ansatz den Gedanken<br />

der Ungleichzeitigkeit historischer Abläufe in besonderem Maße zu. Darüber hinaus<br />

gewährt er einzelnen Bereichen eine gewisse innere Unabhängigkeit. Somit<br />

wird weder der regionalen noch der nationalen bzw. globalen Geschichte eine unbedingte<br />

Priorität eingeräumt. Gleichzeitig zeigt dieser Ansatz aber auch, daß im<br />

Grunde Regionalgeschichte nicht ohne den Bezug zu übergreifenden Einheiten betrieben<br />

werden kann. Die Regionalgeschichte vermittelt also einen Zugang auch zur<br />

Totalität der Geschichte, dessen Teil sie ist. 19<br />

1.4. Chancen und Risiken regionalgeschichtlicher Betrachtungen im Unterricht<br />

17<br />

Vgl. Leeb, Region als Figuration, S. 128; vgl. Leeb, Regionalgeschichte, S. 72.73; vgl. Knoch, Regionalgeschichte,<br />

S. 6; vgl. Plieninger, Heimat, S. 704.<br />

18<br />

Vgl. Leeb, Region als Figuration, S. 128; vgl. Leeb, Regionalgeschichte, S. 73; vgl. Knoch, Regionalgeschichte,<br />

S. 6; vgl. Plieninger, Heimat, S. 704.<br />

19<br />

Vgl. Leeb, Region als Figuration, S. 128; vgl. Leeb, Regionalgeschichte, S. 73.74; vgl. Knoch, Regionalgeschichte,<br />

S. 7.12; vgl. Plieninger, Heimat, S. 704; Regionalgeschichte muß demnach als Verflechtungsgeschichte<br />

verstanden werden. Somit sollte eine Didaktik der Regionalgeschichte den<br />

Zusammenhang von Individuum, gesellschaftlicher Totalität und Region und den bei den Individuen<br />

darüber vorfindbaren Bewußtseinsstand zum Gegenstand haben Vgl. Leeb, Region als Figuration, S.<br />

127.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Die Auseinandersetzung mit regionalgeschichtlichen Themen im Unterricht bietet<br />

in vielerlei Hinsicht im Vergleich zur Behandlung von allgemeingeschichtlichen Aspekten<br />

einige Vorteile. Es darf aber nicht übersehen werden, daß auch Schwierigkeiten<br />

bei der Erarbeitung entstehen können.<br />

Zunächst ermöglicht der regionalgeschichtliche Zugang eine nähere Beziehung<br />

zwischen den Schülern und dem historischen Gegenstand. Unmittelbare und konkrete<br />

Erfahrungen wecken vielfach das Interesse und die Freude, sich auf Geschichte<br />

einzulassen. Gerade diese Möglichkeit real-konkreter Begegnung in verdichteter<br />

Form scheint eine entscheidende Voraussetzung für die Entstehung geschichtlichen<br />

Interesses und Verständnisses zu sein und kann einen erleichterten<br />

Zugang zur Bildung von geschichtlichen Kategorien bieten. 20 Am eigenen Lebensort<br />

erkennt der Schüler beim Aufspüren von historischen Spuren seine gegenwärtige<br />

Lebenswelt mit ihren Veränderungen, ihren Nischen, ihrer Geborgenheit, aber<br />

auch ihren Ärgernissen, Störungen, Herausforderungen und Gefahren. 21<br />

Die Tatsache, daß sich an dem Ort historische Ereignisse abgespielt haben, an dem<br />

der Schüler selbst tagtäglich agiert, ruft zudem vielfach Betroffenheit und Motivation<br />

hervor. Es finden sich in dem Raum Relikte, die mit der eigenen Geschichte<br />

unmittelbar zusammenhängen. Hier leben Menschen, die möglicherweise, wenn auch<br />

über viele Generationen hinweg, in Verbindung zu den damaligen Akteuren stehen.<br />

Geschichte vor Ort macht Schüler betroffen, wenn sie sich im historischen Material<br />

wiederfinden, ihre eigene Biographie mit der Geschichte in Beziehung setzen<br />

können. Somit können sie grundsätzlich eine geschichtliche Aufklärung ihrer Lebensregion<br />

vornehmen und den Zusammenhang ihrer Lebensgeschichte mit der allgemeinen<br />

Geschichte erleben. Dieser gewonnene lernpsychologische Vorteil, Betroffenheit<br />

und Motivation zu erreichen, kann einen fruchtbaren Lernprozeß initiieren<br />

und in Gang halten. 22<br />

Darüber hinaus kann die unterrichtliche Arbeit mit regionalgeschichtlicher Implikation<br />

kognitive Prozesse erleichtern, da historische Entwicklungen aufgrund ihrer<br />

räumlichen Nähe oftmals einen hohen Grad an Anschaulichkeit besitzen. Das Erfassen<br />

der Geschichtlichkeit des eigenen Lebensraumes aus den noch vielfach<br />

sichtbaren Spuren ermöglicht dem Schüler auch einen Transfer in andere Räume<br />

und auf andere Gebiete. Das unmittelbare Verständnis erzeugt somit denkerische<br />

Flexibilität. Wenn letztlich verstanden wird, daß Geschichte gewesene Wirklichkeit<br />

ist, und zwar elementar im konkreten, weithin überschaubaren lokalen Rahmen,<br />

dann kann sich ein ganz neues Verhältnis zur Geschichte überhaupt entwi-<br />

20<br />

Vgl. Richtlinien, Sek. II., S. 28.29.<br />

21<br />

Vgl. W. Hug, Regionalgeschichte in europäischer Perspektive, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik<br />

21 (1993) 1-2, S. 59 (künftig zitiert: Hug, Regionalgeschichte); vgl. Plieninger, Heimat, S.<br />

697.709.710; vgl. Knoch, Geschichte vor Ort, S. 8; vgl. Hannig, Regionalgeschichte, S. 133.<br />

22<br />

Vgl. Leeb, Region als Figuration, S. 121; vgl. Beilner, Regionaler Aspekt, S. 5.6; vgl. Knoch, Regionalgeschichte,<br />

S. 8.15; vgl. Peukert, Heimatgeschichte, S. 311.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

ckeln. Der Sinn der Beschäftigung mit Geschichte wird so unmittelbar einsichtig. 23<br />

Weiterhin kann Regionalgeschichte aber auch epochale Themen in anderer Perspektive<br />

spiegeln, sozusagen gegen den Strich. Sie kann Kontraste bieten und zum<br />

Vergleich anregen und schult somit differenzierte Sichtweisen. 24<br />

Dennoch birgt die Auseinandersetzung mit regionalgeschichtlichen Aspekten auch<br />

einige Schwierigkeiten und Probleme in sich. Um Geschichte vor Ort, also auch außerhalb<br />

der Schule, zu untersuchen, gerät man beim Nachfragen und Erkunden in<br />

der Regel in eine Kette mehrerer, vorher nicht unbedingt absehbarer Lernorte.<br />

Rückschritte, ein hoher Zeitaufwand, aber auch eine notwendige Flexibilität in der<br />

Planung sind somit vielfach vorprogrammiert. Darüber hinaus kann das Hinausgehen<br />

aus der Schule und das Aufsuchen von außerunterrichtlichen Lernorten, an dem<br />

sich historische Materialien auffinden lassen, zu Schwellenängsten führen, die es<br />

gilt, abzubauen. Letztlich ist darauf hinzuweisen, daß Regionalgeschichte nicht weniger<br />

komplex ist. Auch wenn "Geschichte im Kleinen" betrieben wird, gibt es eine<br />

Fülle von Inhalten und eine gewisse Undurchschaubarkeit der vor Ort vorhandenen<br />

Informationen. Vielfach erliegt man der Illusion, ortsbezogenes Material wäre<br />

schlechthin anschaulicher und kindgemäßer, nach dem Motto näher = einfacher. 25<br />

Diese kurzen Anmerkungen zeigen, daß hier die Gefahr des Scheiterns durchaus<br />

gegeben ist. Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, ist es notwendig, weitere<br />

Überlegungen in den didaktischen und methodischen Ausführungen im Planungsteil<br />

sowie in den fachwissenschaftlichen Vorüberlegungen dieser Arbeit vorzunehmen.<br />

2. Das neue Medium Internet und der mögliche Einsatz im Unterricht<br />

2.1. Vorbemerkung<br />

In der Vergangenheit stellte sich das Internet, also die Verknüpfung von verschiedenen<br />

Datennetzwerken, eher als ein bunt schillernder Tummelplatz junger<br />

männlicher Akademiker mit relativ hohem Einkommen dar und wurde weitgehend<br />

mit der Arbeit von Universitäten und militärischen Forschungseinrichtungen in<br />

Verbindung gebracht. Und so konnten sich weder Eltern noch Schüler oder Lehrer<br />

vor etwa zwei Jahren vorstellen, welche ungeheure Sogwirkung, ja teilweise Euphorie<br />

das neue Medium Internet in der Gesellschaft hervorrufen würde. Blitzartig<br />

verdrängte 1993 das einfach zu bedienende WorldWideWeb (kurz: WWW)<br />

andere weitaus kompliziertere Programme des Internets wie "Gopher" oder "Archie",<br />

mit denen lediglich "Computer-Freaks" umgehen konnten. Erst in der letzten<br />

Zeit haben auch das Bundesbildungsministerium und das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen<br />

erkannt, daß auch Schüler auf die Herausforderung neuer Medien<br />

in der Schule vorbereitet werden müssen, damit sie die Fähigkeit entwickeln, Computer<br />

und somit auch das Internet selbstverständlich, kritisch und produktiv zu<br />

23<br />

Vgl. Beilner, Regionaler Aspekt, S. 6.7.<br />

24<br />

Vgl. Beilner, Regionaler Aspekt, S. 7.<br />

25<br />

Vgl. Peukert, Heimatgeschichte, S. 310; vgl. Knoch, Regionalgeschichte, S. 6ff.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

nutzen. 26 Mit der Initiative "Schulen ans Netz" 27 sollen bis 1998 mit einem Aufwand<br />

von rund 58 Mio. DM insgesamt 10.000 Schulen vernetzt werden. 28 Ende<br />

1996 waren in Nordrhein-Westfalen 102 Schulen mit einer homepage auf dem<br />

Deutschen Bildungsserver (DBS) vertreten, davon 37 Gymnasien. 29 Somit erhalten<br />

auch Schüler die Gelegenheit, die verschiedenen Funktionen und Möglichkeiten zu<br />

erforschen, die das Internet für den Alltag, später für Studium und Beruf bieten<br />

kann. 30<br />

Die Richtlinien für die Sekundarstufe II. des Faches Geschichte aus dem Jahr<br />

1981 können selbstverständlich noch nicht auf die technischen Neuerungen eingehen<br />

und didaktische und methodische Hilfen bezüglich des Internets anbieten. Allerdings<br />

gibt hierbei das Kapitel über Technische Medien dem Lehrenden einige<br />

sehr gute Hinweise und ein sinnvolles Instrumentarium im Hinblick auf die Auseinandersetzung<br />

mit dem Medium Internet im Unterricht an die Hand. 31 Aber auch<br />

die Bemerkungen zum Computer aus den Richtlinien für die Sekundarstufe I. aus<br />

dem Jahr 1993 können hier grundsätzlich weiterhelfen. Dort ist der Einsatz immer<br />

dann gerechtfertigt, wenn bestimmte Ziele des Unterrichts besser als bisher<br />

bzw. bisher nicht realisierbare sinnvolle Ziele überhaupt erreicht werden können. 32<br />

Die folgenden kurzen theoretischen Ausführungen 33 wollen mit Hilfe dieser Gedankengänge<br />

der Frage nachgehen, wie das neue Medium Internet in den Geschichtsunterricht<br />

sinnvoll eingebunden werden kann. Konkrete didaktische Handreichungen<br />

gibt es bis dato noch nicht. 34 Im Planungsabschnitt dieser Arbeit sollen<br />

dann in enger Beziehung und auf Grundlage der Erörterungen einige notwendige<br />

einschränkende Entscheidungen im Hinblick auf den konkreten Einsatz des Mediums<br />

innerhalb der regionalgeschichtlichen Unterrichtsreihe getroffen werden.<br />

2.2. Die Informationsrecherche mit Hilfe des Internets<br />

26<br />

Vgl. das Grußwort von BM Dr. Jürgen Rüttgers zur Tagung "Neue Medien - Neue Aufgaben für die<br />

Lehrerausbildung" v. 20.02-21.02.1997 im Heinz-Nixdorf-MuseumsForum in Paderborn.<br />

27<br />

Vgl. http://www.san-ev.de; vgl. http://www.MSW.NRW.de.<br />

28<br />

Vgl. FOCUS 36 (1996), S. 174.<br />

29<br />

Vgl. http://www.schule.de; Die Zahlen ändern sich ständig; vor einem Jahr gab es nur für zwei<br />

Prozent der deutschen Schulen einen Internet-Zugang, vgl. hier D. Wendelin-Münchow, Das surfende<br />

Klassenzimmer wird kommen, in: Handelsblatt 45 (1997), B5.<br />

30<br />

Vgl. U. Schnabel, Das surfende Klassenzimmer. Ein Gymnasium in Gütersloh experimentiert mit<br />

Multimediatechnik, in: DIE ZEIT 18 (1997), S. 35.<br />

31<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 66f.<br />

32<br />

Vgl. Richtlinien und Lehrpläne Geschichte für das Gymnasium - Sekundarstufe I.- in Nordrhein-<br />

Westfalen, Düsseldorf 1993, S. 139.140 (künftig zitiert: Richtlinien Sek. I.).<br />

33<br />

. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu überschreiten, unterbleiben ausführliche historische und<br />

technische Einführungen hinsichtlich des Internets Vgl. hier z.B. P. Gilster, Suchen und Finden im<br />

Internet, Wien 1995 (künftig zitiert: Gilster, Internet).<br />

34<br />

Vgl. . U. Schnabel, Ein Himmel voller Bytes. Die elektronische Revolution rollt, doch noch fehlen<br />

Computer und Konzepte, in: DIE ZEIT 17 (1997), S. 33.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Das Internet und mit ihm das WWW bieten gerade im Bereich der<br />

Informationsbeschaffung im Hinblick auf die Unterrichtsvorbereitung und den<br />

Unterricht selbst nicht zu unterschätzende Vorteile. Diese Form der Vermittlung<br />

von Informationen wird in Zukunft einen immer größeren Platz einnehmen. 35 Mit<br />

Hilfe sogenannter Suchmaschinen 36 kann der Lehrende durch die Eingabe von<br />

Stichworten entsprechende Seiten im Internet zu verschiedenen Themen,<br />

Persönlichkeiten, Ereignissen, Institutionen oder einer Epoche finden und in einem<br />

Textverarbeitungsprogramm unter Berücksichtigung des Urheberrechts<br />

schülergerecht für den Unterricht vorbereiten. 37<br />

Jedoch sollten sich Schüler und Lehrer bei der Vorbereitung einer Unterrichtsreihe<br />

oder bei der Verwendung des Internets im Unterricht die Stichworte vorher<br />

genau überlegen. Das Stichwort "Industrialisierung" brachte zum Beispiel<br />

1092 Seiten zum Vorschein, die in der Regel nur entfernt etwas mit dem Unterrichtsthema<br />

zu tun hatten. Um die Suche nicht unnötig zu erschweren, erscheint<br />

es sinnvoll, zunächst in entsprechend bekannten websites aus dem Bereich Geschichte<br />

Aspekte zu einem Thema zu suchen, manche Suchmaschinen geben sogar<br />

eine eigene Kategorie Geschichte an. 38<br />

Wünschenswert ist in diesem Zusammenhang, daß zum Beispiel Zeitschriften wie<br />

"Praxis Geschichte", "Geschichte lernen" oder "Geschichte in Wissenschaft und<br />

Unterricht" eine eigene Rubrik für relevante Adressen mit kurzen Erläuterungen<br />

einrichten, so daß man nicht immer selbst mühsam auf die Suche gehen muß. 39 Zusätzlich<br />

bieten die verschiedenen Browser sogenannte bookmarks an, die aufgerufene<br />

Adressen speichern, so daß später ein leichter Zugang ohne großes Suchen<br />

gegeben ist. Sicherlich setzt die Arbeit im Unterricht ein hohes Maß an Kenntnissen<br />

und Flexibilität seitens des Lehrenden voraus. Hat er sich aber erst einmal<br />

einen Überblick im Bereich der für das Fach Geschichte relevanten websites ver-<br />

35<br />

Vgl. T.A. Schröder, Historisch relevante Ressourcen in Internet und Worldwideweb. Angebot, Bewertung<br />

und Ausblick, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1996, S. 465 (künftig zitiert:<br />

Schröder, Internet); der Artikel begegnet dem Sachverhalt durchgehend sehr positiv und übersieht<br />

mögliche Gefahren (z.B. Copyright ). Es bleibt abzuwarten, ob dieser Optimismus in Zukunft<br />

anhalten wird.<br />

36<br />

. Z.B. Yahoo, AltaVista, Lycos, Excite, Infoseek, Magellan, Dino-online.<br />

37<br />

. Ein langwieriges Abtippen, umständliches Fotokopieren, Ausschneiden oder Zusammenkleben entfällt.<br />

Da die gesammelten Informationen in Dateien vorliegen, können sie weitgehend problemlos<br />

weiterverarbeitet, in die entsprechende Form gebracht, didaktisch aufbereitet, ausgedruckt und<br />

vervielfältigt werden.<br />

38<br />

Vgl. hier H.G. Grieser, Chr. McCready, Lernorte im Internet. Hilfreiche Adressen für Schule und<br />

Unterricht, Mülheim 1996, S. 50-54 (zitiert: Grieser, Lernorte); vgl. auch J. Hildebrand, Internet:<br />

Ratgeber für Lehrer, Köln 2. Aufl. 1996, 142-144 (künftig zitiert: Hildebrand, Ratgeber).<br />

39<br />

Vgl. erste zaghafte Ansätze bei K.-P. Busche, Geschichte(n) schreiben im Internet. Ansätze für<br />

einen kommunikativen Geschichtsunterricht mit einem neuen Medium, in: Praxis Geschichte 2<br />

(1997), S. 66 (künftig zitiert: Busche, Internet); diese Adressen könnten auch interessierten Schülern<br />

zugänglich gemacht werden.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

schafft und beherrscht grundlegendes technisches Wissen, so gelingt eine Informationsbeschaffung<br />

meistens recht problemlos.<br />

Neben der Beschaffung von historisch relevanten Nachrichten mittels der Suchmaschinen<br />

können Schüler und Lehrende in Foren und Newsgruppen Mitteilungen<br />

mit anderen Interessierten austauschen, Probleme diskutieren, Lösungen besprechen<br />

und neue Erfahrungen machen. Allerdings wird diese Variante aufgrund des<br />

institutionellen Rahmens der Schule meistens außerhalb des Unterrichts stattfinden<br />

müssen, da in der Regel nicht so viel Internetplätze zur Verfügung stehen.<br />

Trotzdem können die Schüler somit weitere interessante Informationen über ein<br />

historisches Thema erhalten. So besteht durchaus die Möglichkeit, mit einem Professor<br />

über ein geschichtliches Problem zu diskutieren; dies wäre vor Jahren aufgrund<br />

der Distanz unmöglich gewesen. Zu fragen bleibt in diesem Kontext aber<br />

immer, was Schule und Unterricht hier leisten können. Das Prinzip der Wissenschaftspropädeutik<br />

sollte dabei als unbedingter Rahmen gelten. Ein Übertreten<br />

dieser Richtlinie würde die Aufgaben der Schule überstrapazieren.<br />

Eine weitere Informationsbeschaffung könnte über die im Internet erreichbaren<br />

Bibliothekskataloge gelingen. 40 Zudem werden immer mehr Textarchive auf Servern<br />

der Universitäten abgelegt. Zum Beispiel beschäftigt sich ein Projekt mit der<br />

Digitalisierung der Weltliteratur. Obwohl nur eine begrenzte Anzahl an historischen<br />

Quellen vorhanden ist, zeigt diese Arbeit exemplarisch die künftigen Möglichkeiten<br />

auf. 41<br />

In Zukunft werden neben den vorrangig textlichen Angeboten auch zunehmend<br />

Online-Bild- und Photoarchive im Internet vertreten sein. So besteht bereits<br />

jetzt die Möglichkeit, Bild- und Faksimilesammlungen aus der Zeit des Mittelalters<br />

abzurufen. 42<br />

Aus diesem großen Angebot können nun Schüler weitgehend selbständig Informationen<br />

für Hausaufgaben, Referate oder für die Vorbereitung einer Klausur sammeln<br />

und verarbeiten. Die Arbeit mit dem Internet wird in diesem Zusammenhang<br />

in Zukunft vielfach auch fächerverbindend stattfinden müssen. Zunächst findet<br />

der Benutzer einen Großteil der Informationen in englischer Sprache vor. Somit<br />

kann auch im Geschichtsunterricht eine gewisse Sprachfähigkeit geschult werden.<br />

Zudem erscheint es ratsam, aufgrund der technischen Komponente mit dem Fach<br />

Informatik zusammenzuarbeiten. Es erscheint bei der Informationsbeschaffung<br />

sinnvoll, auch anderen Schülern die eigenen Erfahrungen mit dem Internet mitzuteilen.<br />

Dabei gehören auch negative Erlebnisse, wie zum Beispiel Schwierigkeiten<br />

40<br />

. In einer von mir in einem LK Ge 13 durchgeführten U-Reihe gelang dies abgesehen von einigen<br />

kleinen technischen Problemen ohne größere Schwierigkeiten. Als Beispiel sei hier das sog. OPAC-<br />

System der Universität Bielefeld zu nennen, das unter der Adresse http://www.uni-bielefeld.de<br />

erreichbar ist.<br />

41<br />

Vgl. Schröder, Internet, S. 470.471.<br />

42 Vgl. http://www.christusrex.org.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

bei der Suche, Bedienungsfehler und Sprachprobleme, in diesen Vermittlungskontext.<br />

Die Schüler erhalten mit der Benutzung des Internets die Chance, sich in einem<br />

pädagogisch kontrollierten Umfeld mit dem neuen Medium auseinanderzusetzen.<br />

Die frische Lernatmosphäre und die neue Motivation können zu einem gesteigerten<br />

Interesse am Fach Geschichte nicht unwesentlich beitragen. 43<br />

2.3. Möglichkeiten der Publikation im Internet<br />

Neben der bloßen Informationsbeschaffung ermöglicht das Internet den Schülern<br />

auch eine besondere Form der Medienproduktion. Während früher Zeitungen, Projektberichte<br />

oder Videoaufnahmen die Ergebnisse einer Schülerarbeit dokumentierten,<br />

können jetzt Schüler selbsttätig ihre Produkte in Form einer homepage im<br />

Internet darstellen. 44<br />

Diese Online-Informationen werden mit Hilfe des sogenannten HTML-Formats von<br />

Servern in das Internet eingespeist. Bunte Seiten werden nicht gezeichnet, sondern<br />

mit dieser Hypertext Markup Language programmiert. Früher mußten die<br />

Entwickler solcher websites lange Befehlslisten eintippen, was eine Verwendung<br />

für den Unterricht nahezu unmöglich machte. Heute übernehmen HTML-<br />

Layoutprogramme diese Aufgabe. Sie setzen die graphische Gestaltung automatisch<br />

und weitgehend problemlos in Befehle um und erleichtern die Layoutarbeit<br />

sehr. Somit können die Schüler Texte, Photos, Zeitleisten, Zeichnungen, Karten<br />

und Statistiken in das Internet einspeisen. Neben den technischen Fähigkeiten<br />

bleibt die unterrichtliche Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff aber unerläßlich.<br />

45<br />

Mit der Veröffentlichung einer website treten die Schüler und mit ihr die Schule<br />

in die Öffentlichkeit, deren Radius die gesamte Welt umfaßt. Während früher<br />

Projektarbeiten nur eine geringe Verbreitung fanden, sind jetzt die erarbeiteten<br />

Informationen jederzeit und überall abrufbar. Durch die Anfertigung und Bereitstellung<br />

von Informationsangeboten für andere Teilnehmer des Internets stellt<br />

sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den Adressaten immer wieder neu.<br />

So besteht die Möglichkeit, weitere vorher niemals zustandegekommene Kontakte<br />

mit den unterschiedlichsten Personen und Institutionen zu knüpfen, die neue Zugangsweisen<br />

zu einem historischen Thema aufzeigen können. Das besondere Projekt<br />

macht zudem die Schule und den Kurs über Grenzen der eigenen Region hinaus<br />

43<br />

Vgl. Hildebrand, Internet, S. 100.<br />

44<br />

Vgl. Hildebrand, Internet, S. 164f.<br />

45<br />

. In letzter Zeit begegnen auch immer wieder Dateien im sogenannten PDF-Format (Portable Document<br />

Format). Dieses Format wird vor allem in Amerika eingesetzt. Eine solche Datei kann von<br />

jedem Computer gelesen werden. Die Besonderheit der PDF-Dateien liegt darin, daß sie stets wie<br />

eine unveränderliche Fotokopie des ursprünglich erstellten Dokuments dargestellt werden. Während<br />

die HTML-Ausgabe vom jeweiligen Browser abhängt und Einschränkungen in der Graphikeinbindung<br />

hingenommen werden müssen, kann man mit dem PDF-Format freier programmieren und gestalten.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

bekannt und regt vielleicht andere Schulen dazu an, eigene Projekte zu initiieren.<br />

Diese Perspektiven, die mit der Öffnung der Schule einhergehen, können hier einen<br />

wesentlichen Beitrag dazu leisten, dem Schüler die Sinnhaftigkeit der Wissensaneignung,<br />

der damit verbundenen Auseinandersetzung und der daraus entstehenden<br />

Produkte vor Augen zu führen.<br />

Ein weiterer Vorteil der Produkterstellung mit Hilfe des Internets ist die Offenheit<br />

und Veränderbarkeit der Produkte. Während vormals herkömmliche Arbeiten<br />

weitgehend nicht mehr korrigierbar waren, können jetzt neue Erkenntnisse problemlos<br />

durch die Schüler in die Arbeit eingebracht werden. Einzelne websites sind<br />

nun jederzeit ausbaubar. Somit können verschiedene Darstellungen verknüpft und<br />

verbessert werden. Nicht mehr die isolierte Einzelarbeit tritt hier in den Vordergrund,<br />

sondern die Solidarität fördernde Teamarbeit, die manchmal über mehrere<br />

Schuljahre gehen kann. 46<br />

Dem Risiko, das Internet zur bloßen Motivationsdroge zu degradieren, wird dahingehend<br />

entgegengewirkt, daß das Netz als Verbreitungsmedium eingesetzt wird<br />

und sich die Schüler längere Zeit mit einer spezifischen Produktion auseinandersetzen<br />

müssen.<br />

Die hier entstandene Motivation der Schüler kann dazu beitragen, den Einsatz der<br />

Online-Medien mit fachspezifischen Lernprozessen und Lernzielen sinnvoll zu verbinden.<br />

Somit erwerben die Schüler mit der Erstellung einer website sowohl fachspezifisches<br />

Wissen als auch ein Stück Medienkompetenz. 47<br />

2.4. Der Austausch zwischen zwei Teilnehmern: die e-mail<br />

Die elektronische Post (kurz: e-mail) stellt einen festen Bestandteil des Internets<br />

dar und hat zu einem guten Teil den großen Erfolg dieses Mediums herbeigeführt.<br />

48 Im Gegensatz zur sogenannten Gelben Post (liebevoll snail-mail genannt)<br />

benötigt die e-mail meistens nur wenige Minuten, um beim Empfänger anzukommen.<br />

Mit dem Anschluß an das Internet erhält jeder Teilnehmer, also auch jede Schule,<br />

eine e-mail-Adresse und ist somit jederzeit für andere im Netz erreichbar. 49<br />

Genauso wie ein normaler Brief besitzt diese mail-Funktion drei Grundelemente:<br />

eine Adresse, ein Textfenster und einen Absender und ist in der Regel in den sogenannten<br />

Web-Browser integriert. 50<br />

Anders als die herkömmliche Post kann die e-mail zudem problemlos in Textverar-<br />

46<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 19.<br />

47<br />

Vgl. Hildebrand, Internet, S. 105.<br />

48<br />

Vgl. B.P. Kehoe, Zen and the art of internet. A beginner´s guide, Upper Saddle River 4. Aufl.<br />

1996, S. 9-24 (künftig zitiert: Kehoe, Internet).<br />

49<br />

. Die e-mail Adresse meines Gymnasiums lautet z.B. gymnasiumguetersloh@post.uni-bielefeld.de.<br />

50 Vgl. Hildebrand, Internet, S. 79.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

beitungsprogramme eingearbeitet werden. 51<br />

Dem Lehrenden bietet die e-mail vornehmlich bei der Unterrichtsvorbereitung<br />

einige Vorteile. So besteht die Möglichkeit, bei anderen, entfernt wohnenden Kollegen<br />

Informationen über eine Unterrichtsreihe anzufordern, die dann in Form<br />

einer Datei, die an die Antwort-e-mail angehängt wird, wieder bei ihm ankommt. 52<br />

Darüber hinaus können notwendige Informationen schnell und unkompliziert u.a.<br />

von politischen Parteien, Universitäten, Medien und Museen angefordert und problemlos<br />

weiterverarbeitet werden. 53 So schreibt man beispielsweise eine e-mail an<br />

das Magazin FOCUS mit der Bitte um Zusendung einiger Exemplare zur Verwendung<br />

im Unterricht. 54 Weiterhin kann die e-mail auch eine wertvolle Hilfe bei der<br />

Organisation von Projekten und Klassenfahrten bieten. 55<br />

Dem Schüler ermöglicht das Versenden und Empfangen von elektronischer Post<br />

eine weltweite Kommunikation mit anderen Teilnehmern. Die Jugendlichen tauschen<br />

untereinander Informationen aus und sind somit zum Beispiel in der Lage,<br />

auftauchende Probleme bei Referaten und Hausaufgaben zu besprechen. Man kann<br />

sogar einem anderen Schüler die gemachten Hausaufgaben zur Korrektur (oder<br />

zur anderweitigen Verwendung!) übermitteln. 56 Darüber hinaus können mit Hilfe<br />

der e-mail-Funktion Brieffreundschaften und internationale Beziehungen entstehen.<br />

Das selbständige Verschicken schult somit in gewissem Masse die Kommunikationsfähigkeit<br />

der Schüler mit anderen und senkt mögliche Schwellenängste. Zudem ermöglicht<br />

das Medium selbst dem Schüler einen Motivationsschub, so daß vielfach<br />

das Interesse am geschichtlichen Thema steigen kann. In der Regel wird diese email-Funktion<br />

aber von nicht sehr vielen Schülern innerhalb des Unterrichts eingesetzt<br />

werden können, da vielfach noch nicht die technischen Vernetzungen und<br />

Zugangsvoraussetzungen in den Schulen gegeben sind. Hier könnte zum Beispiel ein<br />

sogenanntes "Internet-Café" innerhalb der Schule Abhilfe schaffen. Im Rahmen<br />

der Schule und ihrem pädagogisch kontrollierten Umfeld werden Schüler somit an<br />

das neue Medium und die e-mail-Funktion herangeführt. 57<br />

51<br />

Vgl. Schröder, Internet, S. 466.<br />

52<br />

. Diese Dateien werden im 7-Bit-ASCII-Zeichen-Format übermittelt. Geeignete Hilfsprogramme<br />

sind z.B. WINCODE (f. Windows) oder UUEncoder/UUDecoder für DOS Vgl. z.B. Hildebrand, Ratgeber,<br />

S. 83; Weiterhin kann man seine e-mail an sogenannte Diskussionslisten schicken, die dann<br />

alle darin vereinten Mitglieder diese e-mail zukommen lassen. Für den Unterrichtsalltag scheint mir<br />

diese Funktion noch von untergeordneter Bedeutung zu sein Vgl. Schröder, Internet, S. 467; vgl.<br />

Kehoe, Internet, S. 17-20; weitere Informationen unter http://h-net.msu.edu/about/hists-html.<br />

53<br />

. Vielfach geschieht dies heute schon über vorhandene e-mail-Funktionen innerhalb einer website.<br />

54<br />

. Im letzten Jahr habe ich eine e-mail aus diesem Grunde abgeschickt und prompt 40 Exemplare<br />

kostenlos für den Geschichtsunterricht erhalten.<br />

55<br />

Vgl. Hildebrand, Ratgeber, S. 98.<br />

56<br />

. Allein vier Schülerinnen und Schüler aus meinem Kurs besitzen eine e-mail-Adresse.<br />

57<br />

. Jeder Student besitzt heute bei der Immatrikulation das Recht, eine e-mail-Adresse zu erhal-<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

2.5. Mögliche Risiken des Internets für die Schüler<br />

Trotz einer gewissen Euphorie und Aufbruchstimmung im Zusammenhang mit der<br />

Benutzung des Internets besitzt dieses neue Medium einige nicht unerhebliche<br />

Gefahren.<br />

Ein ungezieltes "Surfen" im Internet, das darin besteht, wahllos Seiten anzuklicken,<br />

kann nicht Ziel eines sinnvollen Umganges sein. Hierin bleiben Inhalte fragmentarisch<br />

und beliebig; eine Auseinandersetzung mit fachspezifischen Themen,<br />

wie es der Unterricht kennt, kann nicht geschehen. Die Schule muß mit internetbezogenen<br />

Unterrichtsreihen, in denen ein sinnvoller Umgang geübt wird, diesem<br />

Phänomen entgegenwirken und zu einem zielgerichteten Arbeiten anhalten.<br />

Zudem kann eine exzessive Benutzung des WWW zu sozialer Vereinsamung, Eskapismus<br />

und Isolation führen. Auch hier kommt dem Unterricht eine nicht zu unterschätzende<br />

Bedeutung zu. In ihm lernt der Schüler einen kritischen Umgang mit<br />

neuen Medien und erkennt, daß gemeinsame Diskussionen über einen Gegenstand zu<br />

einer fruchtbaren Auseinandersetzung führen können. Gerade die Verbindung zwischen<br />

den notwendigen Sozialkontakten und der Arbeit mit dem Internet kann in<br />

diesem Zusammenhang eine Lösungsperspektive bieten. 58<br />

Da das Internet kein geregeltes Medium darstellt, also jeder Informationen in<br />

dieses Netzwerk einspeisen kann, besteht die Gefahr, Seiten mit bedenklichem<br />

Inhalt anzuwählen. 59 Sogenannte Sicherungen im Sinne von Schutzfiltern sperren<br />

automatisch den Zugriff auf gesetzwidrige Angebote. Da diese oftmals jedoch von<br />

den Schülern leicht umgangen werden können und der verbotene Charakter eher<br />

zu einer Umgehung der Kindersicherung anspornt, erscheint es hier wichtig, die<br />

Probleme möglichst offen im Unterricht anzusprechen und auf die Einsicht der<br />

Schüler zu setzen. Eine restriktive Maßnahme würde der Zielperspektive widersprechen,<br />

die einen kritischen Umgang in sozialer Verantwortung mit dem Online-<br />

Medium fordert.<br />

Zusätzlich muß bei einer Unterrichtsreihe die mangelnde Sicherheit des Internets<br />

angesprochen werden. Die unbedingte Öffentlichkeit des Netzes führt dazu, daß<br />

jeder jegliche Übermittlung beziehungsweise Information mitlesen kann. Die Risiken<br />

des Datenschutzes seien hier nur angedeutet. In diesem Zusammenhang können<br />

auch sogenannte Computerviren die Netzwerke einer Schule infizieren, so daß<br />

durchaus relevante Daten gelöscht werden können. Eine permanente Betreuung des<br />

Netzes durch ein festes Gremium, das mit interessierten Schülern und Lehrern<br />

besetzt verden kann, stellt demnach eine unbedingte Notwendigkeit dar.<br />

ten. Es wäre wünschenswert, wenn die Schule auch hier schon vorbereitende Aufgaben wahrnehmen<br />

könnte Vgl. Schröder, Internet, S. 466.<br />

58<br />

Vgl. auch Richtlinien Sek. II., S. 30.<br />

59<br />

. Hier seien Seiten mit pornographischem Inhalt, gewaltverherrlichenden Szenen, Sekteninformationen,<br />

aber auch websites mit historischen Unwahrheiten bezüglich des Holocaust genannt.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Ein weiteres Risiko, das durch die Benutzung des Internets entsteht, ist die Gefahr<br />

der Kostenexplosion. Da das Internet die Telefonleitungen nationaler und internationaler<br />

Telefongesellschaften als Vermittlungswege nutzt, die Benutzung<br />

vieler Internet-Seiten kostenpflichtig ist und schließlich die sogenannten Provider<br />

60 in der Regel eine monatliche Gebühr fordern, ist der Kostenrahmen nicht<br />

immer für Schüler (aber auch nicht für Lehrer) überschaubar. Gerade der sinnvolle<br />

und zielgerichtete Umgang mit dem Internet im Unterricht kann hier dazu beitragen,<br />

daß ein geordnetes Preis-Leistungs-Verhältnis entsteht. 61<br />

Die angesprochenen Kosten bezüglich des Internets können darüber hinaus eine<br />

Zwei-Klassen-Gesellschaft hervorrufen; die eine wird sich in Zukunft selbstverständlich<br />

des neuen Mediums bedienen, die andere wird es aufgrund der hohen<br />

Preise bezüglich des Gebrauchs und der Hard- und Software nicht nutzen können.<br />

Besonders die Schule müßte hier auch außerhalb des Unterrichts Möglichkeiten<br />

des geordneten Zugangs bieten. Das bereits angesprochene Internet-Café könnte<br />

zur Lösung eines solchen Problems beitragen.<br />

Darüber hinaus sollten sogenannte Internet-AGs eingerichtet werden, um möglichst<br />

vielen Schülern einen Zugriff zu ermöglichen.<br />

Diese vorangegangenen Ausführungen zeigen, daß trotz der vielen Vorteile, die das<br />

Internet bietet, dem Benutzer eine Reihe von Problemen und Risiken begegnen. Im<br />

Planungsteil dieser Arbeit müssen diesen Bemerkungen unbedingte Beachtung geschenkt<br />

werden.<br />

3. Fachwissenschaftliche Vorüberlegungen: Aspekte der Industrialisierung in<br />

Gütersloh<br />

3.1. Vorbemerkung<br />

Die regionalgeschichtlich orientierte Unterrichtssequenz zur Industrialisierung im<br />

Raum Gütersloh, die sich nach den Richtlinien für Geschichte der Sekundarstufe<br />

II. in den verbindlichen Gegenstandsbereich D "Die Industrielle Revolution. Staat,<br />

Wirtschaft, Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung" einordnen läßt, wird<br />

grundsätzlich versuchen, den technischen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen<br />

Wandlungsprozeß am Beispiel der Stadt Gütersloh darzustellen. 62<br />

Bevor jedoch im Planungsteil didaktische und methodische Entscheidungen bezüglich<br />

der Unterrichtsreihe getroffen werden, erscheint es unerläßlich, notwendige<br />

fachwissenschaftliche Aspekte als Grundlage dieser Entscheidungen zu erläutern.<br />

Unsere heutige Wirklichkeit ist durch die Industrialisierung und Urbanisierung<br />

des 19. und 20. Jahrhunderts im wesentlichen bestimmt. Sie prägt nicht nur unser<br />

eigenes Selbstverständnis, sondern auch die Sichtweise auf das historische Erbe.<br />

60<br />

. Diese Gesellschaften (z.B. Compuserve, t-online) ermöglichen den Zugang zum Internet.<br />

61<br />

. Zu erwähnen sei hier auch der Kreditkartenbetrug, der aber in Deutschland zur Zeit noch selten<br />

mit der Nutzung des Internet in Verbindung gebracht wird.<br />

62<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 35.45.77f.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert bildet offensichtlich eine tiefe Zäsur in<br />

der Menschheitsgeschichte. Um die vielfältigen Ursachen, Bedingungen und Folgen<br />

des paradigmatischen Umwälzungsprozesses im Ansatz zu verstehen, ist es notwendig,<br />

nicht mehr nur politikgeschichtliche Dimensionen in den Blick zu nehmen,<br />

sondern vor allem auch wirtschafts- und sozialgeschichtliche Gesichtspunkte zu<br />

berücksichtigen.<br />

Auch in der ostwestfälischen Stadt Gütersloh kann man die technischen, wirtschaftlichen,<br />

politischen und kulturellen Veränderungen in ihrer Vielfalt erkennen<br />

und nachvollziehen. Der tiefgreifende Wandel in Gütersloh vollzog sich im Vergleich<br />

zur Nachbarstadt Bielefeld zwar langsamer und behutsamer, aber dennoch<br />

schneller als die Entwicklung in den Städten Wiedenbrück, Rheda, Rietberg oder<br />

Warendorf.<br />

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte hat in Gütersloh<br />

noch sehr junge Wurzeln. Erst seit 1984 gibt es ein Stadtarchiv, das einen<br />

Großteil der Quellen und Materialien des 19. Jahrhunderts beherbergt. Auch das<br />

hiesige Stadtmuseum etablierte sich erst am Ende der achtziger Jahre. Zwar bemüht<br />

sich der Heimatverein schon seit längerer Zeit um die Sichtung vieler Quellen,<br />

eine Analyse und Interpretation hat aber gerade für das 19. Jahrhundert erst<br />

in Ansätzen stattgefunden. Auch eine Schilderung der Stadtgeschichte, sieht man<br />

von einzelnen Bildbänden, Teildarstellungen und kommerziellen Druckerzeugnissen<br />

ab, existiert bis dato noch nicht, und es wird in Zukunft Aufgabe sein, eine solche<br />

Geschichte der Stadt zu verfassen. Weitere grundlegende wissenschaftliche Überblicksdarstellungen<br />

zur Entwicklung der Stadt sind teilweise stark veraltet<br />

oder existieren noch nicht, so daß man bei der Auseinandersetzung mit dem Thema<br />

auf einzelne kleinere Beiträge zurückgreifen muß und bei der Erarbeitung dieser<br />

Zeit vielfach auf die nicht zu unterschätzende Stadtchronik angewiesen ist, was in<br />

der Regel langwierige Archivarbeit bedeutet. 63 Bezeichnenderweise bemerkte Lindemann,<br />

daß diese Stadt, was die historische Forschung anbelange, weitgehend als<br />

"terra incognita" gelten müsse. 64<br />

Die folgenden Ausführungen werden zunächst kurz die politische und wirtschaftliche<br />

Situation in Gütersloh im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert skizzieren. In<br />

einem weiteren Schritt wird der wirtschaftliche Leitsektor der Textilindustrie,<br />

der für Gütersloh ökonomisch sehr wichtig wurde und das Stadtbild prägte, näher<br />

beleuchtet. Daraufhin soll das für Gütersloh typische graphische Gewerbe und die<br />

63<br />

Vgl. Stadtarchiv Gütersloh, Stadtchronik, Gütersloh 1800-1890 (sog. Bürgermeisterchronik)<br />

(künftig zitiert: Stadtchronik); vgl. G. Beine, Ökonomisches Denken im 19. Jahrhundert. Industriestadt<br />

und Zentralort als Ziele Gütersloher Kommunalpolitik, in: S. Brakensiek, A. Flügel u.a. (Hrsg.),<br />

Kultur und Staat in der Provinz. Perspektiven und Erträge der Regionalgeschichte, Bielefeld 1992,<br />

S. 215 (künftig zitiert: Beine, Gütersloher Kommunalpolitik).<br />

64<br />

Vgl. den wichtigen Aufsatz von R. Lindemann, Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Stadt Gütersloh,<br />

in: Westfälische Forschungen 35 (1985), S. 27 (künftig zitiert: Lindemann, Gütersloh).<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

damit verbundene industrielle Entwicklung in den Blickpunkt der Untersuchung rücken.<br />

Auf die Entfaltung der heimischen Fleischindustrie, der holzverarbeitenden<br />

Betriebe und der erst im 20. Jahrhundert sehr wichtig werdenden Metallwaren-<br />

und Elektroindustrie wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Es erschien<br />

bereits hier notwendig, einige fachwissenschaftliche Einschränkungen vorzunehmen,<br />

um nicht den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen. Es wird Aufgabe nächster<br />

Unterrichtsreihen sein, diese noch nicht ausgiebig erforschten Bereiche näher zu<br />

beleuchten.<br />

3.2. Zur politischen Entwicklung in Gütersloh im 19. Jahrhundert<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besaß das eher verträumte Dorf Gütersloh in der<br />

Herrschaft Rheda nicht mehr als etwa 2300 Einwohner. 65 Beine bemerkt in diesem<br />

Kontext, daß die Stadtgeschichte bis zum Beginn der nachnapoleonischen Zeit eher<br />

unauffällig verlaufen war. Als Dorf besaß Gütersloh weder wirtschaftlich noch<br />

politisch eine nennenswerte Funktion. 66 Die politische Situation vor 1815 stellte<br />

sich ihrerseits für den Betrachter als sehr unübersichtlich dar. Ging man über das<br />

Flüsschen Dalke nach Kattenstroth, so gelangte man in fürstbischöflich osnabrückisches<br />

Gebiet. Der Weg nach Marienfeld führte in das Fürstbistum Münster.<br />

Spazierte man nach Isselhorst, so setzte man seinen Fuß in die Grafschaft Ravensberg.<br />

Nicht anders verhielt es sich Richtung Süden. Das angrenzende Verl gehörte<br />

zur Grafschaft Rietberg und auch der Weg ins fürstbischöflich Paderbornische<br />

war nicht weit. Das evangelisch-lutherisch orientierte Dorf war also von fünf<br />

katholischen Ländern 67 eng umschlossen. 68 Erst nach dem Wiener Kongreß im Jahre<br />

1815 wurden die höchst heterogenen Landesteile und Bevölkerungsgruppen politisch<br />

neu geordnet. Die Herrschaft Rheda, das Amt Reckenberg und die Grafschaft<br />

Rietberg gehörten nunmehr zum Kreis Wiedenbrück. Der Landesteil Westfalen<br />

wurde eine der zehn preußischen Provinzen mit Sitz des Oberpräsidenten in<br />

Münster. Ostwestfalen erhielt eine der drei westfälischen Bezirksregierungen mit<br />

Sitz des Regierungspräsidenten in Minden. 69<br />

Gütersloh spielte in dieser Zeit verwaltungstechnisch eine eher untergeordnete<br />

Rolle und entwickelte sich auch aufgrund seiner Randlage eher langsam. Im Jahr<br />

1855 verzeichnete man 3.579 Einwohner. Am Ende des Jahrhunderts (1895) betrug<br />

die Anzahl der Einwohner 6.678. Erst nach den Eingemeindungen im Jahr 1910<br />

65<br />

Vgl. H. Hilbk, Gütersloh und Preussen. Eine Wahlverwandtschaft 1815-1888, Gütersloh 1988, S. 13<br />

(künftig zitiert: Hilbk, Gütersloh).<br />

66<br />

Vgl. Beine, Gütersloher Kommunalpolitik, S. 213.<br />

67<br />

. Ausgenommen ist hier das Ravensbergische Land.<br />

68<br />

Vgl. H. Eickhoff, Geschichte der Stadt und Gemeinde Gütersloh, Gütersloh 1969, S. 216 (künftig<br />

zitiert: Eickhoff, Gütersloh).<br />

69<br />

Vgl. Hilbk, Gütersloh, S. 17-20; vgl. O. Steinsiek, Gütersloh. Geographie einer Mittelstadt, Gütersloh<br />

1964, S. 2 (künftig zitiert: Steinsiek, Gütersloh).<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

umfaßte die Stadt Gütersloh 17.901 Mitbürger. 70<br />

3.3. Zur wirtschaftlichen Situation in Gütersloh im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert<br />

Durch die politischen Entscheidungen des Jahres 1815 gehörte nun auch Gütersloh<br />

zum Königreich Preußen und richtete sich zusehends nach Berlin aus. Die neuen<br />

preußischen Verwaltungsstrukturen und die damit verbundenen infrastrukturellen<br />

Pläne brachten auch für Gütersloh einige entscheidende Neuerungen am Anfang<br />

des 19. Jahrhunderts. Gerade die Planung neuer Verkehrswege ließ Gütersloh<br />

schnell in das Königreich hineinwachsen und bildete eine wichtige Grundlage für<br />

den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt.<br />

Im Jahr 1817 erreichte die aus ökonomischen und militärischen Gründen gebaute<br />

Chaussee Gütersloh. 71 Mit hohen finanziellen Beteiligungen der Gemeinde und der<br />

Kaufmannschaft gelang es, die Streckenführung mitten durch das Dorf legen zu<br />

lassen. 1820 wurde die Berliner Straße durch Kopfsteinpflaster und Bürgersteige<br />

befestigt. Zwei Jahre später konnten die Münsterstraße und die Kirchstraße fest<br />

gebaut werden.<br />

Ähnlich wie beim Chaussee-Bau verhielt es sich mit der Planung der Postwege. Auf<br />

Grundlage der Poststrecke Bielefeld, Gütersloh und Rheda konnte 1822 ein Personaltransport,<br />

der zwischen Berlin und Köln stattfand, fest etabliert werden. Darüber<br />

hinaus wurde am Ort ein ständiges Postamt installiert. 72<br />

Diese beiden Neuerungen führten unweigerlich dazu, daß Gütersloh zunehmend auf<br />

diesem Gebiet eine exponierte Stellung innerhalb der Gegend einnahm und schrittweise<br />

Rheda in den Hintergrund drängte. Auch die Erhebung Güterslohs zur Stadt<br />

im Jahre 1825 markierte den beginnenden Wandel. 73<br />

Der entscheidende wirtschaftliche Impuls für die Anfänge der Industrialisierung<br />

in Gütersloh erfolgte jedoch durch den Anschluß der Stadt an das Streckennetz<br />

der Köln-Mindener Eisenbahn am 15. Oktober 1847. 74 Die Eisenbahn erwies sich in<br />

kürzester Zeit als das wichtigste Transportmittel für Güter und Personen. Die<br />

Hauptschlagader der Stadt schuf eine gute Verbindung zur Ruhrindustrie und ließ<br />

trotz einiger Rückschläge bezüglich des Fuhrmannswesens allmählich die heimische<br />

Wirtschaft expandieren. So konnten die ansässigen Unternehmen ihre fertigen<br />

70<br />

Vgl. Stadtmuseum Gütersloh, Konzeption - 1. Bauabschnitt, Gütersloh 1987, S. 4 (künftig zitiert:<br />

Stadtmuseum, Konzeption); vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 4.<br />

71<br />

Vgl. I. Heiland, Gütersloh. Skizze einer ostwestfälischen Mittelstadt, in: Westfälische Forschungen<br />

16 (1963), S. 184f. (künftig zitiert: Heiland, Gütersloh).<br />

72<br />

Vgl. Hilbk, Gütersloh, S. 21.22; vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 2.<br />

73<br />

Vgl. Beine, Gütersloher Kommunalpolitik, S. 213.<br />

74<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 164.165; vgl. auch die bis heute wichtige Stadtbeschreibung: Magistrat der<br />

Stadt Gütersloh, Deutschlands Städtebau: Gütersloh, Berlin 1925, S. 37 (künftig zitiert: Magistrat,<br />

Gütersloh); vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 9; vgl. E. Möller, Rhedas Eisenbahngeschichte, in: Heimatblätter<br />

der Glocke v. 6./7. Juli 1991, Gütersloh 1991.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Produkte schneller und preiswerter als vorher versenden. Auch ein verbilligter<br />

Einkauf von Rohstoffen geschah jetzt und brachte einen weiteren nicht zu unterschätzenden<br />

Standortvorteil für die Stadt. Darüber hinaus erhielt die Stadt<br />

durch den Anschluß der Eisenbahn auch eine gewisse politische Bedeutung. Von nun<br />

an gelangten hohe Beamte mit der Eisenbahn in die Stadt, und so konnten die städtischen<br />

Würdenträger immer wieder Kontakte knüpfen und ihre Anliegen vorbringen.<br />

Diese neue Struktur der Verkehrswege und das damit verbundene Wachstum<br />

führte Gütersloh allmählich aus der Armut heraus, denn vorher hatte es kaum lukrative<br />

Erwerbszweige in dieser Region gegeben. Für die Landwirtschaft bot der<br />

Sandboden keine großen Aussichten auf ein gutes Auskommen. Schon die Selbstversorgung<br />

dürfte vielfach Probleme bereitet haben. 75 Die Haupt-Nahrungszweige<br />

der Bevölkerung in der Gemeinde Gütersloh waren nach Auskunft der Stadtchronik<br />

von jeher der Handel mit Viktualien und ländlichen Produkten (z.B. Butter,<br />

Schinken, Würste), die feine Flachsspinnerei und das Fuhrmannswesen. 76 In einem<br />

späteren Eintrag fügte der Chronist noch die Branntweinbrennerei hinzu. 77 Gütersloh<br />

hatte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts trotz der guten Infrastruktur<br />

eigentlich keine manufakturielle oder industrielle Wirtschaftsstruktur entwickelt.<br />

78 Die Industrialisierung in Gütersloh erfolgte zwar im wesentlichen in der<br />

Zeit von 1860-1880 79 , die Wirtschaft mußte aber mit vielerlei Schwierigkeiten<br />

kämpfen, wie ein Auszug aus den Gemeindeangelegenheiten zeigt:<br />

"Unsere Stadt ist vorzugsweise eine Handels- und erst in<br />

zweiter Linie eine Ackerstadt. Mit Rücksicht auf den geringen<br />

Umfang der Feldmark und weil der Boden zumeist aus<br />

wenig ergiebigem Sandboden besteht, ist unsere Bevölkerung<br />

auf einen anderen Nahrungszweig hingewiesen. [...] Die<br />

Industrie ist, wenn wir von der Seidenfabrikation und der<br />

Bierbrauerei absehen, bei uns nicht entwickelt, obgleich Gütersloh<br />

ein für industrielle Anlagen ganz geeigneter Ort zu<br />

nennen sein dürfte. [...] Bestimmte Gründe für den Mangel<br />

einer industriellen Entwicklung lassen sich nicht angeben." 80<br />

75<br />

"Als Handelsstadt mit schwacher Landwirtschaft war Gütersloh auf andere Wirtschaftssektoren<br />

angewiesen." G. Beine, Gütersloher Kommunalpolitik, S. 223.<br />

76<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 14.37; vgl. J. Blotenberg, Gesunde Vielfalt in Industrie und Handel, Gütersloh<br />

1966, S. 78ff. (künftig zitiert: Blotenberg, Industrie); vgl. Heiland, Gütersloh, S. 186; vgl.<br />

Steinsiek, Gütersloh, S. 7.<br />

77<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 37.<br />

78<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 3ff.<br />

79<br />

Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 13.<br />

80<br />

Bericht über den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten für 1874/75, S. 8, zitiert nach: Beine,<br />

Gütersloher Kommunalpolitik, S. 217.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Trotzdem machten sich die Veränderungen auch hier stark bemerkbar und bezogen<br />

alle Bereiche der Kultur ein. Die Entwicklung der Technik und der Industrie<br />

veränderte das Leben der Menschen und die gesellschaftlichen Verhältnisse. 81 Mit<br />

der industriellen Entwicklung ging auch eine gesellschaftliche Umschichtung einher.<br />

Wenn auch in der Stadt der Wechsel nicht so rasant und abrupt zu beobachten<br />

war, so zeigte sich dennoch die Bildung eines neuen Mittelstandes, die Gruppe<br />

der Beamten und Angestellten, und die der Industriearbeiter. Die Fabrikschornsteine<br />

wurden am Ende des 19. Jahrhunderts zum Wahrzeichen der kleinen<br />

Stadt. 82 Aber auch die jetzt im Stadtbild auftauchenden Stadtvillen als Zeichen<br />

des Wohlstands und die neu errichteten Werkswohnungen zeigten die neue Zeit in<br />

Gütersloh an. 83<br />

Im Jahr 1860 gab es in der Stadt acht größere Fabriken oder Manufakturen. 84<br />

Wie überall im Deutschland der Industrialisierung hatten sich sowohl die Textilindustrie<br />

als auch die Metallindustrie in Gütersloh fest etabliert. Als typische Industriezweige<br />

für den Raum Gütersloh siedelten sich die Nahrungsmittelindustrie<br />

(vor allem Wurstwaren), die Holzindustrie und das graphische Gewerbe an. 85<br />

Im Jahr 1907 produzierten insgesamt 45 Fabriken mit 1.235 Arbeitern in der<br />

Stadt Gütersloh. Dabei nahm die Textilindustrie eine stark dominierende Rolle ein,<br />

sie beschäftigte 553 Arbeitnehmer. 86<br />

Daß Gütersloh trotzdem eher spät begann, eine florierende Wirtschaftsstruktur<br />

zu entwickeln, mag auch daran gelegen haben, daß erst im Jahre 1910 die Aufteilung<br />

in Stadt- und Landgemeinde aufgehoben wurde. 87 Erst jetzt konnte sich die<br />

Stadt zu einem anerkannten Zentralort mit beachtlichem funktionalen Gewicht in<br />

der gewerblich-industriellen Wirtschaft entwickeln. 88<br />

3.4. Ein industrieller Leitsektor in der Region: Die Entwicklung der Textilindustrie<br />

in Gütersloh<br />

Auf Grundlage der alten Heimarbeit entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts im Raum Gütersloh eine sehr vielseitige Textilindustrie. 89 Die vor-<br />

81<br />

Z.B. neue Technik für Antriebs- und Arbeitsmaschinen, Lohnarbeit als übliche Arbeitsform, Anhäufung<br />

von Kapital.<br />

82<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 8.<br />

83<br />

Sogenannte Mietskasernen wird man in Gütersloh vergeblich suchen, denn sie entsprechen nicht<br />

dem dortigen Wohnstil Vgl. Heiland, Gütersloh, S. 188.<br />

84<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 4.<br />

85<br />

Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 16; vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S.5.<br />

86<br />

111 Arbeiter arbeiteten in der Metallindustrie, 304 in der Nahrungsmittelindustrie und 267 in<br />

der öffentlichen Versorgung Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 6.<br />

87<br />

Vgl. Lindemann, Gütersloh, S. 32f.<br />

88<br />

Vgl. Beine, Gütersloher Kommunalpolitik, S. 229; vgl. Heiland, Gütersloh, S. 188; vgl. Steinsiek,<br />

Gütersloh, S. 7.<br />

89<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 9.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

nehmliche Verarbeitung von Flachs, einer Leinenart, war in der recht armen Gegend<br />

insbesondere im 18. Jahrhundert von großer Bedeutung. Im Jahr 1737 waren<br />

von den 510 in Gütersloh verzeichneten Arbeitnehmern 381 als hauptberufliche<br />

Spinner angegeben. 90 Bis weit in das 19. Jahrhundert blieb die Produktion von Textilwaren<br />

eher traditionell ausgerichtet. So betrieb der Spinner seine Arbeit ausschließlich<br />

zu Hause und bezog die meisten Familienmitglieder für Vorarbeiten und<br />

Handlangertätigkeiten (z.B. Haspeln, Schwingen und Hecheln) in die häusliche Produktion<br />

ein. Somit war eine starke Verbindung zwischen Haus und Arbeit gegeben;<br />

geregelte Arbeitszeiten gab es nicht, denn die Spinner wurden nach den produzierten<br />

Stückzahlen bezahlt. 91<br />

Die Organisation des Absatzes der Textilprodukte wurde nicht von den Spinnern<br />

selbst besorgt, sondern von kapitalkräftigen Kaufleuten übernommen, den sogenannten<br />

Verlegern. Sie kauften die Waren und setzten diese auf eigene Rechnung<br />

und mit einer gewissen Gewinnspanne hauptsächlich in der nordfranzösischbrabantischen<br />

Spitzenindustrie und in Barmen-Elberfeld ab. 92<br />

Nach dem Ende der napoleonischen Ära und der Aufhebung der Kontinentalsperre<br />

für englische Einfuhren im Jahre 1814 gerieten die in dieser Region angesiedelte<br />

Feingarnspinnerei, der Flachsanbau und der Garnhandel allerdings unter massiven<br />

Druck. 93 Preiswerte, schon teilweise industriell gefertigte Produkte der englischen<br />

Konkurrenz ließen die heimischen Erzeugnisse ins Hintertreffen geraten. Zunächst<br />

versuchten die heimischen Spinner noch durch längere Arbeitszeiten gegen die<br />

aufkommende Konkurrenz anzugehen. Gegen die viel billigeren Produkte, vorwiegend<br />

aus Baumwolle, hatten sie aber nur kurze Zeit eine Chance. 94<br />

Durch den Beschluß der Mindener Regierung wurde im Jahr 1836 eine Spinnschule<br />

in Gütersloh gegründet, um eine gewisse Konkurrenzfähigkeit der inländischen<br />

Produkte zu erlangen. 95 Den mangelhaften Lernbedingungen für die Kinder im Elternhaus<br />

wollte man durch diese neue Einrichtung Abhilfe schaffen. In diesem Zusammenhang<br />

versuchten die Lehrer, die Spinntechnik zu verbessern. Die Schüler<br />

sollten dazu angehalten werden, das Spinnen unter technisch optimierten Bedingungen<br />

zu erlernen. Durch die Produktion eines gleichmäßigen und qualitativ hochwertigen<br />

Garnes hoffte man darauf, sich gegen die Importe vor allem billigen englischen<br />

Maschinengarns behaupten zu können. Somit kann man die Einrichtung dieser<br />

Spinnschule als eine erste Maßnahme zum Schutz der Heimarbeit ansehen, die<br />

90<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 9.<br />

91<br />

Vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 64; vgl. E. Pott, Gütersloh. Wachsen und Werden bis zur Neuzeit,<br />

Gütersloh 1984, S. 35.36. (künftig zitiert: Pott, Gütersloh).<br />

92<br />

Vgl. Heiland, Gütersloh, S. 184.<br />

93<br />

Vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 20; vgl. auch F.-W. Henning, Die Industrialisierung in Deutschland<br />

1800 bis 1914, Paderborn u.a. 7. Aufl. 1989, S. 139 (künftig zitiert: Henning, Industrialisierung).<br />

94<br />

Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 7; vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 64.<br />

95<br />

Vgl. H. Renk, E. Ruhe, Männer der Wirtschaft. Unternehmen der Gründerzeit, Gütersloh 1966, S.<br />

122 (künftig zitiert: Renk u.a., Wirtschaft); vgl. Blotenberg, Industrie, S. 44.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

sich massiv gegen die beginnende Industrialisierung richtete.<br />

In der Übergangszeit um 1850 war der Rückgang der sogenannten Lohnspinnerei<br />

aber nicht mehr durch solche Maßnahmen aufzuhalten. Die notwendigen hohen Kapitalströme<br />

für die Umrüstung bzw. Einführung der maschinellen Spinnerei standen<br />

allerdings in Gütersloh nicht zur Verfügung. 96 In diese Zeit fällt die Gründung<br />

der Ravensberger Spinnerei im benachbarten Bielefeld (1854). Eine solche Fabrik<br />

hätte aufgrund der Armut und der fehlenden Finanzmittel im Gütersloher Raum<br />

keine Aussicht auf Erfolg gehabt, sich zu einem größeren Unternehmen zu entwickeln.<br />

Auf Stadtebene versuchte man dieser Strukturkrise mit der Gründung eines<br />

"Hülfsvereins für Stadt und Amt Gütersloh" am 22. Januar 1845 entgegenzuwirken<br />

und die Lage der Betroffenen zu lindern. 97 Die Regierung steuerte ihrerseits<br />

insgesamt 35.000 Taler zu, um Weber umzuschulen oder auf die Verwendung anderer<br />

Rohmaterialien ausweichen zu können (z.B. Baumwolle, Nessel und Seide). 98<br />

Die schwierige Situation der Textilfabrikation zeigte sich auch in dem mißlungenen<br />

Versuch der Etablierung einer Seidenfabrikation im Jahre 1851 durch die Kaufleute<br />

Fritz Raßfeld und Wilhelm Delius. 99 Hier stellten Lohnarbeiter in Heimarbeit<br />

Seidenfabrikate her. 100 Trotz der Bemühungen verbesserte sich die wirtschaftliche<br />

Situation nicht, und so verloren insgesamt 51 Arbeitnehmer nur wenig später<br />

ihren Arbeitsplatz.<br />

Dennoch schien die Abkehr vom Flachs und die Verwendung neuer Materialien in<br />

der Produktion ein guter Weg zur Lösung der vorhandenen Probleme zu sein.<br />

1857 übernahmen die Brüder Wilhelm 101 und Ferdinand 102 Bartels das väterliche<br />

Geschäft mit Tuchwaren, gründeten eine Seidenweberei unter dem Namen Gebr.<br />

Bartels und etablierten dieses Gewerbe in Gütersloh fest. 103 Die Firma, die bis in<br />

die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts Bestand hatte, besaß als nötige Kapital-<br />

96<br />

W. Eickholz, Die industrielle Entwicklung von Gütersloh, Gütersloh 1952, S. 30 (künftig zitiert:<br />

Eickholz, Gütersloh ).<br />

97<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 14.<br />

98<br />

Vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 26.<br />

99<br />

Vgl. E. Ruhe, Textilindustrie im Wandel der Zeit, Gütersloh 1971, S. 2 (künftig zitiert: Ruhe, Textilindustrie).<br />

100<br />

Die Produktion von Seidengeweben hat mit weniger als 2 % aller im Textilgewerbe Tätigen während<br />

des ganzen 19. Jahrhunderts nur eine untergeordnete Rolle im Gesamtzusammenhang gespielt,<br />

war aber für Gütersloh von größter wirtschaftlicher Bedeutung Vgl. Henning, Industrialisierung, S.<br />

139; vgl. dazu auch Kap. A.1.2.<br />

101<br />

Vgl. Neue Gütersloher Zeitung vom 30.09.1892, Art.: Tod v. W. Bartels; vgl. Renk u.a., Wirtschaft,<br />

S. 122-129.<br />

102<br />

Vgl. Neue Gütersloher Zeitung vom 5.09.1905, Art.: Tod v. F. Bartels; vgl. Renk u.a., Wirtschaft,<br />

S. 130-135.<br />

103<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 230; vgl. Gebr. Bartels GmbH (Hrsg.), 100 Jahre Gebr. Bartels 1857-1957,<br />

Gütersloh 1957; vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 65; vgl. Heiland, Gütersloh, S. 186; vgl. Ruhe, Textilindustrie,<br />

S. 16.17.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

basis das Tuchgeschäft, das Wilhelm Bartels nach dem Tode seines Vaters 1851<br />

übernommen hatte. Ferdinand Bartels hatte sich nach dem Besuch der höheren<br />

Schule Kenntnisse in der Seidenmanufaktur in einer Seidenweberei in Rheydt erworben<br />

und besaß dadurch gute Geschäftsverbindungen. Zunächst betrieben die<br />

beiden Brüder eine Fabrikation in der Kökerstraße, produzierten aber auch weiterhin<br />

in Heimarbeit. Diese Verbindung von anhebender zentraler Manufaktur und<br />

häuslicher Produktion war typisch für die Arbeit in diesem Wirtschaftszweig in<br />

der Übergangszeit zur Industrialisierung. Die Produktionsumstellung von der<br />

Handweberei auf mechanische Webstühle vollzog sich in Gütersloh über einen längeren<br />

Zeitraum. Die ersten mechanischen Webstühle wurden bei Greve & Güth<br />

1874 und bei Bartels im Jahr 1882 in Betrieb genommen, also etwa einhundert<br />

Jahre nachdem Edmund Cartwright 1785 den ersten mechanischen Webstuhl entwickelt<br />

hatte. 104 Durch diese Erfindung konnten die zahlreichen Verarbeitungsvorgänge,<br />

die sonst von den Familienmitgliedern wahrgenommen wurden, reduziert<br />

und die Produktion wesentlich erhöht werden. Zudem erreichte die neue Produktionsform<br />

eine massive Verbesserung der Qualität der Textilwaren, die damit zunehmend<br />

konkurrenzfähig wurden. 105<br />

Gerade in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts ließen sich<br />

weitere Textilfirmen in Gütersloh nieder und trugen somit wesentlich zum Wachstum<br />

der Wirtschaft und der Stadt bei: Strenger und Westerfrölke (1886 - Buntweberei),<br />

Niemöller und Abel 106 (1887 - Baumwollweberei), Güth und Wolf (1887-<br />

Band und Gurtweberei), Niemöller und Lütgert W. (1893 - schwere Baumwollstoffe)<br />

und W. Bartels jun. (1893 - Seidenweberei). Nach dem Ersten Weltkrieg kamen<br />

1921 W. Schulte (Handtuchstoffe, Baumwolle, Leinen) sowie 1925 B. Vossen (Frottierwaren)<br />

hinzu und vervollständigten die vielfältige Industrie am Ort. 107 Im Jahr<br />

1895 beschäftigten die hiesigen Webereien 323 Arbeitnehmer.<br />

Somit bildete sich auch in Gütersloh eine Fabrikarbeiterschaft mit den entsprechenden<br />

sozialen Problemen heraus. Die Fabrikanlagen trugen wesentlich zur Prägung<br />

des Stadtbildes bei. 108 Aus vielen Webereien entstanden allmählich moderne<br />

Fabriken mit den dazugehörigen zentralen Produktionsanlagen und mehreren Arbeitsmaschinen<br />

sowie einer zentralen Kraftmaschine. In massiver Weise änderte<br />

sich somit durch die neue Produktionsform der Lebensrhythmus der arbeitenden<br />

104<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 19; vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 65; vgl. Ruhe, Textilindustrie,<br />

S. 3; vgl. Pott, Gütersloh, S. 49; vgl auch Henning, Industrialisierung, S. 141.<br />

105<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 20.<br />

106<br />

Vgl. H. Kraak, W. Lenz, E.A. Lübbermann, Gütersloh - wie es war, Gütersloh 3. Aufl. 1976, S. 101<br />

(künftig zitiert: Kraak u.a., Gütersloh).<br />

107<br />

Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 13; vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 65; vgl. E. Kissing, Kleine Heimatkunde<br />

der Stadt Gütersloh, Gütersloh 1959, S. 53.54 (künftig zitiert: Kissing, Heimatkunde). Am<br />

30. April 1997 teilte der Konkursverwalter den Mitarbeitern der Fa. Vossen mit, daß in Gütersloh<br />

endgültig die Produktion eingestellt werde. 239 Mitarbeiter erhielten daraufhin die Kündigung.<br />

108<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 23.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

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Menschen. Die Teilung der Arbeit in verschiedene Produktionsabschnitte erforderte<br />

nun eine höhere Zeitsynchronisation der Arbeit. Während früher in der<br />

Heimarbeit eine gewisse Flexibilität in der Zeiteinteilung vorherrschte und ein<br />

Weber sich vollständig um sein Produkt kümmerte, mußte jetzt der Arbeitsprozeß<br />

aufeinander abgestimmt werden. So herrschte keine Individualität in der Arbeitszeit<br />

mehr vor. Obwohl die Arbeitszeit jetzt kürzer als in der Epoche der Heimarbeit<br />

war, riefen die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätten und die damit verbundenen<br />

großen Entfernungen letztlich keine Verbesserung hervor. 109 Hinzu trat<br />

ein Widerstreben, sich in die unselbständige, fremdbestimmte Tätigkeit in der<br />

Fabrik zu begeben. Hier regelten nun sogenannte Arbeitsordnungen die soziale<br />

Ordnung der Industriearbeit. Ziel dieser Festlegung war eine möglichst vollständige<br />

Ausnutzung der Arbeitskraft und der Betriebsanlagen sowie ein reibungsloses<br />

Zusammenarbeiten der Belegschaft. Sie sah die Kündigung bei Verstößen vor und<br />

suchte die Autorität gegenüber der Betriebsleitung, den Meistern und Aufsehern<br />

zu wahren und besaß somit auch eine disziplinierende und erzieherische Komponente.<br />

110<br />

Interessanterweise blieb der sich anderswo regende Widerstand in Gütersloh eher<br />

gering, ein Proletariat mit entsprechendem Streikpontential gab es, ähnlich<br />

wie in Rheda, eigentlich nicht. Offenbar förderte die ländliche Eingebundenheit<br />

und die Perspektive, nicht zwangsläufig lebenslang in der Fabrik arbeiten zu müssen,<br />

diese Haltung.<br />

Obwohl die Arbeitszeit täglich etwa zwölf Stunden betrug und alle Wochentage<br />

umfaßte, die Produktion nur an den Sonn- und Feiertagen ruhte und es keinen Urlaub<br />

gab, wurden die Probleme im Industriedorf Gütersloh durch überwiegend intakte<br />

Familienstrukturen aufgefangen. 111<br />

Darüber hinaus milderte die Verbindung zwischen dem relativ späten Übergang zur<br />

Fabrikarbeit in Gütersloh und der im Vergleich recht frühen Einrichtung von Sozialeinrichtungen<br />

die mit der Industrialisierung einhergehenden Härten für die Arbeitnehmer.<br />

112<br />

So wurden Dienstaltersprämien und Jahresprämien gezahlt, Wohlfahrtseinrichtungen<br />

und Unterstützungskassen bei Krankheit und Invalidität eingeführt,<br />

Werkswohnungen vergeben und eigene Sparkassen gegründet. 113 Die Gebrüder<br />

Bartels führten in den 60er Jahren eine Zwangssparkasse für Handweber ein, wobei<br />

fünf Prozent des Lohnes einbehalten wurden, derselbe Anteil von den Unter-<br />

109<br />

Vgl. Eickholz, Gütersloh, S. 30.<br />

110<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 28.<br />

111<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 36.<br />

112<br />

Vgl. Ruhe, Textilindustrie, S. 15.<br />

113<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 39; vgl. zudem zur Herstellung des Gesamtzusammenhanges<br />

Henning, Industrialisierung, S. 200.201.<br />

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nehmern zugesteuert wurde. 114 Darüber hinaus gründeten zum Beispiel die Firmen<br />

Greve & Güth sowie die Gebr. Bartels eigene Fabrikkrankenkassen. 115<br />

Zudem schufen mehrere Fabrikunternehmer Werkswohnungen für ihre Arbeitnehmer.<br />

So entstanden in der Grünen Str., Gütsmer Str., Friedrichsdorfer Str.,<br />

Oststr., Verler Str. und Wilhelmstr. Wohnungen mit Stallungen für Kleintierzucht<br />

und kleinen Gärten für den Gemüseanbau. Die Gebäude waren relativ geräumig und<br />

preiswert. Die Häuser wurden in der Regel für ein bis zwei sechsköpfige Familien<br />

gebaut und besaßen eine größere Küche, eine gute Stube und wurden vorrangig an<br />

die Meister vergeben.<br />

3.5. Ein regional wichtiger Industriezweig: Die Entfaltung des graphischen Gewerbes<br />

Während die Textilindustrie als ein wichtiger Leitsektor angesehen werden kann,<br />

besitzt die Entwicklung des Druckereiwesens im Gesamtzusammenhang der Industrialisierung<br />

eine eher untergeordnete Rolle. Auf regionaler Basis hingegen<br />

nimmt dieser Industriezweig aber eine nicht unbeachtliche Stellung innerhalb des<br />

heimischen Gewerbes ein. 116 So werden neben der Textilindustrie auch immer die<br />

Druckbetriebe als wichtige Standbeine der örtlichen Wirtschaft genannt. 117<br />

Anders als die heimische Textilindustrie entstand das Druckergewerbe in Gütersloh<br />

nicht auf Grundlage eines älteren Gewerbes in der Stadt. Die Etablierung dieses<br />

wichtigen Industriezweiges kann eher auf die persönliche Initiative einzelner<br />

Unternehmer zurückgeführt werden. 118<br />

Im Jahre 1824 gründete der Buchbinder Carl Bertelsmann (1791-1850) eine der<br />

ersten Steindruckereien Westfalens im Hause seiner Eltern in der Münsterstaße.<br />

119 Wenig später (1829) erhielt Bertelsmann von der Regierung in Minden eine<br />

Konzession zur Errichtung einer lithographischen Anstalt. Sechs Jahre später erweiterte<br />

er seinen Betrieb um eine Buchdruckerei, die anfangs einige Notenblätter<br />

und Schulliteratur druckte, daraufhin sich mit theologischen Druckerzeugnis-<br />

114<br />

Vgl. Renk u.a., Wirtschaft, S. 131.<br />

115<br />

Vgl. Renk u.a., Wirtschaft, S. 131; vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 40.<br />

116<br />

Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 11.<br />

117<br />

Vgl. Heiland, Gütersloh, S. 186; vgl. Magistrat, Gütersloh, S. 65.<br />

118<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 42.<br />

119<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 38; vgl. W. Kempowski, "Schwarzbrod und Freiheit sei mir beschieden" - Die<br />

Chronik der Familien Bertelsmann und Mohn, in: 1835-1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte<br />

des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten, Gütersloh 1985, S. 11ff. (künftig zitiert:<br />

Kempowski, Chronik); vgl. D. Bavendamm, Bertelsmann, Mohn, Seippel. Drei Familien - ein Unternehmen,<br />

München 1986, S. 37 (künftig zitiert: Bavendamm, Bertelsmann); vgl. H. Mohn, Carl Bertelsmann.<br />

Eine Verlagsgründung vor hundert Jahren 1835-1935, Gütersloh 1935, S. 60 (künftig zitiert:<br />

Mohn, Verlagsgründung); vgl. R. Gööck, Bücher für Millionen. Fritz Wixfort und die Geschichte<br />

des Hauses Bertelsmann, Gütersloh 1968, S. 35 (künftig zitiert: Gööck, Bücher).<br />

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sen einen Namen machte. 120 Die Gründung einer Verlagsbuchhandlung rundete die<br />

Struktur des kleinen Unternehmens ab. 121 Sehr deutlich sind bei dieser Gründung<br />

der Beginn als kleiner handwerklicher Betrieb mit nur wenigen Mitarbeitern und<br />

die ständige Erweiterung des Verlages sowie die Vergrößerung der Druckerei zu<br />

erkennen. 122 Im Jahr 1868 bezog man neue Gebäude in der Eickhoffstraße mit einer<br />

Setzerei, Druckerei und Buchbinderei. Mit 70 Arbeitnehmern im Jahre 1898<br />

gehörte die Druckerei Bertelsmann zu den mittleren Betrieben in der Stadt und<br />

kann als ein exponiertes regionales Beispiel für den schnellen Aufstieg eines Unternehmens<br />

in der Gründerzeit angesehen werden. 123<br />

Gütersloh schien für die graphischen Firmen ein bevorzugter Flecken zu werden,<br />

denn Ludwig Flöttmann (1827-1908), der vorher bei Bertelsmann gearbeitet hatte,<br />

etablierte am Ort eine Steindruckerei, nachdem sein früherer Arbeitgeber diese<br />

Art der Druckherstellung aufgegeben hatte. Flöttmann spezialisierte sich auf Industriedrucksachen,<br />

Vordrucke, Lehrerkalender, örtliche Fernsprechbücher und<br />

Adressbücher. Hinzu kamen die Annahme von privaten Druckaufträgen und 1879<br />

der Buchdruck. 1911 beschäftigte das noch heute tätige Unternehmen vierzig Mitarbeiter.<br />

124<br />

Weitere Firmen siedelten sich in Gütersloh an: Schmäling und Ohlbrock, Hunke<br />

und Obstfelder. 125<br />

Mit der Verbreitung von Druckerzeugnissen aus Gütersloh wurde das kulturelle<br />

Leben in hohem Maße in der Region beeinflußt. Durch die Verbilligung und massenhafte<br />

Verbreitung von Lesestoff, gerade durch den C. Bertelsmann Verlag, trug<br />

die heimische Industrie am Ende des 19. Jahrhunderts wesentlich zur Bildung und<br />

zum Amüsement weiter Bevölkerungsschichten bei.<br />

Durch die ansehnliche Produktion konnten jetzt Schullesebücher, Lieder und Musiknoten<br />

126 , Missionsliteratur und religiöses Erbauungsschrifttum gedruckt und<br />

vertrieben werden, so daß die Verlagsarbeit auf das geistige Leben der Menschen<br />

in der Region in hohem Maße einwirken konnte.<br />

Der pietistisch orientierte, konservative und königstreue Carl Bertelsmann stand<br />

in enger Verbindung zur protestantischen Erweckungsbewegung und pflegte eine<br />

120<br />

Vgl. Mohn, Verlagsgründung, S. 63.<br />

121<br />

Vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom 27. Juli 1838, Art.: C. Bertelsmann unter<br />

Vermischte Anzeigen (Stadtarchiv Gütersloh, Nr. DS 1787); vgl. auch O.A. Schulz, Adressbuch für<br />

den Deutschen Buchhandel, Leipzig 1839, S. 8.<br />

122<br />

Vgl. Renk u.a. Wirtschaft, S. 136; Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 8.<br />

123<br />

Vgl. R. Büchner, Chronik der Bertelsmann Technik 1824-1976, Gütersloh 2. Aufl. 1976; vgl. Henning,<br />

Industrialisierung, S. 119.137.<br />

124<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 43.<br />

125<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 43.44.<br />

126<br />

. Z.B. die "60 Lieder für 30 Pfennige" im Januar 1838 mit einer Auflage von 25.000 oder "Achtzig<br />

Lieder und der Urtext und mit Berücksichtigung der preußischen Schul-Reputation" (1854) mit einer<br />

Auflage von 200.000 Exemplaren.<br />

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freundschaftliche Beziehung zu Johann Heinrich Volkening, einem der schillerndsten<br />

und führendsten Pastoren dieser mit äußerster Bildungswilligkeit verbundenen<br />

protestantischen Strömung. 127 Bertelsmann war eine der ersten deutschen Verlagsanstalten<br />

für evangelisches Schrifttum.<br />

Auch sein von ihm stark geförderter Sohn Heinrich Bertelsmann 128 , der später das<br />

Unternehmen von seinem Vater übernahm und 37 Jahre lang führte, beschäftigte<br />

sich intensiv mit der Verbreitung von Literatur. So gründete er eine Reihe von<br />

Zeitungen und Zeitschriften, denen aber nicht immer eine lange Dauer beschieden<br />

war. Darüber hinaus lag sein Augenmerk auf dem Schulbuchverlag, der Produktion<br />

von Jugendbüchern und auf der Herausgabe von geschichtlicher und wissenschaftlicher<br />

Literatur. Bertelsmann legte mit seiner regen Verlagstätigkeit den Grundstein<br />

für die populärwissenschaftliche Sachbuchproduktion, die durch Johannes<br />

Mohn (1856-1930) ihre Fortsetzung erfuhr. 129 Das erste Verlagsverzeichnis umfaßte<br />

etwa 600 Titel, 69 von Carl, 554 von Heinrich verlegt. 130 Gleichzeitig wuchs<br />

das Unternehmen nicht zuletzt aufgrund mehrerer Verlagszukäufe über den regionalen<br />

Rahmen hinaus, wohl auch aufgrund der geringen Absatzchancen innerhalb<br />

Güterslohs. 131<br />

Im Vergleich zur Textilindustrie hat die industrielle Veränderung gerade bezüglich<br />

des Setzens der Lettern hier wesentlich später eingesetzt. 132<br />

Sehr deutlich kann man immer wieder die charakteristische technische und arbeitsorganisatorische<br />

Zwischenstufe von der handwerklichen zur mechanischen<br />

Arbeit erkennen. Die Arbeit an der Setzmaschine führte zu Qualifikationsveränderungen<br />

des Setzers. Jetzt waren die Fähigkeit und die Kenntnisse des Setzers<br />

zur Bewachung des Maschinenlaufs, zum Finden und Beheben von Störungen gefragt.<br />

Dies hatte vielfältige Folgen. Bei auftretenden Fehlern war die nervliche<br />

Belastung vielfach höher als früher, so erhielten die Maschinensetzer höhere Löhne<br />

als ihre Kollegen, die vorwiegend manuell eine Buchdruckerpresse bedienten. In<br />

Gütersloh hat es keine so schnelle Entwicklung gegeben, da anfangs nur kleine Auflagen<br />

gedruckt wurden. Immerhin hat Carl Bertelsmann bereits 1835 eine Buchdruckerpresse<br />

bestellt, die aber erst sehr spät in Gebrauch kam, weil unbedingt<br />

der Gründer selbst diese neuartige Maschine aufbauen wollte, um das Geld für die<br />

127<br />

Vgl. Renk u.a., Wirtschaft, S. 141; vgl. Gööck, Bücher, S. 39.<br />

128<br />

Heinrich Bertelsmann (1827-1887) bleibt in der Geschichte eher konturlos. Er hat kein Tagebuch,<br />

keine Briefe an die Braut hinterlassen, auch seine politische Laufbahn hinterließ keine Großtaten<br />

Vgl. Bavendamm, Bertelsmann, S. 38.43; vgl. Kempowski, Chronik, S. 18.23; vgl. Mohn, Verlagsgründung,<br />

S. 79; vgl. Gööck, Bücher, S. 41.<br />

129<br />

Vgl. Mohn, Verlagsgründung, S. 88ff.; vgl. Gööck, Bücher, S. 44.<br />

130<br />

Vgl. Kempowski, Chronik, S. 21; vgl. Bavendamm, Bertelsmann, S. 50.<br />

131<br />

Vgl. Mohn, Verlagsgründung, S. 78; vgl. Bavendamm, Bertelsmann, S. 43; vgl. Kempowski, Chronik,<br />

S. 21.<br />

132<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 48.<br />

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Monteure zu sparen. 133 Sein Nachfolger schaffte Buchdruckerpressen an, die mit<br />

Dampfkraft betrieben wurden. 134<br />

Ähnlich wie im Textilgewerbe hat es auch Arbeitsordnungen im Druckereiwesen<br />

gegeben, die eine Disziplinierung und Erziehung der Arbeiter vorsahen. 135 Dabei<br />

stand aber letztlich die patriarchalische Fürsorge im Vordergrund. Carl Bertelsmann<br />

und seine Nachfolger legten großen Wert auf ein vertrauensvolles Verhältnis<br />

zu den Arbeitern, so daß hier Ausschreitungen oder Streiks im 19. Jahrhundert<br />

nicht stattgefunden haben. 136<br />

Auch die Unterstützung im Fall von Krankheit und in sozialen Notlagen wurde seitens<br />

vieler Unternehmer des Druckereigewerbes gewährt. Im Jahr 1887 gründete<br />

der C. Bertelsmann Verlag eine Invaliden- und Altersversorgungskasse für seine<br />

Arbeitnehmer. Dabei zahlten sowohl der Firmeninhaber als auch die Mitarbeiter<br />

gleich hohe Beiträge in diese Kasse ein. Das Pensionsalter lag bei 60 Jahren. 137<br />

Wer über sein 60. Lebensjahr hinaus weiterarbeitete, erhielt neben seinem Lohn<br />

oder Gehalt die ihm ansonsten zustehende Betriebsrente. 138<br />

Trotz des wirtschaftlichen Wachstums und der sozialen Fürsorge kann das Druckereigewerbe<br />

in dieser Region aber nicht als unbedingt risikolos und beliebig<br />

steigerbar angesehen werden. Obwohl der Betrieb von Heinrich Bertelsmann florierte,<br />

mußten ungeheure Summen für neue, mit Dampfkraft betriebene Pressen<br />

ausgegeben werden, um konkurrenzfähig zu bleiben. 139<br />

Daß auch neue, innovative Wege nicht immer zum Ziel führten, zeigen zum Beispiel<br />

die verschiedenen Zeitungsgründungen an, die vielfach scheiterten. 140 Erst 1884<br />

gab es eine eigene "Gütersloher Zeitung", die es am Anfang mit dem Abnehmerkreis<br />

bei einer Einwohnerzahl von 5.000 sehr schwer hatte, trotzdem aber unter<br />

133<br />

Vgl. Kempowski, Chronik, S. 15; vgl. Renk u.a., Wirtschaft, S. 141.<br />

134<br />

Vgl. Kempowski, Chronik, S. 22.<br />

135<br />

"Wer nicht zur festgesetzten Zeit am Arbeitsplatz erschien, fehlerhaften Satz lieferte oder<br />

Korrekturen nachlässig ausführte, mußte sich Lohnabzüge gefallen lassen. Mit fristloser Entlassung<br />

war bedroht, wer sich während der Arbeitszeit wiederholt Speisen und Getränke holen ließ." Gööck,<br />

Bücher, S. 43.<br />

136<br />

Stadtarchivar Grimm in einem Gespräch mit mir Vgl. darüber hinaus Stadtmuseum, Konzeption, S.<br />

60.<br />

137<br />

Vgl. Stadtarchiv Gütersloh, Statut der Invaliden- und Altersversorgungskasse für die Firmen C.<br />

Bertelsmann in Gütersloh und J.D. Küster Nachf. in Bielefeld, Gütersloh 1887; vgl. auch K. H. Biedenkopf,<br />

Im Dienst der Gemeinschaft - Das soziale Modell Bertelsmann, in: 1835-1985. 150 Jahre<br />

Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten, Gütersloh<br />

1985, S.379-400.<br />

138<br />

Vgl. auch Bavendamm, Bertelsmann, S. 50; Heinrich Mohn berichtet über seinen Vater, daß er<br />

manchen seiner Gehilfen ein zinsniedriges Darlehen zum Bau eines Hauses gewährte Vgl. Mohn, Verlagsgründung,<br />

S. 92.<br />

139<br />

Vgl. Gööck, Bücher, S. 43; vgl. Kempowski, Chronik, S. 22.<br />

140 Vgl. Renk u.a., Wirtschaft, S. 137.142.<br />

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mehreren Zeitungsgründungen die einzig dauerhafte blieb. 141 Zudem erleichterten<br />

die konfessionellen Verhältnisse die Herausgabe der Zeitung nicht. Weiterhin bildete<br />

Gütersloh nicht den geographischen und verwaltungstechnischen Mittelpunkt<br />

des Kreises Wiedenbrück, so daß die Kreisrandlage vielfach wichtige Informationen<br />

nicht nach Gütersloh gelangen ließ. Darüber hinaus orientierte sich das Gebiet<br />

im heutigen Norden der Stadt (Isselhorst u.a.) eher nach Bielefeld, so daß auch<br />

hier die Zahl der Abonnenten eher gering blieb.<br />

Die Gründung zahlreicher kleinerer und größerer Industriebetriebe, das Anwachsen<br />

der handwerklichen Grundlage auf den doppelten Umfang und das schnelle Ansteigen<br />

der Zahl der Industriearbeiter, die 1910 fast ein Sechstel der etwa 7.500<br />

Einwohner zählenden Gesamtbevölkerung ausmachte, kennzeichnen zusammenfassend<br />

den Zeitraum zwischen 1860-1900 als eine Periode des behutsamen wirtschaftlichen<br />

Aufschwungs in Gütersloh, der besonders die Textilindustrie und das<br />

Druckereigewerbe, aber auch die Fleischwarenindustrie ergriff. Mittlerweile wurde<br />

die Stadt aufgrund ihrer industriellen Expansion zu klein, so daß man die Problematik<br />

der engen Stadtgrenzen in Zukunft im Sinne des Wohlstands angehen<br />

mußte.<br />

4. Allgemeindidaktische Vorüberlegungen: Unterrichtsplanung auf Grundlage<br />

der Theorie der kategorialen Bildung Wolfgang Klafkis<br />

4.1. Vorbemerkung<br />

Gerade im Bereich der Geschichtswissenschaft begegnet dem Lehrenden sehr<br />

häufig das Auswahlproblem geeigneter Unterrichtsinhalte. Vielfach geschieht eine<br />

Sondierung des Stoffes unter Betonung der Freiräume und einseitiger Berücksichtigung<br />

des Lehrplanes sowie der eigenen Vorlieben, die man zumeist im Studium<br />

entwickelt hatte. Dabei verfällt man oftmals allzu gerne einem gewissen Scientismus,<br />

der eher dem eigenen Forschungsdrang als den Interessen der Schüler Rechnung<br />

trägt.<br />

Will man allerdings das Unterrichtsfach Geschichte für Schüler zu einem Fach<br />

machen, das dem Lernenden Wirklichkeit aufschließt und diese strukturell verständlich<br />

macht, damit dieser heute und zukünftig zu einem sinnvollen Handeln innerhalb<br />

der Gesellschaft fähig wird, so sind einige wesentliche Kategorien unterrichtlicher<br />

Planung zwingend zu berücksichtigen. 142<br />

Bevor im Planungsteil konkrete Überlegungen zu den didaktischen und methodischen<br />

Entscheidungen hinsichtlich der Unterrichtsreihe vorgenommen werden, sollen<br />

kurz skizzenhaft grundlegende entscheidungsrelevante didaktische und me-<br />

141<br />

Vgl. Steinsiek, Gütersloh, S. 21.<br />

142<br />

Vgl. W. Klafki, Erste Studie. Die Bedeutung der klassischen Bildungstheorien für ein zeitgemäßes<br />

Konzept allgemeiner Bildung, in: ders., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße<br />

Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 19.20.40<br />

(künftig zitiert: Klafki, Erste Studie).<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

thodische Felder geschichtlichen Unterrichts im Sinne der kategorialen Bildung<br />

Wolfgang Klafkis aufgezeigt werden.<br />

4.2. Grundformen des historischen Lernens<br />

Zunächst muß die Bestimmung und Auswahl der Bildungsinhalte darauf gerichtet<br />

sein, einen geeigneten Anfang für den Schüler zu schaffen, der ihn befähigt, sich<br />

im Wissen zu entwickeln, Schichten und Gliederungen von Inhalten zu erreichen.<br />

Hinter der Fülle des Besonderen sollen allgemeine Einsichten aufgespürt werden,<br />

in denen sich die bedrängende Vielfalt der Einzelheiten gliedert und von denen -<br />

als dem "Wesentlichen" - her das Einzelne überhaupt erst geistig bewältigt werden<br />

kann. In immer wiederkehrenden Phänomenen mit Gegenwartsbezug (Inhalte)<br />

soll nach Möglichkeit die Allgemeinheit (Struktur) erfahrbar werden. Strukturen<br />

sollen sichtbar werden in den verschiedenen Inhalten (z.B. bei Revolutionen). 143<br />

Um das Ineinander von einmaligen Akten und typischen Strukturen zu verstehen,<br />

helfen zunächst exemplarische Beispiele, die zum Verständnis der bewegenden<br />

Kräfte beitragen (z.B. Menschen, Mächte, Ideen). Das Einzelne soll nicht nur eine<br />

Stufe sein, sondern Spiegel des Ganzen und damit stellvertretend, repräsentativ,<br />

mustergültig paradigmatisch sein. Es sucht im Einzelnen das Ganze. 144<br />

Aber auch sogenannte repräsentative Aspekte erleichtern den Zugang zum Unterrichtsgegenstand.<br />

Es gibt historische Gestalten, Ereignisse und Phasen, die für<br />

etwas beispielhaft stehen. Sie können repräsentativ für den Unterricht dem Schüler<br />

fruchtbar gemacht werden. Dieses Prinzip des Repräsentativen verdichtet historische<br />

Zusammenhänge, Entwicklungen und Epochen in symbolischer Weise. In<br />

Person X verdichtet sich ein bestimmtes Zeitalter, ein besonderer geschichtlicher<br />

Bereich; sie steht für etwas und zeigt das Modellhafte eines bestimmten Themenaspektes.<br />

145<br />

Damit eng zusammenhängend zeigt sich das Typische. Die Versammlung von Einzeldaten<br />

oder Erfahrungen führt zu einem Allgemeinen. Zum Beispiel kann die Erfahrung<br />

vieler gotischer Kirchen zu einer allgemeinen Formel vom typischen gotischen<br />

143<br />

Vgl. W Klafki, Die Frage nach dem Elementaren und die drei Ebenen des Problems der kategorialen<br />

Bildung, in: ders., Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der Kategorialen<br />

Bildung, Weinheim 4. Aufl. 1964, S. 323; vgl. auch J. Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte,<br />

Göttingen 5. Aufl. 1979, S. 15.16.<br />

144<br />

Vgl. W. Klafki, Grundformen des Fundamentalen und Elementaren, ders., Das pädagogische Problem<br />

des Elementaren und die Theorie der Kategorialen Bildung, Weinheim 4. Aufl. 1964, S. 443-445<br />

(künftig zitiert: Klafki, Grundformen); ders., Vierte Studie: Exemplarisches Lehren und Lernen, in:<br />

ders., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritischkonstruktive<br />

Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 141-161, hier bes. S.143-<br />

145.155.156.159.160; vgl. W.H. Peterßen, Handbuch der Unterrichtsplanung, München 7. Aufl. 1996,<br />

S. 48ff.; vgl. auch Friedrich W. Kron, Grundwissen Didaktik, München u.a. 1993, S. 124 (künftig zitiert:<br />

Kron, Didaktik).<br />

145<br />

Vgl. Klafki, Grundformen, S. 449-452; Vgl. Kron, Didaktik, S. 125.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Stil führen. 146<br />

4.3. Grundlegende Folgerungen für die Planung<br />

Es ist demnach seitens des Lehrenden eine unbedingte Sichtung der Inhalte erforderlich,<br />

die es ermöglicht, dem jungen Menschen ohne radikale Verkürzungen in<br />

den Gesamtzusammenhang der ihn jetzt und künftig umgebenden und fordernden<br />

Wirklichkeit einzuführen. Dabei muß darauf geachtet werden, daß die Auswahl der<br />

Bildungsinhalte nicht nur aus der Sicht der Erwachsenen stattfindet, sondern<br />

zugleich die Gegenseite, das heißt die des zu Bildenden, umfassen muß. Diese Inhalte<br />

müssen demnach auch an die spezifischen Erfahrungsdimensionen der Schüler<br />

anknüpfen.<br />

In diesem Kontext hat die Durchdringung des Wesentlichen der Unterrichtsgegenstände<br />

den unbedingten Vorrang vor jeder Ausweitung des stofflichen Bereichs.<br />

Der dabei gewonnene Freiraum kann die Verwirklichung des Prinzips der<br />

Selbsttätigkeit des Schülers im Sinne von Johann Heinrich Pestalozzi im Unterricht<br />

ermöglichen. 147<br />

Darüber hinaus kann die wissenschaftliche Bildung nicht im eigentlichen Sinne des<br />

Wortes Leitbegriff der Jugenderziehung bzw. -bildung sein. Das Prinzip der Wissenschaftspropädeutik<br />

muß in diesem Zusammenhang stark in den Vordergrund<br />

treten und den Rahmen für eine geordnete Planung bilden. Hier muß immer die Lebens-<br />

und Entwicklungsstufe des Lernenden berücksichtigt werden. 148<br />

Die unendliche Fülle der Bildungsinhalte muß demnach darin ihre Beschränkung finden,<br />

indem bei der Auswahl auch darauf geachtet wird, welche Rolle ein spezifischer<br />

Gegenstand im späteren Leben eines Menschen spielen könnte. Es muß hierbei<br />

eher eine gelehrte Grundbildung erreicht werden, eine elementare Allgemeinbildung<br />

auf hohem Niveau.<br />

In Verbindung mit diesen didaktischen Überlegungen erscheint es nach Klafki weiter<br />

notwendig, auch ein Hauptaugenmerk auf das methodenorientierte Lernen bzw.<br />

die Handlungsorientierung im Unterricht zu legen. Hierin sollen sich die Schüler<br />

mit Hilfe des Lehrers übertragbare Verfahrensweisen des Lernens und Erkennens<br />

aneignen und diese auch weiter umsetzen. Darüber hinaus geschieht im Unterricht<br />

auch eine Form des praktischen Lernens. Im Sinne eines handlungsorientierten<br />

Modells werden Erkundungen unternommen, Medien aktiv im Unterricht eingesetzt,<br />

sinnvolle Projektarbeit geleistet, um letztlich Inhalte reflexiv zu verarbeiten.<br />

Hierin geht es um kooperierendes Lernen in Partner- und Kleingruppen, die<br />

gemeinsam auftretende Schwierigkeiten durch Anregungen, Kritik und eigene Argumentationen<br />

im Lernprozeß lösen. 149<br />

146<br />

Vgl. Klafki, Grundformen, S. 445-447; Vgl. Kron, Didaktik, S. 124.<br />

147<br />

Vgl. Klafki, Erste Studie, S. 19.35.<br />

148<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 16-18.<br />

149<br />

Vgl. W. Klafki, Grundzüge eines Allgemeinbildungskonzepts. Im Zentrum: Epochaltypische Schlüs-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Schließlich erscheint die umfassende Wahrnehmung der Voraussetzungen, unter<br />

denen der Lehr- und Lernprozeß stattfinden soll, von großer Bedeutung für die<br />

Planung des Unterrichts. Hier besteht die Notwendigkeit, die konkreten, soziokulturell<br />

vermittelten Bedingungen einer Lerngruppe sowie die unterrichtsrelevanten<br />

institutionellen Voraussetzungen zur Grundlage der unterrichtlichen Überlegungen<br />

zu nehmen. 150<br />

Somit soll die sogenannte Bedingungsanalyse am Anfang der Unterrichtsplanung im<br />

zweiten Teil dieser Arbeit stehen.<br />

selprobleme, in: ders., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung<br />

und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 67-69.<br />

150<br />

Vgl. W. Klafki, Achte Studie. Zur Unterrichtsplanung im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik,<br />

in: ders., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritischkonstruktive<br />

Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 272; vgl. auch Kron, Didaktik, S. 136.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

B. Planung der Unterrichtssequenz<br />

1. Unterrichtliche Voraussetzungen<br />

1.1. Kurze Bemerkungen zur Lerngruppe<br />

Dieses Kapitel wurde aus Gründen der Vertraulichkeit nicht in das Internet aufgenommen.<br />

1.2. Institutionelle Voraussetzungen<br />

Dieses Kapitel wurde aus Gründen der Vertraulichkeit nicht in das Internet aufgenommen.<br />

2. Didaktische Begründungen zum Unterrichtsgegenstand auf Grundlage der<br />

theoretischen Überlegungen<br />

2.1. Die Einordnung des Themas in die übergeordnete Planung<br />

Zu Beginn des Unterrichtshalbjahres haben sich die Schüler in einer Unterrichtssequenz<br />

mit dem Prozeß der Industrialisierung in Großbritannien auseinandergesetzt.<br />

Darin wurden grundsätzlich politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />

Voraussetzungen und Auswirkungen der Industrialisierung in England an ausgesuchten<br />

Beispielen herausgearbeitet und vertieft. Diese Unterrichtsreihe ordnet<br />

sich gleichwie die regionalgeschichtliche Sequenz nach den Richtlinien für Geschichte<br />

in der Sekundarstufe II. in den verbindlichen Gegenstandsbereich D "Die<br />

Industrielle Revolution. Staat, Wirtschaft, Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung"<br />

ein. 151 Hierin erschien es zunächst notwendig, dem Übergang von der<br />

traditionell agrarisch bestimmten Gesellschaft zur modernen bzw. industriellen<br />

Gesellschaft nachzuspüren, indem die Schüler grundlegende Ursachen für eine solche<br />

Entwicklung auf Basis ihres Vorwissens nannten. 152 Weiterhin fand im Unterricht<br />

eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Revolution auf Grundlage mehrerer<br />

Defintionsversuche anerkannter Historiker statt, um letztlich Gemeinsamkeiten<br />

und Unterschiede der verschiedenen Annäherungen aufzufinden und diese<br />

kritisch zu würdigen. In einer weiteren Unterrichtstunde wurde den Schülern das<br />

sogenannte Transmissionsmodell vorgestellt. Mit Hilfe eines Schaubildes sollten<br />

die Schüler in der Veränderung von der Handarbeit auf dem Feld über den Mähbinder<br />

bis zur Dreschmaschine mit Dampfbetrieb das wesentlich Neue an der Industrialisierung<br />

erkennen und benennen. In einem Perspektivenwechsel lenkte ich<br />

daraufhin das Augenmerk auf das Problem der Bevölkerungsexplosion im 19. Jahrhundert<br />

in der westlichen Welt und die damit verbundenen Ursachen und Folgen,<br />

um gleichzeitig zu fragen, ob die Industrialisierung in diesem Kontext ein Lösungsansatz<br />

sein könne. 153 Aber auch Möglichkeiten und Gefahren der Energiewirt-<br />

151<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 35.45.77f.<br />

152<br />

Vgl. Richtlinien Sek. I., 97-102.<br />

153<br />

Vgl. J. Kocka, B. Mütter, Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Quellen-<br />

und Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II., München 1980, S. 88-94 (künftig zitiert: Kocka<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

schaft am Beispiel der Kohle- und Eisenerzvorkommen fanden Eingang in die unterrichtliche<br />

Auseinandersetzung, um zudem den Zusammenhang zwischen der Kohleförderung<br />

und der Eisenproduktion in England aufzudecken und diesen als Indikator<br />

für den Industrialisierungsgrad im 18. und 19. Jahrhundert sowie frühen 20.<br />

Jahrhundert nachzuvollziehen. In diesem Kontext wurde die problematische Lage<br />

der Arbeitnehmer gerade in den Kohlefördergebieten ausführlicher bearbeitet.<br />

Daraufhin beleuchteten die Schüler die Baumwollindustrie in England näher. In<br />

Verbindung mit der Bevölkerungsentwicklung schien sich die maschinelle bzw. industrielle<br />

Entfaltung zu beschleunigen. In einem abschließenden Schritt wurde dann<br />

versucht, die Rolle der englischen Politik am Beispiel der Wirtschaftspolitik zu<br />

verdeutlichen. Mit Hilfe von Aussagen verschiedener Autoren wurde gefragt, ob<br />

diese sich eher einem laissez faire hingab oder aktive Wirtschaftspolitik betrieb.<br />

154<br />

Um den Übergang zur regionalgeschichtlichen Unterrichtsreihe zu erleichtern,<br />

wurde zunächst kurz auf die Rückständigkeit der deutschen Entwicklung bezüglich<br />

der Industrialisierung eingegangen. Die industriellen und politisch-sozialen Veränderungen<br />

konnten sich hier trotz eines aufgeklärten Absolutismus nur langsam<br />

durchsetzen. Deutschland blieb vorerst noch ein landwirtschaftlich strukturierter<br />

Ständestaat, der nur zögernd die Neuerungen der anderen europäischen Staaten<br />

verinnerlichte. Gerade der deutsche Partikularismus, der Merkantilismus und die<br />

vorhandene Ständegesellschaft bremsten in massivem Maße die industrielle Entwicklung.<br />

155<br />

In diesen Zusammenhang soll die Unterrichtssequenz zur Industrialisierung in Gütersloh<br />

eingebettet werden, um darauf auf die Soziale Frage in Deutschland näher<br />

einzugehen. Um hier wiederum einen möglichst guten und bruchlosen unterrichtlichen<br />

Übergang zu schaffen, wird es auch schon aufgrund der strukturellen Interdependenz<br />

von allgemeiner und regionaler Geschichte am Ende der thematischen<br />

Reihe notwendig sein, eventuelle soziale Probleme innerhalb der Gütersloher Industriearbeiterschaft<br />

aufzuspüren. 156<br />

In der weiteren Planung muß die Entstehung und das Wesen der Sozialen Frage in<br />

Deutschland besondere Berücksichtigung finden. 157 So sollte die Darstellung der<br />

teilweise katastrophalen Zustände weiter Teile der Bevölkerung und die damit<br />

u.a., Industrialisierung).<br />

154<br />

Vgl. A. Egner u.a., Revolutionen und Reformen. Freiheit, Nationale Einheit, Soziale Gerechtigkeit,<br />

Hannover 1984, S. 95-107; vgl. H.-U. Blumenthal, M. Schlenker, Stundenblätter Industrielle Revolution<br />

und Soziale Frage. Sekundarstufe II., Stuttgart 5. Aufl. 1986, S. 22-41 (künftig zitiert: Blumenthal<br />

u.a., Revolution).<br />

155<br />

Vgl. Henning, Industrialisierung, S. 15-36; vgl. Blumenthal, Revolution, S. 41-46; vgl. W. Abelshauser,<br />

Die deutsche Industrielle Revolution, in: H.-U. Wehler, Scheidewege der deutschen Geschichte.<br />

Von der Reformation bis zur Wende 1517-1989, München 1995, S. 103-115.<br />

156<br />

Vgl. hierzu Kap. A.1.3.<br />

157 Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 35.45.77.78.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

verbundenen gesellschaftlichen Auswirkungen ein Schwerpunkt der unterrichtlichen<br />

Auseinandersetzung und Problematisierung bilden. Auf dieser Grundlage können<br />

die Schüler erkennen, daß die politische Machtlosigkeit der Menschen mit ihrer<br />

Armut eng verbunden war. Hierin werden die Lebensumstände beziehungsweise<br />

die Lebenshaltung sowie die Entlohnung der Arbeitnehmer näher Eingang in den<br />

Unterricht finden. Darauf sollen zudem die Arbeitsbedingungen in dieser Zeit von<br />

den Schülern untersucht werden.<br />

Aus diesem angedeuteten Konfliktfeld entstehen somit notwendigerweise Lösungsansätze.<br />

In einem weiteren Schwerpunkt sollen dann die verschiedenen Anstrengungen<br />

unterrichtlich behandelt werden, die die aus der Armut und Stellung der<br />

Menschen entstandenden Probleme zu lösen versuchten. Dabei wird zunächst die<br />

Auswanderung besonders nach Amerika ein unterrichtlicher Gegenstand sein. Dann<br />

sollen weiterhin exemplarisch Lösungsversuche seitens der Unternehmer Alfred<br />

Krupp und Carl Ferdinand Stumm sowie Anregungen katholischer wie evangelischer<br />

Autoren aufgezeigt an den Ausführungen von Friedrich von Bodelschwingh, Adolf<br />

Stöcker und Adolph Kolping sowie Georg Frhr. von Hertling den Schülern nahegebracht<br />

werden. Aber auch die staatliche Sozialpolitik muß Eingang in die Untersuchung<br />

finden. 158<br />

2.2. Die Notwendigkeit der didaktischen Reduktion und Schwerpunktsetzung<br />

Auf Grundlage der theoretischen Vorüberlegungen zur Regionalgeschichte, zum<br />

neuen Medium Internet und zu den fachwissenschaftlichen Aspekten sowie der<br />

unterrichtlichen Voraussetzungen müssen nun didaktische Entscheidungen und<br />

Schwerpunktsetzungen hinsichtlich der Unterrichtsreihe getroffen werden.<br />

Wie kann man also ein regionalgeschichtliches Thema, das nur wenig wissenschaftlich<br />

erforscht ist, sinnvoll mit dem Medium Internet in Verbindung bringen, damit<br />

ein wirklicher Lernfortschritt bei den Schülern zu erkennen ist?<br />

Die schwierige Literaturlage macht es eigentlich notwendig, ein besonderes Augenmerk<br />

auf die Archivarbeit zu lenken, um somit wesentliche Quellen und Darstellungen<br />

für die Durchführung gangbar zu machen. Alle einschlägigen Informationen<br />

zur Industrialisierung sind weitgehend entweder im Stadtmuseum oder im<br />

Stadtarchiv vorhanden. In diesem Zusammenhang scheint sich eine Archivarbeit<br />

im Rahmen der Unterrichtsreihe anzubieten, ja geradezu unumgänglich zu sein.<br />

Allerdings liegt aufgrund der Aufgabenstellung der Schwerpunkt eher in der thematischen<br />

Auseinandersetzung und der adäquaten Nutzung des Internets und<br />

158 Vgl. T. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918. Band I. Arbeitswelt und Bürgergeist, München<br />

3. Aufl. 1993, S. 335-373 (künftig zitiert: Nipperdey, Arbeitswelt); vgl. W.W. Mickel u.a., Geschichte,<br />

Politik und Gesellschaft. Lern- und Arbeitsbuch für Geschichte in der gymnasialen Oberstufe.<br />

Band 1: Von der Französischen Revolution bis zum Ende des 2. Weltkrieges, Frankfurt a. Main<br />

2. Aufl. 1988, S. 229-238; vgl. Kocka u.a., Industrialisierung, S. 199-217.239-243; vgl. Blumenthal<br />

u.a., Revolution, S. 60-67.89-99; vgl. Henning, Industrialisierung, S. 268-275.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

nicht so sehr in der eigentlichen Arbeit im Archiv. Folglich müssen bereits hier für<br />

die Planung notwendige Entscheidungen getroffen werden. Um die Schüler nicht<br />

unnötig zu überfordern, habe ich mich in einem ersten Schritt entschlossen, zunächst<br />

selbst alle für den Unterricht bedeutsamen Quellen aufzusuchen, zu ordnen<br />

und nach Bedarf zu transkribieren. Im Sinne der Wissenschaftspropädeutik<br />

habe ich mich nach Absprache mit meinem Mentor und dem Stadtarchivar Stephan<br />

Grimm aber entschieden, doch eine Verbindung zwischen der Reihe und der Arbeit<br />

im Archiv herzustellen, indem parallel zur eigentlichen Unterrichtsreihe drei zweistündige<br />

Veranstaltungen am Nachmittag stattfinden, die es den Schülern ohne<br />

unterrichtlichen Zwang ermöglichen, Quellen und Schriften der Industrialisierungszeit<br />

zumindest in allgemeiner Form kennenzulernen und somit ein Gespür für<br />

lokalgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungen zu erhalten. Dabei kann es<br />

sicherlich nur um elementare Zugangsweisen gehen, da es zum Beispiel vielen Schülern<br />

nur schwer möglich ist, die deutsche Schreibschrift des 19. Jahrhunderts zu<br />

entziffern. Somit sollen mit Hilfe des Stadtarchivars einfache Leseübungen gemacht<br />

werden, um einen anderen Zugang zum historischen Gegenstand zu erhalten,<br />

den der Schulunterricht vielfach nicht leisten kann. Mit dieser Maßnahme erhalten<br />

die Schüler weiterhin die Anleitung, wie man bei einer Materialsuche vorgehen muß<br />

und was man im Archiv zu welchen regionalgeschichtlichen Themen findet. Diese<br />

Übung macht deswegen ihren Sinn, da als Hausaufgabe zum Beispiel eine Suche<br />

nach Bildern oder Texten im Stadtarchiv gestartet werden kann. 159 Außerdem<br />

können einzelne im Unterricht bearbeitete und transkribierte Quellen vertiefend<br />

im Original aufgesucht und nach Bedarf von den Schülern gelesen werden. Darüber<br />

hinaus ordnet sich die Reihe somit strukturell sehr klar in den Lebensvollzug der<br />

Schüler ein. Der Lernort Archiv gerät in Zusammenhang mit der<br />

regionalgeschichtlichen Sequenz in positivem Sinne in den Gesichtskreis der<br />

Schüler. Dabei werden mögliche Hemmschwellen gesenkt und der Horizont für<br />

spätere Arbeiten im Archiv geöffnet. Dieser gewählte Zugang scheint in<br />

gebotenem Maße sowohl die Motivationsbereitschaft der Schüler als auch die<br />

vorgezeichnete Schwerpunktverbindung von Thematik und Medium zu berücksichtigen.<br />

Bevor nun weitere Verwendungsmöglichkeiten bezüglich des Mediums Internet in<br />

Verbindung mit der Reihe geklärt werden, besteht die Notwendigkeit, die regionalgeschichtliche<br />

Sequenz in ihren Schwerpunkten festzulegen, da daraus weitere<br />

Einschränkungen bezüglich des Netzeinsatzes erwachsen.<br />

Im Vorfeld der Erarbeitung industrieller Bereiche in Gütersloh erscheint es wichtig,<br />

zunächst Aspekte der vorindustriellen Zeit in der Region näher in das Blickfeld<br />

der Betrachtung zu ziehen, um somit den paradigmatischen Wandel deutlich<br />

159 Stadtarchivar Grimm hat bereitwillig sein Archiv für den gesamten Kurs geöffnet; Vgl.hierzu<br />

auch R. Link, Geschichtsunterricht und Archiv. Möglichkeiten und Grenzen der Betreuung von Schülern<br />

bei der Arbeit mit Archivmaterialien, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 15 (1987) 1-2,<br />

102-107.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

werden zu lassen. Gerade die fachwissenschaftliche Auseinandersetzung zeigte,<br />

daß die politische Eingliederung in die Provinz Westfalen wesentliche Impulse für<br />

eine stetige Entwicklung brachte. Aber auch durch die Erhellung der besonderen<br />

wirtschaftlichen Situation im Raum zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden wichtige<br />

Gründe für den spezifischen Verlauf der Industrialisierung innerhalb einzelner<br />

Sektoren deutlich, so daß ebenso diese Gesichtspunkte Eingang in die Reihe finden<br />

sollten. In diesem Zusammenhang erleichtern einige Sekundärtexte die Arbeit in<br />

der Schule. Somit kann zu Beginn der Unterrichtsreihe eine regionale Orientierung<br />

stattfinden, die es dem Schüler ermöglicht, eigene historische Einordnungen vorzunehmen.<br />

Weiterhin erwies die Sachanalyse hinsichtlich der Infrastruktur bzw. des Verkehrssektors,<br />

daß der Chaussee-Bau, die Postwege sowie die Eisenbahn wesentlich<br />

dazu beitrugen, Gütersloh sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht<br />

wachsen zu lassen. Allerdings fanden der regionale Straßenbau und der Ausbau<br />

der Postwege nur bedingt Eingang in die Quellen und die weitere wissenschaftliche<br />

Forschung, so daß hier nicht genügend Material zur schulischen Arbeit aufzufinden<br />

war. Die Stadtchronik, einzelne Aufzeichnungen und einige heimatgeschichtliche<br />

Darstellungen haben sich eher mit der Einführung und Entwicklung<br />

der Eisenbahn in der Region beschäftigt, so daß hier eine gute materielle Ausgangslage<br />

zur Erarbeitung gegeben ist. Hinter diesen Quellen offenbarten sich<br />

sehr stark neben dem institutionellen Rahmen ebenso persönliche Handlungsspielräume.<br />

Die Schüler erkennen gerade in diesem Zusammenhang, daß Personen oder<br />

einzelne Gruppen immer wieder geschichtliche Entwicklungen in hohem Maße lenken<br />

können. 160 Besonders im Zusammenhang von Gütersloh scheint diese Tatsache<br />

erwähnenswert, denn offenbar haben hier wenige einflußreiche Kreise den Bau der<br />

Eisenbahn massiv beeinflußt. Darüber hinaus zeigt sich am Beispiel des Eisenbahnbaus<br />

sowohl regional als auch überregional in anschaulicher Weise die Verbindung<br />

von wirtschaftlicher Entwicklung durch die Industrialisierung und die sprtnghafte<br />

Aufwärtsentwicklung des Verkehrssektors. Durch die enormen Produktionszuwächse<br />

wurde der Verkehrssektor verstärkt angeregt, die Eisenbahn verbesserte<br />

die Absatzchancen der Firmen. 161 Somit kann bei der Betrachtung des Eisenbahnwesens<br />

gleichzeitig die strukturelle Interdependenz zwischen Regionalgeschichte<br />

und allgemeiner Geschichte exemplarisch aufgezeigt werden. Darüber hinaus<br />

scheint sich die Eisenbahn stärker im heutigen Erfahrungshorizont der Schüler zu<br />

befinden als das Postwesen oder der Chaussee-Bau, so daß die hohe Bedeutung<br />

dieses Verkehrsmittels in der Vergangenheit auch heute noch in besonderem Maße<br />

nachvollziehbar erscheint. Weiterhin liegen mehrere Bilder hinsichtlich der Eisenbahn<br />

in Gütersloh im Stadtarchiv vor, so daß nicht nur auf schriftliche Quellen<br />

zurückgegriffen werden muß. Gerade der visuelle Bereich trägt hier zu einer wei-<br />

160<br />

Vgl. Kap. A.1.4.<br />

161<br />

Vgl. Henning, Industrialisierung, S. 159.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

teren Motivation der Schüler bei.<br />

Bereits in den theoretischen Vorüberlegungen zeigte sich, daß schon dort die<br />

Holzindustrie, die Fleischwarenverarbeitung und die Metallwaren- und Elektroindustrie<br />

keine Berücksichtigung fanden, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu<br />

sprengen. Darüber hinaus ergaben Gespräche mit Stadtarchivar Grimm und die<br />

Arbeit im Archiv, daß gerade zu diesen Themenbereichen nur sehr wenig Material<br />

auffindbar war, um es sinnvoll didaktisch und methodisch aufzubereiten. Zudem<br />

haben viele Firmen keine geeigneten Aufbewahrungsorte geschaffen, so daß auch<br />

dort eine ergiebige Recherche nicht stattfinden konnte. Vielfach war schon im<br />

Vorfeld kein Zugang zu den einschlägigen Quellen seitens der Firmenleitung möglich.<br />

Auch die relativ spät einsetzende Industrialisierung in diesen Bereichen im<br />

Raum Gütersloh führte zu der Entscheidung, diese industriellen Sektoren in der<br />

Unterrichtsreihe nicht weiter zu berücksichtigen. Dennoch muß konstatiert werden,<br />

daß hier in Zukunft weitere wissenschaftliche Arbeit geleistet werden muß,<br />

um später diese Bereiche für die Schule zu verwenden. Nahtlos könnte hier das<br />

Internet diese Arbeitsergebnisse mit denen bereits stattgefundender Sequenzen<br />

verbinden.<br />

Somit sollen die Textilindustrie und das graphische Gewerbe im Mittelpunkt der<br />

Unterrichtssequenz zur Industrialisierung in Gütersloh stehen.<br />

Die Bearbeitung der Entwicklung des textilen Gewerbes in Gütersloh erscheint aus<br />

mehreren Gründen sinnvoll und notwendig: Die Auseinandersetzung ermöglicht dem<br />

Schüler eine Zuordnung zum übergeordneten historischen Rahmen. Obwohl der<br />

Textilbereich in Deutschland sich nicht einheitlich entwickelt hat, so zeigen sich<br />

doch immer wieder viele wichtige Parallelen und strukturelle Gemeinsamkeiten. An<br />

diesem Beispiel kann der industrielle Entwicklungsprozeß sehr anschaulich und<br />

handgreiflich gemacht werden. Darüber hinaus bietet die Arbeit in diesem Sektor<br />

die Möglichkeit der Verbindung mit der vorherigen Unterrichtssequenz über die<br />

Industrialisierung in England, so daß die Schüler ihr bereits vorhandenes Wissen in<br />

die Reihe einbringen können. Das Textilgewerbe war der wichtigste nichtlandwirtschaftliche<br />

Produktbereich der Vorindustrialisierung. In Britannien wurde die erste<br />

Phase der Industrialisierung hauptsächlich von der Textilherstellung getragen.<br />

Nicht zuletzt wurde dieser Bereich als "leading sector" bezeichnet. Aus der Sachanalyse<br />

ergibt sich darüber hinaus, daß in Ostwestfalen und somit auch im Raum<br />

Gütersloh die Verarbeitung von Stoffen einen hohen wirtschaftlichen Stellenwert<br />

sowohl in der vorindustriellen Phase als auch zur Zeit der Industrialisierung eingenommen<br />

hat. In repräsentativer Weise können die Schüler somit am Beispiel der<br />

Textilentwicklung das Wesen der Industrialisierung erkennen und nachvollziehen.<br />

Exemplarisch wird hier die Wandlung innerhalb eines Gewerbezweiges aufgezeigt.<br />

Somit kann dem Schüler elementar ermöglicht werden, Entwicklungsstrukturen<br />

auch auf andere Gebiete zu übertragen. Gleichzeitig werden sie gewahr, daß der<br />

Aufstieg der Stadt Gütersloh wesentlich mit der ökonomisch aufstrebenden<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Stoffindustrie zusammenhängt. Allerdings fordert der organisatorische Rahmen<br />

hier einige weitere wesentliche Reduktionen und Schwerpunktsetzungen. Im Sinne<br />

der exemplarischen Vorgehensweise soll am Beispiel der Entwicklung der Firma<br />

Gebr. Bartels die Industrialisierungsphase in diesem Sektor den Schülern nahegebracht<br />

werden. Besonders diese Firma begegnet dem Schüler heute noch als Industriebau<br />

im Gütersloher Stadtbild. Zudem war die Familie Bartels stets bemüht,<br />

historische Materialien zu ordnen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so<br />

daß hier glücklicherweise einige ergiebige Texte vorliegen, die didaktisch aufbereitet<br />

werden können. So ist zum Beispiel die Festschrift ein beredtes Beispiel<br />

dafür. Leider konnte in diesem Zusammenhang noch nicht der jüngst dem Stadtarchiv<br />

überlassene Nachlaß der an dem Unternehmen beteiligten Familien Eingang in<br />

die Arbeit finden, da dieser noch ungeordnet auf Bearbeitung wartet. Eine Einbindung<br />

war in dieser Sequenz angesichts des Prinzips der Arbeitsökonomie nicht<br />

möglich. Neben dem Aufstieg der Firma Bartels soll auch die Problematik der Arbeit<br />

in einer Fabrik deutlich gemacht werden. Wenn auch gravierende Schwierigkeiten,<br />

gar Streiks, nicht in Gütersloh vorkamen, so zeigt die Arbeitsordnung<br />

der Gütersloher Bandweberei Güth & Wolf sehr deutlich die disziplinarische Vorgehensweise<br />

seitens der Unternehmer, die vermuten läßt, daß ohne solche restriktiven<br />

Regelungen ein geordneter Arbeitsablauf nicht machbar gewesen wäre. Die<br />

Arbeitsordnung war eine der wenigen Quellen, die im Stadtarchiv zu diesem Thema<br />

auffindbar waren. Leider ist zu beobachten, daß in der Vergangenheit solche<br />

Materialien nicht von den Firmen aufbewahrt oder diese im Ersten oder Zweiten<br />

Weltkrieg zerstört wurden.<br />

Neben der Textilindustrie soll ein zweiter für die Region wichtiger Industriezweig<br />

näher in den Blickpunkt der unterrichtlichen Untersuchung rücken. Das graphische<br />

Gewerbe steht repräsentativ für die eigenständige Entwicklung innerhalb der regionalen<br />

Industrialisierung. Dieser lokalgeschichtlich enorm wichtige und relevante<br />

Sektor hat in vielfacher Hinsicht die Stadt und die Gesellschaft bis heute<br />

beeinflußt. Das Unternehmen Bertelsmann beispielsweise garantiert in Gütersloh<br />

tausende von Arbeitsplätzen. Einige Schüler sind durch ihre Eltern mit der Firma<br />

verbunden, so daß hier ein nicht zu unterschätzender Lebensbezug von Geschichte<br />

im Unterricht hergestellt wird. Aus diesem Grunde wurde die Beschäftigung mit<br />

der Entwicklung dieser Firma von der Steindruckerei zu einem florierenden Kleinunternehmen<br />

für den Unterricht ausgewählt. Darüber hinaus zeigte sich das Unternehmen<br />

in der Recherche von historischem Material weitgehend kooperativ. In<br />

Verbindung mit dem Stadtarchiv konnten somit geeignete, didaktisch aufbereitete<br />

Unterlagen den Schülern zur Verfügung gestellt werden. In dieser Firma kann der<br />

Übergang von der Handpresse zur Schnelldruckpresse sehr klar aufgezeigt werden.<br />

Weiterhin sollen Möglichkeiten und Risiken einer Expansion den Schülern dargestellt<br />

werden. Briefe zwischen Carl Bertelsmann, dem Gründer, und seinem Sohn<br />

verdeutlichen auch die ökonomischen Schwierigkeiten und Bedenken innerhalb der<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 45


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Industrialisierung. Ähnlich wie bei der Behandlung des Eisenbahnbaus kann auch<br />

hier wieder der persönliche Bereich Eingang in die Arbeit der Schüler finden. Es<br />

zeigt sich sehr anschaulich am Beispiel des C. Bertelsmann Verlages, daß persönliches<br />

Handeln und Engagement das Wachstum der Firma wesentlich vorantrieb. Um<br />

die Verbindung zum Themenkreis der Sozialen Frage im Anschluß an diese Unterrichtssequenz<br />

zu erleichtern, wurde weiter ein Exkurs geplant, der die soziale<br />

Vorsorge der Arbeitnehmer im Bertelsmann-Betrieb anspricht.<br />

Sicherlich erscheint diese massive Beschränkung auf zwei Bereiche der Industrialisierung<br />

zunächst als sehr restriktiv. Diese Reduktion ist aber schon deswegen<br />

notwendig, da zusätzlich eine sinnvolle Einbettung des Internets in die Reihe von<br />

seiten der Aufgabenstellung impliziert wird. Die regionalgeschichtlich orientierte<br />

Sequenz läßt das Medium Internet zur Beschaffung von Informationen weitgehend<br />

nicht zu, da keine Internetseiten zu diesem Thema im WWW vorhanden sind. Lediglich<br />

die Firmen Bertelsmann und Miele & Cie. bieten Produktseiten an, die aber<br />

im Hinblick auf die Aufgabenstellung keine Relevanz besitzen. Trotzdem kann die<br />

bereits im Theorieteil angesprochene e-mail-Funktion angewandt werden, um mit<br />

ihrer Hilfe weitere Auskünfte zum Thema von der Firma Bertelsmann zu erhalten.<br />

In einer Einführungsstunde zum Internet könnte das Schreiben einer e-mail in den<br />

Unterricht einfließen. Somit erhalten die Schüler einen ersten guten Einblick über<br />

die weiteren Nutzungsmöglichkeiten des neuen Mediums. Die beschränkte Verwendbarkeit<br />

des Netzes aufgrund der lokalgeschichtlichen Ausrichtung läßt letztlich<br />

nur die Entscheidung zu, selbst im Unterricht eine website zu dem betreffenden<br />

Themenbereich zu erstellen. Sicherlich könnte sofort ein Projekt gestartet<br />

werden, in dem die Schüler selbst das Material sichten und aufbereiten, um dann<br />

produktorientiert diese Internetseite zu gestalten. Aufgrund der bereits dargelegten<br />

schwierigen Literatur- und Forschungslage sowie der mangelnden didaktischen<br />

Aufbereitung erschien mir ein sofortiges Projekt aber als nicht sinnvoll und<br />

für den Lernfortschritt wenig effektiv. Zusätzlich muß konstatiert werden, daß<br />

nur eine sorgfältige inhaltliche Arbeit Grundlage für eine ansprechende und für<br />

weite Kreise informative Internetseite sein kann. Nur wer sich mit vielen Aspekten<br />

und Sichtweisen auseinandergesetzt hat, kann ausgewogen ein Produkt erstellen.<br />

Zusätzlich hätte ein sofortiges Projekt die Schüler überfordert, so daß ich<br />

mich entschlossen habe, erst eine "normale" Unterrichtsreihe zu gestalten, die in<br />

eine Projekt- und Präsentationsphase mündet, die vertiefend auf den unterrichtlichen<br />

Stoff eingeht und als Ergebnis eine website der Öffentlichkeit vorstellt. Zusätzlich<br />

läßt eine spätere Projektphase Zeit zur Lösung der technischen Unwägbarkeiten.<br />

Hierin sollen dann in verschiedenen Redaktionen parallel zur Schwerpunktsetzung<br />

die Themenbereiche politische Entwicklung nach 1815, Eisenbahn,<br />

Gebr. Bartels und Bertelsmann für das Internet aufbereitet werden. Anders als<br />

bei der Erstellung eines Readers, der in der Regel einen unproblematischen Fließtext<br />

enthält, müssen in dieser Phase weitere Schwierigkeiten bezüglich des Inter-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

nets überwunden werden, die aber bei einer Lösung zu einer erhöhten Medienkompetenz<br />

der Schüler führen kann. Somit sollen in einer Endredaktion, die aus Mitgliedern<br />

der vorher genannten Redaktionen besteht, die Resultate technisch umgesetzt<br />

werden. In einer untrennbaren Verbindung von didaktischen und methodischen<br />

Überlegungen werden dann hier endgültig ausgehend von einer Startseite<br />

die Ergebnisse in einen Darstellungsteil, den Bildbereich und die Quellenseiten übertragen<br />

und mit sogenannten hyperlinks (Querverweisen) versehen. 162 Die fertige<br />

Internetseite soll dann nach Absprache mit der Informatik und der Schulleitung<br />

auf einem dafür bereitgestellten Server der Universität Bielefeld der Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht werden. Da die in der Projektphase angestrebte<br />

Internetseite die erste der Schule sein wird und noch keine einschlägigen Erfahrungen<br />

diesbezüglich vorherrschen sowie bereits angesprochene technische Probleme<br />

aufgetaucht sind, wird es während der Projektphase unbedingte Aufgabe<br />

sein, diese Schwierigkeiten zu beseitigen und die Internetseite bis zum Abgabetermin<br />

der Arbeit rechtzeitig auf dem Server zu plazieren.<br />

2.3. Lernziele der Unterrichtsreihe<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen im Verlauf der Unterrichtsreihe in exemplarischer<br />

Weise auf der Grundlage eines lokalgeschichtlichen Ansatzes Einblicke in<br />

die Industrialisierung im Raum Gütersloh im 19. Jahrhundert unter besonderer<br />

Berücksichtigung des elektronischen Mediums Internet erhalten und diese kritisch<br />

hinterfragen, indem sie<br />

• zunächst unter fachkundiger Anleitung das neue Medium Internet erkunden.<br />

• dabei die technischen Voraussetzungen in der Schule kennenlernen.<br />

• grundlegende Anwendungsbereiche des Internets entdecken und miteinander<br />

erproben.<br />

• auf die Chancen und Risiken des WorldWideWeb (WWW) aufmerksam werden<br />

und diese selbständig einschätzen.<br />

• auf freiwilliger Basis parallel zur Reihe mit Hilfe des Stadtarchivars auf unterrichtsrelevante<br />

Quellen, Texte und Bilder aufmerksam werden und diese<br />

für den Unterricht unter Berücksichtigung des Prinzips der Wissenschaftspropädeutik<br />

erforschen.<br />

• mit Hilfe kleinerer Leseübungen eine Nähe zum historischen Gegenstand<br />

herstellen.<br />

• angeregt durch einen anderen, neuartigen Lernort weitere, vertiefende Zugangsweisen<br />

bezüglich der Thematik erfahren.<br />

• bei dieser Archivarbeit ihre Methodenkompetenz und Kommunikationsfähigkeit<br />

erweitern und schulen.<br />

162 Im Methodenteil soll noch einmal kurz darauf eingegangen werden.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

• die im Jahr 1815 vollzogenen Neuordnungen in Europa und somit auch in<br />

Preußen herausarbeiten und erkennen, daß in wesentlichem Maße diese Neuorientierung<br />

zur wirtschaftlichen und politischen Entfaltung Güterslohs im<br />

Verlauf des 19. Jahrhunderts beigetragen hat.<br />

• die neue preußische Verwaltungsstruktur und Organisation als ein Basiselement<br />

für eine solche Veränderung herausstellen und begutachten.<br />

• den von Berlin initiierten Ausbau der Infrastruktur, der besonders die Entwicklung<br />

der Verkehrswege, der Post, der Köln-Mindener-Eisenbahn und des<br />

Gewerbes umfaßte beziehungsweise beeinflußte, als grundsätzliches wegbereitendes<br />

Element für die ökonomische und mithin industrielle Entfaltung in<br />

Gütersloh und im regionalen Raum beschreiben und hinterfragen.<br />

• in diesem Zusammenhang die spezifische Situation in Gütersloh hinsichtlich<br />

der Flachsspinnerei, des Handels, des Fuhrmannswesens und der Branntweinbrennerei<br />

vertiefend darstellen und mögliche Gründe für den Aufstieg<br />

und den Niedergang ganzer Gewerbezweige aufzeigen und darauf aufbauend<br />

stichhaltige Hypothesen für einen solchen Wandel bilden und begründen.<br />

• die spezifische Entwicklung der Eisenbahn in Ostwestfalen und die damit<br />

verbundenen Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse in der Gütersloher Umgebung seit den 1830er Jahren mit Hilfe<br />

mehrerer ausgesuchter Quellen selbständig skizzieren und im Dialog miteinander<br />

beurteilen.<br />

• darin die Gedanken der Gütersloher zur Eisenbahn im Jahre 1830 gerade im<br />

Hinblick auf das florierende Fuhrmannswesen herausarbeiten und hinsichtlich<br />

der Zukunft kritisch beleuchten.<br />

• die verschiedenen Planungen für die Köln-Mindener-Eisenbahn in diesem Gebiet<br />

und die Varianten für die Streckenführung beschreiben und auf ihre<br />

Erfolgsaussichten sondieren.<br />

• in diesem Zusammenhang in vertiefender Weise Argumentationen Gütersloher<br />

Bürger aus dem Jahr 1841 bezüglich des Eisenbahnbaus darstellen und<br />

auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen.<br />

• auf Basis der vorherigen Ausführungen in einem Streitgespräch die verschiedenen<br />

Gesichtspunkte für und gegen die Einführung der Eisenbahn in<br />

Gütersloh und ihre Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft und das gesellschaftliche<br />

Leben zusammenfassend erläutern und in schlüssiger Form<br />

begründen.<br />

• dabei ihre methodischen Fähigkeiten und ihr Verantwortungsbewußtsein<br />

innerhalb des Kurses ausbauen und festigen.<br />

• am Beispiel der Entwicklung der Textilindustrie in Gütersloh den industriellen<br />

Wandel nachzeichnen und weitere Konsequenzen für die Menschen und<br />

die Stadt auffinden und unter Berücksichtigung mehrerer Perspektiven bewerten.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

• die protoindustrielle Produktionsweise in diesem Gewerbezweig erläutern.<br />

• den allmählichen Wandel ausgehend vom Tuchhandel und Verlagswesen beschreiben<br />

und mögliche Folgen hinsichtlich der Produktion und Mitarbeiterzahl<br />

skizzieren und beurteilen.<br />

• dabei sowohl regionale Rahmenbedingungen als auch äußere Faktoren in angemessener<br />

Weise in die Überlegungen einbeziehen beziehungsweise berücksichtigen.<br />

• die Veränderungen des gesellschaftlichen und familiären Lebens durch die<br />

industrielle Arbeit mit Hilfe einer Arbeitsordnung aus dem Jahr 1892 herausstellen.<br />

• die Konsequenzen der industriellen Arbeitsweise für die Betroffenen hinterfragen.<br />

• dabei die vielfältigen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

beschreiben und sich ein Urteil darüber bilden.<br />

• die spezifische Entfaltung des graphischen Gewerbes am Beispiel des Buchdruckunternehmens<br />

von Carl Bertelsmann schildern und diesen Bereich als<br />

einen regional besonders wichtigen Industriezweig erkennen.<br />

• die Biographie des Firmengründers und den Beginn der Steindruckerei in<br />

Gütersloh erläutern und hierin einen Grundstein für ein florierendes Unternehmen<br />

bis in das 20. Jahrhundert hinein erkennen.<br />

• unter Bezugnahme ausgewählter Briefe zwischen dem Gründer Carl Bertelsmann<br />

und seinem Sohn Heinrich Möglichkeiten und Risiken einer Expansion<br />

schildern und einschätzen.<br />

• vertiefend die soziale Vorsorge für die Arbeiter am Beispiel des Statuts<br />

der Invaliden- und Altersversorgungskasse von 1887 als den Beginn der<br />

Rentenversicherung im Gütersloher Raum skizzieren und diesen Sachverhalt<br />

in einem größeren Zusammenhang bewerten.<br />

• dabei sich der Interdependenz zwischen lokalgeschichtlichen und allgemeingeschichtlichen<br />

Sachstrukturen bewußt werden und diese im Unterrichtsgespräch<br />

hinterfragen.<br />

• auf Basis der erarbeiteten historischen Inhalte in vier Kleingruppen in einer<br />

Projekt- und Präsentationsphase unter Mithilfe einer technischen Redaktion<br />

einzelne Internetseiten gemeinsam entwickeln, diese sinnvoll strukturieren<br />

und miteinander verbinden sowie beurteilen.<br />

• dabei in fächerverbindendem Sinne mit dem Fach Informatik<br />

zusammenarbeiten.<br />

• zusätzlich eine homepage des Leistungskurses und eine vorläufige Startseite<br />

der Schule selbständig herstellen.<br />

• nach der kritischen Endkorrektur das Gesamtergebnis soweit vorbereiten,<br />

so daß es auf den Server der Universität übertragen werden kann.<br />

• ihre Arbeit der Schulöffentlichkeit vorstellen und in ihrer Struktur Inte-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

ressenten in angemessener Form verständlich erklären.<br />

• auch nach der Unterrichtsreihe mit Kritik von außen souverän umgehen und<br />

mögliche Fehler in einem gemeinsamen Diskurs angemessen berichtigen.<br />

3. Methodische Begründungen zum Unterrichtsgegenstand auf Grundlage der<br />

theoretischen Überlegungen<br />

3.1. Vorbemerkung<br />

Das vorrangige Unterrichtsziel, Internetseiten zur Industrialisierung in Gütersloh<br />

im Rahmen der Produktphase herzustellen, erfordert einige entscheidende methodische<br />

Überlegungen und Entscheidungen sowohl für die Erarbeitungs- als auch für<br />

die Ergebnissicherungssequenz. Im folgenden Abschnitt sollen kurz schwerpunktmäßig<br />

diejenigen methodischen Überlegungen aufgezeigt werden, die einen hohen<br />

Stellenwert bei einer internetbezogenen Unterrichtsreihe einnehmen. Neben der<br />

im Geschichtsunterricht notwendigen Quellenarbeit 163 , auf die hier nicht weiter<br />

eingegangen werden soll, wird besonders die Relevanz von Bildern kurz skizziert.<br />

Aber auch die Hausaufgaben, die Protokollführung und eine besondere Form der<br />

Textauseinandersetzung sollen Eingang in die Erläuterung finden, da sie zur Ergebnissicherung<br />

innerhalb der Erarbeitung einen hohen Wert besitzen und als Arbeitsgrundlage<br />

für die Produktphase dienen. Darüber hinaus wird dem methodischen<br />

Rahmen des Streitgesprächs weitere Aufmerksamkeit zukommen, da dieses<br />

in einer Erarbeitungsphase einen methodischen Schwerpunkt einnimmt und zur unterrichtsimmanenten<br />

Vorbereitung auf die in der Redaktionsphase vorherrschenden<br />

Interaktionsformen dient. Zudem werden in kurzen Zügen beachtenswerte<br />

Aspekte der Projektarbeit skizziert, um in einem letzten Schritt konkret unter<br />

Berücksichtigung der theoretischen Vorüberlegungen auf weitere methodischen<br />

Aspekte bei der Erstellung einer Internetseite im Geschichtsunterricht einzugehen.<br />

3.2. Bilder<br />

Oftmals werden Bilder als sogenannte unterrichtliche Füllung oder zur Auflockerung<br />

des Unterrichts verwendet. Arbeitet man jedoch mit dem Internet, so<br />

kommt dem visuellen Element in diesem Kontext eine nicht zu unterschätzende<br />

Bedeutung zu. Im Netz verbindet man Texte und Bilder mit den bereits erwähnten<br />

Querverweisen. Bilder werden hier nicht ausschließlich als bloße Illustration eingespeist,<br />

sondern sind selbst oftmals wichtige Träger von Informationen. Damit die<br />

Schüler in der Lage sind, die visuellen Eindrücke mit den erarbeiteten Texten<br />

sinnvoll zu verbinden, ist es notwendig, neben der textlichen Erarbeitung im Sinne<br />

einer Quellenanalyse und -interpretation ein besonderes Augenmerk auf die bildliche<br />

Auseinandersetzung zu legen. Damit dieser Sachverhalt gelingt, müssen die<br />

163 Vgl. Kocka u.a., Industrialisierung, S. 31.32; vgl. Richtlinien Sek. II., S. 62-64.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Schüler mit einer kleinen Sehschule darauf vorbereitet werden, um geeignete Beziehungen<br />

herzustellen. Ein ausgesuchter Text zur Entstehung der Eisenbahn in<br />

Gütersloh wird nicht durch die bloße Auswahl irgendeines farbenfrohen Eisenbahnfotos<br />

anschaulich, sondern erst durch seine innere Beziehung zu einem adäquaten<br />

Bild, das zum Beispiel den Gütersloher Bahnhof zeigt.<br />

Somit muß immer wieder im Unterricht und an anderen Lernorten (z.B. im Archiv,<br />

in der Produktphase) eine systematische und methodische Bilderschließung vorgenommen<br />

werden, um den Blick der Schüler zu schärfen, ihre Sehgeduld zu stärken<br />

und das Verständnis für die Aussagekraft von Bildern zu vertiefen. 164 Nur so kann<br />

der Schüler in die Lage versetzt werden, Bild und Text vernünftig aufeinander zu<br />

beziehen.<br />

Nach einem ersten Einüben werden Schüler selbständig folgende Schritte anwenden:<br />

Zunächst sollte ohne jeglichen theoretischen Ballast die erste Wirkung des<br />

Bildes auf den einzelnen Schüler zugelassen werden. Spontane Äußerungen, ein anfänglicher<br />

Austausch über das Gesehene bilden den Anfang. In einem zweiten<br />

Schritt wird dann der Bildbestand und die Bildordnung näher analysiert. Die Schüler<br />

verbalisieren, wie dieses Bild aufgebaut ist. Weiterhin besteht die Notwendigkeit,<br />

die Innenkonzentration der Schüler wachzurufen. Hierin sollen die Schüler<br />

ihre eigenen positiven und negativen Stimmungen näher beschreiben. Gerade diese<br />

Ebene trägt wesentlich zu einer Auswahl von Bildern in Verbindung mit Texten bei,<br />

die dann im Internet zu sehen sind. Darüber hinaus muß der Schüler eine Analyse<br />

des Bildgehaltes vornehmen, um somit einen Bezug zu den geschichtlichen Ereignissen<br />

herstellen zu können. Letztlich sollte auch die eigene Meinung Eingang in die<br />

Auseinandersetzung mit dem Bild finden, so daß die Schüler in freier Entscheidung<br />

Bilder ablehnen oder annehmen können.<br />

Bei der Arbeit mit Bildern gelingt es immer wieder, einen höheren Motivationswert<br />

als bei einer Textinterpretation zu erlangen. Durch sie erfassen Schüler leichter<br />

und einprägsamer ihre Umwelt. Rohlfes hat in seiner Didaktik gut auf dieses eidetische<br />

Gedächtnis hingewiesen. 165<br />

Das Bild übermittelt somit dem Betrachter Informationen, die mit sprachlichen<br />

Mitteln nicht immer zu überliefern sind. "Die optische Repräsentation der Welt ist<br />

eine wesenhaft andere als die sprachliche, und die eine ist durch die andere auf<br />

keine Weise zu ersetzen." 166 Folglich offenbart sich für den Schüler in der<br />

sinnvollen Verbindung von Text und Bild ein breiteres Spektrum von Wirklichkeit.<br />

So kann die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Textilfirma der<br />

Gebrüder Bartels in Verbindung mit Bildern, die zum Beispiel einen Handwebstuhl<br />

164<br />

Vgl. P. Moll, H. Lieberherr, Unterrichten mit offenen Karten. Teil 1 Einsteigen, Zürich 1992,<br />

S.94-98 (künftig zitiert: Moll u.a, Einsteigen); vgl. auch K. Pellens, Schülernaher Geschichtsunterricht,<br />

Freiburg 1975, S. 107-112 (künftig zitiert: Pellens, Geschichtsunterricht).<br />

165<br />

Vgl. J. Rohlfes, Geschichte und ihre Didaktik, Göttingen 1986, S. 331 (künftig zitiert: Rohlfes,<br />

Didaktik).<br />

166<br />

Vgl. Rohlfes, Didaktik, S. 332.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Bartels in Verbindung mit Bildern, die zum Beispiel einen Handwebstuhl und mechanische<br />

Webstühle zeigen, sowohl für die Schüler als auch für die spätere Öffentlichkeit<br />

zu einem sinnvollen Unterfangen werden. Bilder verschaffen so dem<br />

Betrachter immer wieder Eindrücke unvergleichlicher Art, ohne die das Wissen<br />

oder die Vorstellungen über historische Sachverhalte ärmer und blasser wären.<br />

Durch sie entsteht eine andere Form von Anschaulichkeit.<br />

Den Schülern wird in der Produktphase ein möglichst freier Spielraum bei der<br />

Auswahl der Bilder gelassen. Ausgehend von der in der Erarbeitungsphase geschaffenen<br />

Wissensgrundlage sind die Schüler in der Lage, weitgehend selbständig<br />

Bilder auszuwählen und sie in websites zu integrieren.<br />

3.3. Hausaufgaben<br />

Aufgrund der produktorientierten Phase am Ende der Unterrichtsreihe nehmen<br />

die Hausaufgaben in der Erarbeitungssequenz einen breiten Raum ein. Die gebräuchlichste<br />

Form der Ergebnissicherung 167 ermöglicht Schülern und Lehrern die<br />

gemachten Resultate in den einzelnen Unterrichtsstunden zu festigen und in geeigneter<br />

Form zu sichern. Darüber hinaus ergänzen sie den Unterricht und geben<br />

damit dem Schüler die Gelegenheit, vertiefend auf einzelne Sachverhalte einzugehen,<br />

die aufgrund des Zeitrahmens keinen Eingang in den Unterricht finden. Hierin<br />

sammeln und bearbeiten die Schüler in vielfältiger Weise Informationen, setzen<br />

Texte in geeignete Schaubilder und Übersichten bzw. Karten um, schreiben Essays,<br />

entwerfen Überschriften und erklären Bilder. Aber auch unter Zuhilfenahme<br />

von Aufgabenstellungen bearbeiten sie Quellen und Sekundärtexte. So üben sich<br />

die Schüler mit Hilfe der Hausaufgaben zusätzlich im Verfahren der Analyse und<br />

Interpretation und erhalten dabei eine gute Vorbereitung für die anstehenden<br />

Klausuren. Die Schüler können folglich ihr Denkvermögen schulen, ihr Methodenbewußtsein<br />

erweitern und ihre Darstellungsfähigkeiten erproben. Somit erreichen<br />

die Hausaufgaben sowohl eine intensive inhaltliche als auch methodische Auseinandersetzung<br />

mit dem Sachgegenstand. 168<br />

Später dienen die Hausaufgaben dann als Fundament für die Vorbereitung der Internetseiten<br />

und werden in der Produktionsphase als geeigneter Materialpool verwendet.<br />

Dabei muß in der Erarbeitung aber darauf geachtet werden, daß die<br />

Hausaufgaben subjektiv sinnvoll eingesetzt werden. Der Lehrende muß aufgrund<br />

der hohen Relevanz in diesem Unterrichtsabschnitt immer wieder darauf achten,<br />

daß er bei den schriftlichen Arbeiten Rückmeldungen gibt und die Schüler in ihrem<br />

Tun positiv verstärkt. 169 Die Schüler sollen erkennen und erfahren, daß sie einen<br />

produktiven Beitrag für einen kollektiven Lernprozeß der Klasse leisten, der eine<br />

167<br />

Vgl. hierzu: H. Meyer, Unterrichtsmethoden, Bd. 2: Praxisband, Frankfurt 7. Aufl. 1995, S. 174<br />

(künftig zitiert: Meyer, Unterrichtsmethoden).<br />

168<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 110.111; vgl. auch Pellens, Geschichtsunterricht, S. 138-140.<br />

169 Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 175.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Ergebnispräsentation zum Ziel hat. Da die Produktphase relativ viel Auswahlmaterial<br />

erfordert, besteht die Notwendigkeit, die Funktion der Hausaufgabe relativ<br />

oft einzusetzen. Es muß in diesem Zusammenhang konstatiert werden, daß diese<br />

Form aber unbedingt zielgerichtet angewandt werden sollte, um eine Überforderung<br />

der Schüler abzuwenden. Dieser Sachverhalt ist überdies besonders wichtig,<br />

da die Stufe sich während der Sequenz in der obligatorischen Klausurenphase befindet.<br />

Somit sollten trotz der bereits erwähnten hohen Motivation der Schüler<br />

die Hausaufgaben immer wieder auf ihre ergebnissichernde Notwendigkeit und die<br />

damit verbundene Verwendbarkeit innerhalb der Redaktion überprüft werden. Als<br />

Alternative könnte sich anbieten, daß zeitweise nur einzelne interessierte Schüler<br />

freiwillig Hausaufgaben übernehmen, um die anderen zu entlasten. Dabei müßte<br />

allerdings darauf geachtet werden, daß untereinander ein ausgewogenes Verhältnis<br />

bei der Hausaufgabenbelastung besteht. Es wäre der Motivation abträglich, nur<br />

wenige mit diesen vorbereitenden Tätigkeiten zu betrauen. Somit sollte sich der<br />

Lehrende zunächst Gedanken über den Umfang der Hausaufgaben machen, um dann<br />

einzelnen Schülern das Angebot der Erarbeitung zu unterbreiten. Zudem könnten<br />

die Schüler auch in kleineren Gruppen einzelne Arbeitsaufträge je nach Interessenlage<br />

übernehmen. So bestünde die Möglichkeit, einzelne Aufgaben interessenorientiert<br />

zu verteilen. Beispielsweise könnte man weiteres wichtiges Material im<br />

Archiv nach Absprache mit dem Archivar heraussuchen, um es in einer Hausaufgabe<br />

für das Internet vorzubereiten.<br />

3.4. Protokollführung<br />

Um die Hausaufgabenfunktion nicht unnötig zu überlasten, sollen die wesentlichen<br />

Aspekte der Unterrichtsstunden im Erarbeitungsstadium vorwiegend mit Hilfe<br />

eines Ergebnisprotokolls kurz schriftlich festgehalten werden. 170<br />

Diese Protokollführung ist aus mehreren Gründen sinnvoll: Durch eine Protokollierung<br />

der Unterrichtsergebnisse wird zunächst sozusagen die "Geschäftsgrundlage"<br />

der weiteren Unterrichtsarbeit geschaffen. Die Schüler wissen hier, woran sie<br />

sind. Sie können sich, wenn sie etwas nicht richtig verstanden haben, wenn sie<br />

krank waren oder fehlten, beim Lehrer oder beim Schulkameraden kundig machen.<br />

Sie können sich aber auch im Konfliktfall (z.B. dann, wenn nach einer Klausur Uneinigkeit<br />

über bestimmte Aussagen und Wissensinhalte entstanden ist) auf diese für<br />

alle vervielfältigten Unterrichtsdokumente berufen. Die Ergebnissicherung ist gut,<br />

wenn sie kurz dokumentiert, wie sich Lehrer und Schüler an der gestellten Lernaufgabe<br />

abgearbeitet haben, was sie dabei an Neuem gelernt oder an Altbekanntem<br />

in neues Licht gerückt haben. 171<br />

So könnten zum Beispiel bei der Stunde über die Ausrichtung Güterslohs auf Ber-<br />

170<br />

Vgl. Richtlinien Sek. II., S. 107.108.<br />

171<br />

Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 163.165.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

lin und das Hineinwachsen in das Königreich 172 zunächst die Voraussetzungen für<br />

eine reibungslose Eingliederung Eingang in das Protokoll finden, um dann die Auswirkungen<br />

für Politik (neue Verwaltungsstrukturen und politische Neuorientierung<br />

Richtung Berlin) und Wirtschaft (Verkehrswege, Post, Eisenbahn, Furhmannswesen<br />

und Gewerbe) zu erhellen. 173 Dadurch sind die Schüler immer auf einem aktuellen<br />

Stand und können dem Unterricht ohne Wissenslücken folgen.<br />

Im Hinblick auf den Produktionsabschnitt nimmt die Protokollführung aber noch<br />

weitere wichtige Funktionen wahr. Mit der Sicherung des Kursergebnisses wird<br />

auch hier dem Materialpool der einzelnen Redaktionen zugearbeitet. Die Schüler<br />

können in der Produktphase das Protokoll zur Hand nehmen und noch einmal die<br />

wesentlichen Punkte der einzelnen Stunden Revue passieren lassen. In diesem Abschnitt<br />

stellen sie dann Verbindungen zu den anderen Materialien her. Mit Hilfe<br />

des Protokolls werden also wertvolle Vernetzungen zu anderen Unterlagen geschaffen.<br />

Da diese Protokolle jeweils von anderen verfaßt wurden, müssen sich die<br />

Schüler hier zudem zwangsläufig mit verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen.<br />

Darüber hinaus werden die Schüler von den üblichen Unterrichtsmitschriften entlastet.<br />

Angesichts der Klausuren wird somit jede weitere Belastung unterlassen.<br />

Da zwischen der Erarbeitungsphase und der Produktion die Osterferien liegen,<br />

erscheint die schriftliche Fixierung weiterhin als sehr sinnvoll. Nur so können die<br />

gemachten Ergebnisse später wieder in das Gedächtnis gelangen, zu einer erneuten<br />

Diskussion anregen und somit für die Schüler fruchtbar gemacht werden.<br />

Aufgrund der Klausuren und des besonderen Stellenwertes der Hausaufgaben habe<br />

ich mich darüber hinaus entschlossen, die Protokolle nur stichwortartig erstellen<br />

zu lassen. Da das Protokoll als Grundlage für die Erstellung der Seiten dient<br />

und die Internetseiten letztlich eine vollständige Ausformulierung erfahren, erscheint<br />

diese Entscheidung im Sinne einer Arbeitserleichterung als zweckdienlich.<br />

Die Protokollführung trägt somit zu einer Erweiterung der Methodenkompetenz<br />

der Schüler bei. Diese hilft beispielsweise den Schülern, ihre gewonnenen Kenntnisse<br />

auf diesem Gebiet in der Produktphase und auch in anderen Fächern in sinnvoller<br />

Form einzusetzen. 174<br />

Die von den Richtlinien angesprochenen negativen Eigenschaften der Protokollerstellung<br />

entfallen fast vollständig aufgrund der hier gewählten Verbindung von Erarbeitungs-<br />

und Produktionsphase. Die Protokolle sollen nämlich erst verstärkt in<br />

den einzelnen Redaktionen wieder zur Hand genommen werden, so daß der Zeitaufwand<br />

innerhalb der Erarbeitung minimiert wird. Da innerhalb des Projektabschnitts<br />

der Unterricht nicht mehr in gängiger Form stattfinden wird, muß der<br />

172<br />

Siehe die zweite Stunde in der thematischen Einstiegsphase.<br />

173<br />

Vgl. die fachwissenschaftlichen Ausführungen im theoretischen Teil.<br />

174<br />

Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 153-156, hier bes. S. 154.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

dort angesprochene Zeitaspekt anders gesehen werden. Es wird beispielsweise die<br />

Möglichkeit bestehen, auch am Nachmittag am Projekt zu arbeiten. Eventuelle<br />

Fehler werden dann mit Hilfe der anderen Schüler und des Lehrenden in der Diskussion<br />

erörtert und berichtigt. 175 Zudem erleichtert die Zielperspektive die<br />

Vermittlung der Sinnhaftigkeit von Protokollen. Somit wird einer möglichen nachlassenden<br />

Bereitschaft der Schüler, die Protokolle sorgfältig zu erarbeiten, entgegengewirkt.<br />

3.5. Texte umsetzen und erleben: Als Zeitungsartikel gestalten 176<br />

Um eine möglichst abwechslungsreiche Auseinandersetzung mit Texten zu bieten,<br />

wird neben der gängigen Analyse und Interpretation von Quellen und Sekundärtexten<br />

eine andere Art der textlichen Umsetzung eingeübt. Auch um das Lesen<br />

der Internetseiten für den Adressaten interessanter und abwechslungsreicher zu<br />

machen, sollen kleinere Zeitungsartikel von den Schülern zu verschiedenen Themenbereichen<br />

gestaltet werden, die dann partiell Eingang in das Internet finden<br />

sollen. Auf Grundlage verschiedener Texte (Primärquelle, Sekundärtexte) sollen<br />

die Schüler nach deren kognitiver Erfassung Passagen kreativ weiterverarbeiten.<br />

Personen und Situationen aus dem Text sollen ´lebendig gemacht´ werden. 177<br />

Somit können die Schüler eigene emotionale Elemente in die Arbeit einfließen lassen.<br />

Die Umsetzung regt die Phantasie an und öffnet den Horizont der Verarbeiter<br />

und Rezipienten. Sie üben hiermit auf andere Weise das Hinterfragen der<br />

Quellen und lernen folglich, in unbefangener Weise mit Gedrucktem umzugehen.<br />

Die Transformation des Textes ist die Schaffung eines neuen Produktes oder einer<br />

Situation auf der Grundlage des vorgegebenen Materials. Hier sollen sich die<br />

Schüler Gedanken machen, wie eine Tageszeitung die Vorlagentexte formulieren<br />

könnte. Wie wird hier der Text ausgestaltet und aufgemacht (z. B. Überschrift,<br />

Ordnungsprinzipien), damit ihn die Leserinnen und Leser überhaupt bewußt aufnehmen?<br />

Diese Variante wird eingeübt, da sich der Umgang mit Texten bei der Arbeit mit<br />

dem Internet ändert. Die Texte werden meist kürzer und prägnanter den Lesern<br />

dargebracht. Sicherlich wäre es falsch, diesen anhaltenden Trend im Unterricht<br />

kritiklos aufzunehmen. Die Produktphase will aber mehrere Lesealternativen im<br />

Internet anbieten, um mit der damit gewonnenen Abwechslung möglichst weite<br />

Adressatenkreise anzusprechen und diese zur Auseinandersetzung mit dem Thema<br />

anzuregen. Einem geschichtlich Interessierten gefallen vielleicht die längeren<br />

Texte mit ausführlichen Informationen, dem Mitschüler aus einem anderen Kurs<br />

genügt ein kürzerer Zeitungsartikel zur Aneignung der wesentlichen Aspekte. So<br />

175<br />

Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 172.173.<br />

176<br />

Vgl. Anhang, S. 11.<br />

177<br />

Vgl. P. Moll, H. Lieberherr, Unterrichten mit offenen Karten. Teil 2 Fortschreiten, Zürich 1992,<br />

S. 85 (künftig zitiert: Moll u.a, Fortschreiten).<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

wird auf die sich wandelnden Lesegewohnheiten und verschiedenen Interessen der<br />

Konsumenten ansatzweise Rücksicht genommen.<br />

Sicherlich kann das Schreiben von Zeitungsartikeln nur ein erster Übungsschritt<br />

innerhalb der Umsetzungsthematik sein. In Zukunft müßte man mit den Schülern<br />

weitere Alternativen zur Textgestaltung einüben, um eine gewisse Flexibilität hinsichtlich<br />

der Ausarbeitung verschiedener Textsorten zu erlangen. Auch im Geschichtsunterricht<br />

der Sekundarstufe II. könnte man dann Briefe schreiben, einen<br />

Kommentar verfassen, ein Plädoyer für oder gegen den Vorlagentext halten<br />

oder Interviews führen.<br />

3.6. Streitgespräch<br />

Ein Streitgespräch bietet die Möglichkeit, in ansprechender Form Argumente auszutauschen<br />

und sie nach ihrer Plausibilität zu hinterfragen. Im Unterricht soll diese<br />

Methode in der Erarbeitungsphase über den Eisenbahnbau verstärkt eingesetzt<br />

werden. Die erarbeiteten Ergebnisse werden nach dem Streitgespräch Eingang in<br />

das Internet finden.<br />

Eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Argumenten zum Eisenbahnbau in Gütersloh<br />

kann in mehreren Kleingruppen geschehen, wobei eine Gruppe immer nur<br />

eine Argumentationsschiene bearbeitet.<br />

Um die unterschiedlichen Argumente gut herausarbeiten zu können, soll die Sozialform<br />

eines Streitgesprächs im Anschluß an die Erarbeitungsstunden gewählt<br />

werden, die schon einige wichtige Argumente unterrichtlich vorbereiten sollen. 178<br />

Der Wechsel von Sozialformen erscheint in verschiedenen Abständen im Hinblick<br />

auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler als sehr sinnvoll. Das Streitgespräch<br />

gibt den Kursteilnehmern eine genaue Rollenzuweisung und eindeutige formale<br />

Regeln des Gesprächsablaufs an die Hand, so daß eine bessere Konzentration<br />

auf die Argumentationslinien ermöglicht werden kann. Dieses Ritual wird anhand<br />

eines Arbeitsblattes theoretisch im Unterrichtsgeschehen durchgespielt. 179 Weiterhin<br />

werden die Teilnehmer in simulierten Konkurrenzsituationen geübt: Sie<br />

müssen nach Übernahme von Rollen Positionen, Sichtweisen oder Thesen durch<br />

möglichst geschicktes Argumentieren vertreten. Die Befürworter legen ihre Position<br />

dar bzw. verteidigen diese. Die Gegner versuchen, das Gegenteil als richtig<br />

hinzustellen bzw. die Argumentation des Befürworters als unsinnig zu entlarven.<br />

Die verschiedenen im Unterricht zu erarbeitenden Texte erscheinen in diesem Zusammenhang<br />

geradezu als prädestiniert für eine solche Sozialform, da sie sehr<br />

deutlich verschiedene Vorstellungen vom Eisenbahnbau und den damit verbundenen<br />

Folgen besitzen. Aus Gründen der Organisation wird aus jeder Kleingruppe jeweils<br />

nur eine Person an dem Streitgespräch teilnehmen.<br />

178 Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 293-295; vgl hier auch die Makrostruktur der Unter-<br />

richtsreihe.<br />

179<br />

Vgl. Anhang, S. 12.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Neben diesen beiden Streitgesprächsgruppen wird ein Gesprächsleiter aus den<br />

Reihen der Schüler ausgewählt; er leitet das Gespräch und achtet darauf, daß die<br />

Spielregeln und Redezeiten eingehalten werden. Nach Möglichkeit soll er alle Argumente<br />

kennen und grundsätzlich verstanden haben. Es soll bewußt vermieden<br />

werden, daß der Lehrer in diese Rolle schlüpft. Nur in Ausnahmefällen (z.B. bei<br />

weiterer Impulsgebung bzw. bei Überforderung des Gesprächsleiters) sollte er<br />

wieder die Leitungsfunktion wahrnehmen. Sicherlich birgt dieses Streitgespräch<br />

einige Unwägbarkeiten in sich, da ein Verlauf nicht unbedingt planbar ist. Allerdings<br />

erscheinen die Grundlagentexte zum Eisenbahnbau als besonders geeignet<br />

für eine solche Auseinandersetzung, so daß hier mancher Gefahrenpunkt als ausgeräumt<br />

erscheint.<br />

Darüber hinaus dient dieses Streitgespräch auch als eine vorbereitende Übung für<br />

die Projektphase, in der die Schüler wiederum ihre Vorstellungen zur Gestaltung<br />

einer website den anderen Redaktionsteilnehmern vorstellen müssen. In einem<br />

Diskurs sollen die Schüler letztlich in kooperativer Weise ein für alle zufriedenstellendes<br />

Ergebnis herbeiführen.<br />

3.7. Projektarbeit<br />

Nach der unterrichtlichen Erarbeitungsphase, in der weitgehend die inhaltliche<br />

Arbeit der Sequenz geleistet werden soll, wird in einer Projektphase in verschiedenen,<br />

thematisch orientierten Redaktionen 180 versucht, die Ergebnisse in mehrere<br />

Internetseiten umzusetzen.<br />

Das sich anschließende Projekt ermöglicht den Schülern nach Auflösung des Unterrichts<br />

verschiedene Arbeitsorte ihrer Wahl aufzusuchen. 181 In eher ungezwungener<br />

Atmosphäre erhalten sie somit einen weitgehenden Handlungsspielraum. 182<br />

Durch dieses Prinzip der Handlungsorientierung können sich die Schüler in der<br />

Form des selbstbestimmten und selbständigen Arbeitens erproben. Dabei wird ihnen<br />

die Chance eröffnet, in ganzheitlichem Sinne sich den verschiedenen Sachverhalten<br />

in anderer Form zu nähern und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. 183 Mit<br />

Kopf, Herz und Händen erhalten sie neue Zugänge zu den Lerninhalten; Theorie<br />

und Praxis fließen zusammen, alle Sinne werden jetzt beansprucht. 184 Somit fördert<br />

die Projektphase in besonderem Maße die Selbsttätigkeit und Solidarität der<br />

Schüler. 185 Durch ihre Neugierde und Kreativität bestimmen sie auf Grundlage der<br />

Erarbeitung weitgehend selbst, welches Projektergebnis am Ende der Öffentlich-<br />

180<br />

Vgl. die Makrostruktur der Unterrichtsreihe.<br />

181<br />

Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 157.<br />

182<br />

Vgl. Rohlfes, Didaktik, S. 308; vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 18.140; vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden,<br />

S. 157.<br />

183<br />

Vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 140.<br />

184<br />

Vgl Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 157.<br />

185<br />

Vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 17.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

keit vorgestellt wird. Aufgrund des Prinzips der Selbsttätigkeit verbietet es sich<br />

von selbst, sich als Lehrender in die laufende Arbeit unnötig einzuschalten. Lediglich<br />

bei sachlichen Fehlern oder bei größeren Schwierigkeiten, zum Beispiel bei<br />

technischen Problemen oder Gruppenkonflikten, soll der Lehrende partnerschaftlich<br />

eingreifen und den Schülern einen Lösungshorizont eröffnen.<br />

Mit der Projektphase erweitern die Schüler zudem ihre Methoden- und Sozialkompetenz.<br />

Mehr Schüler können sich jetzt innerhalb der Projektgruppe aktiv<br />

beteiligen, so wird die bereits angesprochene Motivation der Schüler besonders<br />

unterstützt. Ohne Scheu können sie sich hier zur Arbeit äußern. Dabei wird den<br />

schwächeren und nicht so eloquenten Schülern der notwendige Raum eröffnet, damit<br />

auch sie gebührend zum Zuge kommen und ihre Ideen in das Projekt einbringen<br />

können. Somit kann sich in der Kleingruppe eine Form des Zusammengehörigkeitsgefühls<br />

entwickeln. 186 Dabei verarbeiten etwa fünf Schüler in einer Gruppe vertiefend<br />

das notwendige Quellenmaterial. Sie erschließen aber auch zusätzlich thematische<br />

Teilbereiche, die im Unterricht nicht gebührend zum Zuge kamen. So hören<br />

sie anderen zu, lesen Texte, reden und diskutieren miteinander, schreiben auf und<br />

korrigieren, setzen Querverweise ein, warten auf andere, denken nach und wählen<br />

aus. 187 Bei der Erschließung und Auswertung des Materials erhalten sie immer wieder<br />

die Möglichkeit zum Experiment. Lernumwege, Irrwege und Seitenpfade sind<br />

bei dieser Form des Arbeitens üblich und sogar willkommen. 188 Hierin gestaltet<br />

sich eine hervorragende Verbindung von Lernen und Leben, Unterricht und Arbeitswelt.<br />

Schule und mit ihr das konkrete Projekt leisten mit diesem Erwerb von<br />

Schlüsselqualifikationen in vorbereitender Form einen Beitrag für das spätere Berufsleben.<br />

189<br />

Letztliches Ziel des Projekt ist ein Gemeinschaftswerk, das sich aus individuellen<br />

Einzelbeiträgen zusammensetzt und veröffentlicht wird. Zu beachten ist, daß die<br />

einzelnen Schüler damit einen Teil für das Ganze einbringen, sie wirken am Gesamtvorhaben<br />

mit und tragen zumindest für ihren Bereich die Verantwortung. Dabei<br />

soll das Ergebnis keine bloße Addition von irgendwelchen Beiträgen sein, sondern<br />

soll nach Möglichkeit eine wirkliche Synthese der Arbeit darstellen. In Zusammenhang<br />

mit dem Internet wird damit die inhaltliche Durchdringung gefördert,<br />

da die Querverweise zwischen den einzelnen Seiten wohl überlegt und sinnvoll<br />

gesetzt werden müssen. Das entstandene Werk findet dann über die engen<br />

Grenzen der Schule hinaus Resonanz. 190 In besonderem Maße wirkt hier das Medium<br />

Internet auf die Umgebung. Global macht es jetzt Resultate bekannt, für jedermann<br />

lesbar, aber auch für alle kritisierbar. Dabei kann die Konfrontation mit<br />

186<br />

Vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 18.<br />

187<br />

Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 157; vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 17.<br />

188<br />

Vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 18.<br />

189<br />

Vgl. Moll u.a., Fortschreiten, S. 140.<br />

190<br />

Vgl. Rohlfes, Didaktik, S. 308.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Kritik von außen hinsichtlich des Projekts in einer späteren Auswertung fruchtbare<br />

Anstöße für Verbesserungen und Neuerungen geben. Da das Internet offen und<br />

ausbaubar und damit erneuerbar ist, können veraltete und falsche Informationen<br />

problemlos aus dem Netz genommen werden. Für den weiteren Unterricht kann<br />

dies bedeuten, daß man nicht einfach die Unterrichtsreihe ad acta legt, sondern<br />

sich mit dieser über längere Zeit parallel zu anderem Unterricht beschäftigen<br />

muß.<br />

In diesem Zusammenhang muß aber davor gewarnt werden, daß Medium Internet<br />

nur zu verwenden, damit ´action and fun´ in die Klassenzimmer Einzug halten. Bei<br />

der Arbeit mit dem Internet in Verbindung mit einer Projektphase muß es immer<br />

um eine sinnvolle Nutzung und Verbindung gehen, die sich in einem äquivalenten<br />

Verhältnis von Inhalt und Medium äußert. 191 Um dies zu erreichen, erscheint es<br />

wichtig, nach der inhaltlichen Erarbeitung den Arbeitsablauf des Projekts zielgerichtet<br />

zu koordinieren. 192 Dabei obliegt es dem Lehrenden, auf eine gewissenhafte<br />

Ausführung des Arbeitsauftrages zu achten. Wer ein Projekt und die damit<br />

verbundenen Handlungsspielräume dazu nutzt, anderweitige Aufgaben zu erledigen,<br />

hat den Sinn eines Projekts nicht erkannt. Handlungs- und Freiräume sind dazu<br />

da, sich möglichst ungezwungen, aber bestrebt am Auftrag abzuarbeiten.<br />

Darüber hinaus erscheint es wichtig, für ein ausgewogenes Verhältnis von lehrgangsmäßig<br />

geordnetem und handlungsorientiert organisiertem Unterricht zu sorgen.<br />

Wer ein Projekt an das andere reiht und glaubt, dies würde die Kompetenzen<br />

der Schüler erweitern, der irrt. Durch eine sinnvolle Verbindung werden in wiederholender<br />

Weise Fähigkeiten und Fertigkeiten weiter eingeübt und gesichert.<br />

Durch den Methodenwechsel erleben die Schüler weitere Formen des Arbeitens,<br />

die sie immer wieder neu anregen, sich mit Themen zu auseinanderzusetzen.<br />

Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß in der material- und arbeitsaufwendigen<br />

Projektphase die Gefahr besteht, Fragen der Darstellung zu stark in den<br />

Mittelpunkt treten zu lassen. Ähnlich wie bei einer Dokumentation oder Ausstellung<br />

kann sehr viel Zeit für das Aussuchen von Farben, des Hintergrundes, der<br />

Verbindung von Text und Bild verwendet werden. Hierbei ist zu beachten, daß die<br />

Dauer der Erstellung eines Produkts in einem angemessenen Verhältnis zur inhaltlichen<br />

Erarbeitungszeit stehen sollte. Sicherlich setzt das Internet gerade hinsichtlich<br />

der Gestaltung zur Zeit einen höheren Zeitaufwand voraus, da man sich<br />

zunächst die Programme zu eigen machen muß, um dann eine Präsentation zu gestalten.<br />

Zudem besitzen einige Editor-Programme derweil noch nicht alle komfortablen<br />

Funktionen eines Textverarbeitungsprogramms, so daß hier immer wieder<br />

Schwierigkeiten dem Schüler begegnen können. Um der Gefahr zu begegnen, daß<br />

Nebenfragen zu stark die Oberhand gewinnen, müssen die historischen Sachfragen<br />

vorab in einer inhaltlichen Sequenz geklärt werden, um dann in inhaltlichen Re-<br />

191<br />

Vgl. Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 160.<br />

192<br />

Vgl. Rohlfes, Didaktik, S. 308.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

daktionen eine Aufarbeitung vornehmen zu können. Zudem sollten sogenannte<br />

technische Redaktionen eingesetzt werden, die dann in einer kleinen und interessierten<br />

Gruppe dieses Produkt letztlich in das HTML-Format umsetzen, denn<br />

schon aufgrund der technischen Voraussetzungen wird es in Zukunft kaum möglich<br />

sein, den gesamten Kurs an der Gestaltung von Internetseiten zu beteiligen. Darüber<br />

hinaus muß berücksichtigt werden, daß sich nicht alle mit technischen Detailfragen<br />

auseinandersetzen wollen.<br />

4. Makrostruktur der Unterrichtsreihe<br />

Auf Grundlage der theoretischen Vorüberlegungen und in Verbindung mit den unterrichtlichen<br />

und institutionellen Voraussetzungen sowie den methodischen und<br />

didaktischen Entscheidungen ergibt sich folgende Planung der Unterrichtssequenz<br />

zur Industrialisierung in Gütersloh unter besonderer Berücksichtigung des Mediums<br />

Internet:<br />

Einführung in die Unterrichtsreihe<br />

- Einführung in das neue Medium Internet und die Verbindungen zum Geschichtsunterricht<br />

- Technische Voraussetzungen in der Schule, Chancen und Risiken des<br />

World Wide Web: Wie man e-mails schickt, Hypertexte schreibt, im web surft<br />

und das Netz im Unterricht sinnvoll einsetzt ...<br />

- Geschichte am Ort: Die Industrialisierung in Gütersloh und die Auseinandersetzung<br />

mit relevanten Quellen: Einführung in die Arbeit des Stadtarchivs Gütersloh<br />

unter der Leitung von Stadtarchivar Stephan Grimm - Kleine Leseübungen sowie<br />

Suchen und Finden im Archiv (parallel zur Unterrichtsreihe - 3 x 2 Stunden auf<br />

freiwilliger Basis)<br />

Einstieg: Gütersloh in der vorindustriellen Zeit: Ausgewählte politische und<br />

wirtschaftliche Aspekte - Wie war eigentlich "die gute alte Zeit" im Dorf Gütersloh?<br />

- Gütersloh und die Eingliederung in die Provinz Westfalen - Annäherung an die<br />

politische und kirchliche Situation nach 1815 - Können die politischen und kirchlichen<br />

Verhältnisse als eine Grundlage für die Industrialisierung angesehen werden?<br />

- Versuch einer Problematisierung<br />

- Die Ausrichtung Güterslohs auf Berlin oder das Hineinwachsen des Dorfes in das<br />

Königreich - Der Beginn des Ausbaus einer Infrastruktur: Ein erster Überblick<br />

über die Entwicklung der Verkehrswege, der Post, der Köln-Mindener-Eisenbahn<br />

und des Gewerbes in Gütersloh vor der Industrialisierung anhand eines Sekundärtextes<br />

von H. Hilbk<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

- Ausgesuchte Quellen zur wirtschaftlichen Situation in Gütersloh in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts - Die Ausführungen der Stadtchronik und der Berichte<br />

über den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten zu den Wirtschaftsbereichen<br />

Flachsspinnerei, Handel, Frachtfuhrwesen und Branntweinbrennerei - Der<br />

Aufstieg und Niedergang einzelner Industriezweige in Gütersloh und das erste<br />

Aufspüren von Gründen im Sinne einer Thesenbildung als Vorbereitung für die Erarbeitungsphase<br />

Erarbeitungsphase :<br />

A. Die Entwicklung der Eisenbahn und die damit verbundenen Auswirkungen auf<br />

Wirtschaft und Gesellschaft in Gütersloh im 19. Jahrhundert<br />

- Die Gedanken der Gütersloher zur Eisenbahn im Jahr 1830 - Eisenbahn contra<br />

Fuhrmannswesen? - Mögliche Folgen des Fortschritts<br />

- Die Planungen für die Köln-Mindener Eisenbahn und die Varianten für die Streckenführung:<br />

Gütersloher Bürger melden sich 1841 zu Wort - Welche Streckenführungen<br />

haben Aussicht auf Erfolg?<br />

- Pro & Contra Gütersloher Eisenbahn: Schülerinnen und Schüler diskutieren in einem<br />

Streitgespräch die Vor- und Nachteile der Eisenbahn für Gütersloh und ihre<br />

Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben mit<br />

Hilfe von ausgesuchten Texten und Quellen<br />

B. Aspekte der Industrialisierung am Beispiel der Textilindustrie in Gütersloh<br />

- Die Entwicklung der Gütersloher Textilindustrie aufgezeigt an der Gütersloher<br />

Seidenweberei Gebrüder Bartels: Die Tuchhändler und der Beginn des Verlages<br />

- Eine Firma ändert ihr Gesicht - Die Veränderungen in der Textilwirtschaft am<br />

Beispiel der Gebr. Bartels: Vom Handwebstuhl zum mechanischen Webstuhl oder<br />

vom Tuchgeschäft zur Fabrik und die damit verbundenen Folgen für die Menschen<br />

und die Stadt<br />

- Was bedeutete die industrielle Arbeitsweise für die Betroffenen? - Die Veränderungen<br />

des Lebensrhythmus durch die industrielle Arbeit am Beispiel einer Arbeitsordnung<br />

der Gütersloher Bandweberei von Güth & Wolf aus dem Jahr 1892 -<br />

Vor- und Nachteile der industriellen Arbeit<br />

C. Ein regional wichtiger Industriezweig: Das graphische Gewerbe - Von der<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Steindruckerei zum florierenden Unternehmen: Der Buchdrucker C. Bertelsmann<br />

- Der Beginn der Steindruckerei von Carl Bertelsmann - Die Frage nach Grundlagen<br />

und Perspektiven am Beispiel der Biographie des Firmengründers<br />

- Möglichkeiten und Risiken einer Expansion: Die Gestaltung der Zukunft des Verlages<br />

und der Buchhandlung aufgezeigt an ausgewählten Briefen zwischen Carl<br />

Bertelsmann und seinem Sohn Heinrich<br />

- Exkurs: Der Verlag C. Bertelsmann und die soziale Vorsorge für die Arbeiter -<br />

Das Statut der Invaliden- und Altersversorgungskasse von 1887 - Der Beginn der<br />

Rentenversicherung im Gütersloher Raum<br />

Projekt- und Präsentationsphase: Vertiefung und Ergebnissicherung mit Hilfe<br />

des neuen Mediums Internet<br />

- Redaktion 1: Gütersloh in der vorindustriellen Zeit: Ausgewählte politische und<br />

wirtschaftliche Aspekte - Wie war eigentlich "die gute alte Zeit" im Dorf Gütersloh?<br />

- Vom Sichten und Ordnen des erarbeiteten Materials zum endgültigen Produkt:<br />

Schüler setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung in einer Redaktion mit<br />

dem Themenkreis auseinander und gestalten mit Hilfe der technischen Redaktion<br />

selbständig mehrere websites<br />

- Redaktion 2: Die Entwicklung der Eisenbahn und die damit verbundenen Auswirkungen<br />

auf Wirtschaft und Gesellschaft in Gütersloh im 19. Jahrhundert - Vom<br />

Sichten und Ordnen des erarbeiteten Materials zum endgültigen Produkt: Schüler<br />

setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung in einer Redaktion mit dem Themenkreis<br />

auseinander und gestalten mit Hilfe der technischen Redaktion selbständig<br />

mehrere websites<br />

- Redaktion 3: Aspekte der Industrialisierung am Beispiel der Entwicklung der<br />

Textilindustrie in Gütersloh - Vom Sichten und Ordnen des erarbeiteten Materials<br />

zum endgültigen Produkt: Schüler setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung in<br />

einer Redaktion mit dem Themenkreis auseinander und gestalten mit Hilfe der<br />

technischen Redaktion selbständig mehrere websites<br />

- Redaktion 4: Ein regional wichtiger Industriezweig: Das graphische Gewerbe -<br />

Von der Steindruckerei zum florierenden Unternehmen: Der Buchdrucker C. Bertelsmann<br />

- Vom Sichten und Ordnen des erarbeiteten Materials zum endgültigen<br />

Produkt: Schüler setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung in einer Redaktion<br />

mit dem Themenkreis auseinander und gestalten mit Hilfe der technischen Redak-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

tion selbständig mehrere websites<br />

- Endredaktion: Die redaktionelle Schlußbearbeitung und die technische Umsetzung<br />

des von den Redaktionen erarbeiteten Materials - Mit Hilfe eines Layoutprogrammes<br />

gestalten Schüler selbständig die verschiedenen websites zur Industrialisierung<br />

in Gütersloh und bereiten diese für den Server der Universität<br />

Bielefeld und somit für das Internet vor<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

C. Unterrichtsdurchführung und Reflexion<br />

1. Vorbemerkung<br />

Bei der folgenden Dokumentation des Unterrichts, die exemplarisch an zwei Stunden<br />

der Erarbeitungsphase und an zwei Redaktionssequenzen der Internet-<br />

Projektphase sowie der Endredaktion aufgezeigt werden soll, werden zunächst die<br />

Grob- und Feinziele der jeweiligen Unterrichtsstunde formuliert. In einem zweiten<br />

Schritt sollen dann die die spezifische Stunde betreffenden zentralen didaktischen<br />

und methodischen Entscheidungen in gebotener Kürze begründend dargelegt<br />

werden. Schließlich werden in einem weiteren Abschnitt die gehaltenen Stunden<br />

bzw. die Teile der Internet-Projektphase reflektiert bzw. dokumentiert und nach<br />

weiteren möglichen Unterrichtsalternativen Ausschau gehalten. Diese Ausführungen<br />

werden als Grundlage für eine Gesamtreflexion der Unterrichtsreihe dienen.<br />

Die miteinfließenden Schüleräußerungen und die Wiedergabe der Unterrichtsgespräche<br />

wurden mit Hilfe eines Cassettenrekorders dokumentiert. Ich habe in der<br />

Vergangenheit oftmals Mitschnitte des Unterrichts zur Selbstevaluation in diesem<br />

Kurs angefertigt, so daß die Schüler in der Regel keine Scheu mehr vor Mikrofonen<br />

etc. besitzen. Die Schülermeinungen wurden im Sinne der besseren Lesbarkeit<br />

leicht überarbeitet, in keinem Fall aber sinnentstellt.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

2. Unterrichtsstunde: Die Planungen für die Köln-Mindener Eisenbahn und die<br />

Varianten für die Streckenführung: Gütersloher Bürger melden sich 1841 zu<br />

Wort - Welche Streckenführungen haben Aussicht auf Erfolg?<br />

2.1. Lernziele der Unterrichtsstunde<br />

2.1.1. Grobziele der Stunde<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• auf Grundlage der verschiedenen vorgelegten Streckenvarianten die jeweiligen<br />

Erfolgsaussichten überprüfen und argumentativ untermauern, indem sie<br />

die spezifische Gütersloher Situation berücksichtigen, die Überlegungen<br />

der Eisenbahngesellschaft in ihre unterrichtliche Arbeit einbeziehen und<br />

die Belange der weiteren beteiligten Städte beachten.<br />

• unter Einbeziehung der Primärquelle "Über den Eisenbahnbau im Kreise<br />

Wiedenbrück" vertiefend die Einstellung der Gütersloher Autoren bezüglich<br />

des Eisenbahnbaus selbständig ermitteln, weitere Pro- und Contra-<br />

Argumente textimmanent auffinden, dabei die verschiedenen Aspekte klassifizieren<br />

und im Unterrichtsgespräch über den Erfolg dieser Initiative kritisch<br />

diskutieren sowie die erarbeiteten Punkte für das kommende Streitgespräch<br />

strukturieren.<br />

2.1.2. Feinziele der Stunde<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• wiederholend auf Basis einer Abbildung die dargelegten Streckenplanungen<br />

von Friedrich List aus dem Jahr 1833 erläutern, indem sie in einem ersten<br />

Schritt die besondere Ausrichtung auf Berlin und die damit zusammenhängenden<br />

politischen und wirtschaftlichen Gründe kurz herausstellen und in<br />

einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung des Gesamtplanungskonzepts<br />

die Gütersloher Lage skizzieren und selbständig bewerten.<br />

• nach Vorstellung der im Gütersloher Raum kursierenden Streckenplanungen<br />

die verschiedenen Varianten in einer Gruppenarbeit unter Bezugnahme der<br />

Gütersloher Meinung, der Belange der Eisenbahngesellschaft sowie der Positionen<br />

der anderen umliegenden Städte in allgemeiner Form erarbeiten.<br />

• die verschiedenen Streckenvarianten gegenüberstellen und abwägen, welche<br />

Eisenbahnführung für Gütersloh, die Eisenbahngesellschaft und die anderen<br />

Städte die zweckmäßigste darstellte.<br />

• dabei in besonderer Weise die Gütersloher Aussichten beschreiben und<br />

herausstellen.<br />

• die verschiedenen Gesichtspunkte dem Plenum erklären und stichhaltig argumentativ<br />

unter Berücksichtigung der jeweiligen Erfolgsaussichten erläutern.<br />

• dabei flexibel verschiedene Blickwinkel einnehmen und sich somit im Wech-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

sel von Perspektiven erproben.<br />

• die Quelle über den Eisenbahnbau im Kreise Wiedenbrück in einem Unterrichtsgespräch<br />

nach Klärung unbekannter Termini analysieren und interpretieren.<br />

• dabei die Hauptargumentationslinien beziehungsweise Leitgedanken der Primärquelle<br />

erschließen und nach Möglichkeit grundsätzlich kategorisieren,<br />

• indem sie das Denken der Gütersloher Autoren berücksichtigen und die innovative<br />

Kraft der Eisenbahn für die Stadt herausarbeiten.<br />

• dabei aber auch die negativen Folgen einer Streckenführung über Gütersloh<br />

in ihre Arbeit einbeziehen.<br />

• weiterhin die verschiedenen Gesichtspunkte gewichten und werten sowie im<br />

Laufe des Dialogs auf Grundlage der Argumentation die verschiedenen Seiten<br />

begründend darlegen.<br />

• auf Basis der unterrichtlichen Arbeit die Quelle als Übung für die bevorstehende<br />

Klausur und als Vorbereitung für die kommende Internetphase<br />

schriftlich analysieren und interpretieren.<br />

2.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

Die vorherige Unterrichtsstunde versuchte den spezifischen Entwicklungen bzw.<br />

den Planungen der Eisenbahn im Gütersloher Raum nachzugehen. Mit Hilfe der<br />

Stadtchronik erarbeiteten die Schüler in Partnerarbeit, daß bereits im Jahr 1830<br />

konkretere Pläne für eine Streckenführung nahe Gütersloh bestanden, die rege in<br />

der Stadt diskutiert wurden. 193 Wenn diese Pläne auch teilweise kritisch hinsichtlich<br />

des Fuhrmannswesens Aufnahme fanden, so zeigte sich doch letztlich ein<br />

wirkliches Wohlwollen gegenüber der Eisenbahn, was durch die Zeichnung von Aktien<br />

unterstrichen wurde. Im Verlauf dieser Stunde wurde auf einer Makroebene<br />

kritisch der 1833 von Friedrich List 194 entworfene Plan über die Streckenführung<br />

im Hinblick auf Gütersloh beleuchtet. Dabei erkannten die Schüler, daß zum einen<br />

Berlin klares Zentrum dieser Planung war und zum anderen daß das Städtchen Gütersloh<br />

und die hiesigen Eisenbahnpläne nur eine wirklich untergeordnete Rolle innerhalb<br />

der größeren Eisenbahnplanung spielten.<br />

Die Doppelstunde knüpft nahtlos an die vorherigen Unterrichtsstunden an und versucht,<br />

den späteren Planungen der Köln-Mindener Eisenbahn und den damit verbundenen<br />

Aktivitäten der Gütersloher Bürger und ihrer Nachbarn nachzuspüren. 195<br />

Im Gütersloher Raum entbrannte in dieser Zeit eine rege Diskussion darüber, wo<br />

nun eigentlich die Eisenbahnstrecke herzuführen habe. Rheda bemühte sich aufgrund<br />

der Strukturkrise der Leinenweberei redlich um die Eisenbahn. Friedrich<br />

193<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 34.35.<br />

194<br />

Vgl. M. Görtemaker, Deutschland im 19. Jahrhundert, Bonn 3. Aufl. 1989, S. 168; vgl. Henning,<br />

Industrialisierung, S. 159ff.<br />

195<br />

Vgl. Möller, Eisenbahngeschichte.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Wilh. Tenge, der Herr der Grafschaft Rietberg, forderte hingegen eine Streckenführung<br />

über Rietberg zu wählen, womit Rheda keinen Eisenbahnanschluß erhalten<br />

hätte. In diesem Zusammenhang erlangte Tenge zunächst mit erheblichen Landzugeständnissen<br />

die Zusage des Finanzministers für die kürzere und auch geländemäßig<br />

günstigere Strecke.<br />

Aber auch die Städte Gütersloh, Oelde und Ahlen formierten sich, um an der<br />

Streckenführung teil zu haben. Ihre Argumente und auch die finanziellen Angebote<br />

(Aktien, Land) hätten offensichtlich nicht ausgereicht, eine Entscheidung zu<br />

ihren Gunsten zu erreichen.<br />

Somit kursierten schließlich drei Varianten der Streckenführung in der Region:<br />

Die erste Variante sollte von Bielefeld über Rietberg nach Lippstadt führen. Sie<br />

entsprach der alten Postlinie und stellte die billigste Baulösung dar, was gerade<br />

seitens der Eisenbahngesellschaft begrüßt wurde. Der Nachteil dieser Linie bestand<br />

allerdings darin, daß sie weder die Kreisstadt Wiedenbrück noch den größten<br />

Ort im Kreis, Gütersloh, berührt hätte.<br />

Die zweite Möglichkeit sah vor, die Strecke von Bielefeld aus über Gütersloh nach<br />

Lippstadt zu führen, wobei in diesem Fall weder Rheda noch Wiedenbrück einen<br />

Anschluß erhalten hätten.<br />

Schließlich gab es eine weitere Alternative: Hier sollte die Eisenbahn von Bielefeld<br />

über Gütersloh nach Rheda weiter zwischen Rheda und Wiedenbrück auf Lippstadt<br />

fahren. Der unbestreitbare Vorteil dieser Lösung konnte darin gesehen werden,<br />

daß sowohl Gütersloh als auch Rheda und Wiedenbrück Vorteile genießen würden.<br />

Der wirkliche Nachteil lag allerdings auf finanziellem Gebiet: Diese Variante kostete<br />

150.000 Taler mehr als die erste vorgeschlagene Streckenführung.<br />

Letztlich kam alles ganz anders: In der Planung wollte die preußische Regierung<br />

schließlich unbedingt Hamm als einen Haltepunkt- bzw. Zielpunkt berücksichtigen.<br />

Dabei lag Rietberg nicht mehr auf der Strecke, so daß die Entscheidung für eine<br />

Streckenführung von Bielefeld über Gütersloh, Rheda und Oelde fiel. 196<br />

Als Einstieg in diese Unterrichtsstunde dient die Hausaufgabe der letzten Stunde.<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen hier noch einmal kurz die Streckenplanung von<br />

Friedrich List und die spezifische Gütersloher Situation rekapitulieren. Somit wird<br />

eine gute Verbindung zwischen den beiden Stunden sowie eine historische Einordnung<br />

der Gütersloher Pläne erreicht. 197<br />

In einer kurzen Überleitung zur Erarbeitungsphase werden von mir im Sinne einer<br />

Problematisierung die einzelnen Varianten auf Folie den Schülerinnen und Schülern<br />

kurz vorgestellt. 198 Sie erhalten nun für die Erarbeitung den Auftrag, mit Hilfe<br />

der mitgebrachten Atlanten die verschiedenen Streckenführungen in unterschied-<br />

196 Vgl. W. Menninghaus, Die Cöln-Mindener Eisenbahn in Ostwestfalen. Vom Planzug 1 bis zum Inter-<br />

city, Lübbecke 1983, S. 16.<br />

197<br />

Vgl. Anhang, S. 13.<br />

198<br />

Vgl. Anhang, S. 14.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

lichen Farben aufzuzeichnen und diese in Kleingruppen bezüglich der Erfolgsaussichten<br />

zu sondieren. Dabei gebe ich einen Hinweis darauf, nicht nur die Gütersloher<br />

Situation zu berücksichtigen, sondern auch die Belange der Eisenbahngesellschaft<br />

und der anderen Gemeinden in die Auseinandersetzung einzubeziehen. Auf<br />

den ersten Blick mag die Unterrichtsphase eher für die Sekundarstufe I. typisch<br />

zu sein. Ich habe mich aber trotzdem für diese Umsetzung entschieden, da die<br />

Schüler inmitten der Klausurenphase stehen. Einige Schüler schreiben zwei Klausuren<br />

in einer Woche, so daß Abwechslung im Unterricht schon aus lernpsychologischen<br />

Gründen willkommen ist. Weiter erscheint es mir wichtig, die Streckenführung<br />

vor Augen zu haben, um dann die verschiedenen Varianten diskutieren zu können.<br />

Darüber hinaus sollte in diesem Stadium bereits auch auf eine Produktorientiertheit<br />

bezüglich des Internets geachtet werden, denn die Streckenführungspläne<br />

werden voraussichtlich Eingang in die geplante homepage finden. Somit<br />

besteht zwischen den einzelnen Sequenzen des ersten Unterrichtsabschnitts und<br />

der produktorientierten Phase eine klare Interdependenz.<br />

In einem weiteren Schritt sollen einzelne Schüler im Sinne einer Präsentation ihre<br />

Ergebnisse den Mischülern vorstellen und dabei ihre Argumentation hinsichtlich<br />

der Streckenführung veranschaulichen. Dabei wird sich wahrscheinlich im anschließenden<br />

Unterrichtsgespräch zeigen, daß zumindest aus Gütersloher Sicht<br />

Variante 2 und 3 in Frage kommen könnte, wobei die dritte Streckenführung die<br />

teuerste Lösung darstellt. In dieser Phase erscheint es zudem wichtig, den Schülerbeiträgen<br />

einen großen Raum zu lassen. Der Lehrende soll größtenteils nur als<br />

Moderator 199 fungieren, da gerade in diesem Unterrichtsabschnitt der Schüler<br />

seine argumentativen Möglichkeiten innerhalb der Klasse schulen kann. In diesem<br />

Zusammenhang kommt es im wesentlichen darauf an, möglichst stichhaltig die erarbeiteten<br />

Argumente den anderen Schülern vorzustellen, sie zu untermauern und<br />

dabei sowohl die mögliche Meinung der Gütersloher und der Rhedaer sowie die Erwartungen<br />

der Eisenbahngesellschaft zu berücksichtigen.<br />

Nachdem die Schüler ihre Argumente vorgestellt haben, soll in einer Vertiefungsphase<br />

den Schülern nach der kurzen Wiederholung der verschiedenen Varianten<br />

die tatsächliche Streckenführung mit Hilfe einer Folie nahegebracht werden. Diese<br />

führte letztlich von Bielefeld über Gütersloh, Rheda, Oelde bis nach Hamm, da<br />

Berlin eine Anbindung an das Ruhrgebiet gefordert hatte. 200<br />

In der zweiten Stunde soll dann im Sinne einer inhaltlichen Vertiefung eine Quelle<br />

von M. Strenger, J.C. Ibrügger und C. Bertelsmann über den Eisenbahnbau im Kreis<br />

Wiedenbrück aus dem Jahr 1841 201 von den Schülern bearbeitet werden. Dabei<br />

199<br />

Vgl. hierzu Meyer, Unterrichtsmethoden. S. 248.<br />

200<br />

Vgl. hier Anhang, S. 15.<br />

201<br />

Vgl. Stadtarchiv Gütersloh, M. Strenger, J.C. Ibrügger, C. Bertelsmann, Über den Eisenbahnbau<br />

im Kreis Wiedenbrück vom 21. Dezember 1841, Sign. A-221, VI A 4; vgl. auch R. Herrmann, Zur Geschichte<br />

der Eisenbahn in Gütersloh. Die Entwicklung der Lokschuppen, in: Gütersloher Beiträge zur<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

sollen sie erörtern, was konkret die Gütersloher Bürger über den Eisenbahnbau<br />

gedacht haben, soweit dieser Sachverhalt aus der Quelle erarbeitet werden kann.<br />

Die Fokussierung auf Gütersloh zeigt, wie am Ort über die Streckenplanung und<br />

die Vorteile sowie Nachteile der Eisenbahn diskutiert wurde. Die Mitstreiter um<br />

Carl Bertelsmann, der diesen Text selbst schrieb und in seiner Druckerei vervielfältigte,<br />

erkennen die innovative Kraft der Eisenbahn und sprechen sich ganz klar<br />

für eine Streckenführung über Gütersloh aus. Dabei weisen sie auf die enorme<br />

Schwungkraft des Chaussee-Baus 202 hin, der dieser Region vor einigen Jahren einen<br />

enormen Aufschwung beschert hatte. Gleiches gilt auch in ihren Augen für den<br />

Eisenbahnbau. Obwohl sie auch negative Folgen (Auswirkungen auf das Fuhrmannswesen,<br />

Luxus, gesellschaftliche Bedenken) durchaus in ihre Überlegungen einbeziehen,<br />

entscheiden sie sich in einem positiven Sinne, denn eine andere Streckenführung<br />

würde Gütersloh nur "veröden" lassen. Die Schüler werden hier noch einmal<br />

am Beispiel Güterslohs dafür sensibilisiert, welche Schwierigkeiten auftreten<br />

können, wenn neue, innovative Techniken in die eigene Stadt Einzug halten sollen.<br />

Ein längerer Entscheidungsprozess ist vonnöten, in dem Pro und Contra-Argumente<br />

im Hinblick auf das Unternehmen abgewogen werden müssen. Neben der Wiedergabe<br />

und Anwendung von Kenntnissen gelangt in diesem Zusammenhang auch das<br />

problemlösende und wertende Element in den Unterrichtsgang. Mit Hilfe von mir<br />

vorgegebenen Streitfragen sollen die Schüler demnach versuchen, dem Argumentationsgang<br />

der Quelle (Chaussee-Bau, wirtschaftlicher Aufschwung etc.) in einem<br />

Unterrichtsgespräch nachzuspüren. Gleichzeitig dient die Quelle als Grundlage für<br />

das in der nächsten Stunde stattfindende Streitgespräch, in dem die Schüler in<br />

unterschiedlichen Gruppen die verschiedenen Argumente austauschen sollen. Die<br />

Quelle soll in diesem Zusammenhang der Gruppe Gesichtspunkte liefern, die sich<br />

für einen Streckenbau durch Gütersloh aussprechen soll. Darüber hinaus soll von<br />

den Schülern der Text von Carl Bertelsmann als Vorbereitung auf die in der nächsten<br />

Woche stattfindende Klausur als Hausaufgabe zur Übung analysiert und interpretiert<br />

werden.<br />

2.3. Reflexion der Unterrichtsstunde<br />

Die kurzen wiederholenden Sequenzen der Stunde gelangen von den Schülerinnen<br />

und Schülern relativ gut, wobei allerdings die konkrete Verbindung zwischen den<br />

Gütersloher Plänen und dem Listschen Plan erst nach einigen Impulsen wieder präsent<br />

war und artikuliert werden konnte. XY: "Die Gütersloher waren schon irgendwie<br />

positiv eingestellt gegenüber der Eisenbahn. Obwohl sie eine Gefährdung des<br />

Fuhrmannswesens sahen, zeichneten sie trotzdem Aktien für den Eisenbahnbau.<br />

Das ist doch schon ein eindeutiger Hinweis für die positive Einstellung." Z sagte im<br />

Verlauf weiter, ohne auf XYs Äußerung einzugehen: "List plant eindeutig auf Berlin<br />

Heimat- und Landeskunde Nr. 50/51 (1996), S. 1149; vgl. Anhang, S. 16.<br />

202<br />

Vgl. auch Henning, Industrialisierung, S. 165.166.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

hin. Zumindest soll Berlin Zentrum sein. Das ist schon ein großes Netz für die Anfangszeit."<br />

Bei diesen exemplarischen Aussagen ist erkennbar, daß offenbar die<br />

Schwierigkeit besteht, Mikro- und Makroebene immer wieder strukturell aufeinander<br />

zu beziehen. Hier sollte demnächst ein weiteres Augenmerk darauf liegen,<br />

Perspektivenwechsel zu trainieren und Beziehungen zwischen der Lokalgeschichte<br />

und dem Gesamtzusammenhang aufzuzeigen. 203<br />

Das Aufzeichnen der verschiedenen Streckenvarianten mit verschiedenenfarbigen<br />

Stiften und Papier wurde von den Schülern gut angenommen. FG: "Endlich mal was<br />

anderes als immer nur Quellen." Durch das Aufmalen kamen auch schwächere<br />

Schüler in eine rege Diskussion hinein. Sie argumentierten zeitweise recht heftig<br />

und explosiv. Es war in diesem Zusammenhang aber wichtig, durch die Reihen zu<br />

gehen und einige weitere Hinweise zu den einzelnen Varianten zu geben. Vielfach<br />

beschränkten sich die Schüler lediglich auf die Gütersloher Sicht, waren aber<br />

schnell in der Lage andere Sichtweisen zu berücksichtigen.<br />

Interessanterweise bemerkte Z bei der Streckenzeichnung, daß seine Familie noch<br />

eine preußische Karte dieser Region aus dem Jahre 1845 zu Hause hätten. Er erklärte<br />

sich spontan bereit, diese für die kommende Internetphase bereitzustellen.<br />

Somit kann sie eingescannt als Hintergrund für die verschiedenen Streckenvarianten<br />

dienen, sofern sich die Redaktion für diese Vorlage entscheidet.<br />

Bei der folgenden Präsentation der einzelnen Ergebnisse zeigten die Schüler sehr<br />

deutlich, daß sie in der Lage waren, eine Verbindung zwischen der möglichen wirtschaftlichen<br />

Entwicklung und dem Bau der Eisenbahn herzustellen. Leider kamen<br />

hier nur die eher eloquenteren Schüler zum Zuge, die sich vor der Klasse relativ<br />

gut präsentieren können. Hier sollte zukünftig behutsam auch den nicht so stark<br />

im Rampenlicht stehenden Schülern die Möglichkeit gegeben werden, ihre Ergebnisse<br />

vorzustellen. Obwohl ich schon einige Schüler dieses Kurses im Unterricht<br />

hatte, erschien es mir in dieser konkreten Situation als ein zu großes Risiko einfach<br />

irgendeinen Schüler zur Vorstellung der Resultate aufzufordern. Sicherlich<br />

könnte man dies tun, wenn man die Schüler noch besser kennen würde. Hier erschien<br />

mir die Gefahr einer Brüskierung aber zu groß. Gleichzeitig haben die<br />

Schüler über die am besten gezeichnete Streckenführung diskutiert. In diesem<br />

Fall erkannte ich, daß sie sehr objektiv und mit großem Geschick einige Zeichnungen<br />

in die enge Wahl zogen. In keiner Weise wurden etwas verunglückte Streckenführungen<br />

lächerlich gemacht, was offensichtlich für die bereits hoch entwickelte<br />

Sozialkompetenz in diesem Kurs spricht. Da die Schüler schon von Beginn an wußten,<br />

daß die Ergebnisse der Erarbeitungsphase Eingang in das Internet finden<br />

werden, arbeiten sie gerade in solchen Sequenzen größtenteils konsequent und gewissenhaft<br />

mit. Sie wissen, daß das ihr Projekt ist.<br />

Nachdem eine Zeichnung ausgewählt worden war, die leider auf stark farbigem<br />

203 Vgl. Leeb, Regionalgeschichte, S. 73.74.<br />

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Papier kreiert wurde, bat ich diejenige Schülerin, die diese Zeichnung angefertigt<br />

hatte, sie für das Internet vorzubereiten, damit die betreffende Redaktion in den<br />

Sitzungen auf vielfältiges Material zurückgreifen kann. Gerade hier erkennt man,<br />

welche weiteren Schwierigkeiten im Hinblick auf eine ordentliche Internet-<br />

Umsetzung bestehen. Alle notwendigen Graphiken müssen als möglichst gute Vorlage<br />

existieren, so daß sie eingescannt werden können. Bei Quellen und Texten besteht<br />

die Notwendigkeit, diese in einem Textverarbeitungsformat vorliegen zu<br />

haben, damit dieser Text nach einer Konvertierung in das HTML-Format als Hypertext<br />

in die Konzeption aufgenommen werden kann, was auch immer eine Zusatzarbeit<br />

seitens der Schüler bedeutet. Gerade diese Problematiken können im Unterrichtsverlauf<br />

nicht immer zeitlich genau eingeplant werden. Obwohl ich die<br />

Zeichnung von Anfang an in das Internet aufnehmen wollte, entstehen immer wieder<br />

Diskussionen über die technische Umsetzbarkeit. Die Schüler sagen hierbei<br />

sehr klar, was als Vorlage dienen kann und was nicht. Gerade hier erkennt sich der<br />

Lehrende immer wieder als Lernender.<br />

Zusätzlich war es in diesem Zusammenhang notwendig, einen Schüler zu bitten, die<br />

verschiedenen Argumentationen schriftlich niederzulegen, um später eine geeignete<br />

Vorlage für die noch einzurichtende Redaktion zu besitzen, die dann ein Endprodukt<br />

für das Internet herstellt. Diese Zusatzarbeiten würden im normalen Unterrichtsgeschehen<br />

nicht unbedingt anfallen. Im allgemeinen ist aber zu bemerken,<br />

daß die Schüler weitgehend engagiert diese Arbeiten übernehmen (siehe nächste<br />

Dokumentationsstunde). DC: "Schließlich lernen wir hier sowohl Geschichte als<br />

auch einige Dinge fürs Internet - das ist eine gute Verbindung." Die Motivation ist<br />

also sehr hoch, obwohl sich die Schüler in der besagten Klausurenphase befinden.<br />

Hierbei ist aber zu bemerken, daß diese hohe Bereitschaft zur Mitarbeit offenbar<br />

schwerpunktmäßig aufgrund der demnächst stattfindenden Arbeit mit dem Internet<br />

zustandekommt. Die regionalgeschichtlich orientierte Sequenz scheint diese<br />

Motivation nur zeitweise hervorzurufen.<br />

In der Vertiefungsphase in der zweiten Stunde zeigte sich darüber hinaus, daß<br />

einige Schüler Defizite in der Analyse und Interpretation von Quellen besitzen.<br />

Die Schüler, die bereits an dem von mir unterrichteten Grundkurs teilgenommen<br />

haben, wurden mit dem Schema von Kocka/Mütter 204 bekannt gemacht und haben<br />

im Verlauf des Unterrichtsgangs einige Primär- und Sekundärquellen analysiert<br />

und interpretiert, so daß von ihrer Seite eigentlich keine Schwierigkeiten bestanden.<br />

Ich habe mich in dieser Phase angesichts der bevorstehenden Klausur und<br />

einiger Reaktionen seitens der Schüler spontan entschlossen, den Schwerpunkt von<br />

der inhaltlichen Ebene auf die methodische Auseinandersetzung mit der Quelle zu<br />

verlagern und somit den Text schrittweise zu erarbeiten, was letztlich notwendig,<br />

aber sehr zeitintensiv war. GH, der bereits an meinem Grundkurs teilgenommen<br />

204 Vgl. Kocka u.a., Industrialisierung, S. 31.32.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

hatte und somit schon das Schema kannte, übernahm hier die Rolle eines sogenannten<br />

Sprechers, der Schritt für Schritt das Modell den anderen Schülern vorlas<br />

und kurz erklärte, so daß eine Lehrerdominanz vermieden wurde. An der Quelle<br />

konnten nun die Ausführungen von Kocka/Mütter angewandt werden. Auf den ersten<br />

Blick schien es, daß die Schüler den Text verstanden hätten, da nur der Begriff<br />

"projectieren" geklärt werden mußte. Bei der Nachfrage, wie denn z.B. die<br />

Maßeinheiten zu verstehen seien, wurde jedoch schnell klar, daß hier einiger Klärungsbedarf<br />

bestand. So wurden kurz die Daten mit heute gängigen Maßeinheiten<br />

verglichen, soweit dies möglich war. GH Vorlesefunktion erwies sich in diesem Zusammenhang<br />

als sehr abwechslungsreich. Er markierte das Ende eines Punktes und<br />

konnte selbständig zu einem neuen Abschnitt übergehen. Im Verlauf zeigte sich,<br />

daß die Schüler sehr wohl in der Lage waren, mit Hilfe des Schemas die Quelle<br />

angemessen zu erfassen. So konnten sie einige Informationen zu den Verfassern<br />

Strenger, Ibrügger und Bertelsmann, die allesamt eigene Firmen in Gütersloh besaßen,<br />

zusammentragen, wobei der Buchdrucker C. Bertelsmann als der bekannteste<br />

hervorgehoben wurde. Auch die Einordnung in die historische Zeitsituation gelang<br />

grundsätzlich, wobei in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit bestand, auf<br />

zwei Ebenen Informationen zu sammeln, denn es mußte immer sowohl die Makro-<br />

als auch die Mikroebene Berücksichtigung finden. AT charakterisierte hier den<br />

Zeitabschnitt als noch frühindustrielle Phase, wobei er schon klar den Beginn der<br />

Industrialisierung erkannte. Darüber hinaus zeigte SL klar auf, daß Güterslohs<br />

Aufstieg eigentlich noch nicht begonnen hatte. Wenn auch der Chaussee-Bau der<br />

Stadt einigen wirtschaftlichen Aufschwung beschert hatte, so wurde konstatiert,<br />

daß Gütersloh eben doch ein kleines "Nest" in Ostwestfalen war.<br />

Auch die Charakterisierung des Textes als Brief bzw. Schreiben an den Magistrat<br />

und somit als Primärquelle mit der Bitte, die Eisenbahn zu unterstützen, wurde von<br />

den Schülern gut herausgearbeitet.<br />

Es zeigte sich, daß die Strukturierung des Textes im Unterrichtsgespräch nur wenig<br />

Schwierigkeiten bereitete, wobei jedoch die Rolle des Gutsbesitzers Tenge<br />

einige Verwirrung stiftete. Im Unterrichtsgespräch wurde dann geklärt, daß Tenge<br />

durch sein großzügiges Angebot, sein Land kostenlos für den Eisenbahnbau zur<br />

Verfügung zu stellen, die Gütersloher Pläne gehörig ins Wanken brachte.<br />

Die Zeit reichte letztlich nicht aus, die gesamten Punkte des Schemas zu bearbeiten,<br />

so daß die Hausaufgabe, die Analyse und Interpretation der Quelle, einen<br />

noch stärkeren Vertiefungs- bzw. Übungscharakter erhielt als eigentlich vorgesehen.<br />

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß das Hauptproblem der beiden Stunden<br />

(gerade zum Ende) in der fehlenden Zeit bestand. Gerade Probleme hinsichtlich<br />

der Umsetzung für das Internet nehmen immer wieder viel Raum innerhalb der<br />

Stundensequenz ein. In Zukunft müßte in der Planung noch mehr auf die Umsetzbarkeit<br />

sowie die Einordnungs- bzw. Verbindungsmöglichkeiten der einzelnen Be-<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

reiche geachtet werden. Darüber hinaus überraschte es, daß viele Schüler teilweise<br />

größere methodische Schwierigkeiten bei der Erarbeitung von Quellen und Texten<br />

besaßen. Es schien angesichts der bevorstehenden Klausur und im Hinblick auf<br />

das Internet gerechtfertigt, sich schrittweise mit den methodischen Aspekten am<br />

Beispiel der Primärquelle auseinanderzusetzen. Hier erscheint es weiter notwendig,<br />

verstärkt auf die methodische Arbeit Wert zu legen. Ein Augenmerk muß somit<br />

darauf liegen, daß der Dreischritt Analyse-Interpretation-Kritik behutsam<br />

eingeübt und gefestigt wird.<br />

Daß trotzdem weitgehend die Lernziele der Stunde erreicht wurden, lag vornehmlich<br />

an der bereits erwähnten Diszipliniertheit und hohen Motivationsbereitschaft<br />

des Kurses.<br />

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3. Unterrichtsstunde: Eine Firma ändert ihr Gesicht - Die Veränderungen in<br />

der Textilwirtschaft am Beispiel der Gebr. Bartels: Vom Handwebstuhl zum<br />

mechanischen Webstuhl oder vom Tuchgeschäft zur Fabrik und damit verbundene<br />

Folgen für die Menschen und die Stadt<br />

3.1. Lernziele der Unterrichtsstunde<br />

3.1.1. Grobziel der Stunde<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• mit Hilfe mehrerer ausgewählter Zitate und eines Diagramms die Entwicklungen<br />

und Veränderungen in der Textilwirtschaft und die damit verbundenen<br />

Folgen für die Menschen und die Stadt im Zeitalter der Industrialisierung<br />

erarbeiten und nachvollziehen sowie in elementarer Form mögliche weitere<br />

Konsequenzen sowohl im lokalen Kontext als auch im Gesamtzusammenhang<br />

selbständig auffinden und kritisch beurteilen.<br />

3.1.2. Feinziele der Stunde<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• mit Hilfe eines Zitates aus der Stadtchronik, welches die Gründung der<br />

Seidenstoffherstellung in Gütersloh bekanntgibt, das Profil der neuen Firma<br />

erkennen und beschreiben.<br />

• dabei die Etablierung der Produktion und die Steigerung der Warenqualität<br />

mit Hilfe der Einführung einer Schule berücksichtigen.<br />

• die dort zunächst dezentral betriebene Produktion skizzieren.<br />

• die wirtschaftliche Tragweite der Gründung einer Seidenfabrikation in Gütersloh<br />

für die Stadt und die Bevölkerung erläutern.<br />

• die Unternehmer Ferdinand und Wilhelm Bartels mittels eines Lehrervortrags<br />

näher kennenlernen und sich bewußt werden, daß einzelne Persönlichkeiten<br />

Projekte entscheidend vorantreiben und somit zumindest in überschaubaren<br />

Räumen Geschichte gestalten können.<br />

• in diesem Zusammenhang ihre Hörfähigkeit schulen.<br />

• Grundsätze der Arbeit unter Zuhilfenahme eines Zitates des Firmengründers<br />

Ferdinand Bartels mit eigenen Worten darstellen und mit geeigneten<br />

Begriffen näher illustrieren.<br />

• die Entwicklung beziehungsweise Veränderungen der Firma im Zeitalter der<br />

Industrialisierung mit Hilfe einer graphischen Umsetzung erläutern und begutachten.<br />

• dabei die Abnahme der Handwebstühle aufzeigen und kritisch beurteilen.<br />

• gleichzeitig die Zunahme der mechanischen Webstühle skizzieren und werten.<br />

• weiterhin die nahezu gleichbleibende Mitarbeiterzahl herausstellen und interpretieren.<br />

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• die verschiedenen Resultate der Graphik miteinander in Beziehung setzen<br />

und geeignete Schlußfolgerungen ziehen.<br />

• diese neue zentral organisierte, industrielle Produktion in diesem Gewerbe<br />

mit der dezentral geschehenen, manufakturiellen Herstellungsweise von<br />

Textilien in der vorindustriellen Phase vergleichen und hinterfragen.<br />

• nach Möglichkeit im Unterrichtsgespräch einen aktuellen Bezug herstellen<br />

und historische Strukturen aufdecken.<br />

3.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

Nach dem teilweise hitzig geführten Streitgespräch über das Für und Wider der<br />

Köln-Mindener Eisenbahn 205 , die letztlich von Bielefeld über Gütersloh nach Hamm<br />

führte, konnten die Schüler im weiteren Verlauf der Unterrichtsreihe einen ersten<br />

Einblick in die Entwicklung der Gütersloher Textilwirtschaft erhalten. Mit Hilfe<br />

einer Folie wurden hierbei zunächst allgemein vorindustrielle und industrielle<br />

Gewerbestandorte im Hinblick auf die Metallverarbeitung und Textilproduktion in<br />

Deutschland dem Schüler aufgezeigt, um die regionale Ebene mit der überregionalen<br />

zu verbinden. 206 Dabei erkannten sie u.a. sehr schnell, daß die Standorte im Industriezeitalter<br />

flächenmäßig geschrumpft waren, was auf eine Zentralisierung<br />

der Gewerbezweige offensichtlich u.a. aufgrund des Baus von Fabriken und der<br />

Ausnutzung von neuen Verkehrswegen (Eisenbahnlinien) schließen ließ. Im Verlauf<br />

der Diskussion wurde die Gütersloher Lage mit in das Unterrichtsgespräch getragen,<br />

die sich offenbar, betrachtete man die Folie, äußerlich nur wenig verändert<br />

hatte. In diesem Zusammenhang wurden seitens der Schüler Zweifel laut, ob sich<br />

der Interpretationsbefund im Hinblick auf die Graphik mit der tatsächlichen wirtschaftlichen<br />

Entwicklung im 19. Jahrhundert im ostwestfälischen Raum deckte. Im<br />

Rahmen dieser Problematisierung wurden die Schüler zudem mit der sich verändernden<br />

gesellschaftlichen Situation der Weber in dieser Zeit, dem Verlagssystem<br />

und der dezentralen Manufaktur mit Hilfe von kleinen Texten und Folien bekanntgemacht.<br />

In einer kurzen Stillarbeitsphase erarbeiteten die Schüler zum<br />

besseren Verständnis die technischen Aspekte eines Handwebstuhls, um später<br />

die entscheidenden Veränderungen des technischen Fortschritts nachvollziehen zu<br />

können.<br />

Auf Grundlage der alten Heimarbeit hatte sich in Gütersloh in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts eine vielseitige Textilindustrie entwickelt, die vorrangig von<br />

einigen größeren Firmen getragen wurde. 207<br />

Schon im 18. Jahrhundert besaß die Verarbeitung von Flachs innerhalb der Lohnspinnerei<br />

eine große Bedeutung im heimischen Raum. In Gütersloh waren nach An-<br />

205<br />

Vgl. Anhang, S. 17-19.<br />

206<br />

Vgl. Anhang, S. 20.<br />

207<br />

Hier seien neben den Gebr. Bartels, die Firmen Greve & Güth, die Gütersloher Weberei, Niemöller<br />

& Abel, Güth & Wolf und Niemöller & Lütgert sowie W. Bartels genannt.<br />

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gaben des Stadtmuseums in dieser Zeit von 510 eingetragenen Arbeitnehmern 381<br />

als hauptberufliche Spinner eingeschrieben. 208<br />

Bis ins 19. Jahrhundert fand man weitgehend eine traditionell organisierte, in<br />

Heimarbeit geschehene Produktion vor, wobei die Verbindung von Haus und Arbeit<br />

und die Einbeziehung der meisten Familienmitglieder als wichtige Merkmale dieser<br />

Produktionsform hervortraten. Sogenannte Verleger 209 übernahmen die Organisation<br />

des Absatzes der Produkte. Durch englische Einfuhren nach Aufhebung der<br />

Kontinentalsperre geriet jedoch die Garnherstellung im hiesigen Raum stark unter<br />

Druck. Die preiswerten, schon industriell gefertigten englischen Produkte überschwemmten<br />

den stark angespannten Markt und ließen die heimischen Waren ins<br />

Hintertreffen geraten. Der Rückgang der sogenannten Lohnspinnerei war nicht<br />

mehr aufzuhalten. Das Schwergewicht der Produktion verlagerte sich zusehends<br />

auf die Weberei, um so der drohenden Verelendung, die zudem durch Mißernten in<br />

den Jahren 1845/46 und 1846/47 verstärkt wurde, zu entgehen. Den Problemen<br />

bei der Umstrukturierung versuchte man mit staatlichen und privaten Hilfsaktionen<br />

in Form von Geld Herr zu werden. 210 Weitere Maßnahmen traten hinzu: Die<br />

Umschulung zu Webern und das Ausweichen auf die Verwendung anderer Rohmaterialien<br />

(z.B. Baumwolle, Nessel und Seide).<br />

In diese Phase fällt die Gründung der Firma Gebrüder Bartels. 211 Auf Grundlage<br />

des 1805 vom Vater gegründeten Tuchgeschäfts etablierten Ferdinand und Wilhelm<br />

Bartels 1857 eine Seidenfabrik in Gütersloh. Während Wilhelm Bartels nach<br />

dem Tode des Vaters das Tuchgeschäft übernommen hatte, ging sein Bruder Ferdinand<br />

zunächst von Gütersloh nach Rheydt, um dort nach dem Besuch der höheren<br />

Schule Kenntnisse in der Seidenmanufaktur in einer Seidenweberei zu erwerben.<br />

Der Start gelang zunächst nicht so gut: Im ersten Jahr machten die Gebrüder bei<br />

einem Umsatz von 4.560 Talern einen Verlust von 650 Talern, die aber durch das<br />

Tuchgeschäft getilgt wurden.<br />

Auf Basis des Geschäftes entwickelte sich im Laufe der Jahre eine gewerbliche<br />

Mischform. Man betrieb zunächst eine Winderei, Schererei, eine Wiegkammer und<br />

hunderte von Handwebstühlen. Erst in späterer Zeit schuf man zunächst ein zentrales<br />

Geschäftsgebäude mit kaufmännischer Leitung, Verwaltung, technischer<br />

Zentrale und Lager. Die Produktionsumstellung von der Handweberei auf mechanische<br />

Webstühle vollzog sich hierbei über einen längeren Zeitraum. 212 Nun wurden<br />

umfangreiche Investitionen nötig, die die beiden Unternehmer für kostspielige<br />

Maschinen und Fabrikgebäude verwendeten. Viele Handweber wurden in diesem<br />

208<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 9.<br />

209<br />

Vgl. H.-J. Pandel, "Maschinen, um ohne Finger zu spinnen". Die Textilindustrie als erste Führungssektor<br />

der Industrialisierung, in: Geschichte lernen 41 (1994), S. 21.<br />

210<br />

Vgl. Stadtmuseum, Konzeption, S. 14.<br />

211<br />

Vgl. Gebr. Bartels GmbH (Hrsg.), 100 Jahre Gebr. Bartels GmbH 1857-1957, Gütersloh 1957.<br />

212<br />

. Die Gebr. Bartels installierten erstmals 1882 einen mechanischen Webstuhl.<br />

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Zusammenhang nicht mehr gebraucht, wohnten zu weit weg, waren teilweise zu alt<br />

oder wollten ihre einstmals genossene Dispositionsfreiheit nicht mehr mit der Einordnung<br />

in den Fabrikationsbetrieb eintauschen. Die Gebr. Bartels entschlossen<br />

sich schließlich 1887 zur Errichtung einer Fabrik. Diese Zentralisierung der Produktionsvorgänge<br />

ging einher mit dem Kauf von mechanischen Webstühlen und mit<br />

der allmählichen Verringerung der Handwebstühle bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl.<br />

Die Erzeugnisse waren halbseidene Futter- und Besatzstoffe für die Damenkonfektion<br />

sowie einfarbige und gemusterte Kleider- und Blusenstoffe. Dabei<br />

beschränkte sich der Absatz nicht nur auf Deutschland, sondern umfaßte zu Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts England und Südamerika.<br />

Als Einführung in die Unterrichtsstunde wurde ein Auszug 213 aus der Stadtchronik<br />

vom 1. April 1857 ausgewählt, der die Gründung einer Seidenfabrik durch die<br />

Gebrüder Bartels vermerkt. Offenbar war das Ereignis dieser Errichtung für die<br />

Stadt so wichtig, daß es in die Bürgermeisterchronik aufgenommen wurde. Die<br />

Schüler sollen anhand des Textes und mit Hilfe ihres Vorwissens kurz das Profil<br />

der neuen Firma aufzeigen. Hierbei erkennt man, daß offenbar u.a. zur Etablierung<br />

der Produktion und der Steigerung der Qualität der Waren in der Umbruchphase<br />

von der Flachsspinnerei zu Seidengeweben eine Schule eingerichtet wurde. Zudem<br />

können sie feststellen, daß die Gründung einer solchen Firma nicht gleichzusetzen<br />

ist mit der Errichtung einer Fabrik im heutigen Verständnis. Es ist vielmehr davon<br />

auszugehen, daß in diesem Fall immer noch die dezentrale Produktion von Stoffen<br />

und das damit eng verknüpfte Verlagssystem vorherrschte. Gleichzeitig zeigt die<br />

Eintragung auf, daß Arbeitnehmer trotz schwacher gesundheitlicher Konstitution<br />

Arbeit und damit Lohn fanden.<br />

In dieser Unterrichtsphase sollen die Schüleräußerungen wieder von einem Schüler<br />

schriftlich fixiert werden. Dabei wird er zusätzlich einige Leitfragen 214 als Erinnerungsstütze<br />

erhalten, die eine Grundlage für die Arbeit zu Hause bilden. Diese<br />

vorher entwickelten Fragen bilden auch die Basis für die Auseinandersetzung im<br />

Unterricht. 215 In einer Überleitung sollen dann in einem kurzen Lehrervortrag die<br />

Unternehmer Ferdinand und Wilhelm Bartels in einem Biogramm vorgestellt werden.<br />

Dabei wird mit Unterstützung der Porträts 216 der Gründer aufgezeigt, wie<br />

213<br />

Vgl. Stadtchronik, S. 230; vgl. Anhang, S. 21.<br />

214<br />

Diese unterstützenden Leitfragen werden zeitweise am Ende von Unterrichtsabschnitten einem<br />

interessierten Schüler zur vertiefenden Erarbeitung übergeben, um in der Redaktionsphase<br />

schriftliches Material vorliegen zu haben. Hier können die Leitfragen z.B. folgendermaßen lauten: 1.<br />

Welche Informationen erhälst Du aus der Stadtchronik? 2. Auf welche Produktionsform kannst Du<br />

in diesem Zusammenhang schließen? 3. Beschreibe diese Produktionsform mit eigenen Worten. 4.<br />

Welche Chancen bzw. Möglichkeiten bieten die Gebr. Bartels den Mitarbeitern?<br />

215<br />

Vgl. hier auch die Umsetzung in der Redaktionsphase.<br />

216<br />

Vgl. Rohlfes Ausführungen zum eidetischen Gedächtnis bei jungen Menschen, in: Rohlfes, Didaktik,<br />

S. 331-338, hier S. 331; die Porträts wurden freundlicherweise vom Stadtarchiv zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

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unterschiedlich die Ausbildungen und Werdegänge der beiden Brüder bis zur Aufnahme<br />

des Geschäfts gewesen sind. Da sie letztlich offensichtlich einen hohen<br />

Stellenwert hinsichtlich der Gründung der Firma besessen haben, müssen sie in<br />

gebotener Kürze Eingang in den Unterrichtsgang finden. Zudem sollen die Schüler<br />

hier personifizierte Lokalgeschichte kennenlernen, die letztlich immer auch "ihre"<br />

Geschichte ist. In diesem Zusammenhang sollen zwei Schüler gebeten werden, sich<br />

mit Hilfe von geeignetem Zusatzmaterial 217 aus dem Stadtarchiv mit den beiden<br />

Biographien zu Hause auseinanderzusetzen. Da die Zugangsmöglichkeiten auf das<br />

Material als weitgehend schwierig zu erachten sind 218 , wurden die Unterlagen bereits<br />

im voraus gesichtet und schülergerecht vorbereitet.<br />

Die erste kurze Erarbeitungsphase soll die grundsätzliche Arbeitshaltung in der<br />

Firma anhand eines Zitates des Firmengründers Ferdinand Bartels den Schülern<br />

nahebringen. 219 Wenn auch nicht die protestantische Ethik Max Webers 220 hinsichtlich<br />

der Arbeitshaltung aufgrund anderer Zielrichtungen der Unterrichtsreihe<br />

zur Gänze behandelt werden kann, so soll doch grundsätzlich mit Hilfe des Zitats<br />

aufgezeigt werden, welche Prämissen im Hinblick auf die Arbeitsdisziplin und<br />

-ausrichtung in diesem Unternehmen vorherrschten. Dieser Sachverhalt erscheint<br />

darüber hinaus als erwähnenswert, da Gütersloh im Volksmund als ostwestfälisches<br />

Nazareth bezeichnet wurde und eine Verbindung zwischen wirtschaftlichem<br />

Handeln und religiösem Leben zumindest immer implizit gegeben war. 221<br />

In einem zweiten Erarbeitungsschritt soll nun die Produktionsumstellung von der<br />

Handweberei auf mechanische Webstühle mit den damit verbundenen wirtschaftlichen<br />

bzw. gesellschaftlichen Folgen näher untersucht werden. Dabei sollen die<br />

Schüler zunächst in einer Partnerarbeit kurz die vorgelegte Zahlenreihe in ein<br />

Diagramm graphisch umsetzen und sich dabei mit den spezifischen Veränderungen<br />

im Bereich der Produktion von Seidengeweben auseinandersetzen. 222 In einem darauf<br />

folgenden Unterrichtsgespräch soll von den Schülern aufgezeigt werden, daß<br />

die Abnahme der Handwebstühle allmählich geschah, so daß von einer behutsamen<br />

Veränderung gesprochen werden kann. Gleichzeitig sollen sie die enorme Zunahme<br />

von mechanischen Webstühlen mit der einhergehenden erhöhten Produktion mit<br />

217<br />

Vgl. Gütersloher Zeitung, Neue, vom 30.9.1892, Art.: Tod v. W. Bartels; vgl. Gütersloher Zeitung,<br />

Neue, vom 5.09.1905, Art.: Tod v. F. Bartels.<br />

218<br />

Die Zeitungsausschnitte liegen im Stadtarchiv nur als Mikrofiche vor, so daß bei einer Erarbeitung<br />

im Archiv eine zusätzliche Einführung in das Sichtgerät notwendig geworden wäre. Darüber<br />

hinaus wurde der Nachlaß der Gebr. Bartels vom Stadtarchiv noch nicht gesichtet, so daß ein<br />

Zugriff von Schülerseite nicht möglich ist.<br />

219<br />

Vgl. Anhang, S. 22.<br />

220<br />

Vgl. hier Nipperdey, Arbeitswelt, S. 672.<br />

221<br />

Darüber hinaus wird dieser Aspekt auch in den folgenden Unterrichtsstunden immer wieder erwähnt<br />

werden. So zeigt sich diese arbeitsethische Haltung z.B. sehr stark in dem noch zu behandelnden<br />

Briefwechsel zwischen Carl Bertelsmann und seinem Sohn Heinrich.<br />

222<br />

Vgl. Anhang, S. 23.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Hilfe der Abbildung den anderen Schülern nahebringen. Darüber hinaus muß darauf<br />

Wert gelegt werden, daß in dieser Umstellungsphase nur wenig mehr Arbeitnehmer<br />

eingestellt wurden, obwohl die Zahl der mechanischen Webstühle stark zunahm.<br />

Sodann muß hier die Veränderung der gesellschaftlichen Situation Eingang in<br />

die Auseinandersetzung finden, die sich vornehmlich darin äußerte, daß u.a. die<br />

Arbeit innerhalb der Familie nicht mehr möglich war und somit die Menschen gezwungen<br />

waren, außer Haus ihren Verdienst zu suchen und eine stark disziplinierte<br />

Arbeit zu verrichten. Somit war es z.B. den Frauen nicht mehr möglich, in Heimarbeit<br />

einen Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten.<br />

In diesem Abschnitt besteht im Unterrichtsgespräch die Möglichkeit, noch einmal<br />

vergleichend auf das Verlagssystem und die dezentrale Manufaktur einzugehen,<br />

um den Wandel anschaulich werden zu lassen.<br />

In dieser Phase der Diskussion soll dabei vertiefend Wert auf einen Dialog zwischen<br />

den Schülern gelegt werden. Dem Lehrenden wird somit weitgehend die Rolle<br />

eines Zuhörenden und evtl. Nachfragenden zugedacht. 223<br />

Wenn es die Zeit erlaubt, erscheint angesichts des sich hier offenbarenden<br />

Strukturwandels ein aktueller Bezug als Vertiefung sehr sinnvoll. So könnte man<br />

zum Beispiel auf die Problematik des Kohlebergbaus im Ruhrgebiet eingehen.<br />

Als Hausaufgabe wird angesichts der anstehenden Projektphase ein besonderes<br />

Augenmerk auf die Wiederholung gelegt. Die Schüler sollen noch einmal in schriftlicher<br />

Form die wichtigsten Aspekte mit Hilfe der Graphik fixieren. Aus den abgelieferten<br />

Hausaufgaben wird die zuständige Redaktion einen Artikel für das Internet<br />

verfassen.<br />

3.2. Reflexion der Unterrichtsstunde<br />

Nach dem Lesen des auf Folie dargebrachten Zitates aus der Stadtchronik äußerten<br />

sich die Schüler spontan zu verschiedenen inhaltlichen Aspekten. Zunächst<br />

konnte auf Grundlage einer kurzen Wiedergabe des Textes sehr klar die wirtschaftliche<br />

Wichtigkeit einer solchen Firmengründung für die Stadt Gütersloh von<br />

den Schülern herausgearbeitet werden. TC: "Der Chronist scheint ein reges Interesse<br />

an solchen wirtschaftlichen Dingen gehabt zu haben; sonst würde er das ja<br />

nicht in seine Chronik aufnehmen." Offenbar war diese Etablierung so wichtig, da<br />

Gütersloh zu dieser Zeit noch keine herausragenden Industrien aufzuweisen hatte.<br />

NN: "Das war wohl das Ereignis für Gütersloh." Gleichzeitig erkannten die<br />

Schüler, daß mit der Gründung der Seidenfabrik eigentlich noch keine industrielle<br />

Reinform vorherrschte, sondern die Gebrüder Bartels in einer Mischung aus Heimarbeit<br />

und zentral organisierter Fertigung die Textilien herstellten. Dabei entrüsteten<br />

sich die Schüler, daß der Chronist hier ihrer Meinung nach den Begriff<br />

"Fabrik" sehr unscharf verwendet hatte. Im allgemeinen äußerten sie sich positiv<br />

223 Vgl. hierzu Meyer, Unterrichtsmethoden, S. 280-282.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

zu einer solchen Gründung, da sie in ihr ein wirtschaftliches Potential sahen, welches<br />

für Gütersloh einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung bringen könnte.<br />

Schon aufgrund der vermehrten Arbeit sei die Niederlassung zu begrüßen. Leider<br />

gingen die Schüler nur marginal auf den Aspekt der Schule innerhalb des Zitates<br />

ein, so daß hier seitens des Lehrenden kurz nachgehakt werden mußte, warum eigentlich<br />

parallel eine Schule eingerichtet wurde. JD bemerkte hier, daß ohne eine<br />

hinreichende Ausbildung kein guter Standard entwickelt werden könne und verglich<br />

die Einrichtung mit dem Berufsschulwesen der heutigen Zeit. NC wies in diesem<br />

Zusammenhang darauf hin, daß aber hier eine private Initiative eine Schule<br />

einrichtete und nicht der Staat.<br />

AT meldete sich für die ergebnissichernden Aufgaben zur Stadtchronik und erhielt<br />

einige schriftlich fixierte Fragen, die bei der vertiefenden Auseinandersetzung<br />

mit dem kurzen Abschnitt helfen sollen, die Stadtchronik-Passage angemessen<br />

zu erfassen. Sie wird einen zusammenhängenden Text für die betreffende Redaktion<br />

verfassen, der dann in der Projektphase Eingang in das Internet finden<br />

soll.<br />

Im allgemeinen kann beobachtet werden, daß die Schüler die notwendigen Zusatzaufgaben,<br />

die ja eine Mehrbelastung darstellen, weitgehend ohne Schwierigkeiten<br />

erledigen. Manchmal fragen sie noch bezüglich einzelner Details nach. Vielfach<br />

fordern sie auch Zusatzinformationen, damit sie auf breiterer Grundlage einen<br />

Text für das Internet schreiben können. NF, der sich mit der politischen Situation<br />

im 19. Jahrhundert beschäftigte, verlangte zum Beispiel eine Karte von Gütersloh<br />

aus dieser Zeit zur Veranschaulichung seines Textes. Da ich zu dieser Zeit keine<br />

verwendbare Karte besaß, erhielt er den Auftrag, beim Stadtarchiv nachzufragen.<br />

Wenig später konnte er eine kopierfähige Vorlage in seine Arbeit einbeziehen.<br />

Der Lehrervortrag über die Biographien erschien den Schülern offenbar als sehr<br />

lang und zum Ende ließ die Konzentration von vielen trotz des visuellen Einsatzes<br />

beobachtbar nach. Obwohl nur lediglich zwei bis drei Minuten lang die beiden<br />

Gründer der Seidenmanufaktur vorgestellt wurden, wandten sich die Schüler nach<br />

kurzer Zeit anderen nicht unterrichtsrelevanten Dingen zu. Obgleich regionalgeschichtliche<br />

Themen meist eher den Lebenshorizont der Schüler berühren und<br />

damit oft eine Lernbereitschaft einhergeht, gelang hier die angestrebte Motivation<br />

nicht in gewünschtem Maße. Vielleicht könnte alternativ ein Schüler jeweils<br />

eine Biographie vorab zu Hause erarbeiten, um dann sein Wissen den anderen mitzuteilen,<br />

so daß der Lehrende hier weitgehend in den Hintergrund tritt. Es war in<br />

der Vergangenheit zu beobachten, daß die Schüler Gleichaltrigen in der Regel einen<br />

breiten Raum für einen Vortrag ließen. Im Sinne einer subjektiv erlebten Autonomie,<br />

sie nehmen schließlich Unterricht selbst in die Hand, könnte die Motivation<br />

nicht unbeträchtlich gesteigert werden. 224<br />

224<br />

Vgl. W. Weißbrodt, Lernmotivation, in: G. Bovet, V. Huwendiek, Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik<br />

und Psychologie für den Lehrberuf, S. 361-384, hier S.367.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Interessanterweise wurden aber die beiden Nachrufe, die zur Erarbeitung für das<br />

Internet aus verschiedenen Zeitungen kopiert wurden, von zwei Schülern bereitwillig<br />

angenommen. Dabei übernahmen KF und AD die Aufgabe, relevante und zentrale<br />

Aspekte aus den Nachrufen herauszuarbeiten und für das Internet vorzubereiten.<br />

KF kam nach der Stunde zu mir und fragte, ob er nicht die vorher verwendeten<br />

Porträts in seine Arbeit einbinden könne, um so seine Ergebnisse zu veranschaulichen.<br />

Das Zitat regte die Schüler an, über die Verbindung von christlichem Glauben und<br />

einer gewissen Arbeitshaltung nachzudenken. Dabei erkannten die Schüler, daß ein<br />

Unternehmen weitgehend durch disziplinierte Arbeit eine günstige Entwicklung<br />

nehmen kann. Darüber hinaus zeigte sich, daß aber auch eine gewisse Risikobereitschaft<br />

vielfach zum Gedeihen einer Firma beiträgt. Die unbedingte Zielorientierung<br />

und die Handlungsbereitschaft zeigen Grundbedingungen für eine positive<br />

Entwicklung des Unternehmens auf. Simon erläuterte in anschaulicher Weise kurz<br />

die Verbindung zwischen dem protestantischen Glauben und der hier vorherrschenden<br />

Arbeitshaltung, so daß die Schüler auch ein Gespür für diese Beziehungen<br />

erhielten. 225<br />

Der Methodenwechsel im zweiten Erarbeitungsschritt wurde von den Schülern gut<br />

aufgenommen. Die Partnerarbeit, in der die auf einem Arbeitsblatt vorgestellte<br />

Zahlenreihe in ein Diagramm umgesetzt werden sollte, vollzog sich schnell und<br />

problemlos. Sebastian erklärte sich bereit, die gesamten Zahlen zu Hause in eine<br />

Computer-Graphik umzusetzen, um somit noch einmal die Veränderungen innerhalb<br />

der Firma zu veranschaulichen. Mehrere Schüler trugen selbständig ihre Ergebnisse<br />

den anderen Mitschülern vor. Nach einer kurzen Analyse der einzelnen Zahlen<br />

zeigte NC gut auf, daß innerhalb der Firma eine interessante Veränderung stattgefunden<br />

hatte. Der zu beobachtende Strukturwandel äußerte sich darin, daß die<br />

Zahl der Handwebstühle innerhalb von 14 Jahren um die Hälfte abnahm, die Zahl<br />

der mechanischen Webstühle innerhalb dieses Zeitraumes um 150 stark zunahm,<br />

die Arbeitnehmerzahl aber weitgehend gleichblieb. So problematisierten die Schüler,<br />

daß trotz einer starken Zunahme der mechanischen Webstühle und der damit<br />

verbundenen drastischen Erhöhung der Produktivität die Mitarbeiterzahl nicht<br />

parallel zu den Veränderungen anstieg, sondern nur um etwa 10 % zulegte. So habe<br />

die Industrialisierung in diesem Industriezweig zwar die Produktivität erhöht, aber<br />

keine wirklich neuen Arbeitsplätze geschaffen und zudem die Handwebstühle<br />

zurückgedrängt, was vermutlich hier zu Entlassungen führte. Petra wies darauf<br />

hin, daß die Handweber jetzt nicht mehr wie vorher ihre Arbeit daheim verrichten<br />

konnten, der Verlag jetzt mehr und mehr ausstarb und von der zentralen Fabrik<br />

ersetzt wurde. Die Arbeit wurde jetzt weitgehend aufgrund der Aufsplitterung<br />

der Arbeitsgänge synchronisiert, was eine Disziplinierung der Arbeiter zur Folge<br />

225<br />

S. engagiert sich seit längerem in der evangelischen Kirchengemeinde, u.a. spielt er Orgel. Sein<br />

Vater ist evangelischer Religionslehrer, sein Großvater Superintendent.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

hatte. Dijana äußerte sich dahingehend, daß nunmehr die Frauen aufgrund der<br />

Trennung von Arbeit und Haus keinen Beitrag mehr zum Auskommen der Familie<br />

leisten konnten. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Familien<br />

schien hier die Maschinisierung zunächst vielfach negative Folgen zu besitzen.<br />

NM schlug kurz den Bogen zur heutigen Zeit und ging auf die momentane<br />

wirtschaftliche Situation in Deutschland ein. Hierbei erläuterte er, daß man hier<br />

vor wichtigen Entscheidungen stünde. EA brachte in diesem Zusammenhang die<br />

emotionale Komponente in die Diskussion ein. Sie bemerkte, daß es für die Familien<br />

innerhalb dieses Strukturwandels sicherlich nicht leicht gewesen sei und verglich<br />

diese Situation mit der von heutigen Sozialhilfeempfängern. Wenn auch in vielen<br />

Fällen historische Vergleiche aufgrund der Einmaligkeit geschichtlicher Vorgänge<br />

nicht immer angemessen erscheinen, so sollte der Lehrende öfter die Schüler dazu<br />

anhalten, geeignete Parallelen zu ziehen, um ein vernetzendes Denken zu schulen.<br />

So kann allmählich auf eine Kategorisierung historischer Sachverhalte abgehoben<br />

werden. Nach einer Elementarisierung vieler verwandter, geschichtlicher Ereignisse<br />

ergeben sich beim Vergleich oftmals viele strukturelle Verbindungen, die zu<br />

einer gewissen Entwicklung von Ordnungsprinzipien innerhalb des geschichtlichen<br />

Verständnisses von Schülern beitragen können. Wenn auch die Industrialisierung in<br />

Gütersloh gewisse Eigenheiten besitzt, kann sie in ihrer Struktur wertvolle Einsichten<br />

in die Entwicklung der Industrialisierung in Deutschland aufzeigen und ermöglicht<br />

dem Schüler, Interdependenzen zwischen regionaler Geschichte und der<br />

allgemeinen Ebene zu erkennen.<br />

Die vorgesehene Vertiefung wurde von den Schülern bereits in der Diskussionsphase<br />

geleistet, so daß in der Durchführung eine Verschmelzung zwischen Diskussion<br />

und Vertiefung stattfand. Da die Diskussionsteilnehmer sehr flexibel reagierten,<br />

viele Sachverhalte einbrachten und teilweise kontrovers mit den Aspekten<br />

umgingen, erschien im nachhinein eine Trennung als nicht sinnvoll.<br />

Die vorgesehene Hausaufgabe wurde letztlich umgewandelt in eine Aufgabe für<br />

einen einzelnen Schüler. Da bereits vier Mitschüler in dieser Stunde einige Zusatzaufgaben<br />

erhalten hatten und mehrere andere Fachlehrer eine Reihe von klausurrelevanten<br />

Aufträgen an die Schüler verteilt hatten, wurde von einer zusätzlichen<br />

Arbeit für alle Schüler abgesehen. Um die Ergebnisse aber angemessen zu<br />

sichern, wurde NC beauftragt, sich noch einmal schriftlich mit der Tabelle auseinanderzusetzen.<br />

Er hatte im Verlauf der Diskussion einige wichtige Hinweise<br />

bezüglich der Tabelle gegeben, so daß er mir geradezu prädestiniert erschien,<br />

diese Aufgabe zu übernehmen.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

4. Die zweite Redaktion: Die Entwicklung der Eisenbahn und die damit verbundenen<br />

Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft in Gütersloh im 19.<br />

Jahrhundert - Vom Sichten und Ordnen des erarbeiteten Materials zum endgültigen<br />

Produkt: Schüler setzen sich im Sinne einer Ergebnissicherung in einer<br />

Redaktion mit dem Themenkreis auseinander und gestalten mit Hilfe der technischen<br />

Redaktion selbständig mehrere websites<br />

4.1. Lernziele der Redaktionsphase<br />

4.1.1. Grobziele der Redaktionsphase<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• alle Quellen, Texte, Photos, Zeichnungen, Skizzen und eigene Ausarbeitungen<br />

zur Planung und Einführung der Eisenbahn in Gütersloh im 19. Jahrhundert<br />

und zu den ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen in einer Redaktionsarbeit<br />

kritisch überprüfen und begutachten und dabei gemeinsam sachliche<br />

Unrichtigkeiten entdecken und korrigieren.<br />

• zwischen den Materialien als Vorbereitung für das Internet geeignete und<br />

sinnvolle Beziehungen herstellen und mit Hilfe der technischen Redaktion in<br />

einem Dialog zu einem annehmbaren und vorzeigbaren Ergebnis in Gestalt<br />

von sogenannten websites gelangen.<br />

4.1.2. Feinziele der Redaktionsphase<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• sich mit Hilfe eines Lehrervortrages der besonderen Relevanz sogenannter<br />

hyperlinks bewußt werden.<br />

• sich miteinander mit dieser neuen Form der Querverbindungen vertraut machen,<br />

indem sie in exemplarischer Weise einige zweckmäßige Varianten aufzeigen.<br />

• sich untereinander nach dem Prinzip der freien Wahl zu einer sogenannten<br />

Inhaltsredaktion zusammenfinden.<br />

• sich gemeinsam in der Redaktion über die in der Inhaltsphase der Unterrichtssequenz<br />

gehaltenen Stunden zur Eisenbahn in Gütersloh im 19. Jahrhundert<br />

orientieren und grundsätzlich weitere Arbeitsstrategien formulieren.<br />

• in der Gruppe die auf sie kommenden Materialien auf Grundlage der genannten<br />

Stundenübersichten ordnen und strukturieren.<br />

• alle Quellen, Texte, Photos, Zeichnungen und Skizzen sowie die Schülerarbeiten<br />

im Hinblick auf Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie auf sachliche<br />

Unrichtigkeiten überprüfen und kritisch würdigen.<br />

• dabei einen vertiefenden Einblick in den historischen Sachverhalt erhalten,<br />

der es ihnen in elementarer Weise ermöglicht, geschichtliche Strukturen zu<br />

erkennen beziehungsweise aufzudecken und diese für den weiteren Vernet-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

zungsauftrag fruchtbar zu machen.<br />

• bei auftretenden Problemen miteinander im Dialog nach geeigneten Lösungsstrategien<br />

suchen.<br />

• sich bei Bedarf mit den einzelnen Autoren auseinandersetzen und auftretende<br />

Schwierigkeiten besonders im Hinblick auf sachliche Fehler im Dialog<br />

für beide Seiten zufriedenstellend beheben.<br />

• bei unüberwindbar erscheinenden Problemen den Lehrenden zu Rate ziehen<br />

und mit ihm nach angemessenen Alternativen suchen.<br />

• nach der gemeinsamen Strukturierung, Wertung und Planung der Vernetzung<br />

in ständiger Verbindung mit der technischen Redaktion miteinander in sinnvoller<br />

Weise Internetseiten entwickeln und untereinander verbinden.<br />

• nach Abschluß der Organisation ihre Arbeit hinsichtlich ihrer Praktikabilität<br />

überprüfen und gegebenenfalls neue Lösungswege einschlagen.<br />

4.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

Nach der Erarbeitungsphase besteht nun die Notwendigkeit, alle Ergebnisse sinnvoll<br />

in einer Produktsequenz in sogenannte websites einzubinden. Um die Schüler<br />

darauf vorzubereiten, wird in einer kurzen Einführungsphase allen Schülern die<br />

Wichtigkeit und Sinnhaftigkeit sogenannter hyperlinks, die die einzelnen Seiten<br />

miteinander verknüpfen, mit Hilfe einer Folie vorgestellt. 226 Die Schüler erhalten<br />

hier die Aufgabe ausgehend von einer Startseite, die sie selbst für ihre Redaktion<br />

gestalten sollen, die einzelnen Produkte zu präsentieren und in angemessener Form<br />

miteinander zu verbinden. Dabei muß darauf geachtet werden, daß sowohl die Ergebnisse<br />

(Quellen, Texte, Photos) untereinander verknüpft werden als auch die<br />

übergeordnete homepage eine Einbindung in die redaktionelle Arbeit findet. Zudem<br />

sollte die Startseite auch eine Koppelung zur sogenannten e-mail-Funktion<br />

beinhalten, damit Lob und Kritik von außen an die Redaktionsteilnehmer weitergeleitet<br />

werden können. In diesem Zusammenhang sollen die Schüler außerdem die<br />

Struktur ihrer Seiten visualisieren, damit auch die technische Redaktion später<br />

die Vorgaben der inhaltlichen Gruppen angemessen in das HTML-Format umsetzen<br />

kann.<br />

Sodann beginnt die Arbeit in den einzelnen Redaktionen. Nur am Anfang und Ende<br />

der jeweiligen Stunden sollen die Schüler noch einmal zusammenkommen und Probleme<br />

sowie Schwierigkeiten mit den anderen Mitschülern und dem Lehrenden diskutieren<br />

und lösen. Vielfach werden in den einzelnen Redaktionen gleichartige Fragen<br />

auftauchen, so daß eine gemeinsame Auseinandersetzung als angemessen erscheint.<br />

Da manchmal voraussichtlich mehr Zeit zur Umsetzung benötigt wird, soll<br />

nach Absprache mit den Schülern auch die Möglichkeit eröffnet werden, am<br />

Nachmittag zusammenzukommen, um am Projekt zu arbeiten.<br />

226 Vgl. Anhang, S. 25.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

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Die Konstitution der Redaktion geschieht nach dem Prinzip der freien Wahl. Jeder<br />

Schüler, der sich in dieser Phase noch einmal mit einem Thema auseinandersetzen<br />

will, soll in die spezifische Gruppe eingebunden werden. Der Lehrende soll in diesem<br />

Zusammenhang aber darauf achten, daß die unterschiedlichen Redaktionen<br />

eine möglichst gleiche Personenstärke besitzen, damit ein geordneter Arbeitsablauf<br />

gewährleistet werden kann und die Arbeitsbelastung in gleichem Maße verteilt<br />

ist.<br />

Daraufhin erhält jede Redaktion eine kurze Übersicht über die gehaltenen Stunden,<br />

um sich noch einmal grundsätzlich inhaltlich zu orientieren. 227 Die Eisenbahngruppe<br />

sollte sich demnach noch einmal vertiefend mit den Gedanken der Gütersloher<br />

zur Eisenbahn im Jahr 1830 und den damit verbundenen Bedenken besonders<br />

vor dem Hintergrund des florierenden Fuhrmannswesen auseinandersetzen. Sodann<br />

erscheint es notwendig, die verschiedenen Planungen bezüglich der Köln-<br />

Mindener Eisenbahn zu Rate zu ziehen. Hierbei sollte noch einmal weiterführend<br />

die Quelle "Über den Eisenbahnbau im Kreise Wiedenbrück", die unter anderem<br />

von Carl Bertelsmann verfaßt wurde, mit Hilfe der Materialien in die Überlegungen<br />

eingebunden werden. Weiter müßte das stattgefundene Streitgespräch und die<br />

dort benannten Vor- und Nachteile des Eisenbahnbaus für Gütersloh eine angemessene<br />

Berücksichtigung bei der Planung der Seiten für das Internet finden.<br />

Die Redaktionsgruppe zur Eisenbahn soll dann (wie die anderen Redaktionen) alle<br />

vorhandenen Materialien von den anderen Schülern einsammeln. In der inhaltlichen<br />

Sequenz hatten die Schüler vor den Osterferien verschiedene Arbeitsaufträge<br />

erhalten, deren Ergebnisse nun den einzelnen Gruppen zugeleitet werden. Auf verschiedenen<br />

Redaktionslisten, die der Lehrende an einer Pinnwand anbringt, werden<br />

die Namen der Bearbeiter mit den Aufgaben vermerkt, um einen Überblick über<br />

das Material zu erhalten. 228 So kann die Eisenbahngruppe sehr schnell erkennen,<br />

wer sich zum Beispiel mit den verschiedenen Streckenführungen zu Hause beschäftigt<br />

hat. Nach Erhalt dieser Ausführungen kann sie auf ihrer Liste die Arbeit<br />

streichen. Mit dieser Organisation wird grundsätzlich die Orientierung über<br />

die vielfältigen Arbeitsaufträge und Ergebnisse gewährleistet. Da in der ersten<br />

Phase der Unterrichtssequenz sehr viele Arbeitsaufträge verteilt wurden, kann<br />

ein Gesamtüberblick über das Projekt von den Schülern nicht unbedingt verlangt<br />

werden. Zudem befinden sich in der Eisenbahnredaktion auch Mitglieder, die Arbeiten<br />

für die anderen Redaktionen erledigt haben.<br />

Darüber hinaus werden noch alle nicht erledigten Aufgaben aufgelistet, um hier in<br />

der Redaktionsphase geeignete Lösungen zu finden. So müssen in diesem Bereich<br />

zum Beispiel noch alle relevanten Bilder bzw. Photos als Repros vorbereitet werden.<br />

In diesem Kontext zeigt sich, daß nicht nur die inhaltliche Auseinandersetzung<br />

ihren Platz in der Redaktionsarbeit besitzt, sondern auch eine gestalterische<br />

227<br />

Vgl. Anhang, S. 24.<br />

228<br />

Vgl. Anhang, S. 26.<br />

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Komponente ähnlich wie bei der Produktion einer Zeitung einen geeigneten Eingang<br />

finden muß.<br />

In einem weiteren Schritt sollen die Schüler dann alle Texte lesen und weitere<br />

Materialien sichten, um sich über das Thema vertiefend zu informieren. Nur auf<br />

dieser Grundlage kann die Gruppe einen vernünftigen Vernetzungsplan erstellen<br />

und in die weitere Planungsdiskussion eintreten. Hierbei kann es geschehen, daß<br />

einzelne Beiträge noch einmal überarbeitet und redigiert werden müssen. In diesem<br />

Fall empfiehlt es sich, noch einmal den Autor der Vorlage zu Rate zu ziehen,<br />

um zu einem für alle befriedigenden Gesamtergebnis zu gelangen. Gerade bei solchen<br />

Diskussionen kann die Sozialkompetenz der Schüler entscheidend gefördert<br />

werden. Dem Lehrenden kommt hier weitgehend wieder die Rolle des Moderators<br />

zu. Er hilft bei inhaltlichen Fehlern und zeigt Lösungsstrategien bezüglich der Umsetzung<br />

auf.<br />

Nach der Erledigung aller Aufträge sollen sämtliche textlichen Arbeiten in einem<br />

Textverarbeitungsformat vorliegen, so daß die technische Redaktion eine Einbindung<br />

vornehmen kann. Alle visuellen Elemente müssen so weit vorbereitet sein, daß<br />

sie mit einem Scanner belichtet werden können. Somit übernimmt dann die technische<br />

Redaktion die weitere Umsetzung. Allerdings sollten die einzelnen Redaktionen<br />

mit der Technik eng zusammenarbeiten, so daß hinsichtlich der Gestaltung und<br />

bei technischen Problemen für beide Seiten geeignete und annehmbare Kompromisse<br />

gefunden werden können. Es erscheint ratsam, daß in der Programmsequenz<br />

immer mindestens ein Mitglied der Redaktion bei der Ausgestaltung anwesend ist.<br />

4.3. Dokumentation der Durchführung und Reflexion<br />

In der folgenden Beschreibung des Verlaufs sollen nur einige wichtige und erwähnenswerte<br />

Aspekte exemplarisch skizziert werden. Sie vermitteln dem Leser<br />

grundsätzlich die Arbeitshaltung der Schüler und typische Elemente der Redaktionssequenz.<br />

Dabei soll am Beispiel der verschiedenen Argumente zum Eisenbahnbau<br />

in Gütersloh veranschaulicht werden, wie die Redaktion im Hinblick auf eine<br />

Ergebnispräsentation im Internet gearbeitet hat.<br />

Für die Arbeitsgruppe zur Eisenbahn in Gütersloh haben sich insgesamt fünf Schüler<br />

gemeldet. Zunächst haben sie auf Grundlage der Redaktionsliste ihre Materialien<br />

von den einzelnen Schülern eingefordert. Dabei stellte sich heraus, daß AD<br />

zusätzlich zu den gestellten Aufgaben einen kurzen Beitrag über den Dichter Albert<br />

Paris Gütersloh (1887-1973), der eigentlich A. Conrad Kiehtreiber hieß, freiwillig<br />

verfaßt hatte: Dieser war offenbar vor langer Zeit einmal mit der Eisenbahn<br />

in die Stadt gelangt und hatte den Stadtnamen als Künstlernamen angenommen.<br />

Ihr erschien die Verbindung zwischen dem Dichter und der Eisenbahn der Stadt<br />

als besonders erwähnenswert, und sie setzte sich somit mit der Biographie des<br />

Dichters auseinander. AD besucht den Deutschleistungskurs und ist eine begeisterte<br />

Lyrik-Leserin. In diesem zusätzlichen Beitrag läßt sich erkennen, daß Lern-<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

effekte nicht immer steuerbar sind. Offenbar hat sich hier ein sogenanntes Flow-<br />

Erleben eingestellt. Ohne an Noten und Unterricht zu denken, hat AD, von ihren<br />

eigenen Interessen geleitet, sich mit dem Thema befaßt, der demnächst noch erweitert<br />

wird. Der Beitrag von ihr bereitete der Gruppe allerdings einiges "Kopfzerbrechen",<br />

da er sich ihrer Meinung nach nicht so recht in das geplante Konzept<br />

einfügte. Nach Rücksprache mit AD einigte man sich, eine gesonderte Seite anzulegen<br />

und diese mit einem Querverweis zur Startseite zu versehen. 229 Bereits hier<br />

erkennt man, daß der Lehrende die Projektphase nur bedingt planen kann. Sicherlich<br />

müssen die Rahmenbedingungen innerhalb dieses Abschnitts vorher abgesteckt<br />

werden, jedoch sollte der Lehrer darauf achten, daß die Freiräume weitgehend<br />

gewahrt bleiben.<br />

AA, die einer anderen Redaktion angehört, übermittelte der Eisenbahngruppe ihre<br />

Zusammenstellung der Argumente auf Grundlage der Ausführungen der Stadtchronik,<br />

der Diskussion über die Streckenführung, der Quelle über den Eisenbahnbau<br />

im Kreis Wiedenbrück, einzelner Sekundärtexte von Hans Hilbk aus den<br />

ersten drei Stunden der Unterrichtsreihe und des in der Inhaltsphase stattgefundenen<br />

Streitgespräch. Zunächst hat die Gruppe noch einmal die Pro- und Contra-Argumente<br />

auf ihre Stichhaltigkeit überprüft. Petra ergänzte die Pro-Seite im<br />

Zusammenhang mit den Aspekten der Entwicklung und des Fortschritts noch um<br />

den Gesichtspunkt der Förderung der Industrieansiedlung. Mit der Etablierung<br />

der Eisenbahn in der Stadt könne schließlich damit geworben werden, daß produzierte<br />

Waren schneller, bequemer und voraussichtlich auch preiswerter ihre Zielorte<br />

erreichen könnten. So diagnostizierte die Gruppe mit Hilfe von AAs Ausführungen<br />

den enormen Bedeutungsanstieg der Stadt durch Reisende aus Politik und<br />

Wirtschaft. Auch der Chaussee-Bau, der damals beargwöhnt wurde, müsse hier als<br />

Vorbild dienen, denn dieser wirkte sich letztlich positiv auf die infrastrukturelle<br />

Entwicklung der Stadt aus. Hinzu trat das Argument, Gütersloh erhalte durch die<br />

Eisenbahn bessere Anschlüsse an andere Städte, so daß vielfältige Kontakte, nicht<br />

nur wirtschaftlicher Art, geknüpft werden könnten.<br />

Allerdings sprach ihrer Meinung nach die Größe der Stadt mit nur 2.500 Einwohnern<br />

gegen die Einrichtung einer Eisenbahn. Der Bedeutungsgrad, so urteilten die<br />

Schüler, sei verschwindend gering, so daß Gütersloh nur wenig Chancen hätte, an<br />

das Schienennetz der Eisenbahn angeschlossen zu werden. So sei Rietberg ein<br />

besserer Standort für die Trassenführung. Zudem könne das weit über die Grenzen<br />

hinaus bekannte und geschätzte Fuhrmannswesen aussterben, da bei einer Etablierung<br />

der Bahn die Kunden aufgrund der Attraktivität des neuen Verkehrsmittels<br />

diesen Erwerbszweig nicht mehr nützen würden. Damit zusammenhängend<br />

sei es denkbar, daß die umliegenden Gasthöfe auf Gäste verzichten müßten, da die<br />

Eisenbahn eine Übernachtung überflüssig machen würde. Geltend gemacht wurden<br />

229 Vgl. Anhang, S. 27.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

auch die negativen Einflüße auf die Gemeinde, denn der Schau- und Vergnügungsgeist<br />

würde mit der Eisenbahn nicht unbeträchtlich zunehmen. Zusätzlich müßte<br />

die Stadt Gütersloh Grundstücke für den Bau zur Verfügung stellen, was eine unnötige<br />

Belastung der Stadtfinanzen bedeuten könnte. Die aus einem vorliegenden<br />

Ärztegutachten 230 geäußerten Bedenken wurden seitens der Schüler der Contraseite<br />

zugeschlagen, um diese Argumentationsschiene weiter zu stärken. Zusätzlich<br />

verfaßte Petra auf Grundlage der Quelle einen kurzen Text, der die Ängste und<br />

Sorgen der Menschen beleuchtete. Dabei verband sie auch die regionale Geschichte<br />

mit dem Makrokontext.<br />

Bei dieser Arbeit zeigt sich, daß die Schüler viele Materialien unterschiedlicher<br />

Prägung dem Leser verständlich machen müssen. In gemeinsamen Diskussionen kategorisieren<br />

sie die jeweiligen Gesichtspunkte, fügen weitere Argumente hinzu und<br />

verknüpfen sie mit Erläuterungen in Form von Texten, Kommentaren oder Quellen.<br />

Im Internet werden diese Querverweise dann blau unterstrichen sein; beim Anklicken<br />

gelangt der Benutzer dann zu einer weiteren Internetseite. Durch diese vorgenommene<br />

Vernetzung vertiefen die betreffenden Schüler ihr Wissen über den<br />

jeweiligen historischen Sachverhalt. Hierin findet jetzt eine ganz andere Auseinandersetzung<br />

mit Materialien statt. Die wiederholende Arbeit mit verschiedenen<br />

Vorlagen und die Setzung von Verbindungen ermöglicht eine Form der Kategorisierung<br />

von Wissen. Einzelne Elemente stehen nicht mehr unvermittelt nebeneinander,<br />

sondern gehen eine vorher nicht dagewesene Beziehung ein, was zusätzlich zu<br />

fruchtbaren Momenten innerhalb des Bildungsprozesses führen kann. So vernetzen<br />

die Schüler zum Beispiel das Argument über die gesundheitlichen Bedenken<br />

mit dem erläuternden Ärztegutachten aus dem 19. Jahrhundert. Das Argument<br />

kann jetzt für jeden Leser transparent und nachvollziehbar gemacht werden.<br />

Weiter wird ein link zur Quelle über den Eisenbahnbau im Kreis Wiedenbrück gelegt,<br />

um die positiven Argumente zu veranschaulichen. In diesem Zusammenhang<br />

verknüpfen die Schüler die Quelle mit zwei von Mitschülern angefertigten<br />

Quelleninterpretationen. So spannen die Autoren ein vielfältiges Netz innerhalb<br />

der Internetseiten. Zusätzlich vergegenständlichen verschiedene Bilder die<br />

Argumentationen beziehungsweise Entwicklungen bezüglich der Eisenbahn. Der<br />

Betrachter ist somit nicht mehr nur auf Texte angewiesen, sondern kann auch auf<br />

eine Vielzahl von Photos zurückgreifen. So hatte ein Schüler beispielsweise<br />

während des Streitgespräches die verschiedenen Teilnehmer photographiert. Die<br />

Redaktion einigte sich im Hinblick auf eine Illustrierung ihrer Arbeit darauf,<br />

einige Bilder auszuwählen und diese in Verbindung mit den Argumenten in das Netz<br />

einzuspeisen. So können die Photos zum Beispiel andere Kurse anregen, Gesichtspunkte<br />

in ähnlich methodischer Form zu erarbeiten. 231<br />

Weiterhin steuerte das Stadtarchiv einige Photos des Gütersloher Bahnhofs aus<br />

230<br />

Vgl. Anhang, S. 28.<br />

231<br />

Vgl. Anhang, S. 17-19.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

dem 19. Jahrhundert bei. Die Redaktion kreierte daraufhin weitere websites, die<br />

nur die Bilder mit einer kurzen Unterzeile enthalten. Mit den hyperlinks verbanden<br />

die Schüler die Bildseiten mit anderen Textseiten. Auch hier tragen die Photos<br />

zur weiteren Vertiefung und Konkretisierung des historischen Stoffes bei. Dabei<br />

wird auch ein außerschulischer Lernort bewußt in die Arbeit der Redaktion eingebunden.<br />

Die Schüler lernen mit dem Kontakt zum Stadtarchiv ihre Kompetenzen<br />

auszubauen und erkennen durch das Interesse und die Begleitung seitens des<br />

Stadtarchivs, daß ihr Projekt eine sinnvolle und anerkennswerte Arbeit darstellt.<br />

Diese wenigen Ausführungen zeigen exemplarisch, daß es bei der Herstellung von<br />

Internetseiten eines hohen Durchdringungsgrades hinsichtlich des geschichtlichen<br />

Gegenstandes bedarf. Durch die Veröffentlichung über weite Kreise hinaus sind<br />

die Schüler jetzt zusätzlich gezwungen, ein gutdurchdachtes und vorzeigbares<br />

Ergebnis dem Betrachter vorzulegen.<br />

Man beobachtete gerade in dieser Redaktion, daß sich die Schüler sehr kontrovers<br />

mit den Vorlagen auseinandergesetzt haben. Manchmal kam es zu lautstarken Diskussionen<br />

über die Gestaltung des Produkts. Dabei ist zum Beispiel die bereits erwähnte<br />

Zeichnung zu den verschiedenen Streckenführungen, die in der Erarbeitungsphase<br />

angefertigt worden war, nicht aufgenommen worden, da die Qualität<br />

nach der Umsetzung zu schlecht war. Sie diente aber als Vorlage für die zu gestaltende<br />

website. Hier wurde nun Matthias´ Karte eingescannt und mit einem Graphikprogramm<br />

bearbeitet. Mit verschiedenen Farben haben die Schüler mit Hilfe<br />

der technischen Redaktion die drei Streckenvarianten auf Grundlage der Zeichnung<br />

in die Karte eingefügt.<br />

Schließlich haben sich die Schüler aber bei der Durchführung weitgehend kompromißbereit<br />

gezeigt und im Konsens die notwendigen Entscheidungen getroffen.<br />

Darüber hinaus konnte beobachtet werden, daß die Schüler mit einer hohen Motivation<br />

die Sichtung, Auseinandersetzung und Gestaltung bewältigt haben. Allerdings<br />

gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der technischen Redaktion nicht<br />

immer als problemlos. Die Vorgaben der Gruppe bezüglich einzelner Bilder konnten<br />

von der Programmgruppe nicht immer nach Wunsch umgesetzt werden, so daß<br />

manchmal Unmut aufkam. Die Photos müssen vielfach "heruntergerechnet" werden,<br />

um überhaupt eine problemlose Einspeisung in das Internet und damit ein schnelles<br />

Abrufen seitens des Konsumenten zu ermöglichen. Ein Bild, daß mit zwei Megabyte<br />

Speicherkapazität gescannt worden ist, kann aufgrund der geringen Übertragungskapazität<br />

des Internets nicht auf websites abgelegt werden, da ein Bildaufbau<br />

zu lange dauern würde. So mußten zunächst einige Bilder aussortiert werden,<br />

was zu Verstimmungen seitens der Redaktion führte. Zudem wurden einige Photos<br />

notwendigerweise neu gerechnet, so daß die Bilder zum Schluß einen Speicherumfang<br />

von etwa 100 Kilobyte besaßen. Dies führt dazu, daß die Bilder manchmal<br />

nicht den gewohnten Standard erfüllen. So werden die Photos vielfach sehr klein<br />

und verlieren an Schärfe. Um jedoch das Abrufen der Internetseiten bediener-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

freundlich zu halten, mußte dieser Kompromiß eingegangen werden. Durch eine<br />

Bildbearbeitung, die zum Beispiel einzelne Bilder wieder scharfzeichnet, konnten<br />

aber vielfach für beide Seiten gute und annehmbare Ergebnisse erzielt werden.<br />

Nach Abschluß der technischen Umsetzung, die weiter unten kurz erläutert werden<br />

soll, wurden alle Ergebnisse noch einmal an die Redaktionen zur Korrekturlesung<br />

übergeben. Alle Texte wurden hier ausgedruckt und von der Eisenbahnredaktion<br />

überprüft. Diese weitere Sicherung wird notwendig, da das Projekt demnächst<br />

für jedermann zugänglich sein wird. Rechtschreibfehler oder sachliche Unrichtigkeiten<br />

wären sowohl für die Produzenten als auch für den Leser sehr ärgerlich.<br />

Die Schüler lernen in diesem Zusammenhang weiterhin, sehr sorgfältig und<br />

gewissenhaft zu arbeiten. Gerade die Veröffentlichung drängt sie dazu, ein vorzeigbares<br />

Ergebnis abzuliefern.<br />

Zudem wurde der Bereich der Eisenbahn innerhalb des Projektes von den Redaktionsmitgliedern<br />

noch einmal auf seine Funktionalität im Internet überprüft, damit<br />

beim Gebrauch dem Benutzer keine Probleme begegnen. So kontrollierten die vier<br />

Schüler mit den Teilnehmern der technischen Redaktion mit Hilfe der sogenannten<br />

Browserfunktion, die in diesem Fall das "Surfen" simuliert, die verschiedenen hyperlinks.<br />

Dabei war es bei der Programmierung mehrmals vorgekommen, daß einige<br />

links nicht richtig gesetzt worden waren. Auf einer Seite kam man zum Beispiel<br />

nicht mehr zurück zur Startseite bzw. zu einzelnen weiteren Internetseiten und<br />

konnte sich nur durch die sogenannte "Back-Taste" wieder auf eine andere Seiten<br />

bringen. Darüber hinaus hatte man zwei Seiten falsch verbunden. Die preußische<br />

Karte von SM, auf der die verschiedenen Streckenvarianten aufgezeichnet waren,<br />

war versehentlich mit einem hyperlink zu den Bahnhof-Photos vernetzt worden.<br />

Um solche Fehler auszumerzen und die Praktikabilität des Ergebnisses zu gewährleisten,<br />

besteht die Notwendigkeit einer solchen Qualitätssicherung. Auch hier<br />

beobachtete man in vielerlei Hinsicht die starke Gruppendynamik. Die Schüler<br />

setzten sich ohne Leistungsdruck mit anderen zusammen und suchten nach Alternativen,<br />

machten Vorschläge und fanden Lösungen. In vielerlei Hinsicht hat gerade<br />

die projektorientierte Phase zu einem sehr positiven Gruppenklima innerhalb des<br />

Kurses geführt. Viele Schüler haben sich im Verlauf dieser Sequenz besser kennengelernt,<br />

was unter anderem zu einer entspannten Arbeitsatmosphäre geführt<br />

hat.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

5. Die dritte Redaktion: Aspekte der Industrialisierung am Beispiel der Entwicklung<br />

der Textilindustrie in Gütersloh - Vom Sichten und Ordnen des erarbeiteten<br />

Materials zum endgültigen Produkt: Schüler setzen sich im Sinne einer<br />

Ergebnissicherung in einer Redaktion mit dem Themenkreis auseinander und<br />

gestalten mit Hilfe der technischen Redaktion selbständig mehrere websites<br />

5.1. Lernziele der Redaktionsphase<br />

5.1.1. Grobziele der Redaktionsphase<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• alle Quellen, Texte, Photos, Zeichnungen, Skizzen und eigene Ausarbeitungen<br />

zur Entwicklung der Textilindustrie im Raum Gütersloh im 19. Jahrhundert<br />

vornehmlich aufgezeigt am Beispiel der Gütersloher Seidenfabrikation<br />

der Gebrüder Bartels und weitere Ausführungen zu den damit verbundenen<br />

Konsequenzen für die Menschen und die Stadt in einer Redaktionsarbeit kritisch<br />

überprüfen und begutachten und dabei gemeinsam sachliche Unrichtigkeiten<br />

entdecken und korrigieren.<br />

• zwischen den Materialien als Vorbereitung für das Internet geeignete und<br />

sinnvolle Beziehungen herstellen und mit Hilfe der technischen Redaktion in<br />

einem Dialog zu einem annehmbaren und vorzeigbaren Ergebnis in Gestalt<br />

von sogenannten websites gelangen.<br />

5.1.2. Feinziele der Redaktionsphase<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• sich mit Hilfe eines Lehrervortrages der besonderen Relevanz sogenannter<br />

hyperlinks bewußt werden.<br />

• sich miteinander mit dieser neuen Form der Querverbindungen vertraut machen,<br />

indem sie in exemplarischer Weise einige zweckmäßige Varianten aufzeigen.<br />

• sich untereinander nach dem Prinzip der freien Wahl zu einer sogenannten<br />

Inhaltsredaktion zusammenfinden.<br />

• sich gemeinsam in der Redaktion über die in der Inhaltsphase der Unterrichtssequenz<br />

gehaltenen Stunden zur spezifischen Entwicklung der Textilindustrie<br />

in Gütersloh orientieren und grundsätzlich weitere Arbeitsstrategien<br />

formulieren.<br />

• in der Gruppe die auf sie kommenden Materialien auf Grundlage der genannten<br />

Stundenübersichten ordnen und strukturieren.<br />

• alle Quellen, Texte, Photos, Zeichnungen und Skizzen sowie die Schülerarbeiten<br />

im Hinblick auf Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie auf sachliche<br />

Unrichtigkeiten überprüfen und kritisch würdigen.<br />

• dabei einen vertiefenden Einblick in den historischen Sachverhalt erhalten,<br />

der es ihnen in elementarer Weise ermöglicht, geschichtliche Strukturen zu<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

erkennen beziehungsweise aufzudecken und diese für den weiteren Vernetzungsauftrag<br />

fruchtbar zu machen.<br />

• bei auftretenden Problemen miteinander im Dialog nach geeigneten Lösungsstrategien<br />

suchen.<br />

• sich bei Bedarf mit den einzelnen Autoren auseinandersetzen und auftretende<br />

Schwierigkeiten besonders im Hinblick auf sachliche Fehler im Dialog<br />

für beide Seiten zufriedenstellend beheben.<br />

• bei unüberwindbar erscheinenden Problemen den Lehrenden zu Rate ziehen<br />

und mit ihm nach angemessenen Alternativen suchen.<br />

• nach der gemeinsamen Strukturierung, Wertung und Planung der Vernetzung<br />

in ständiger Verbindung mit der technischen Redaktion miteinander in sinnvoller<br />

Weise Internetseiten entwickeln und untereinander verbinden.<br />

• nach Abschluß der Organisation ihre Arbeit hinsichtlich ihrer<br />

Praktikabilität überprüfen und gegebenenfalls neue Lösungswege<br />

einschlagen.<br />

5.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

Auch die dritte Redaktion erhält wie die anderen inhaltlichen Gruppen den Auftrag,<br />

das Material von den anderen Schülern einzusammeln und zu ordnen. Auf<br />

Grundlage des Redaktionspapiers, in dem noch einmal die Stunden der Unterrichtssequenz<br />

abgedruckt sind, werden die Schüler ihre Seiten für das Internet<br />

entwickeln und notwendige hyperlinks setzen. Seitens des Lehrenden werden noch<br />

einmal die Arbeitsblätter, Quellen und Bilder der Redaktion zur besseren Orientierung<br />

zugeleitet.<br />

Somit sollen die Schüler in einem ersten Schritt noch einmal die wesentlichen Aspekte<br />

der vorindustriellen Textilwirtschaft in ihre Überlegungen einbeziehen.<br />

Hierbei hilft ihnen zunächst das Bild des Verlegers 232 , der bei seinen Spinnerinnen<br />

die Produkte aufkauft und mit Gewinn an andere Abnehmer weitergibt. Die dort<br />

vorgestellte Heimarbeit und die Vertriebsstrukturen zeigen dem Betrachter in<br />

anschaulicher Weise, in welcher Form in der vorindustriellen Phase Textilien hergestellt<br />

und verkauft wurden. In diesem Zusammenhang scheint es zudem wichtig<br />

zu sein, die vorindustriellen und industriellen Gewerbestandorte in Deutschland in<br />

die Betrachtung einzubeziehen und die signifikanten Veränderungen im Verlauf des<br />

19. Jahrhunderts aufzuzeigen. Dabei erkennt man, daß in der Industrialisierungsphase<br />

eine Zentralisierungstendenz der Gewerbestandorte auszumachen ist, die<br />

offenbar eng mit den Produktionsveränderungen zusammenhängt. Mit der Aufgabe<br />

der flächenmäßig breit gestreuten Heimarbeit verkleinerten sich jetzt zwangsläufig<br />

die Produktionsgebiete. Große zentrale Fabriken produzierten mit wenigen Arbeitnehmern<br />

eine ungleich höhere Zahl an Textilien. Dabei entschied man sich bei<br />

der Standortfrage für infrastrukturell günstig gelegene Gebiete, die mit geeigneten<br />

Eisenbahnstrecken, Straßen oder Flüssen aufwarten konnten.<br />

232 Vgl. Anhang, S. 29.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Daneben sollen die Schüler in ihrer Arbeit auch die besonderen technischen Veränderungen<br />

in der Textilproduktion berücksichtigen. Ausgehend von einer Beschreibung<br />

des Handwebstuhls erscheint es notwendig, in allgemeiner Form die<br />

mechanische Entwicklung darzustellen und mögliche Folgen für alle Betroffenen zu<br />

illustrieren.<br />

Neben der Klärung allgemeiner Tendenzen in der Textilwirtschaft sollen die Schüler<br />

darüber hinaus ihren Blick für die Gütersloher Situation schärfen. Am Beispiel<br />

der Entwicklung der Firma der Gebrüder Bartels hatten sich die Schüler mit den<br />

Gegebenheiten in Gütersloh näher vertraut gemacht. Auf Grundlage dieser Arbeit<br />

müssen in der Redaktionsphase jetzt noch einmal der bereits erwähnte Eintrag<br />

der Stadtchronik vom 1. April 1857 und die dazugehörigen Erläuterungen eines<br />

Schülers gebührende Berücksichtigung bei der Gestaltung finden. Sodann erscheint<br />

es notwendig, vertiefend auf die Gütersloher Seidenindustrie näher Bezug<br />

zu nehmen. In diesem Zusammenhang haben die Schüler während der Einführung in<br />

die Arbeit des Stadtarchivs schon einige Bilder über die Firma Bartels zusammengetragen.<br />

In der Redaktionsphase müßten jetzt ausgehend von den erarbeiteten<br />

Texten aus diesem Bildfundus interessante und illustrierende Photographien ausgewählt<br />

werden. Bei dieser Arbeit sollen die Schüler ihre Fähigkeit schulen, aus<br />

einem größeren Bereich geeignete Materialien auszuwählen, um schließlich ein möglichst<br />

optimales und für alle Seiten befriedigendes Ergebnis zu erhalten, daß sowohl<br />

inhaltlichen als auch gestalterischen Standards Rechnung trägt.<br />

Zusätzlich sollen die beiden Werdegänge von Ferdinand und Wilhelm Bartels in die<br />

redaktionelle Arbeit eingebunden werden. Die Brüder haben im wesentlichen dazu<br />

beigetragen, daß die Seidenfabrikation in Gütersloh ökonomisch ein großer Erfolg<br />

wurde. Diese wirtschaftliche Tatkraft wurde aber, liest man die Nachrufe, durch<br />

eine engagierte soziale, politische und gesellschaftliche Arbeit ergänzt. Über viele<br />

Jahrzehnte haben die Gebrüder Bartels somit in spürbarer Weise die Entwicklung<br />

der Stadt beeinflußt.<br />

Neben der Untersuchung des personalen Elements sollen weiterhin vertiefend die<br />

Entwicklung der Beschäftigtenzahlen und die Veränderungen hinsichtlich der Anzahl<br />

der Handwebstühle sowie der mechanischen Webstühle analysiert und interpretiert<br />

werden. Hierbei sollen auch die von einem Schüler angefertigten Abbildungen<br />

eine geeignete Verwendung bei der redaktionellen Auseinandersetzung finden.<br />

Schließlich stand in der Erarbeitungsphase die Arbeitsordnung der Bandweberei<br />

Güth & Wolf aus dem Jahr 1892 im Mittelpunkt der Untersuchung. 233 In diesem<br />

Zusammenhang sollen die Schüler zunächst die dort erwähnten Arbeitszeiten in<br />

ihre Diskussionen einbeziehen und sich kritisch mit diesen auseinandersetzen. Dabei<br />

könnten Parallelen zwischen der heutigen Arbeitswelt und der damaligen Fab-<br />

233 Vgl. Anhang, S. 30.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

rikarbeit gezogen werden. Außerdem besteht die Notwendigkeit, daß die Schüler<br />

das spezifische Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer näher beleuchten.<br />

Hierin müßten die besonderen disziplinarischen Maßnahmen Erläuterung<br />

finden. Zudem könnten die Schüler zusätzlich noch einmal die Strukturen der vorindustriellen<br />

Arbeit mit denen der Fabrikarbeit vergleichen.<br />

Neben der Erarbeitung der inhaltlichen Aspekte nehmen auch hier die methodischen<br />

Gesichtspunkte der Projektarbeit wieder einen breiten Raum ein. Parallel zu<br />

den Überlegungen zur vorherigen Redaktionsarbeit und auf Basis der Bemerkungen<br />

im methodischen Teil dieser Arbeit sollen auch hier die Schüler, die in der inhaltlichen<br />

Phase Aufträge erhalten haben, ihre Arbeiten der Gruppe übergeben, die<br />

dann in Verbindung mit den bereits vorliegenden Unterlagen ihre eigene webite<br />

erstellt. Sodann muß darauf geachtet werden, daß die Schüler die vorliegenden<br />

Materialien in zweckmäßiger Weise aufeinander beziehen. 234<br />

5.3. Dokumentation der Durchführung und Reflexion<br />

Anders als bei der Eisenbahn-Redaktion mußte die Gruppe zur Textilindustrie zu<br />

Beginn ihrer Arbeit mehrere Male bei einigen Schülern nachfragen, ob die in den<br />

verschiedenen Unterrichtsstunden gestellten Aufgaben bereits erledigt seien.<br />

Durch diese Verspätung verzögerte sich in der Anfangsphase die Planung und Vernetzung<br />

der websites, denn nur bei einer Vollständigkeit der Arbeiten kann die<br />

Gruppe vernünftige Querverbindungen entwickeln und die Ergebnisse der Endredaktion<br />

übergeben. Während die Eisenbahngruppe bereits weit vorangeschritten<br />

war, befand sich die Bartelsredaktion hingegen erst am Anfang der Planung, so daß<br />

zunächst einiger Leerlauf in der Gruppe zu beobachten war. Obwohl die Redaktion<br />

vorerst die bereits vorhandenen Texte korrigierte und nach Absprache mit den<br />

Autoren ergänzte, stockte die geplante Vernetzung. Ich entschloß mich in diesem<br />

Zusammenhang mit Hilfe der Programmredaktion zu einer kurzen Einführung in die<br />

technischen Gegebenheiten, in der Hoffnung, daß im Verlauf dieser Phase solche<br />

Probleme schneller und einfacher zu lösen seien. Bereits hier muß festgehalten<br />

werden, daß der geordnete Planungsrahmen der Redaktionsphase eine unbedingte<br />

Grundlage der Arbeit bildet. Wird dieser verlassen, so kann die gesamte Struktur<br />

der Sequenz gesprengt werden. Hier bestand die Schwierigkeit darin, den Gesamtüberblick<br />

zu behalten, alle Gruppen in geeigneter Weise zu betreuen und in<br />

manchen Situationen die passenden Entscheidungen zu treffen. Da ein solches Projekt<br />

das erste an meiner Ausbildungsschule war und viele Bereiche erst neu erarbeitet<br />

werden mußten, konnte man nicht auf bereits gemachte Erfahrungen zurückgreifen.<br />

So mußte man in diesem Bereich manchmal kleinere Rückschläge hinnehmen,<br />

was aber im nachhinein sehr fruchtbar war. In Zukunft sollte vor allem<br />

234 Da bei der Beschreibung der ersten Redaktion schon auf wichtige methodische Aspekte eingegangen<br />

worden ist und diese Grundlage für jede Arbeit in dieser Phase bilden, sollen hier unnötige<br />

Wiederholungen unterbleiben.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

darauf geachtet werden, daß die Schüler zu Beginn der Redaktionsphase alle ihre<br />

Aufgaben erledigt haben. Vielleicht müßte der Lehrende am Anfang der Redaktionsarbeit<br />

noch einmal eindringlich auf diese Notwendigkeit hinweisen, um solche<br />

Verzögerungen und Leerläufe zu vermeiden. Zudem erscheint es notwendig, die<br />

Schüler im Verlauf der Redaktionssequenz immer wieder darauf hinzuweisen, welche<br />

Wichtigkeit die Querverbindungen zwischen den verschiedenen Texten und<br />

Photos besitzen. Sie ermöglichen letztlich dem Betrachter den Zugriff und die<br />

Aneignung des historischen Sachverhaltes.<br />

So wurden dann der Gruppe die Nachrufe der Gebrüder Bartels übergeben. Sie<br />

skizzierten noch einmal kurz die Werdegänge von Ferdinand und Wilhelm Bartels.<br />

Hierin erkannten die Schüler, daß die beiden Fabrikanten neben ihrer beruflichen<br />

Tätigkeit vielfältige Aufgaben in der Stadt übernommen und hierfür sogar besondere<br />

Anerkennungen seitens des Staates erhalten hatten. Zudem übergab AT auf<br />

Grundlage des Stadtchronikzitats der Gruppe einen Bericht über die Seidenindustrie<br />

in Gütersloh, in dem sie noch einmal die Heimarbeit näher beschrieb. Sie<br />

verglich im Verlauf ihrer Ausführungen die eher handwerklich orientierte Arbeit<br />

in der Seidenmanufaktur mit den Tätigkeiten in der Bandweberei Güth & Wolf aus<br />

dem Jahr 1892 und zeigte damit auf, daß wesentliche Veränderungen hinsichtlich<br />

des Arbeitsablaufs und Arbeitsrhythmus´ innerhalb von vierzig Jahren eingetreten<br />

waren. Diesen Wandel erläuterte sie am Beispiel des "blauen Montags". Dabei<br />

war zu beobachten, daß in der vorindustriellen Phase ein solcher Montag durchaus<br />

die Regel war und nicht geahndet wurde, da die Spinner auf eigene Rechnung arbeiteten<br />

und nach Stückzahlen bezahlt wurden. Die versäumte Arbeit konnte somit<br />

in der Woche durch Mehrarbeit aufgeholt werden. Im Zuge der Synchronisation<br />

der Arbeit und der Teilung von Arbeitsvorgängen wurde ein geordneter<br />

Arbeitsablauf notwendig, so daß folglich eine Disziplinierung der Arbeiter erforderlich<br />

war, die durch ein ausgeklügeltes, monitär ausgerichtetes Strafsystem<br />

erreicht wurde.<br />

Weiterhin hatte sich EA mit den spezifischen Veränderungen im Hinblick auf die<br />

Fertigung von Textilien beschäftigt. Ausgehend von einer kurzen Beschreibung des<br />

Handwebstuhls skizzierte sie mit eigenen Worten den Strukturwandel in diesem<br />

Produktionszweig bis hin zur Etablierung der mechanischen Webstühle. In ähnlicher<br />

Weise hatte sich auch NS in seinem Beitrag über die Gütersloher Seidenweberei<br />

kritisch mit der Entwicklung auseinandergesetzt und kam zu dem Ergebnis,<br />

daß in Gütersloh die Veränderungen nicht so dramatisch wie in anderen Städten<br />

gewesen seien.<br />

Interessanterweise zog er auch eine Parallele zur heutigen Arbeitslosenproblematik.<br />

NC wertete noch einmal in schriftlicher Form die im Unterricht verwendete<br />

Abbildung über die Stuhl- und Beschäftigtenzahl der Firma Gebrüder Bartels aus.<br />

Er hatte während der Unterrichtsphase wesentliche Beiträge zur Abbildung geliefert.<br />

Dazu entwickelte Sebastian eine Graphik, in der die Veränderungen deutlich<br />

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zu erkennen waren.<br />

EA bearbeitete auf Basis mehrerer Aufgaben noch einmal die Auszüge aus der<br />

Arbeitsordnung der Bandweberei Güth und Wolf und verglich diese selbständig mit<br />

einem Arbeitsvertrag eines öffentlichen Dienstleistungsbetriebes. Dabei kam sie<br />

zu dem Ergebnis, daß heutige Abmachungen weitgehend arbeitnehmerfreundlicher<br />

anzusehen seien. Durch die kürzeren Arbeitszeiten, mehrere Urlaubstage und einem<br />

Kündigungsschutz würde ein besseres Arbeitsklima geschaffen. Schließlich<br />

beschrieb sie die Arbeitsordnung aus dem 19. Jahrhundert als patriarchalisch und<br />

hierarchisch strukturiert und äußerte sich kritisch zu den aufkommenden Veränderungen.<br />

Dabei ging sie auch auf mentalitätsgeschichtliche Aspekte ein und versuchte<br />

hier aufzuzeigen, daß diese gravierenden Umstellungen in der Arbeitswelt<br />

offenbar auch psychische und physische Beschwerden bei den Arbeitnehmern hervorgerufen<br />

haben.<br />

Nach der Sichtung der verschiedenen Texte, Bilder und Zeichnungen haben die<br />

Schüler längere Zeit über die Verbindungen zwischen den Unterlagen diskutiert.<br />

Dabei stellte sich heraus, daß es anders als bei der Eisenbahngruppe für die Schüler<br />

nicht eindeutig entscheidbar war, welche hyperlinks nun gesetzt werden sollten.<br />

Zuerst versuchten einige Schüler auf der Startseite der Redaktion möglichst<br />

viele hyperlinks unterzubringen, um dem Betrachter ein breit gefächertes Angebot<br />

zu liefern. Dabei vernetzten sie in einem weiteren Schritt aber nicht die Vorlagen<br />

untereinander. Nach meinem Hinweis, daß es nicht darum ginge, alle Materialien<br />

auf der Startseite anzusiedeln, sondern es vielmehr Ziel sei, die Hauptaspekte<br />

dort zu nennen und alle weiteren Vorlagen vernünftig zu verbinden und diese den<br />

Schwerpunkten sinnvoll unterzuordnen, begann die Diskussion über die Gestaltung<br />

von Neuem. Es zeigte sich hier, daß diese andere Form des Denkens und der Annäherung<br />

nicht immer leicht aufgenommen wurde. Offenbar scheint in dieser Gruppe<br />

zusätzlich die Kenntnis einzelner Punkte des historischen Stoffes nicht immer<br />

präsent gewesen zu sein. Hier müßte der Lehrende noch einmal auf die unbedingte<br />

Notwendigkeit einer Durchdringung hinweisen. In diesem Zusammenhang habe ich<br />

mich mit den Schülern noch einmal zusammengesetzt und mit ihnen versucht,<br />

schrittweise eine Kategorisierung der einzelnen Texte und Bilder vorzunehmen.<br />

Dabei diente die Übersicht zu den inhaltlichen Stunden vor den Osterferien als<br />

eine geeignete Orientierung. Mit Hilfe der in diesem Bereich stattgefundenen Unterrichtssitzungen<br />

versuchten die Schüler nun, die Materialien zu ordnen. So entschieden<br />

sie sich, sowohl die Ausgangslage, die Entwicklung der Gebrüder Bartels<br />

GmbH als auch die Arbeitsordnung aus dem Jahr 1892 zum Schwerpunkt ihrer Arbeit<br />

zu nehmen, um dann in einem weiteren Schritt alle anderen Materialien mit<br />

diesen Hauptlinien zu verknüpfen. Hier wies ich weiter darauf hin, daß sogenannte<br />

Stichwortverbindungen eine wertvolle Hilfe zur Setzung von hyperlinks sein könnten.<br />

So achtet man während der Sichtung auf wichtige, immer wiederkehrende<br />

Leitworte. Im Bereich der Entwicklung der Textilfabrik der Gebrüder Bartels<br />

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GmbH könnte man so zum Beispiel darauf achten, ob die Namen in mehreren Texten<br />

enthalten seien. So erwähnen sowohl die Stadtchronik als auch die Nachrufe<br />

die Namen, so daß zwischen diesen beiden Texten bereits mühelos Querverbindungen<br />

gezogen werden können. Zudem enthält der Text von Tina, der in Anlehnung<br />

an die Chronik entstanden ist, ebenfalls die Namen der Textilfabrikanten. Im<br />

Zuge dieser Hilfestellung erhielten sodann die Nachrufe der beiden Gründer und<br />

die Stadtchronik Verbindungen zum erwähnten Text. Darüber hinaus verbanden<br />

die Mitglieder der Redaktion zusätzlich die Texte mit den Bildern der Gebrüder<br />

Bartels, die das Stadtarchiv zur Verfügung gestellt hatte.<br />

Weiterhin verknüpfte die Gruppe dann selbständig den Text über die Veränderungen<br />

in der Textilherstellung mit einem Bild, das einen Verleger beim Aufkauf der<br />

Waren zeigt, und einem erläuternden Text über die Heimarbeit.<br />

Nach diesen anfänglichen Problemen gelang es im Verlauf dieser Phase der Redaktion<br />

relativ gut, die weiteren Arbeiten zu erledigen. Sie übertrugen ihre Texte in<br />

die vorhandenen Textverarbeitungssysteme und lasen alles noch einmal Korrektur.<br />

Auch die Verbildlichung ihrer hyperlinks wurde von den Schülern letztlich gut bewältigt,<br />

so daß die technische Redaktion weitgehend keine Schwierigkeiten bei der<br />

Umsetzung der redaktionellen Vorgaben hatte.<br />

Es bleibt festzuhalten, daß die ungewöhnliche Arbeit in den Redaktionen und die<br />

neue Form der Produktorientierung unterrichtlicher Inhalte, verbunden mit der<br />

anderen Art der Vernetzung, eine hohe Motivation bei den Schülern hervorruft.<br />

Allerdings kann es aber manchmal zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Umsetzung<br />

wohl auch aufgrund der Unbekanntheit des neuen Mediums führen. Der Lehrende<br />

muß in diesem Zusammenhang immer ein Augenmerk auf den Arbeitsfortschritt<br />

der einzelnen Gruppen richten. Bei auftretenden Problemen muß er spontan Hilfestellung<br />

leisten und Lösungen vorschlagen. Da in diesem Projekt vier inhaltliche<br />

Redaktionen zu betreuen waren, bedurfte es in vielerlei Hinsicht eines hohen Maßes<br />

an Organisation und Flexibilität. Sicherlich hätten zunächst aus organistaionstechnischer<br />

Sicht nur zwei Redaktionen ausgereicht, um aufzuzeigen, wie ein<br />

Internetprojekt funktionieren könnte, diese wären aber dem historischen Thema<br />

der Industrialisierung in Gütersloh nur bedingt gerecht geworden. Zusätzlich sollte<br />

erwähnt werden, daß die Schüler während der Gruppenarbeitsphase sehr aktiv<br />

miteinander gearbeitet haben, was im normalen Unterricht zuvor nicht so stark<br />

beobachtet werden konnte. Gerade dieser Abschnitt in Verbindung mit der technischen<br />

Umsetzung hat zu intensiven Interaktionen geführt. Die Möglichkeit, auch<br />

am Nachmittag in der Schule zusammenzuarbeiten, wurde von vielen Schülern angenommen.<br />

Einige Schüler brachten sogar Kekse und Getränke zur Arbeit mit und<br />

lockerten somit die Atmosphäre auf. Diese andere Form der Auseinandersetzung<br />

hat in keiner Weise zu einer Beeinträchtigung der Ergebnisse geführt, sondern<br />

eher dazu beigetragen, ein angenehmes und produktives Klima zu schaffen. Offenbar<br />

muß in Zukunft nach weiteren Formen des Unterrichts Ausschau gehalten<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

werden, die die Schüler anregen, sich in lebendiger Weise ernsthaft mit Geschichte<br />

auseinanderzusetzen.<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

6. Die Endredaktion: Die redaktionelle Schlußbearbeitung und die technische<br />

Umsetzung des von den Redaktionen erarbeiteten Materials - Mit Hilfe eines<br />

Layoutprogrammes gestalten Schüler selbständig die verschiedenen websites<br />

zur Industrialisierung in Gütersloh und bereiten diese für den Server der Universität<br />

Bielefeld und somit für das Internet vor<br />

6.1. Lernziele der Endredaktion<br />

6.1.1. Grobziele der Endredaktionsphase<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• auf Basis der Arbeit in den vier Inhaltsredaktionen gemeinsam einzelne Internetseiten<br />

unter Berücksichtigung des Inhalts und gestalterischer Komponenten<br />

sowie technischer Rahmenbedingungen in sinnvoller Weise gestalten<br />

und miteinander vernetzen sowie eine homepage des Leistungskurses<br />

und eine vorläufige Startseite der Schule selbständig herstellen.<br />

• nach der Endkorrektur das Gesamtergebnis soweit vorbereiten, so daß es<br />

problemlos auf den Server der Universität Bielefeld übertragen werden<br />

kann.<br />

• ihre Arbeit der Schulöffentlichkeit vorstellen und in ihrer Struktur in<br />

angemessener Form verständlich erklären.<br />

6.1.2. Feinziele der Endredaktionsphase<br />

Die Schülerinnen und Schüler sollen<br />

• sich mit Hilfe eines Lehrervortrages der besonderen Relevanz sogenannter<br />

hyperlinks bewußt werden.<br />

• sich miteinander mit dieser neuen Form der Querverbindungen vertraut machen,<br />

indem sie in exemplarischer Weise einige zweckmäßige Varianten aufzeigen.<br />

• sich untereinander nach dem Prinzip der freien Wahl wie die Inhaltsredaktionen<br />

zu einer sogenannten End- beziehungsweise Technikredaktion zusammenfinden.<br />

• sich mit Hilfe der Informatik in fächerverbindender Weise mit der vorhandenen<br />

Soft- und Hardware vertraut machen und somit ihre Medienkompetenz<br />

im Hinblick auf eine adäquate Anwendung von Computern unter fachlicher<br />

Anleitung erweitern.<br />

• sich gemeinsam in der Endredaktion über die in der gesamten Inhaltsphase<br />

der Unterrichtssequenz gehaltenen Stunden orientieren und grundsätzlich<br />

weitere Arbeitsstrategien hinsichtlich der Programmierungsordnung formulieren<br />

und den Inhaltredaktionen erläutern.<br />

• in Verbindung mit den vier inhaltlichen Redaktionen die verschiedenen Seiten<br />

zur politischen und wirtschaftlichen Situation im 19. Jahrhundert in Gütersloh,<br />

zur Eisenbahn im lokalen Raum, zur Entwicklung der Textilindustrie<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 99


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

und zum regional wichtigen graphischen Gewerbe erarbeiten und dabei sowohl<br />

inhaltliche Aspekte berücksichtigen als auch gestalterische Elemente<br />

in ihre Überlegungen einbeziehen.<br />

• dabei vertiefend die inhaltlichen Aspekte des ersten Teils der Sequenz verinnerlichen.<br />

• damit verbunden ihre methodischen Fähigkeiten erweitern.<br />

• bei dieser Programmierungs- und Gestaltungsarbeit zusätzlich ihre Medienkompetenz<br />

unter Beweis stellen und in Auseinandersetzung mit den technischen<br />

Gegebenheiten ausbauen.<br />

• diese besonderen Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet für zukünftige<br />

fächerverbindende Projekte bereithalten.<br />

• zusätzlich unter Berücksichtigung der Gesamtstruktur und mit Hilfe der<br />

anderen Mitglieder des Kurses eine homepage des Leistungskurses erarbeiten.<br />

• dabei Kommunikationsfähigkeiten innerhalb des Kurses einüben und diese im<br />

Diskurs erweitern.<br />

• weiterhin unter Berücksichtigung der Gesamtstruktur und mit Hilfe der anderen<br />

Mitglieder des Kurses sowie des Koordinationsverantwortlichen der<br />

Schule eine vorläufige homepage der Schule herstellen.<br />

• dabei Formen der Dialogbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit über den<br />

Kurs hinaus einüben beziehungsweise unter Beweis stellen und im Verlauf<br />

der Erarbeitung erweitern.<br />

• im Laufe der Programmierungsphase auf der Grundlage der inhaltlichen und<br />

methodischen Arbeit und unter Mithilfe der Sachredaktionen sinnvolle<br />

Querverbindungen und Beziehungen zwischen den einzelnen Seiten herstellen<br />

und diese auf ihre Praktikabilität überprüfen, um somit eine Einspeisung<br />

in das Internet zu ermöglichen.<br />

• bei auftretenden Problemen miteinander im Gespräch nach geeigneten Lösungsstrategien<br />

suchen.<br />

• sich bei Bedarf mit den einzelnen Mitgliedern der inhaltlichen Redaktionen<br />

auseinandersetzen und auftretende Schwierigkeiten besonders im Hinblick<br />

auf sachliche Fehler und technische Fragen für beide Seiten zufriedenstellend<br />

beheben.<br />

• bei unüberwindbar erscheinenden Problemen den Lehrenden zu Rate ziehen<br />

und mit ihm nach angemessenen Alternativen suchen.<br />

• mit Hilfe der Informatik und des Lehrenden alle weiteren anstehenden Arbeiten<br />

bis zur Veröffentlichung erledigen.<br />

• das Gesamtprodukt miteinander kritisch beurteilen.<br />

• nach der Veröffentlichung mit einer möglichen Kritik produktiv umgehen<br />

und diese im Unterrichtsgespräch hinterfragen.<br />

• das Produkt weiterhin betreuen und sowohl inhaltliche als auch methodi-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

sche Hinweise von außen in angemessener Weise berücksichtigen.<br />

6.2. Einige Begründungen zu den methodischen und didaktischen Entscheidungen<br />

Neben der redaktionellen Arbeit besteht bei einer internetorientierten Unterrichtsreihe<br />

die Notwendigkeit, alle Ergebnisse in geeigneter und benutzerfreundlicher<br />

Form technisch umzusetzen. Dabei müssen einige Planungsfaktoren beachtet<br />

werden, die hier kurz näher beleuchtet werden sollen.<br />

Eine solche Unterrichtsreihe kann nur fächerverbindend durchgeführt werden. Bei<br />

der technischen Arbeit müssen die Informatik oder die in der Schule für die Computer<br />

Verantwortlichen immer wieder um Rat im Hinblick auf die Realisierung gefragt<br />

werden.<br />

Zunächst sollte dem Kurs mindestens ein Computer zur Programmierung der<br />

HTML-Seiten zur Verfügung gestellt werden, an dem die technische Redaktion<br />

dann die Ergebnisse der inhaltlichen Gruppen verarbeitet. Es wäre günstig, wenn<br />

zusätzlich weitere Computer den Schülern zur Texteingabe aufgestellt würden.<br />

Bei auftretenden Problemen könnte dann der Lehrende hier eingreifen. Dabei muß<br />

beachtet werden, daß die zur Programmierung notwendigen Computer hohe Speicherkapazitäten<br />

besitzen sollten. Da bei der Umsetzung ein Textverarbeitungsprogramm,<br />

Bildbearbeitungssoftware, Scannerprogramme und ein Editorprogramm<br />

sowie ein Graphikprogramm verwendet werden, ist es heute schon ratsam, mindestens<br />

32 Megabyte-Rechner mit mindestens 1 Gigabyte-Speicherplatz einzusetzen,<br />

um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Dabei spielt es keine Rolle, ob<br />

DOS/Windows-Computer oder Apple-Macintosh-Rechner Verwendung finden, da<br />

letztlich das Ergebnis im HTML-Format vorliegt, welches von allen Betriebssystemen<br />

gelesen werden kann. Zusätzlich zum Computer und zur Software benötigt die<br />

Endredaktion einen Scanner, der die vorhandenen Bilder in die Internetseiten einfaßt.<br />

Dabei sollte man darauf achten, daß diese Geräte eine hohe Bildauflösung besitzen.<br />

Da die Photos und Vorlagen später vielfach stark heruntergerechnet werden<br />

müssen, um den Bildaufbau im Internet nicht zu einem langen Unterfangen zu<br />

machen, sollte ein Augenmerk darauf liegen, daß die Bilder eine möglichst hohe Anfangsauflösung<br />

besitzen, um in der Verarbeitung noch annehmbare Ergebnisse zu<br />

erzielen. Darüber hinaus muß die Endredaktion mit einem Drucker ausgestattet<br />

sein, der die einzelnen Seiten noch einmal im Endzustand ausdrucken kann, um den<br />

redaktionellen Gruppen eine letzte Korrektur zu ermöglichen. So werden die einzelnen,<br />

gedruckten Seiten den Redaktionen am Ende noch einmal zugeleitet, um<br />

eventuelle Fehler auszumerzen. Da die technische Redaktion nur einen Computer<br />

zur Programmierung besitzen wird, wäre eine Erstkorrektur am Bildschirm nur<br />

schwer möglich und mit einem weiteren enormen Zeitaufwand behaftet.<br />

Zunächst werden die Schüler der Endredaktion eine kurze Einführung in die Computerprogramme<br />

erhalten, die der Lehrende in Zusammenarbeit mit der Informatik<br />

durchführen wird. Sodann sollen sich die Schüler mit der Hardware vertraut<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 101


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

machen. Gerade die Handhabung des Scanners wird zu Anfang manchen Mitgliedern<br />

der Redaktion noch einige Schwierigkeiten bereiten. Dabei erscheint es von<br />

Vorteil, daß einzelne Schüler schon Erfahrungen bezüglich der Programmierung<br />

und Arbeit mit Computern mitbringen. Bereits in diesem Zusammenhang muß darauf<br />

hingewiesen werden, daß die Schüler neben der inhaltlichen Aneignung in vielerlei<br />

Hinsicht ihre Methodenkompetenz und ihr Wissen über neue Medien und ihre<br />

Handhabung erweitern.<br />

Sodann beginnt die Endredaktion alle Ergebnisse der inhaltlichen Gruppen schrittweise<br />

in Internetseiten umzusetzen. Dabei müssen sie zunächst eine Startseite<br />

kreieren, die eine Vernetzung zu den vier inhaltlichen Schwerpunkten besitzt. Dabei<br />

kommt ihnen zusätzlich die Aufgabe zu, mit Hilfe der einzelnen Redaktionen<br />

Farben und Hintergründe festzulegen. Daraufhin müssen sie die einzelnen Photos<br />

einscannen und mit Hilfe der Bildbearbeitungssoftware internetfähig machen. Zudem<br />

sollen die Schüler in ständiger Verbindung mit den anderen Gruppen die einzelnen<br />

links setzen. Dabei werden die Seiten und Bilder als Programme verstanden,<br />

die einfach miteinander mit Hilfe von Unterprogrammen verknüpft werden.<br />

Schließlich muß die Internetredaktion gewährleisten, daß die Seiten zukünftig<br />

aufgerufen werden können. Sie müssen soweit programmiert sein, daß sie mühelos<br />

von einem Server aufgenommen werden können.<br />

6.3. Dokumentation der Durchführung und Reflexion<br />

Die Durchführung dieses Abschnittes der Unterrichtsreihe hat wohl die größten<br />

Schwierigkeiten bereitet und viel Zeit beim Ausräumen der vielfältigen technischen<br />

Probleme gekostet, führte aber zu fruchtbaren Diskussionen und Lösungsstrategien.<br />

Bevor die Seiten programmiert wurden, stellte sich heraus, daß die vorhandenen<br />

Texte nicht vom Apple-Macintosh konvertiert werden konnten. Somit verzögerte<br />

sich hier die Umsetzung der Internetseiten. Erst nach langen Gesprächen mit der<br />

Informatik und der Hinzunahme eines speziellen Computerprogrammes war es den<br />

Schülern möglich, die Texte aus dem DOS-Format vernünftig zu konvertieren und<br />

diese schließlich in das HTML-Format zu übertragen. Allerdings wurden hier die<br />

Umlaute und die Zeichensetzung nicht immer berücksichtigt, so daß die inhaltlichen<br />

Redaktionen zusätzlich Korrektur lesen mußten. Gerade diese Schwierigkeit<br />

hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Es sollte bei einer Programmierung darauf<br />

geachtet werden, daß die Kompatibilität der einzelnen Komponenten gegeben<br />

ist. Es zeigte sich aber, daß viele Schüler in souveränder Weise mit solchen<br />

Problemem umzugehen wissen.<br />

Darüber hinaus war es gerade in dieser Phase nur schwer möglich, alle Bereiche<br />

hinlänglich zu koordinieren. Manchmal dauerte es zum Beispiel sehr lange, bis ein<br />

besonderer Text auf einer einzelnen Diskette gefunden werden konnte. So sollten<br />

demnächst die einzelnen Dateien für alle nachvollziehbar abgespeichert werden,<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 102


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

um einen geordneten Programmierungsablauf zu gewährleisten. Es müßte ein sogenannter<br />

Koordinator von Schülerseite gefunden werden, der ankommende Texte<br />

auf den jeweiligen Disketten speichert und nach Bedarf diese mit Hilfe der Programmierer<br />

abruft. Zusätzlich müßte eine weitere Liste mit allen Materialien erstellt<br />

werden, damit letztlich keine Datei bei der Realisierung vergessen wird. So<br />

könnten zum Beispiel alle Vorlagen an der Tafel für jedermann sichtbar und nachvollziehbar<br />

fixiert werden.<br />

Im Verlauf der Programmierungsphase zeigte sich zudem, daß manche von den Redaktionen<br />

vorgesehene hyperlinks als nicht sinnvoll erschienen. Nach Absprache<br />

mit den Gruppen wurden hier aber gute Lösungen gefunden. Die Endredaktion<br />

schrieb somit unter jeden Text den jeweiligen hyperlink und verknüpfte diesen mit<br />

einem anderen auf der betreffenden Seite. Dabei war zu beachten, daß die Seiten<br />

in beide Richtungen verknüpft werden mußten.<br />

Der Umfang des Projektes zeigte sich eigentlich erst in dieser Phase, denn jetzt<br />

erhielten die Programmgruppe und der Lehrende einen wirklichen Überblick über<br />

die Arbeiten des Kurses. Schließlich hat es jeweils etwa einen Tag gedauert bis<br />

eine Redaktionsarbeit vollständig programmiert war. Es wurde dabei deutlich, daß<br />

solche Arbeiten nicht im normalen Unterrichtsverlauf stattfinden können. Hierbei<br />

ist eine vollständige Auflösung der Strukturen erforderlich. Es muß über längere<br />

Zeit ermöglicht werden, ausgiebig am Projekt zu arbeiten, damit annehmbare Ergebnisse<br />

erzielt werden. Tatsächlich haben sich die Schüler über viele Stunden<br />

hinweg am Thema abgearbeitet. Ein 45-Minuten-Takt scheint dieser Arbeitsform<br />

nicht angemessen zu sein. Sicherlich könnte eingewandt werden, daß hier ein zu<br />

hoher Zeitaufwand betrieben wurde. Die Ergebnisse und das daraus entstandene<br />

Kursklima beweisen aber, daß sich dieser Einsatz durchaus gelohnt hat.<br />

Nach Abschluß der eigentlichen Programmierung war aber die Arbeit dieser Gruppe<br />

noch nicht abgeschlossen, denn die Internetseiten zur Industrialisierung im<br />

Raum Gütersloh konnten ja noch nicht im Internet selbst aufgerufen werden. Dazu<br />

ist ein sogenannter Server notwendig, der die Programme abspeichert und ständig<br />

für einen interessierten Benutzer bereithält. Da die Schule aus Kostengründen<br />

verständlicherweise keinen Server betreiben kann, wurden vom Lehrenden Kontakte<br />

zum Rechenzentrum der Universität Bielefeld hergestellt. Die Schüler wurden<br />

eingeladen, an den Planungsgesprächen teilzunehmen, die letztlich zu dem Ziel<br />

führten, die Seiten mit Hilfe spezieller Software von der Schule aus in einen Server<br />

einzuspeisen, der es jederzeit ermöglicht, die Seiten weltweit abzurufen. Das<br />

Projekt kann demnächst nach Klärung der noch vorhandenen technischen Schwierigkeiten<br />

unter der Adresse http://www.uni-bielefeld.de/˜gymgt betrachtet werden.<br />

Dabei ist aber zu beachten, daß diese Konstruktion als noch vorläufig anzusehen<br />

ist. Die Schule wird demnächst versuchen, die Seiten von diesem subdirectory<br />

in ein anderes Verzeichnis zu transferrieren. Mit Hilfe eines domains (d.h. mit einer<br />

direkten Adresse, zum Beispiel SGG oder GymGt) soll die Auffindbarkeit der<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Seiten erleichtert werden. Somit können dann auch die einschlägigen Suchmaschinen<br />

dieses Projekt nach Eingabe relevanter Suchbegriffe auflisten, was zur Zeit<br />

noch nicht möglich ist. So wird in Zukunft eine Vernetzung mit dem Deutschen Bildungsserver<br />

und dem nordrhein-westfälischen Pendant angestrebt. Zusätzlich sollen<br />

hyperlinks zu weiteren Seiten gelegt werden, wo eine Verbindung als sinnvoll<br />

erscheint. So könnte zum Beispiel ein hyperlink zum Studienseminar in Paderborn<br />

gelegt werden, das auch eine Seite über das Gymnasium angelegt hat, um es als<br />

Ausbildungsschule vorzustellen.<br />

Weiterhin wurde seitens des Rechenzentrums vorgeschlagen, bis zur festen Planung<br />

zusätzlich eine vorläufige homepage der Schule zu erstellen, an dem die weiteren<br />

Seiten des Leistungskurses angehängt werden. So kann man bereits jetzt<br />

die vorgeschriebene Baumstruktur der verschiedenen websites fest etablieren.<br />

Alle weiteren Projekte oder Seiten werden dann von der homepage aus gestartet.<br />

Die Endredaktion gestaltete somit nach Abschluß des Projekts weiterhin eine solche<br />

Seite und setzte sie vor die Startseite des Projekts.<br />

Darüber hinaus ergab das Gespräch mit der Universität, daß ein sogenannter webmaster<br />

gewählt werden sollte, der die Seiten der Schule betreut und im Sinne des<br />

Pressegesetzes rechtlich vertritt. So können ein unberechtigter Zugriff und die<br />

Programmierung bedenklicher Seiten von vornherein vermieden werden.<br />

Zudem empfahlen die Verantwortlichen der Universität eine Internet-AG fest zu<br />

etablieren, um die weitere Betreuung der Seiten zu gewährleisten. Nach Ende des<br />

Projektes haben sich spontan sechs Schüler bereit erklärt, an dieser AG teilzunehmen,<br />

die der Lehrende bis zum Ende seines Referendardienstes betreuen wird.<br />

Diese wenigen Ausführungen zeigen, daß ein solches Projekt noch nicht die Regel<br />

im Schulalltag darstellt. Doch nach diesem ersten Schritt am Städtischen Gymnasium<br />

in Gütersloh bekundeten einige Lehrer ihr Interesse, eigene Projekte und<br />

weitere Schülerarbeiten zukünftig in das Internet einspeisen zu lassen. In der<br />

verbleibenden Zeit soll hier nach Planung der Seitenstrukturen die homepage der<br />

Schule ausgebaut werden. So wird demnächst ein Internetprojekt mit der Partnerschule<br />

in G initiiert, an dem sich der Lehrende beteiligen und seine hier gemachten<br />

Erfahrungen einbringen wird.<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 104


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Gesamtreflexion<br />

Eine letzte Kritik am durchgeführten Unterricht am Ende einer <strong>Examensarbeit</strong><br />

bewegt sich vielfach zwischen der Skylla des Eigenlobs und der Charybdis des Understatements.<br />

Die folgenden Ausführungen wollen gewissenhaft versuchen, das<br />

Pendel angemessen zwischen diesen beiden Gefahren schwingen zu lassen, ohne daß<br />

letztlich wirklich ausgeschlossen werden kann, daß stellenweise das Pendel zu weit<br />

zu einer der beiden Seiten ausschlägt.<br />

Am Anfang dieser Reihe stand eine sehr breit gestreute Planung und theoretische<br />

Erörterung der jeweiligen Bereiche, die zu Beginn nicht leicht überschaubar war.<br />

Zunächst zeigte sich, daß Regionalgeschichte immer als interdependent zur allgemeinen<br />

Geschichte verstanden werden müsse. So war es notwendig, den Schülern<br />

innerhalb dieser Reihe den besonderen Verflechtungszusammenhang deutlich zu<br />

machen. Gerade bei der Behandlung des Themenbereiches der Textilindustrie<br />

konnte den Schülern diese Verbindung näher gebracht werden. Daß aber Lokalgeschichte<br />

auch immer als selbständig gesehen werden müsse und nicht zwangsläufig<br />

im sogenannten Abbildverfahren funktioniert, zeigte sich besonders am Beispiel<br />

des graphischen Gewerbes in Gütersloh. Gerade hier erhielten die Schüler interessante<br />

Einblicke in einen weitgehend nur regional sehr wichtigen Industriezweig<br />

und spürten in mancherlei Hinsicht konkrete und lebendige Geschichte im Unterrichtsgeschehen.<br />

Man konnte jedoch beobachten, daß die Lokal- und Regionalgeschichte<br />

nicht unbedingt automatisch einen Motivationsschub aufgrund der historische<br />

Nähe einbrachte. Offenbar wurde der sonst vielfach gerühmte Motivationsanreiz<br />

durch eine solche Form der Geschichtsauseinandersetzung in dieser<br />

spezifischen Reihe von dem Interesse an der Arbeit mit dem Internet überdeckt.<br />

In diesem Zusammenhang zeigte sich weiterhin, daß die Lokalgeschichte ein sehr<br />

komplexes Gebilde darstellt, daß sich dem Fremden (und ein solcher war der Lehrende!)<br />

nicht leicht erschließt. Gerade hier wurde ein langer Zeitraum für die Planung<br />

benötigt. Für den Unterricht konnte man auf nahezu kein ediertes Quellenmaterial<br />

zurückgreifen, so daß hier vielfach die Schwierigkeit bestand, repräsentative<br />

Materialien in angemessener Vorbereitungszeit den Schülern zur Erarbeitung<br />

und Auseinandersetzung vorzulegen. Darüber hinaus war somit eine Didaktisierung<br />

des historischen Stoffes noch nicht angegangen worden. Hier wird es in<br />

Zukunft unbedingte Aufgabe sein, vernünftige und sinnvolle regionalgeschichtliche<br />

Unterrichtsreihen zu konzipieren, um den Schülern Regionalgeschichte in geeigneter<br />

Form nahezubringen.<br />

Durch diese schwierige Quellenlage und die Edierungsprobleme war man während<br />

der Planung immer wieder auf ausgiebige Gespräche mit kompetenten Personen<br />

angewiesen. Hier sei dem Stadtarchivar von G, SG, und dem Leiter des Stadtmuseums,<br />

HLL, für die freundliche Unterstützung gedankt. Sie haben mit der Öffnung<br />

ihrer Arbeitstätten und ihren wertvollen Hinweisen wichtige und fruchtbare<br />

Anregungen für die weitere Planung gegeben. Bei diesen Kontakten wurden den<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 105


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Schülern auch vielfältige Einblicke in die jeweilige Arbeit gewährt, so daß sie hier<br />

ihre Hemmschwellen sehr gut abbauen konnten. Eine Schülerin sagte mir nach der<br />

Unterrichtsreihe, daß sie angefangen sei, über ihre Vorfahren im Stadtarchiv zu<br />

forschen. Trotzdem muß erwähnt werden, daß es bei der umfassenden Planung<br />

nicht immer leicht war, eine Überforderung der Schüler zu erkennen. Bei den Leseübungen<br />

im Stadtarchiv zeigte sich manchmal, daß hier eindeutig die Leistungsgrenze<br />

der 16-18jährigen Schülerinnen und Schüler erreicht war. Um dieser Gefahr<br />

zu entgegnen, muß noch mehr das wissenschaftpropädeutische Prinzip Beachtung<br />

finden.<br />

Zudem begegneten den Schülern und dem Lehrer immer wieder technische<br />

Schwierigkeiten gerade im Hinblick auf eine adäquate Umsetzung und Nutzbarmachung<br />

des Internets. Parallel zur Unterrichtsreihe waren immer wieder eingehende<br />

Gespräche mit der Schulleitung, den Verantwortlichen der Informatik und den<br />

zuständigen Personen der Universität Bielefeld vonnöten, um auftretende Schwierigkeiten<br />

zu lösen. Dabei waren diese Problematiken weder in der Planung noch im<br />

Verlauf vorauszusehen. Schüler und Lehrer mußten also hier immer wieder flexibel<br />

und manchmal auch sehr spontan weitreichende Entscheidungen treffen. So wurden<br />

zum Beispiel die Internetseiten mit einem Apple-Macintosh erstellt, da die<br />

Schule nur einen solchen Computer zur Programmierung der Seiten zur Verfügung<br />

hatte. Seitens der Universität wurde versichert, daß mit sogenannten Konverter-<br />

Programmen eine Umsetzung keine Probleme bereiten würde. Schließlich konnte<br />

das Unix-System der Universität diese Programme aber nicht wunschgerecht ändern,<br />

so daß sich hier die Online-Benutzung verzögerte. Es sollte somit darauf geachtet<br />

werden, daß im Vorfeld eine Kompatibilität der verschiedenen Rechner gegeben<br />

ist. Nur so kann das Ergebnis ohne Schwierigkeiten auf einem Server abgelegt<br />

werden. Gerade diese kurzen Bemerkungen zeigen, daß sich der Lehrende<br />

jetzt in völlig neuen Situationen bewegt. Neben dem eigentlichen Unterricht muß<br />

der Geschichtslehrer vielfach unter Mithilfe von Schülern und weiteren Lehrern<br />

technische und institutionelle Probleme überwinden, die sonst im herkömmlichen<br />

Unterricht nicht begegnen würden. Den Schülern muß hier ein großes Lob ausgesprochen<br />

werden, denn sie haben mit großer Disziplin an ihrem Projekt gearbeitet.<br />

Auch Herrn DRH und Herrn EV vom Fachbereich Informatik unserer Schule muß<br />

hier gedankt werden. Ohne ihre Mithilfe wäre eine technische Umsetzung nur<br />

schwer möglich gewesen. Sicherlich handelt es sich in diesem Kontext um Anlaufschwierigkeiten<br />

ähnlich wie bei der Neuproduktion eines Autos. Nach der Schaffung<br />

der Grundlagen wird es in Zukunft wesentlich einfacher werden, an dieser<br />

Schule Internetseiten zu erstellen. Dabei werden die Schüler dieses Kurses anderen<br />

Mitschülern und Lehrern beim Umgang mit dem neuen Medium helfen. Aber<br />

auch für den Geschichtslehrer wird es in Zukunft notwendig sein, sich in diesem<br />

Bereich weiterzubilden. Gerade die Erlangung einer Medienkompetenz müßte Eingang<br />

sowohl in die Ausbildung als auch in die Weiterbildung finden. In auf den Ge-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

schichtsunterricht zugeschnittenen Computer- und Internetseminaren müßten die<br />

Möglichkeiten, aber auch die Grenzen weiter sondiert werden. Daß eine internetorientierte<br />

Reihe im Rahmen des Geschichtsunterrichts aber durchaus stattfinden<br />

kann, zeigt diese Arbeit.<br />

Die wenigsten Probleme hat eigentlich die inhaltliche Reihe bereitet. Im Zusammenhang<br />

mit dem Internet muß darauf hingewiesen werden, daß in diesem Teil der<br />

Sequenz unbedingt solide inhaltlich gearbeitet werden muß, damit am Ende ein<br />

vernünftiges Ergebnis der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Sogenannte<br />

historische Lücken darf der Lehrende nicht zulassen, denn die Durchdringung der<br />

geschichtlichen Inhalte stellt die unbedingte Grundlage für ein reflektiertes Resultat<br />

am Ende einer Reihe dar. Somit muß den Schülerinnen und Schülern gerade<br />

in dieser Phase deutlich gemacht werden, daß nur eine gewissenhafte Arbeit ordentliche<br />

und vorzeigbare Erfolge zeitigen kann. In diesem Zusammenhang durfte<br />

die inhaltliche Sequenz aber nicht noch weiter elmentarisiert werden, da sonst der<br />

Prozeß der Industrialisierung in Gütersloh nicht deutlich geworden wäre. Darüber<br />

hinaus war es hier im Hinblick auf die Umsetzung wichtig, eine ständige Sicherung<br />

der Unterrichtsergebnisse in schriftlicher Form einzuführen. Obwohl dieser<br />

Sachverhalt im Gesamtzusammenhang als unbedingt notwendig erschien, hat er<br />

manchmal den Fluß der Reihe gehemmt. Eine gangbare Alternative könnte darin<br />

liegen, in einer Produktphase noch einmal alle Aspekte in vertiefender Weise zu<br />

erarbeiten, was dann aber noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Weiterhin<br />

erscheint es durchaus möglich, die Sicherungsarbeit weitgehend auf Zusatz-<br />

und Hausaufgaben zu verlagern, um somit dem Unterrichtsgeschehen eine gewisse<br />

Dynamik zu erhalten.<br />

Darüber hinaus muß gerade in diesem Teil der Sequenz auf eine methodische Abwechslung<br />

Wert gelegt werden. Das Streitgespräch und die Umsetzung historischer<br />

Sachverhalte als Zeitungsartikel zeigten, daß neben der notwendigen Quellenarbeit<br />

andere Formen der Auseinandersetzung Eingang in den Geschichtsunterricht<br />

finden müssen, um den Schülern für Geschichte zu interessieren. So wird<br />

dadurch letztlich auch das angestrebte Ergebnis interessanter. Internetseiten,<br />

die lediglich nur aus langen Texten bestehen, werden den "augenverwöhnten" Leser<br />

nur schwer beeindrucken und für den Inhalt interessieren können.<br />

Es muß weiter darauf hingewiesen werden, daß der Lehrende sowohl der inhaltlichen<br />

Sequenz als auch der Internetphase gleichermaßen seine Aufmerksamkeit<br />

widmen muß. Er kann nicht seine ganzen Energien auf das Internet verwenden. Der<br />

Lehrende muß sich bewußt werden, daß zunächst eher die inhaltliche Auseinandersetzung<br />

im Vordergrund stehen muß. Erst in einem zweiten Schritt kann dann auf<br />

dieser Grundlage dem Internet mehr Beachtung geschenkt werden.<br />

Die Produktphase, die hier als Projekt gestaltet worden ist, zeigt, daß in Zukunft<br />

ein völliges Umdenken im Hinblick auf einen internetorientierten Unterricht stattfinden<br />

muß. Zunächst sollte sich der Lehrende immer auch als Lernender verste-<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

hen. Gerade im Bereich der Computer überflügeln die Schüler vielfach den Lehrer.<br />

Zudem wird es immer wichtiger, gemeinsam im Team zu arbeiten, Probleme anzugehen<br />

und Lösungsstrategien zu entwickeln. Dabei hilft der Stärkeren dem Schwächeren.<br />

Hier kann der stille Schüler entscheidende Beiträge zum Produkt leisten.<br />

Diese Arbeit fördert die Solidarität der Schülerinnen und Schüler untereinander.<br />

Ein sogenanntes Einzelkämpfertum kann in diesem Zusammenhang nicht mehr<br />

stattfinden.<br />

Darüber hinaus ist es hier unbedingt notwendig, daß die Phase eine gutdurchdachte<br />

Groborganisation erfährt. Aufgrund der vier inhaltlichen Redaktionen und der<br />

technischen Gruppe kamen manchmal Formen des Chaos auf, da die Schüler in vielfältiger<br />

Form an den Lehrenden herangetreten waren. Die Neuartigkeit der Umsetzung<br />

durch das Medium Internet hat hier wesentlich dazu beigetragen, daß<br />

zeitweise Entscheidungsunsicherheiten auftraten. Eine wirkliche Feinplanung<br />

scheint hier kaum noch möglich, da vielfältige Fragen hinsichtlich der Umsetzung<br />

auftreten, die so nicht vorauszusehen sind. Zunächst sollte der Lehrende eine gewisse<br />

Flexibilität einbringen, um den vielfältigen Anforderungen Genüge zu leisten.<br />

Es bleibt aber zukünftig zu hoffen, daß diese Unwägbarkeiten durch die weitere<br />

Erfahrung ausgemerzt werden. Hier könnte zunächst vielleicht nur mit einer Internetseite<br />

begonnen werden. Daß dieses Projekt letztlich solche Formen angenommen<br />

hat, lag letztlich an der Unerfahrenheit im Umgang mit dem neuen Medium.<br />

So könnte man nicht auf Erfahrungswerte hinsichtlich des Arbeitsaufwandes<br />

zurückgreifen.<br />

Zusätzlich muß darauf hingewiesen werden, daß der 45-Minuten-Takt einem solchen<br />

Projekt nicht zugute kommt. Die Schüler müssen sich, um zu einem vernünftigen<br />

Ergebnis zu gelangen, über einen längeren Zeitraum mit dem historischen<br />

Stoff und dem Internet auseinandersetzen. Da der augenblickliche Schulrahmen<br />

solche Unterrichtsformen noch nicht zuläßt, mußte auf den Nachmittag ausgewichen<br />

werden, was einige Gefahren hinsichtlich der Teilnahme und Ernsthaftigkeit<br />

in sich barg. Trotzdem haben die Schülerinnen und Schüler weitgehend bereitwillig<br />

an diesen Phasen teilgenommen. Hier kamen sehr fruchtbare Gespräche zustande.<br />

Gerade dieser Abschnitt der Sequenz hat stark zum derzeitigen guten Kursklima<br />

beigetragen. Sicherlich wird diese Form auch in Zukunft nicht an allen Schulen<br />

möglich sein. Es sollte aber darauf geachtet werden, daß den Schülern genügend<br />

Zeit zur Auseinandersetzung gewährt wird.<br />

Letztlich haben die Schüler gerade hier ihre Methodenkompetenz erweitert und<br />

den Umgang mit einem neuen Medium gelernt. Der Geschichtsunterricht darf sich<br />

somit in Zukunft in keiner Weise einer solchen Weiterbildung verschließen, sondern<br />

sollte auch hier einen Beitrag zur Kompetenzerweiterung der Schüler leisten.<br />

Sicherlich wird nicht jeder Geschichtslehrer jetzt mit dem Internet arbeiten.<br />

Dies ist auch gar nicht gefragt. Es muß vielmehr um eine behutsame Heranführung<br />

gehen, die Hemmschwellen bei Schülern und Lehrern abbaut. So könnten sich inte-<br />

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eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

ressierte Lehrer zusammentun und eine Internet-AG ins Leben rufen oder ein Internet-Café<br />

an der Schule etablieren, um so neue Berührungspunkte zu schaffen<br />

und Ängste sowie Ressentiments abzubauen<br />

Diese Unterrichtsreihe wollte den Weg dafür bereiten.<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Literaturverzeichnis<br />

I. Geschichtsdidaktische Literatur<br />

D. Acker, Die neuen Richtlinien für Geschichte in der Oberstufe des Gymnasiums in Nordrhein-<br />

Westfalen, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 11 (1983) 1-2, S. 55-61<br />

K. Pellens, Schülernaher Geschichtsunterricht, Freiburg 1975 (zitiert: Pellens, Geschichtsunterricht)<br />

Richtlinien Geschichte für die gymnasiale Oberstufe in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1981 (zitiert:<br />

Richtlinien Sek. II.)<br />

Richtlinien und Lehrpläne Geschichte für das Gymnasium - Sekundarstufe I.- in Nordrhein-<br />

Westfalen, Düsseldorf 1993 (zitiert: Richtlinien Sek. I.)<br />

J. Rohlfes, Geschichte und ihre Didaktik, Göttingen 1986 (zitiert: Rohlfes, Didaktik)<br />

ders., Umrisse einer Didaktik der Geschichte, Göttingen 5. Aufl. 1979<br />

II. Literatur zum Themenkomplex "Industrialisierung"<br />

W. Abelshauser, Die deutsche Industrielle Revolution, in: H.-U. Wehler, Scheidewege der deutschen<br />

Geschichte. Von der Reformation bis zur Wende 1517-1989, München 1995, S. 103-115<br />

R. Bake, Manufakturarbeiterinnen im 18. Jahrhundert, in: Geschichtsdidaktik. Probleme, Perspektiven,<br />

10 (1985) 2, S. 157-171<br />

H.-U. Blumenthal, M. Schlenker, Stundenblätter Industrielle Revolution und Soziale Frage. Sekundarstufe<br />

II., Stuttgart 5. Aufl. 1986 ( zitiert: Blumenthal u.a., Revolution)<br />

B. v. Borries, Der soziale, wirtschaftliche, politische und mentale Wandlungsprozeß Deutschlands im<br />

19. und 20. Jahrhundert im Spiegel des Schulbuchs, in: Internationale Schulbuchforschung 16<br />

(1994), S. 49-79<br />

ders., Das Geschichtsbewußtsein Jugendlicher. Erste repäsentative Untersuchung über Vergangenheitsdeutungen,<br />

Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftserwartungen von Schülerinnen und Schülern<br />

in Ost- und Westdeutschland, München 1995<br />

U. Buch, Familie, in: Wochenschau für politische Erziehung, Sozial- und Gemeinschaftskunde. Sekundarstufe<br />

I., 44 (1993), S. 159-194<br />

Chr. Buchheim, Industrielle Revolutionen. Langfristige Wirtschaftsentwicklung in Großbritanien,<br />

Europa und in Übersee, München 1994<br />

A. Egner u.a., Revolutionen und Reformen. Freiheit, Nationale Einheit, Soziale Gerechtigkeit, Hannover<br />

1984<br />

M. Görtemaker, Deutschland im 19. Jahrhundert, Bonn 3. Aufl. 1989<br />

F.-W. Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, Paderborn u.a. 7. Aufl. 1989<br />

(zitiert: Henning, Industrialisierung)<br />

J. Kocka, B. Mütter, Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Quellen- und<br />

Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II., München 1980 (zitiert: Kocka u.a., Industrialisierung)<br />

T. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918. Band I. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 3.<br />

Aufl. 1993 (zitiert: Nipperdey, Arbeitswelt)<br />

H. Prokasky, Das Zeitalter der Industrialisierung. Das deutsche Beispiel 1815-1914, Paderborn 1988<br />

(Geschichts-Kurse für die Sekundarstufe II., Band 2)<br />

III. Literatur zum Themenkomplex "Gütersloh im Zeitalter der Industrialisierung"<br />

125 Jahre Bertelsmann. Sonderausgabe der Bertelsmann Illustrierten, Gütersloh 1960<br />

1835-1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern<br />

und Dokumenten, Gütersloh 1985<br />

D. Bavendamm, Bertelsmann, Mohn, Seippel. Drei Familien - ein Unternehmen, München 1986 (zitiert:<br />

Bavendamm, Bertelsmann)<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 110


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

A. Bartels, E. Köhne, Stamm- und Nachfahrentafel der Familie Wilhelm Burkhard Bartels zu Gütersloh,<br />

Gütersloh 1961/62<br />

G. Beine, Ökonomisches Denken im 19. Jahrhundert. Industriestadt und Zentralort als Ziele Gütersloher<br />

Kommunalpolitik, in: S. Brakensiek, A. Flügel u.a. (Hrsg.), Kultur und Staat in der Provinz. Perspektiven<br />

und Erträge der Regionalgeschichte, Bielefeld 1992, S. 213-231 (Studien zur Regionalgeschichte,<br />

Bd. 2) (zitiert: Beine, Gütersloher Kommunalpolitik)<br />

K. H. Biedenkopf, Im Dienst der Gemeinschaft - Das soziale Modell Bertelsmann, in: 1835-1985. 150<br />

Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten,<br />

Gütersloh 1985, S.379-400<br />

J. Blotenberg, Gesunde Vielfalt in Industrie und Handel, Gütersloh 1966 (zitiert: Blotenberg, Industrie)<br />

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, vom 27. Juli 1838, Art.: C. Bertelsmann unter Vermischte<br />

Anzeigen (Stadtarchiv Gütersloh, Nr. DS 1787)<br />

R. Büchner, Chronik der Bertelsmann Technik 1824-1976, Gütersloh 2. Aufl. 1976<br />

H. Eickhoff, Geschichte der Stadt und Gemeinde Gütersloh, Gütersloh 1969 (zitiert: Eickhoff, Gütersloh)<br />

W. Eickholz, Die industrielle Entwicklung von Gütersloh, Gütersloh 1952 (ungedruckt - im Stadtarchiv<br />

einsehbar) (zitiert: Eickholz, Gütersloh)<br />

Gebr. Bartels GmbH (Hrsg.), 100 Jahre Gebr. Bartels GmbH 1857-1957, Gütersloh 1957<br />

Gebr. Bartels GmbH (Hrsg.), Zur Erinnerung an die Festveranstaltungen am 1. April 1957 anlässlich<br />

des 100jährigen Jubiläums der Gebrüder Bartels GmbH, Gütersloh 1957<br />

R. Gööck, Bücher für Millionen. Fritz Wixfort und die Geschichte des Hauses Bertelsmann, Gütersloh<br />

1968 (zitiert: Gööck, Bücher)<br />

I. Heiland, Gütersloh. Skizze einer ostwestfälischen Mittelstadt, in: Westfälische Forschungen 16<br />

(1963), S. 181-194 (zitiert: Heiland, Gütersloh)<br />

Heimatbuch des Kreises Wiedenbrück, Gütersloh o.J.<br />

R. Herrmann, Zur Geschichte der Eisenbahn in Gütersloh. Die Entwicklung der Lokschuppen, in: Gütersloher<br />

Beiträge zur Heimat- und Landeskunde Nr. 50/51 (1996), S. 1149-1157<br />

Gütersloher Zeitung, Neue, vom 30.09.1892, Art.: Tod v. W. Bartels<br />

Gütersloher Zeitung, Neue, vom 5.09.1905, Art.: Tod v. F. Bartels<br />

H. Hilbk, Gütersloh und Preussen. Eine Wahlverwandtschaft 1815-1888, Gütersloh 1988 (zitiert:<br />

Hilbk, Gütersloh)<br />

Walter Kempowski, "Schwarzbrod und Freiheit sei mir beschieden" - Die Chronik der Familien Bertelsmann<br />

und Mohn, in: 1835-1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens<br />

in Texten, Bildern und Dokumenten, Gütersloh 1985, S. 9-36 (zitiert: Kempowski, Chronik)<br />

E. Kissing, Kleine Heimatkunde der Stadt Gütersloh, Gütersloh 1959 (zitiert: Kissing, Heimatkunde)<br />

H. Kraak, W. Lenz, E.A. Lübbermann, Gütersloh - wie es war, Gütersloh 3. Aufl. 1976 (zitiert: Kraak<br />

u.a., Gütersloh)<br />

R. Lindemann, Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Stadt Gütersloh, in: Westfälische Forschungen<br />

35 (1985), S. 27-39 (zitiert: Lindemann, Gütersloh)<br />

Magistrat der Stadt Gütersloh, Deutschlands Städtebau: Gütersloh, Berlin 1925 (zitiert: Magistrat,<br />

Gütersloh)<br />

E. Mangelsdorf, Die Entwicklung des Kreises Wiedenbrück unter der Herrschaft der Kreisordnung<br />

für die Provinz Westfalen vom 31. Juli 1886, Gütersloh 1910<br />

W. Menninghaus, Die Cöln-Mindener Eisenbahn in Ostwestfalen. Vom Planzug 1 bis zum Intercity,<br />

Lübbecke 1983<br />

H. Mohn, Carl Bertelsmann. Eine Verlagsgründung vor hundert Jahren 18-35-1935, Gütersloh 1935<br />

(zitiert: Mohn, Verlagsgründung)<br />

E. Möller, Rhedas Eisenbahngeschichte, in: Heimatblätter der Glocke v. 6./7. Juli 1991, Gütersloh<br />

1991 (zitiert: Möller, Eisenbahngeschichte)<br />

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Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

Monron Marketing Institute of N.Y., Traditionen im Kreis Gütersloh, Gütersloh 1994<br />

H.-D. Musch, Gütersloh in Westfalen. Ein Stadt-Buch mit vielen Fotos, Gütersloh 2. Aufl. 1985<br />

Oberkreisdirektor des Landkreises Wiedenbrück, Der, Monographie des Landkreises Wiedenbrück.<br />

Grenzen, Grundstücke, Gemeinden, Gütersloh 1968<br />

E. Pott, Gütersloh. Wachsen und Werden bis zur Neuzeit, Gütersloh 1984 (zitiert: Pott, Gütersloh)<br />

H. Renk, E. Ruhe, Männer der Wirtschaft. Unternehmen der Gründerzeit, Gütersloh 1966 (zitiert:<br />

Renk u.a., Wirtschaft)<br />

A. Riedel, Die Stadt Gütersloh, wirtschafts- und sozialgeographisch betrachtet, Harsewinkel<br />

1958/59 (ungedruckt - im Stadtarchiv einsehbar)<br />

E. Ruhe, Textilindustrie im Wandel der Zeit, Gütersloh 1971 (ungedruckt, in: Stadtarchiv Gütersloh,<br />

Zeitschriftenausschnittssammlung, Bd. 106) (zitiert: Ruhe, Textilindustrie)<br />

A. Schätzlein, Schätzleins Verkehrsbuch zugleich Führer durch Gütersloh und Umgegend, Gütersloh<br />

1928<br />

O.A. Schulz, Adressbuch für den Deutschen Buchhandel, Leipzig 1839<br />

Stadtarchiv Gütersloh, Stadtchronik, Gütersloh 1800-1890 (sog. Bürgermeisterchronik) (zitiert:<br />

Stadtchronik)<br />

Stadtarchiv Gütersloh, Notizen zur Ergänzung und Weiterführung der städtischen Chronik, Gütersloh<br />

1890 (sog. Buschmann-Chronik)<br />

Stadtarchiv Gütersloh, M. Strenger, J.C. Ibrügger, C. Bertelsmann, Über den Eisenbahnbau im Kreis<br />

Wiedenbrück vom 21. Dezember 1841, A-221, VI A 4<br />

Stadtarchiv Gütersloh, Vortrag an die Stände des Kreises Wiedenbrück gehalten vor dem<br />

Landrathe von Trzebiatowski auf dem Kreistage den 10ten Juni 1839, Gütersloh 1839<br />

Stadtarchiv Gütersloh, Statistische Darstellung des Kreises Wiedenbrück. Regierungs-Bezirk Minden,<br />

Wiedenbrück 1863<br />

Stadtarchiv Gütersloh, Statistische Darstellung des Kreises Wiedenbrück, Regierungs-Bezirk Minden,<br />

Münster 1872<br />

Stadtarchiv Gütersloh, Statut der Invaliden- und Altersversorgungskasse für die Firmen C. Bertelsmann<br />

in Gütersloh und J.D. Küster Nachf. in Bielefeld, Gütersloh 1887<br />

Stadt Gütersloh (Hrsg.), Gütersloher erzählen Geschichte, Gütersloh 1985<br />

Stadtmuseum Gütersloh, Konzeption - 1. Bauabschnitt, Gütersloh 1987 (zitiert: Stadtmuseum, Konzeption)<br />

O. Steinsiek, Gütersloh. Geographie einer Mittelstadt, Gütersloh 1964 (ungedruckt - im Stadtarchiv<br />

einsehbar) (zitiert: Steinsiek, Gütersloh)<br />

P. Wiemeyer, Die Wirtschaftsstruktur des Kreises Wiedenbrück, Hamm 1951 (diss. phil.) (ungedruckt<br />

- im Stadtarchiv einsehbar)<br />

IV. Literatur zum Themenbereich "Computer und Internet"<br />

W. Alex, G. Bernör, Unix, C und Internet. Moderne Datenverarbeitung in Wissenschaft und Technik,<br />

Berlin u.a. 1994<br />

G. D. Alt, G. Bandzauner, Internet & Co. Online-Dienste auf dem Prüfstand: Ein Einsteigerbuch mit<br />

vielen Praxistips, Wien 1996<br />

O. Bachtina, Computer im Geschichtsunterricht, Log in 12 (1992), S. 29-31<br />

D. Borchers, Alles drängt ins Netz, in: DIE ZEIT-magazin 11 (1997), S. 10-11<br />

A. Buhrfeind, Mit Volldampf in Richtung Cyber Lib?, in: Deutsche Universitäts-Zeitung 50 (1994), S.<br />

18-19<br />

K.-P. Busche, Geschichte(n) schreiben im Internet. Ansätze für einen kommunikativen geschichtsunterricht<br />

mit einem neuen Medium, in: Praxis Geschichte 2 (1997), S. 64-66 (zitiert: Busche, Internet)<br />

F. Eder, EDV im Geschichtsunterricht. Implikationen der Informationstechnologie auf traditionelle<br />

und neue Formen der Geschichtsvermittlung, in: G. Fischer, M. Cermann u.a. (Hrsg.), Geordnete Wel-<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 112


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

ten. Neues Lernen mit dem Computer, Wien 1989, S. 220-242<br />

P. Gilster, Suchen und Finden im Internet, Wien 1995 (zitiert: Gilster, Internet)<br />

H.G. Grieser, Chr. McCready, Lernorte im Internet. Hilfreiche Adressen für Schule und Unterricht,<br />

Mülheim 1996 (zitiert: Grieser, Lernorte)<br />

J. Hildebrand, Internet: Ratgeber für Lehrer, Köln 2. Aufl. 1996 (zitiert: Hildebrand, Ratgeber)<br />

B.P. Kehoe, Zen and the art of internet. a beginner´s guide, Upper Saddle River 4. Aufl. 1996 (zitiert:<br />

Kehoe, Internet)<br />

M. Scheller, K.-P. Boden u.a., Internet: Werkzeuge und Dienste. Von "Archie" bis "World Wide<br />

Web", Berlin u.a. 1994<br />

U. Schnabel, Ein Himmel voller Bytes. Die elektronische Revolution rollt, doch noch fehlen Computer<br />

und Konzepte, in: DIE ZEIT 17 (1997), S. 33<br />

ders., Das surfende Klassenzimmer. Ein Gymnasium in Gütersloh experimentiert mit Multimediatechnik,<br />

in: DIE ZEIT 18 (1997), S. 35<br />

T.A. Schröder, Historisch relevante Ressourcen in Internet und Worldwibeweb. Angebot, Bewertung<br />

und Ausblick, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1996, S. 465-477 (zitiert: Schröder,<br />

Internet)<br />

M. Virtel, Computer, praktisch, in: DIE ZEIT-magazin 11 (1997), S. 62-67<br />

D. Wendelin-Münchow, Das surfende Klassenzimmer wird kommen, in: Handelsblatt 45 (1997), B5<br />

V. Literatur zum Themenkomplex "Regional- bzw. Lokalgeschichte"<br />

K.-H. Beeck, Landesgeschichte im Unterricht, Ratingen u.a. 1973<br />

H. Beilner, Der regionale Aspekt im Geschichtsunterricht, in: Pädagogische Welt 42 (1988) 1, S. 2-8<br />

(zitiert: Beilner, Regionaler Aspekt)<br />

A. Flügel, Der Ort der Regionalgeschichte in der neuzeitlichen Geschichte, in: S. Brakensiek, A.<br />

Flügel u.a. (Hrsg.), Kultur und Staat in der Provinz. Perspektiven und Erträge der Regionalgeschichte,<br />

Bielefeld 1992, S. 1-28 (Studien zur Regionalgeschichte, Bd. 2) (zitiert: Flügel, Regionalgeschichte)<br />

J. Hannig, Regionalgeschichte und Auswahlproblematik, in: Geschichtsdidaktik 2 (1984), S. 131-141<br />

(zitiert: Hannig, Regionalgeschichte)<br />

W. Hug, Regionalgeschichte in europäischer Perspektive, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 21<br />

(1993) 1-2, 59-66 (zitiert: Hug, Regionalgeschichte)<br />

P. Knoch, Überlegungen zu einer Didaktik der Regionalgeschichte, in: P. Knoch, T. Leeb (Hrsg.), Heimat<br />

oder Region? Grundzüge einer Didaktik der Regionalgeschichte, Frankfurt 1984, S. 3-16 (zitiert:<br />

Knoch, Regionalgeschichte)<br />

ders., Geschichte vor Ort, in: Praxis Geschichte (1989) 3, S. 6-13 (zitiert: Knoch, Geschichte vor<br />

Ort)<br />

H. Kuss, Regionale Identität im vereinten Deutschland. Chance und Gefahr. Bericht über die Tagung<br />

der Konferenz für Geschichtsdidaktik in Magdeburg 2.-4. Oktober 1995, in: GWU 45 (1996) 12, S.<br />

772-778 (zitiert: Kuss, Regionale Identität)<br />

T. Leeb, Region als Figuration - Bemerkungen zu einer Didaktik der Regionalität des Menschen, in:<br />

Geschichtsdidaktik 2 (1984), S. 121-130 (zitiert: Leeb, Region als Figuration)<br />

ders., Regionalgeschichte im Unterricht. Analyse-Instrumente und empirische Ergebnisse, in: P.<br />

Knoch, T. Leeb (Hrsg.), Heimat oder Region? Grundzüge einer Didaktik der Regionalgeschichte,<br />

Frankfurt 1984, S. 69-80 (zitiert: Leeb, Regionalgeschichte)<br />

R. Link, Geschichtsunterricht und Archiv. Möglichkeiten und Grenzen der Betreuung von Schülern<br />

bei der Arbeit mit Archivmaterialien, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 15 (1987) 1-2, 102-<br />

107<br />

D. Peukert, Didaktik der Heimatgeschichte, in: K. Bergmann (Hrsg.), Handbuch der Geschichtsdidaktik,<br />

Düsseldorf 3. Aufl. 1985, S. 310-314 (zitiert: Peukert, Heimatgeschichte)<br />

K. Plieninger, "... überströmenden Herzens von der Heimat künden". "Heimat" - schillerndes Leitbild<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 113


Die Industrialisierung im Raum Gütersloh -<br />

eine Unterrichtsreihe unter besonderer Berücksichtigung des neuen Mediums Internet<br />

im Wandel von Schule und Gesellschaft, in: GWU 46 (1995), S. 697-715 (zitiert: Plieninger, Heimat)<br />

O. Ulbricht, Mikrogeschichte: Versuch einer Vorstellung, in: GWU 45 (1996) 4, S. 347-367<br />

VI. Allgemeindidaktische Literatur<br />

W. Klafki, Die Überwindung der Scheidung von formaler und materialer Bildung in der Bildungstheorie,<br />

in: ders., Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der Kategorialen Bildung,<br />

Weinheim 4. Aufl. 1964, S. 293-309<br />

ders., Die Frage nach dem Elementaren und die drei Ebenen des Problems der kategorialen Bildung,<br />

in: ders., Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der Kategorialen Bildung,<br />

Weinheim 4. Aufl. 1964, S. 323-363 u. 387-390<br />

ders., Grundformen des Fundamentalen und Elementaren, ders., Das pädagogische Problem des Elementaren<br />

und die Theorie der Kategorialen Bildung, Weinheim 4. Aufl. 1964, S. 441-457 (zitiert:<br />

Klafki, Grundformen)<br />

ders., Zweite Studie: Kategoriale Bildung. Zur bildungstheoretischen Deutung der modernen Didaktik,<br />

in: ders., Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim und Basel 2. Aufl. 1975, S. 25-45<br />

(zitiert: Klafki, Zweite Studie)<br />

ders., Erste Studie. Die Bedeutung der klassischen Bildungstheorien für ein zeitgemäßes Konzept<br />

allgemeiner Bildung, in: ders., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung<br />

und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 15-41 (zitiert:<br />

Klafki, Erste Studie)<br />

ders., Grundzüge eines Allgemeinbildungskonzepts. Im Zentrum: Epochaltypische Schlüsselprobleme,<br />

in: ders., Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive<br />

Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 43-81<br />

ders., Vierte Studie: Exemplarisches Lehren und Lernen, in: ders., Neue Studien zur Bildungstheorie<br />

und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim und<br />

Basel 4. Aufl. 1994, S. 141-161<br />

ders., Achte Studie. Zur Unterrichtsplanung im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik, in: ders.,<br />

Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritischkonstruktive<br />

Didaktik, Weinheim und Basel 4. Aufl. 1994, S. 251-284<br />

Friedrich W. Kron, Grundwissen Didaktik, München u.a. 1993 (zitiert: Kron, Didaktik)<br />

H. Meyer, Unterrichtsmethoden. II.: Praxisband, Frankfurt 8. Aufl. 1996 (zitiert: Meyer, Unterrichtsmethoden)<br />

P. Moll, H. Lieberherr, Unterrichten mit offenen Karten. Teil 1 Einsteigen, Zürich 1992 (zitiert:<br />

Moll u.a., Einsteigen)<br />

dies., Unterrichten mit offenen Karten. Teil 2 Fortschreiten, Zürich 1992 (zitiert: Moll u.a., Fortschreiten)<br />

W.H. Peterßen, Handbuch der Unterrichtsplanung, München 7. Aufl. 1996<br />

W. Weißbrodt, Lernmotivation, in: G. Bovet, V. Huwendiek, Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik und<br />

Psychologie für den Lehrberuf, Berlin 1994, S. 361-384<br />

© Ben Thustek – Studienseminar Sek II Paderborn 114

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