23.10.2012 Aufrufe

Pferdehaltung in einer Gemengelage Bayvgh, Urt. v. 19.9

Pferdehaltung in einer Gemengelage Bayvgh, Urt. v. 19.9

Pferdehaltung in einer Gemengelage Bayvgh, Urt. v. 19.9

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Recherchieren unter juris | Das Rechtsportal<br />

Gericht: Bayerischer<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

München 25. Senat<br />

Entscheidungsdatum: 19.09.2007<br />

Aktenzeichen: 25 B 05.1076<br />

Dokumenttyp: <strong>Urt</strong>eil<br />

Leitsatz<br />

- 1 -<br />

Quelle:<br />

Langtext<br />

1. Für die Eigenart der näheren Umgebung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong> kann auch von Bedeutung<br />

se<strong>in</strong>, dass die Wohnnutzung als prägendes Element nicht "planähnlich" entstanden, sondern<br />

lediglich durch Aufgabe anderer – etwa landwirtschaftlicher – Nutzungen zum zahlenmäßig<br />

vorherrschenden Element geworden ist, und dass die noch vorhandenen ehemaligen<br />

landwirtschaftlichen Gebäude auch nach der Verkehrsauffassung "anfällig" für die (Wieder-<br />

)Aufnahme anderer Nutzungen als dem Wohnen s<strong>in</strong>d (im Anschluss an BayVGH vom<br />

19.11.1993 Az. 26 B 91.2405).<br />

2. E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>dliche Gestaltungssatzung, die bestimmt, dass Gärten von weiteren baulichen<br />

Anlagen freizuhalten s<strong>in</strong>d, kann, weil sie Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand<br />

rechtlicher Ordnung macht, nicht auf Art. 91 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BayBO gestützt werden, und<br />

enthält überdies e<strong>in</strong>e verfassungswidrige, weil unverhältnismäßige und gleichheitswidrige<br />

Beschränkung der Eigentümerbefugnisse.<br />

Fundstellen<br />

BauR 2008, 1119-1124 (Leitsatz und Gründe)<br />

BayVBl 2008, 694-698 (Leitsatz und Gründe)<br />

BRS 71 Nr 85 (2007) (Leitsatz und Gründe)<br />

Verfahrensgang<br />

vorgehend VG Würzburg 5. Kammer, 17. März 2005, Az: W 5 K 04.1051, <strong>Urt</strong>eil<br />

Tenor<br />

I. Das <strong>Urt</strong>eil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. März 2005 wird<br />

abgeändert. Der Bescheid des Landratsamts H vom 20. Juli 2004 wird aufgehoben.<br />

II. Der Beklagte wird verpflichtet, die <strong>Pferdehaltung</strong> auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der<br />

Gemarkung E nach Maßgabe der im Genehmigungsbescheid des Landratsamts H vom<br />

11. September 2003 genehmigten baulichen Veränderungen zu genehmigen.<br />

III. Unter Aufhebung der Regelung <strong>in</strong> Nr. VI.1. des Bescheids des Landratsamts H vom<br />

11. September 2003 (dort als "Auflage" bezeichnet) wird der Beklagte verpflichtet, den<br />

bestehenden Paddock zu genehmigen.<br />

IV. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens <strong>in</strong> beiden Rechtszügen. Die<br />

Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Zuziehung e<strong>in</strong>es<br />

Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.<br />

V. Das <strong>Urt</strong>eil ist h<strong>in</strong>sichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann<br />

die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung <strong>in</strong> Höhe des zu vollstreckenden Betrages<br />

abwenden, wenn nicht die Kläger<strong>in</strong> zuvor Sicherheit <strong>in</strong> gleicher Höhe leistet.


Tatbestand<br />

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.<br />

1 Gegenstand des Rechtsstreits ist die nachträgliche Legalisierung der Hobbypferdehaltung<br />

der Kläger<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>es ohne Genehmigung errichteten Paddocks<br />

(umzäunter Auslauf für Pferde) nach Maßgabe bestimmter baulicher Änderungen zur<br />

Immissionsm<strong>in</strong>derung, für die das Landratsamt der Kläger<strong>in</strong> zunächst e<strong>in</strong>e separate<br />

Baugenehmigung erteilt, auf den Nachbarwiderspruch der Beigeladenen zu 1 und 2 dann<br />

aber wieder aufgehoben hatte, sowie e<strong>in</strong>e zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagung.<br />

2 Die Kläger<strong>in</strong> ist mittlerweile Eigentümer<strong>in</strong> des ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens<br />

ihrer Großmutter, Frau ... ... (P .., Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung E, <strong>in</strong>sgesamt 360 qm<br />

Grundfläche). Das Grundstück ist mit e<strong>in</strong>em schmalen Wohnhaus, e<strong>in</strong>er Scheune, e<strong>in</strong>em<br />

Stall (ca. 40 qm) und e<strong>in</strong>er an den Stall angrenzenden, mit e<strong>in</strong>er Mauer e<strong>in</strong>gefriedeten<br />

Mistlege bebaut. Auf dem Grundstück wurden se<strong>in</strong>erzeit e<strong>in</strong>zelne R<strong>in</strong>der, teilweise auch<br />

Schwe<strong>in</strong>e, und Kle<strong>in</strong>tiere gehalten. Die landwirtschaftliche Großtierhaltung liegt nach<br />

unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen zu 3 mehr als 20 Jahre zurück. Seit 1999<br />

betreibt die Kläger<strong>in</strong> auf dem Anwesen e<strong>in</strong>e <strong>Pferdehaltung</strong> zu privaten Zwecken. Derzeit<br />

hält sie zwei Pferde (e<strong>in</strong>e Stute und e<strong>in</strong>en Wallach).<br />

3 Die Beigeladenen zu 1 und 2 s<strong>in</strong>d Miteigentümer des Anwesens S 24 (Grundstück<br />

Fl.Nr. 264), das vom klägerischen Anwesen nur durch die an dieser Stelle ca. 7 m<br />

breite S getrennt ist. Sie beschwerten sich beim Landratsamt H wiederholt über<br />

Geruchsbelästigungen und andere Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch die <strong>Pferdehaltung</strong>. Das<br />

Landratsamt führte mehrere Ortsterm<strong>in</strong>e durch, <strong>in</strong> denen nach Abhilfemöglichkeiten<br />

gesucht wurde. Das Sachgebiet Immissionsschutz (Vermerk vom 16.9.2002) bewertete<br />

die zu erwartenden Geruchsbee<strong>in</strong>trächtigungen als "äußerst problematisch"; wegen der<br />

ger<strong>in</strong>gen Abstände seien erhebliche Belästigungen der Nachbarschaft nicht auszuschließen;<br />

auch sei aufgrund der hohen Umgebungsbebauung e<strong>in</strong>e Anreicherung von Gerüchen<br />

zu erwarten; Ursache seien "die dort (geme<strong>in</strong>t ist wohl: an der Mistlege) regelmäßig<br />

anfallenden relativ großen Ur<strong>in</strong>mengen auf kle<strong>in</strong>er Fläche im Erdreich vor allem <strong>in</strong> der<br />

wärmeren Jahreszeit". Außerdem wurde festgestellt, dass im Hofbereich des Anwesens<br />

ohne Baugenehmigung e<strong>in</strong> Paddock errichtet worden war.<br />

4 Im Rahmen e<strong>in</strong>es Ortsterm<strong>in</strong>s am 26. März 2003 und noch e<strong>in</strong>mal mit Schreiben vom 21.<br />

Mai 2003 forderte das Landratsamt die Kläger<strong>in</strong> auf, umgehend e<strong>in</strong>en Bauantrag, <strong>in</strong> dem<br />

alle besprochenen Maßnahmen (e<strong>in</strong>schließlich geänderte Mistverladestelle, die <strong>in</strong> Richtung<br />

Innenhof verlegt wird) zur Herstellung e<strong>in</strong>er geordneten <strong>Pferdehaltung</strong> sowie der bereits<br />

errichtete Paddock enthalten s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>zureichen.<br />

5 Mit Bauantrag vom 25. Mai 2003 beantragte die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> "Bauherrengeme<strong>in</strong>schaft" mit<br />

ihrer Großmutter, die zum damaligen Zeitpunkt noch Eigentümer<strong>in</strong> des Anwesens war,<br />

e<strong>in</strong>e Baugenehmigung für "Veränderungen im Hof des landwirtschaftlichen Anwesens<br />

von Frau ... ... ". In den beigefügten Planzeichnungen ist der Abbruch der bestehenden<br />

E<strong>in</strong>friedung der Mistlege und e<strong>in</strong> geplanter neuer Stellplatz für Kle<strong>in</strong>mistwagen und<br />

Pferdeanhänger skizziert, außerdem ist e<strong>in</strong>e ca. 7 m x 7,50 m große, als "Paddock<br />

wasserdurchlässiges Sandbett" bezeichnete Fläche e<strong>in</strong>gezeichnet und durch e<strong>in</strong> "Detail<br />

Paddockzaun" ergänzt.<br />

6 Die Beigeladene zu 3 erteilte zu dem Bauantrag das geme<strong>in</strong>dliche E<strong>in</strong>vernehmen nach<br />

Maßgabe des Beschlusses ihres Bau- und Umweltausschusses vom 7. Juli 2003. Dieser<br />

hatte beschlossen, dem Abbruch der Mistlege und der Anlegung des Stellplatzes mit<br />

der Auflage zuzustimmen, dass der Mist unverzüglich nach der Ausmistung entfernt<br />

werden muss, und das geme<strong>in</strong>dliche E<strong>in</strong>vernehmen für den Paddock mit Blick auf die<br />

Gestaltungssatzung der Beigeladenen zu 3 vom 27. Januar 2003 (aktuell geltend <strong>in</strong> der<br />

Fassung der Änderungssatzungen vom 7.4.2004 und 11.8.2004) zu verweigern.<br />

7 § 13 Abs. 5 der Gestaltungssatzung lautet wie folgt:<br />

8 "(5) Gärten an der P zwischen B - und T straße<br />

- 2 -


9 Die Gärten an der P sowie zwischen B - und T straße s<strong>in</strong>d von weiteren baulichen<br />

Anlagen freizuhalten, gärtnerisch zu gestalten und zu pflegen.<br />

10 Nebenanlagen <strong>in</strong> diesen Bereichen s<strong>in</strong>d mit e<strong>in</strong>er maximalen Flächengröße von 2,5<br />

m x 2,5 m sowie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dezenten farbigen Fassung entsprechend den historischen<br />

Vorbildern mit e<strong>in</strong>em quadratischen Grundriss als Gartenpavillons zu gestalten.<br />

Naturbelassene Holzhäuser s<strong>in</strong>d unzulässig."<br />

11 Mit Bescheid vom 11. September 2003 erteilte das Landratsamt der Kläger<strong>in</strong> unter<br />

Auflagen und e<strong>in</strong>em Auflagenvorbehalt e<strong>in</strong>e Baugenehmigung für den "Abbruch der<br />

Mistlege und Anlegung e<strong>in</strong>es Stellplatzes für den Kle<strong>in</strong>mistwagen". Unter "IV. Auflagen", Nr.<br />

1, bestimmt der Bescheid, dass der Paddock nicht Bestandteil der Baugenehmigung und<br />

se<strong>in</strong>e Nutzung als Pferdekoppel nicht zulässig ist.<br />

12 Gegen diesen Bescheid erhob die Kläger<strong>in</strong> "h<strong>in</strong>sichtlich der Ziffer VI." Widerspruch.<br />

13 Die Beigeladenen zu 1 und 2, denen der Genehmigungsbescheid <strong>in</strong> Abdruck zugeleitet,<br />

aber nicht förmlich zugestellt worden war, wandten sich mit Schreiben vom 13. Februar<br />

2004 an die Regierung von Unterfranken. Die Regierung <strong>in</strong>terpretierte dieses Schreiben<br />

als Widerspruch gegen die Baugenehmigung und übersandte es dem Landratsamt mit der<br />

Bitte um Überprüfung. Aufgrund der verfahrensrechtlichen Situation sei vorrangig über<br />

den Widerspruch der Beigeladenen zu 1 und 2 zu entscheiden, der auch nicht unbegründet<br />

ersche<strong>in</strong>e. Die Kläger<strong>in</strong> habe den Bauantrag mit der Bezeichnung "Veränderungen im Hof<br />

des landwirtschaftlichen Anwesens" auf Veranlassung des Landratsamts gestellt. Sofern<br />

aber die <strong>Pferdehaltung</strong> auf dem Grundstück ke<strong>in</strong>en Bestandsschutz genieße, könne für<br />

Änderungen dieser <strong>Pferdehaltung</strong> auch ke<strong>in</strong> selbständiger Bauantrag gestellt werden.<br />

Vielmehr bedürfe es dann e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Bauantrags für das Gesamtvorhaben.<br />

Entscheidend für die <strong>Pferdehaltung</strong> dem Grunde nach sei wohl die bauplanungsrechtliche<br />

Zulässigkeit, die das Landratsamt zu prüfen habe.<br />

14 Mit Bescheid vom 20. Juli 2004 half das Landratsamt dem Widerspruch der Beigeladenen<br />

ab (Nr. 1), hob den Baugenehmigungsbescheid vom 11. September 2003 auf (Nr. 2),<br />

lehnte den Bauantrag der Kläger<strong>in</strong> ab (Nr. 3), untersagte die Nutzung des Grundstücks<br />

zum Zwecke der <strong>Pferdehaltung</strong>, <strong>in</strong>sbesondere dabei die Nutzung des Paddocks und<br />

des Kle<strong>in</strong>mistwagens (Nr. 4) und drohte der Kläger<strong>in</strong> für den Fall der Nichtbeachtung<br />

der Nutzungsuntersagung e<strong>in</strong> Zwangsgeld <strong>in</strong> Höhe von 800 Euro an (Nr. 5). Der<br />

Widerspruch der Beigeladenen sei zulässig und begründet. Für die Anlegung des<br />

Stellplatzes für den Kle<strong>in</strong>mistwagen und die Errichtung des Paddocks alle<strong>in</strong> habe gar ke<strong>in</strong><br />

selbständiger Bauantrag gestellt werden dürfen, weil die gesamte <strong>Pferdehaltung</strong> (Stall<br />

und Nebene<strong>in</strong>richtungen) im Rahmen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Bauantrags hätte geprüft werden<br />

müssen. Das Gebiet sei als allgeme<strong>in</strong>es Wohngebiet e<strong>in</strong>zustufen. In der Umgebung des<br />

Baugrundstücks seien ausschließlich Wohngebäude mit Nebengebäuden vorhanden,<br />

darüber h<strong>in</strong>aus Läden, nicht störende Handwerksbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften.<br />

Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe, die noch landwirtschaftlich, <strong>in</strong>sbesondere<br />

zur Tierhaltung genutzt würden, seien <strong>in</strong> der näheren Umgebung nicht vorhanden. In e<strong>in</strong>em<br />

allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet sei die beantragte Nutzung nicht zulässig, e<strong>in</strong>e Ausnahme sei<br />

nicht gegeben. Der Pferdestall und somit die <strong>Pferdehaltung</strong> auf dem Grundstück genössen<br />

auch ke<strong>in</strong>en Bestandsschutz, von dem aber bei Erteilung der Baugenehmigung zu Unrecht<br />

ausgegangen worden sei. E<strong>in</strong>e Großtierhaltung liege bereits mehr als 20 Jahre zurück.<br />

Die Haltung von Kle<strong>in</strong>tieren (Hühner, Hasen und dergleichen) sei unbeachtlich. Infolge<br />

der großen Zeitspanne seit Aufgabe des Tierbestandes und der baulichen Entwicklung<br />

der Umgebung könnten die Situation und das Anwesen auch nicht als prägend für e<strong>in</strong>e<br />

landwirtschaftliche Nutzung angesehen werden. Die Gebietsstruktur habe sich <strong>in</strong>zwischen<br />

zu e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet gewandelt. Die Nutzungsuntersagung sei <strong>in</strong> Ausübung<br />

pflichtgemäßen Ermessens auszusprechen gewesen, weil die Anlage im Widerspruch zu<br />

öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werde.<br />

15 Gegen diesen Bescheid ließ die Kläger<strong>in</strong> Klage erheben. Am 23. September 2004 erhoben<br />

ihre Bevollmächtigten außerdem Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagung, der<br />

zulässig sei, weil das Landratsamt <strong>in</strong> der Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen<br />

Bescheides nicht auf die Widerspruchsmöglichkeit h<strong>in</strong>gewiesen habe. Hilfsweise<br />

beantragten sie Wiedere<strong>in</strong>setzung <strong>in</strong> den vorigen Stand.<br />

- 3 -


16 Mit <strong>Urt</strong>eil vom 17. März 2005 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Klage sei<br />

auch bezüglich der Nutzungsuntersagung zulässig. Der Widerspruch hiergegen sei<br />

rechtzeitig erhoben, weil wegen der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung die Jahresfrist<br />

des § 58 Abs. 2 VwGO gelte. Da über den Widerspruch bislang nicht entschieden worden<br />

sei, sei die Klage jedenfalls nach § 75 VwGO zulässig. Die Klage sei aber unbegründet.<br />

Planungsrechtlich sei das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen. Auf der Grundlage der<br />

<strong>in</strong> der mündlichen Verhandlung getroffenen Feststellungen sei davon auszugehen, dass sich<br />

das Baugrundstück und das Grundstück der Beigeladenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong> befänden,<br />

die durch überwiegende Wohnnutzung und vere<strong>in</strong>zelte Mischgebietselemente geprägt<br />

werde. Landwirtschaftliche Nutzung f<strong>in</strong>de im betroffenen Quartier nicht mehr statt. Auf<br />

e<strong>in</strong>em Grundstück westlich des Baugrundstücks werde auf e<strong>in</strong>em aufgelassenen Schmiede-<br />

Anwesen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Pferd gehalten. Die nächst gelegene landwirtschaftliche Nutzung<br />

liege außerhalb des relevanten Umgriffs. Insgesamt sei die Umgebung des Baugrundstücks<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Schutzbedürftigkeit e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet angenähert. Zwar<br />

sei die jetzt vorliegende Wohnnutzung nicht planähnlich entstanden, sondern auch und<br />

gerade durch Aufgabe anderer, <strong>in</strong>sbesondere landwirtschaftlicher Nutzungen. Aus früherer<br />

Zeit seien noch die aufgelassenen Betriebs- und Nebengebäude übrig geblieben, die dem<br />

Gebiet e<strong>in</strong> die Wohnnutzung ergänzendes Gepräge gäben. Die Verkehrsauffassung habe<br />

sich aber offenkundig mit dem Ende des früheren Dorfcharakters abgefunden. Letztlich<br />

gehe es der Kläger<strong>in</strong> um die Zulassung der <strong>Pferdehaltung</strong> auf ihrem Grundstück. In e<strong>in</strong>em<br />

Wohngebiet oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gebiet mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>em Wohngebiet angenäherten Nutzung<br />

sei die <strong>Pferdehaltung</strong> ebenso wie der Betrieb e<strong>in</strong>es Paddocks grundsätzlich unzulässig.<br />

Die Nutzungsart unterfalle nicht dem Nutzungskatalog des analog heranzuziehenden<br />

§ 4 Abs. 2 und 3 BauNVO. Die Kläger<strong>in</strong> könne sich auch nicht auf Bestandsschutz<br />

berufen, zumal sie die <strong>Pferdehaltung</strong> nicht im Rahmen e<strong>in</strong>es landwirtschaftlichen<br />

Betriebes, sondern hobbymäßig betreibe. Die nach alledem planungsrechtlich unzulässige<br />

<strong>Pferdehaltung</strong> verletze die Beigeladenen <strong>in</strong> ihren subjektiven Rechten; die Aufhebung der<br />

Baugenehmigung im Abhilfeverfahren sei deshalb nicht zu beanstanden. Dann sei aber<br />

auch die Nutzungsuntersagung rechtens.<br />

17 Mit der vom Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Kläger<strong>in</strong> gegen das<br />

erst<strong>in</strong>stanzliche <strong>Urt</strong>eil. Entsprechend e<strong>in</strong>er Empfehlung des Senats, ihren erst<strong>in</strong>stanzlichen<br />

Klageantrag zu konkretisieren und zu ergänzen, beantragt die Kläger<strong>in</strong>,<br />

18 1. den Bescheid des Landratsamtes H vom 20. Juli 2004 unter Abänderung des <strong>Urt</strong>eils<br />

des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. März 2005 aufzuheben,<br />

19 2. den Beklagten zu verpflichten, die <strong>Pferdehaltung</strong> auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der<br />

Gemarkung E nach Maßgabe der im Genehmigungsbescheid des Landratsamtes H vom<br />

11. September 2003 (Genehmigung für den Abbruch der Mistlege und für die Anlegung<br />

e<strong>in</strong>es Stellplatzes für den Kle<strong>in</strong>mistwagen) genehmigten baulichen Veränderung zu<br />

genehmigen,<br />

20 3. den Beklagten zu verpflichten, e<strong>in</strong>e Genehmigung für den beantragten Paddock zu<br />

erteilen,<br />

21 4. die Zuziehung e<strong>in</strong>es Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu<br />

erklären.<br />

22 Zur Begründung lässt sie ausführen, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon<br />

aus, dass sich das Vorhaben nicht <strong>in</strong> die nähere Umgebung e<strong>in</strong>füge. Wie die Kläger<strong>in</strong><br />

erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erfahren habe,<br />

würden <strong>in</strong> dem Anwesen S 6 drei Schwe<strong>in</strong>e gehalten. Die Schwe<strong>in</strong>e würden als Ferkel<br />

erworben und aufgezogen und sodann verkauft oder geschlachtet; im Anschluss hieran<br />

würden sofort drei neue Ferkel erworben. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass<br />

das Verwaltungsgericht, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Urt</strong>eil selbst ausführe, dass <strong>in</strong> der S mehrere<br />

Geschäfte und Handwerksbetriebe vorhanden seien und dass sich das Baugrundstück<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong> bef<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> der Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens<br />

dann von e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet ausgehe. Schon nach den Ausführungen<br />

des Verwaltungsgerichts sei zum<strong>in</strong>dest von e<strong>in</strong>em Mischgebiet auszugehen, unter<br />

Berücksichtigung der Schwe<strong>in</strong>ehaltung von e<strong>in</strong>em Dorfgebiet, ke<strong>in</strong>esfalls jedoch von e<strong>in</strong>em<br />

- 4 -


allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet. Bezeichnenderweise stelle auch der Flächennutzungsplan den<br />

maßgeblichen Bereich als Dorfgebiet dar. Das Verwaltungsgericht verkenne auch, dass bei<br />

der Beurteilung der näheren Umgebung das landwirtschaftliche Anwesen an der ...-...-...-<br />

Straße (= Staatsstraße St ... ) zu berücksichtigen gewesen wäre. Außerdem werde an der<br />

Auffassung festgehalten, dass die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> Bestandsschutz genieße.<br />

23 Der Beklagte beantragt,<br />

24 die Berufung zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.<br />

25 Im maßgeblichen Umgriff des Baugrundstücks herrsche e<strong>in</strong>e <strong>Gemengelage</strong> vor, die<br />

durch Wohnnutzung, vere<strong>in</strong>zelte Mischgebietselemente und vere<strong>in</strong>zelte Tierhaltung<br />

geprägt sei, <strong>in</strong> der aber die Wohnnutzung überwiege. Die Tierhaltungen gäben dem Gebiet<br />

ke<strong>in</strong> dörfliches Gepräge. Die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> füge sich nicht <strong>in</strong> diese nähere<br />

Umgebung e<strong>in</strong>. Sie sei geeignet, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen,<br />

weil mit der Haltung der Pferde unvermeidbar Belästigungen, <strong>in</strong>sbesondere Gerüche<br />

und das vermehrte Auftreten von Fliegen und Geräuschen, verbunden seien. Dass die<br />

<strong>Pferdehaltung</strong> auch tatsächlich mit Belästigungen für die unmittelbare Wohnnachbarschaft<br />

verbunden sei, ergebe sich daraus, dass sich die Beigeladenen beschwert und das Verbot<br />

der <strong>Pferdehaltung</strong> gefordert hätten.<br />

26 Die Beigeladenen zu 1 und 2 stellen ke<strong>in</strong>en Antrag, vertreten aber ebenfalls die Auffassung,<br />

dass das Gebiet mittlerweile die Qualität e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiets angenommen<br />

habe, und dass die vere<strong>in</strong>zelte Tierhaltung im näheren Umgriff nicht prägend sei. Von<br />

der <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> g<strong>in</strong>gen Belästigungen aus, die an manchen Tagen kaum<br />

auszuhalten seien, und zwar unabhängig von der Menge und wohl auch unabhängig von<br />

der Dauer der Lagerung des Pferdemists.<br />

27 Die Beigeladene zu 3, die der Senat mit Beiladungsbeschluss vom 13. Juni 2007 zum<br />

Verfahren beigeladen hat, stellt ebenfalls ke<strong>in</strong>en Antrag.<br />

28 Zur Feststellung der örtlichen Verhältnisse hat der Senat am 13. Juni 2007 Beweis<br />

erhoben durch E<strong>in</strong>nahme e<strong>in</strong>es Augensche<strong>in</strong>s. Am 17. September 2007 hat der Senat<br />

mündlich verhandelt. Auf die jeweiligen Niederschriften wird Bezug genommen. Wegen<br />

der weiteren E<strong>in</strong>zelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie<br />

auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Beigezogen und Gegenstand der<br />

mündlichen Verhandlung waren die Bauakte des Landratsamtes H (Az. 648/03), zwei<br />

weitere Aktenheftungen des Landratsamtes (ohne Az.) sowie die Widerspruchsakte der<br />

Regierung von Unterfranken (Az. 4160.03-2/04).<br />

Entscheidungsgründe<br />

29 Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1, § 124a Abs. 5 und 6 VwGO) ist begründet.<br />

30 Die Klage ist zulässig und begründet. Soweit die <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz gestellten<br />

Klageanträge (§ 44 VwGO) bereits Gegenstand des erst<strong>in</strong>stanzlichen Verfahrens waren, hat<br />

das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Kläger<strong>in</strong> hat e<strong>in</strong>en Anspruch<br />

auf Genehmigung ihrer <strong>Pferdehaltung</strong> (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angefochtene<br />

Bescheid vom 20. Juli 2004, mit dem das Landratsamt dem Widerspruch der Beigeladenen<br />

zu 1 und 2 abgeholfen (Nr. 1), die Baugenehmigung vom 11. September 2003 für die<br />

beantragten baulichen Änderungen aufgehoben (Nr. 2) und den Bauantrag der Kläger<strong>in</strong><br />

abgelehnt hatte (Nr. 3), sowie die zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagung (Nrn. 4 und<br />

5) s<strong>in</strong>d deshalb rechtswidrig und verletzen die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz<br />

1 VwGO). Zulässig und begründet ist die Klage auch, soweit die Kläger<strong>in</strong> ihren Klageantrag<br />

im Berufungsverfahren erweitert und e<strong>in</strong>e Baugenehmigung für den Paddock beantragt hat.<br />

31 1. Die Klage ist zulässig.<br />

32 a) Zulässigkeit ist gegeben, soweit die Kläger<strong>in</strong> beantragt, den Beklagten zu verpflichten,<br />

die <strong>Pferdehaltung</strong> nach Maßgabe der im Genehmigungsbescheid vom 11. September 2003<br />

genehmigten baulichen Änderungen zu genehmigen.<br />

- 5 -


33 aa) Die Klage ist <strong>in</strong>soweit als Verpflichtungsklage <strong>in</strong> Form der Versagungsgegenklage (§ 42<br />

Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft.<br />

34 bb) E<strong>in</strong>e Klageänderung, die nur unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO zugelassen<br />

werden könnte, liegt <strong>in</strong>soweit nicht vor.<br />

35 Ausdrücklich hatte die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> der ersten Instanz allerd<strong>in</strong>gs lediglich die Aufhebung<br />

des Bescheides vom 20. Juli 2004 beantragt, während sie den Anfechtungsantrag <strong>in</strong> der<br />

Berufungs<strong>in</strong>stanz (Antrag Nr. 1) auf Empfehlung des Senats um e<strong>in</strong>en Verpflichtungsantrag<br />

(Antrag Nr. 2) ergänzt hat. E<strong>in</strong>e Änderung des Streitgegenstandes ist damit aber nicht<br />

verbunden. Denn bei verständiger Auslegung des Klagebegehrens lag der Klage bereits<br />

im ersten Rechtszug e<strong>in</strong> auf Legalisierung der <strong>Pferdehaltung</strong> <strong>in</strong>sgesamt gerichtetes<br />

Verpflichtungsbegehren zugrunde mit der Folge, dass die Klage von vornhere<strong>in</strong> als<br />

Verpflichtungsklage <strong>in</strong> Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) zu<br />

behandeln gewesen wäre.<br />

36 Gemäß § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es muss<br />

vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzziel von Amts wegen ermitteln (BVerwG vom<br />

22.5.1980 BVerwGE 60, 144/149). Das gilt <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn der Antragswortlaut<br />

das Klagebegehren <strong>in</strong> der Sache falsch oder unvollständig erfasst (BVerwG vom 3.8.1992<br />

NVwZ 1993, 62). Nur über dieses tatsächliche Klagebegehren darf das Gericht gemäß §<br />

88 VwGO nicht h<strong>in</strong>ausgehen. Mit diesen Anforderungen steht das erst<strong>in</strong>stanzliche <strong>Urt</strong>eil<br />

nicht im E<strong>in</strong>klang. Bei verständiger Auslegung des Rechtsschutzbegehrens der Kläger<strong>in</strong><br />

liegt auf der Hand, dass es der Kläger<strong>in</strong> bereits <strong>in</strong> erster Instanz um e<strong>in</strong>e nachträgliche<br />

Legalisierung ihrer <strong>Pferdehaltung</strong> <strong>in</strong>sgesamt und nicht lediglich um das Wiederaufleben<br />

der im Abhilfeverfahren aufgehobenen Baugenehmigung für die beantragen baulichen<br />

Änderungen g<strong>in</strong>g, weil diese Änderungen nur vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>er erlaubten<br />

<strong>Pferdehaltung</strong> e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ergeben.<br />

37 Auf e<strong>in</strong>e Legalisierung der <strong>Pferdehaltung</strong> hatte zunächst allerd<strong>in</strong>gs nicht die Kläger<strong>in</strong>,<br />

sondern das Landratsamt gedrungen, das letztlich zu dem Ergebnis kam, dass die<br />

<strong>Pferdehaltung</strong> bauplanungsrechtlich unzulässig und deshalb nicht genehmigungsfähig<br />

sei. Dass mit Nr. 3 des Bescheides vom 20. Juli 2004 auch über die <strong>Pferdehaltung</strong> dem<br />

Grunde nach abschließend entschieden werden sollte, legen zwar weder der Tenor noch<br />

die Begründung dieses Bescheides nahe. Der Vertreter des Landratsamtes erklärte im<br />

Rahmen des gerichtlichen Augensche<strong>in</strong>s auf Frage des Senats jedoch ausdrücklich, dass<br />

dies die Intention des Landratsamts gewesen sei. Das Antragserfordernis (Art. 67 BayBO,<br />

Art. 22 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG) stand dem nicht entgegen. Da die Kläger<strong>in</strong> den Bauantrag<br />

entsprechend den Empfehlungen des Landratsamts gestaltete, ist davon auszugehen,<br />

dass sie eben dasjenige beantragen wollte, was aus der Sicht des Landratsamts für<br />

die Legalisierung der <strong>Pferdehaltung</strong> erforderlich war. Aber auch von se<strong>in</strong>em objektiven<br />

Erklärungsgehalt rechtfertigt der Bauantrag e<strong>in</strong>e Entscheidung über die <strong>Pferdehaltung</strong> dem<br />

Grunde nach. Die Bezeichnung des Vorhabens im Bauantrag als "Veränderungen im Hof<br />

des landwirtschaftlichen Anwesens ..." legt zwar nicht gerade nahe, darunter neben den<br />

baulichen Änderungen auch die Nutzungsänderung an und für sich zu verstehen, schließt<br />

dies aber auch nicht aus. Im Übrigen bestehen ke<strong>in</strong>e Zweifel, dass das Landratsamt, wäre<br />

es von der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der <strong>Pferdehaltung</strong> ausgegangen, diese<br />

auf der Grundlage des e<strong>in</strong>gereichten Bauantrags hätte genehmigen können. Im Bauantrag<br />

waren jedenfalls alle wesentlichen Informationen auch über die <strong>Pferdehaltung</strong> an und<br />

für sich enthalten, und auch das Landratsamt bestätigte gegenüber dem Senat, dass die<br />

Streitsache aus se<strong>in</strong>er Sicht auch h<strong>in</strong>sichtlich des Verpflichtungsantrags spruchreif sei.<br />

Nach alledem ist davon auszugehen, dass <strong>in</strong> Nr. 3 des Bescheides vom 20. Juli 2004 der<br />

Bauantrag der Kläger<strong>in</strong> nicht nur h<strong>in</strong>sichtlich der beantragten baulichen Änderungen zur<br />

Immissionsm<strong>in</strong>derung abgelehnt werden sollte, sondern auch h<strong>in</strong>sichtlich der <strong>Pferdehaltung</strong><br />

dem Grunde nach.<br />

38 An e<strong>in</strong>er Legalisierung der <strong>Pferdehaltung</strong> war nun die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressiert, zumal<br />

das Landratsamt mit der zwangsgeldbewehrten Nutzungsuntersagung offensichtlich<br />

"Ernst" machte und an e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit<br />

der <strong>Pferdehaltung</strong> ke<strong>in</strong> Weg mehr vorbeiführte. Dem entsprechend war auch das<br />

Klagebegehren der Kläger<strong>in</strong> - <strong>in</strong> erster Instanz nicht anders als <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz<br />

der Sache nach als Verpflichtungsbegehren mit dem Ziel e<strong>in</strong>er umfassenden Legalisierung<br />

- 6 -


der <strong>Pferdehaltung</strong> zu <strong>in</strong>terpretieren. Dass sich die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> erster Instanz gleichwohl<br />

auf e<strong>in</strong>en Anfechtungsantrag beschränkt hatte, ist wohl als Nachwirkung der im<br />

Genehmigungsbescheid vom 11. September 2003 manifest gewordenen ursprünglichen<br />

Auffassung des Landratsamts zu sehen, dass das Problem mit e<strong>in</strong>er Genehmigung der<br />

für e<strong>in</strong>e Entschärfung des Immissionskonflikts als erforderlich angesehenen baulichen<br />

Änderungen zur bewerkstelligen sei.<br />

39 Im Grunde hatte dies auch das Verwaltungsgericht so gesehen, wenn es feststellt, dass<br />

es "der Kläger<strong>in</strong> mit ihrem Bauantrag und mit der Klage (letztlich) um die Zulassung der<br />

<strong>Pferdehaltung</strong> auf ihrem Grundstück <strong>in</strong> den dort vorhandenen Stallungen, das Abstellen<br />

e<strong>in</strong>es dafür erforderlichen Mistwagens (anstelle e<strong>in</strong>er Festmiststelle) und den Betrieb e<strong>in</strong>es<br />

Paddocks" gehe (UA S. 9). Nur hat es hieraus nicht die erforderlichen Schlussfolgerungen<br />

gezogen und sich, statt dieses erkannte Rechtsschutzziel zugrunde zu legen, entgegen<br />

§ 88 VwGO schlicht am Wortlaut des erst<strong>in</strong>stanzlich formulierten Klageantrags orientiert.<br />

Diese verkürzte Interpretation des tatsächlichen Rechtsschutzziels im ersten Rechtszug<br />

steht e<strong>in</strong>er Weiterverfolgung des Verpflichtungsbegehrens <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz nicht<br />

entgegen.<br />

40 cc) Die Verpflichtungsklage ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ohne Durchführung<br />

e<strong>in</strong>es Vorverfahrens zulässig. Der Bescheid des Landratsamts vom 20. Juli 2004 war auch<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Nr. 3 als "Abhilfebescheid" konzipiert, weil auch damit dem Widerspruch der<br />

Beigeladenen zu 1 und 2 gegen die Baugenehmigung vom 11. September 2003 Rechnung<br />

getragen werden sollte, auch wenn das Landratsamt den Bauantrag im Abhilfeverfahren<br />

nunmehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren S<strong>in</strong>ne als Antrag auf Genehmigung der <strong>Pferdehaltung</strong> dem<br />

Grunde nach <strong>in</strong>terpretierte. Die Durchführung e<strong>in</strong>es Vorverfahrens war im Übrigen auch<br />

deshalb verzichtbar, weil der Beklagte dessen Fehlen nicht gerügt und Klageabweisung aus<br />

Sachgründen beantragt hat (vgl. Rennert <strong>in</strong> Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rd.Nr. 29<br />

m.w.N. zur Rspr.).<br />

41 b) Zulässig ist die Klage auch, soweit die Kläger<strong>in</strong> begehrt, unter Abänderung des<br />

erst<strong>in</strong>stanzlichen <strong>Urt</strong>eils den Bescheid des Landratsamts vom 20. Juli 2004 aufzuheben<br />

(Klageantrag Nr. 1).<br />

42 aa) Die beantragte Aufhebung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides vom 20. Juli 2004 ist als<br />

Anfechtungsklage ohne Weiteres statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).<br />

43 Mit diesem Teil ihrer Klage verfolgt die Kläger<strong>in</strong> das Ziel, die mit dem Sachgebiet<br />

Immissionsschutz des Landratsamts abgesprochenen baulichen Maßnahmen zur<br />

Immissionsm<strong>in</strong>derung (Änderungen bei der Mistlagerung) legal durchführen zu<br />

dürfen. Diesem Klagebegehren kann bereits mit e<strong>in</strong>er Aufhebung der Nrn. 1 und 2 des<br />

Abhilfebescheides vollständig Rechnung getragen werden, weil damit die für die baulichen<br />

Änderungen bereits erteilte Baugenehmigung vom 11. September 2003 wieder auflebt.<br />

44 Auch <strong>in</strong>soweit war die Klageerhebung ohne Durchführung e<strong>in</strong>es weiteren Vorverfahrens<br />

zulässig, weil die Kläger<strong>in</strong> durch den Abhilfebescheid erstmals beschwert wurde (§ 68 Abs.<br />

1 Satz 2 Nr. 2 VwGO).<br />

45 bb) Soweit die Kläger<strong>in</strong> außerdem Aufhebung der Nr. 3 des Bescheides vom 20. Juli 2004<br />

begehrt, mit dem das Landratsamt den Bauantrag der Kläger<strong>in</strong> abgelehnt hatte, ist dieser<br />

Antrag als aufhebender Teil der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. VwGO) statthaft.<br />

46 cc) Als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässig ist die Anfechtungsklage, soweit die Kläger<strong>in</strong><br />

die Aufhebung der Nrn. 4 und 5 des Bescheides vom 20. Juli 2004 (Nutzungsuntersagung<br />

und Zwangsgeldandrohung) begehrt.<br />

47 Die Kläger<strong>in</strong> hat am 23. September 2004 rechtzeitig Widerspruch e<strong>in</strong>gelegt. Die Monatsfrist<br />

des § 70 Abs. 1 VwGO musste nicht e<strong>in</strong>gehalten werden, weil die dem Bescheid vom 20.<br />

Juli 2004 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft war (§ 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs.<br />

2 VwGO). Sie verwies auch h<strong>in</strong>sichtlich der Nutzungsuntersagung auf die Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>er Klageerhebung, obwohl <strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong> Vorverfahren nicht entbehrlich war. Die<br />

Nutzungsuntersagung war nämlich nicht Teil e<strong>in</strong>es Abhilfebescheids im S<strong>in</strong>ne des § 68<br />

Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, weil das Landratsamt damit dem Widerspruch der Beigeladenen<br />

zu 1 und 2 gegen die Baugenehmigung vom 11. September 2003 nicht, auch nicht<br />

- 7 -


teilweise, Rechnung trug, sondern vielmehr e<strong>in</strong>e darüber h<strong>in</strong>ausgehende Regelung traf. Der<br />

Widerspruch konnte deshalb gemäß § 58 Abs. 2 VwGO <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres ab Zustellung<br />

des Bescheides erhoben werden.<br />

48 Die Anfechtungsklage war gemäß § 75 Abs. 1 VwGO auch ohne abgeschlossenes<br />

Vorverfahren als Untätigkeitsklage zulässig, weil über den Widerspruch der Kläger<strong>in</strong> nicht<br />

<strong>in</strong>nerhalb angemessener Frist entschieden wurde.<br />

49 c) Ebenfalls als Verpflichtungsklage <strong>in</strong> Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt.<br />

1 VwGO) zulässig ist die Klage, soweit die Kläger<strong>in</strong> schließlich e<strong>in</strong>e Genehmigung für den<br />

bereits errichteten Paddock begehrt (Klageantrag Nr. 3).<br />

50 Insoweit geht der <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz formulierte Klageantrag allerd<strong>in</strong>gs über den<br />

erst<strong>in</strong>stanzlichen Klageantrag h<strong>in</strong>aus. Die Kläger<strong>in</strong> hatte sich zwar auch gegen "Auflage"<br />

IV des Genehmigungsbescheides vom 11. September 2003 zur Wehr gesetzt, die <strong>in</strong><br />

der Sache e<strong>in</strong>e Ablehnung des Antrags auf Genehmigung des Paddocks war, <strong>in</strong>dem sie<br />

"h<strong>in</strong>sichtlich der Ziffer IV" Widerspruch erhob. Klage hatte sie <strong>in</strong>soweit zunächst allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht erhoben.<br />

51 Mit dem auf Empfehlung des Senats formulierten Klageantrag Nr. 3 (Genehmigung des<br />

Paddocks) hat die Kläger<strong>in</strong> den Streitgegenstand ihrer Klage <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz<br />

aber <strong>in</strong> zulässiger Weise erweitert (§ 91 Abs. 1 VwGO). Das Gericht hält diese objektive<br />

Klageänderung für sachdienlich. Sie ermöglicht e<strong>in</strong>e umfassende gerichtliche Entscheidung<br />

über die Legalisierung der <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> auch unter E<strong>in</strong>beziehung des ohne<br />

Baugenehmigung errichteten Paddocks und dient damit e<strong>in</strong>er endgültigen Klärung des<br />

Streitstoffs, der auch unter E<strong>in</strong>beziehung des Paddocks im Wesentlichen der Gleiche bleibt.<br />

52 2. Die Klage ist auch <strong>in</strong> allen Teilen begründet.<br />

53 a) Sie ist begründet, soweit die Kläger<strong>in</strong> die Legalisierung ihrer <strong>Pferdehaltung</strong> dem<br />

Grunde nach begehrt. Die Kläger<strong>in</strong> hat entsprechend ihrem Klageantrag Nr. 2 nach<br />

Maßgabe der im Genehmigungsbescheid des Landratsamts vom 11. September 2003<br />

genehmigten baulichen Veränderungen zur Immissionsm<strong>in</strong>derung e<strong>in</strong>en Rechtsanspruch<br />

auf Genehmigung ihrer <strong>Pferdehaltung</strong> (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die <strong>Pferdehaltung</strong><br />

ist genehmigungsbedürftig, aber auch genehmigungsfähig. Der Beklagte war deshalb<br />

zur Genehmigung der <strong>Pferdehaltung</strong> zu verpflichten, die Ablehnung des Bauantrags der<br />

Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nr. 3 des Bescheids vom 20. Juli 2004 war aufzuheben.<br />

54 aa) Die Aufnahme der <strong>Pferdehaltung</strong> im Jahre 1999 war e<strong>in</strong>e gemäß Art. 62 Satz 1 und 2,<br />

Art. 63 Abs. 4 BayBO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung.<br />

55 Auf Bestandsschutz kann sich die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong>soweit nicht berufen. Der Begriff des<br />

Bestandsschutzes umschreibt das aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) fließende,<br />

gesetzlich (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) näher ausgestaltete Recht des Eigentümers, e<strong>in</strong>e<br />

bauliche Anlage mit e<strong>in</strong>er bestimmten Nutzung, die e<strong>in</strong>mal formell oder materiell legal<br />

war, weiter nutzen und <strong>in</strong> gewissem Umfang ändern zu dürfen, auch wenn die Anlage mit<br />

dieser Nutzung heute nicht mehr neu errichtet werden dürfte (vgl. Dürr/König, Baurecht, 4.<br />

Aufl. 2000, Rd.Nr. 412 ff.; zur dogmatischen Herleitung BVerwG vom 3.12.1997 NVwZ 1998,<br />

969). Auf Bestandsschutz kann sich die Kläger<strong>in</strong> hiernach schon deshalb nicht berufen, weil<br />

die <strong>Pferdehaltung</strong> nicht als Fortsetzung e<strong>in</strong>er eigentumsrechtlich geschützten ehemaligen<br />

landwirtschaftlichen Nutzung anzusehen ist. Zwar ist nach den Feststellungen des Senats<br />

davon auszugehen, dass auf dem Anwesen der Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Vergangenheit <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem<br />

Umfang auch landwirtschaftliche Nutztierhaltung stattfand; gehalten wurden e<strong>in</strong>zelne<br />

R<strong>in</strong>der, zeitweise auch e<strong>in</strong> bis zwei Schwe<strong>in</strong>e und möglicherweise auch e<strong>in</strong>ige Schafe sowie<br />

Hühner und Hasen. Die seit 1999 auf dem Anwesen gehaltenen Pferde dienten nach den<br />

eigenen Angaben der Kläger<strong>in</strong> aber von Anfang an nicht landwirtschaftlichen, sondern<br />

ausschließlich privaten Zwecken. Die private <strong>Pferdehaltung</strong> ist von der landwirtschaftlichen<br />

Nutztierhaltung bauplanungsrechtlich kategorisch zu unterscheiden. Sie überschreitet<br />

die "Variationsbreite" (BVerwG vom 25.3.1988 NVwZ 1989, 667) der ehemals (wohl) legal<br />

betriebenen landwirtschaftlichen Nutzung und ist deshalb schon aus sachlichen Gründen<br />

nicht bestandsgeschützt. Erst recht kann aus der angeblich bis 1999 aufrecht erhaltenen<br />

Kle<strong>in</strong>tierhaltung ke<strong>in</strong> Bestandsschutz hergeleitet werden. Auf Bestandsschutz kann sich<br />

die Kläger<strong>in</strong> im Übrigen auch deshalb nicht berufen, weil die ehemalige landwirtschaftliche<br />

- 8 -


Nutzung endgültig aufgegeben wurde und e<strong>in</strong> möglicher Bestandsschutz damit auch <strong>in</strong><br />

zeitlicher H<strong>in</strong>sicht endete. Dabei bedarf es hier ke<strong>in</strong>er abstrakten Festlegung, wie lange<br />

e<strong>in</strong>e Nutzung m<strong>in</strong>destens unterbrochen se<strong>in</strong> muss, um von e<strong>in</strong>er endgültigen Aufgabe<br />

ausgehen zu können (vgl. im Überblick Dürr/König, a.a.O., Rd.Nr. 417 m.w.N.). Denn im<br />

Falle der landwirtschaftlichen Großtierhaltung (R<strong>in</strong>der), die auf dem Anwesen der Kläger<strong>in</strong><br />

unstreitig vor m<strong>in</strong>destens 20 Jahren aufgegeben wurde, ist diese zeitliche Grenze des<br />

Bestandschutzes ohne jeden Zweifel überschritten.<br />

56 E<strong>in</strong>e Ausnahme von der Genehmigungspflicht gemäß Art. 63 Abs. 4 BayBO kommt<br />

nicht <strong>in</strong> Betracht, weil – wie dargestellt - an die private <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong><br />

andere bauplanungsrechtliche Anforderungen zu stellen s<strong>in</strong>d als an die ehemalige<br />

landwirtschaftliche Nutztierhaltung.<br />

57 bb) Die genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist gemäß Art. 72 Abs. 1<br />

Satz 1 BayBO auch genehmigungsfähig, weil sie öffentlichen Vorschriften, die im<br />

bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen s<strong>in</strong>d, nicht widerspricht. Streitig ist alle<strong>in</strong>, ob die<br />

<strong>Pferdehaltung</strong> bauplanungsrechtlich zulässig ist (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. §§ 29<br />

ff. BauGB), konkret, ob sie sich nach der Art der baulichen Nutzung <strong>in</strong> die Eigenart der<br />

näheren Umgebung des im Zusammenhang bebauten Ortsteils e<strong>in</strong>fügt und mit dem<br />

nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d. Das ist hier der Fall.<br />

58 (1) Die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> fügt sich <strong>in</strong> die Eigenart der näheren Umgebung e<strong>in</strong>, § 34<br />

Abs. 1 Satz 1 BauGB.<br />

59 Bei der Qualifizierung der Eigenart der näheren Umgebung ist grundsätzlich von der<br />

vorhandenen Bebauung im maßgeblichen Umgriff auszugehen, soweit diese den<br />

bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder bee<strong>in</strong>flusst (BVerwG vom<br />

26.5.1978 BVerwGE 55, 369/380 f.; Krautzberger <strong>in</strong> Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB,<br />

10. Aufl. 2007, Rd.Nr. 14 zu § 34). Gemessen hieran entspricht die Eigenart der näheren<br />

Umgebung hier weder e<strong>in</strong>em Dorfgebiet noch e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet noch e<strong>in</strong>em<br />

sonstigen Baugebiet im S<strong>in</strong>ne der Baunutzungsverordnung.<br />

60 Das Quartier ist weder als faktisches Dorfgebiet im S<strong>in</strong>ne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5<br />

BauNVO noch – wie die Kläger<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t - als "Mischgebiet mit landwirtschaftlicher Prägung"<br />

zu qualifizieren. Dorfgebiete s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>ander von landwirtschaftlicher<br />

Nutzung, Wohnnutzung sowie gewerblicher und handwerklicher Nutzung geprägt, wobei<br />

auf die Belange der Landwirtschaft e<strong>in</strong>schließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten<br />

vorrangig Rücksicht zu nehmen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauNVO). E<strong>in</strong> faktisches<br />

Dorfgebiet setzt deshalb e<strong>in</strong>e maßgebliche Prägung durch <strong>in</strong>takte Wirtschaftsstellen<br />

land- und forstwirtschaftlicher Betriebe voraus (vgl. BayVGH vom 13.6.1986 BRS 46<br />

Nr. 19; Roeser <strong>in</strong> König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, Rd.Nr. 4 zu § 5, m.w.N.).<br />

Aktive landwirtschaftliche Betriebe s<strong>in</strong>d im räumlichen Umgriff des Anwesens der<br />

Kläger<strong>in</strong> aber offensichtlich nicht (mehr) vorhanden. Der e<strong>in</strong>zige aktive Landwirt, den die<br />

Kläger<strong>in</strong> benennen konnte (Anwesen S ), liegt jenseits der viel befahrenen Staatsstraße<br />

St ... , die nach den Feststellungen des Senats beim Augensche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e deutliche Zäsur<br />

bildet. Der landwirtschaftliche Betrieb gehört schon von daher nicht zum maßgeblichen<br />

Quartier. Im Übrigen liegt der Betrieb vom Grundstück der Kläger<strong>in</strong> auch zu weit entfernt,<br />

als dass von ihm e<strong>in</strong>e für das Quartier prägende Wirkung ausgehen könnte. E<strong>in</strong>e<br />

landwirtschaftliche Prägung des Quartiers ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt<br />

e<strong>in</strong>es "nachwirkenden" Dorfcharakters (BayVGH vom 19.11.1991 Az. 26 B 91.2405) aus<br />

dem Umstand, dass im maßgeblichen Umgriff etliche Landwirte vorhanden waren, die<br />

ihren Betrieb zwar mittlerweile aufgegeben haben, die baulichen Voraussetzungen dieser<br />

ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebe aber immer noch vorhanden s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

entfällt die prägende Wirkung des baulichen Altbestandes nicht quasi automatisch mit<br />

der Aufgabe der bisherigen Nutzung und noch nicht e<strong>in</strong>mal zwangsläufig mit se<strong>in</strong>er<br />

Beseitigung. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Nutzung endgültig aufgegeben<br />

wurde und nach der Verkehrsauffassung auch nicht mehr mit e<strong>in</strong>er Wiederaufnahme der<br />

Nutzung gerechnet werden kann (BVerwG vom 19.11.1986 BVerwGE 75, 34/40 f.). So<br />

verhält es sich hier. Die landwirtschaftliche Nutzung auf den ehemaligen Hofstellen <strong>in</strong><br />

der näheren Umgebung des Grundstücks der Kläger<strong>in</strong> wurde – wohl ähnlich wie auf dem<br />

Anwesen der Kläger<strong>in</strong> selbst – bereits vor vielen Jahren endgültig aufgegeben, mit e<strong>in</strong>er<br />

Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Nutzung ist nicht mehr zu rechnen. Damit entfällt<br />

- 9 -


auch die prägende Wirkung der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung (vgl. BayVGH<br />

vom 19.11.1991 a.a.O.; Krautzberger, a.a.O., Rd.Nr. 14 zu § 34).<br />

61 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 und 2 verbietet sich andererseits e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>stufung der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks als faktisches<br />

Wohngebiet im S<strong>in</strong>ne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Allgeme<strong>in</strong>e Wohngebiete<br />

dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Diese Zweckbestimmung<br />

schließt andere <strong>in</strong> § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO genannte Nutzungen zwar nicht aus. Solche<br />

wohngebietstypischen oder - verträglichen Nutzungen müssen aber dem Wohnen zu- und<br />

untergeordnet se<strong>in</strong>, Wohnnutzung muss im allgeme<strong>in</strong>en Wohngebiet die Hauptnutzungsart<br />

se<strong>in</strong> (Stock <strong>in</strong> Koenig/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, Rd.Nr. 6 zu § 4). Diese<br />

Voraussetzung ist <strong>in</strong> der näheren Umgebung des Grundstücks der Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> Teilbereichen<br />

nicht erfüllt. Insbesondere <strong>in</strong> der S treten gewerbliche Nutzung und Wohnnutzung<br />

gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>ander. Wie der Senat beim gerichtlichen Augensche<strong>in</strong> feststellen<br />

konnte, s<strong>in</strong>d dort <strong>in</strong> den überwiegend zweigeschossigen Gebäuden im Erdgeschoß nahezu<br />

durchgängig kle<strong>in</strong>ere Läden und Gaststätten untergebracht, während im ersten Stock und<br />

- soweit ausgebaut - im Dachgeschoß Wohnnutzung stattf<strong>in</strong>det. Gewerbliche Nutzung<br />

und Wohnnutzung s<strong>in</strong>d dort also schon zahlenmäßig <strong>in</strong> etwa gleich stark vertreten, wie<br />

dies für Mischgebiete (§ 6 BauNVO) typisch ist, ohne dass es auf das konkrete mögliche<br />

Störpotential der gewerblichen Nutzungen ankäme.<br />

62 Die nähere Umgebung des Anwesens der Kläger<strong>in</strong> lässt sich auch ke<strong>in</strong>em sonstigen<br />

Baugebietstypus der Baunutzungsverordnung e<strong>in</strong>deutig zuordnen. Es ist deshalb<br />

von e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong> auszugehen, <strong>in</strong> der die Wohnnutzung zwar <strong>in</strong> Teilbereichen<br />

überwiegt, die <strong>in</strong> anderen Teilbereichen aber durch deutliche Mischgebietselemente<br />

sowie durch e<strong>in</strong>en noch vorhandenen Altbestand ehemaliger landwirtschaftlicher<br />

Haupt- und Nebengebäude geprägt ist. Von e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong> mit überwiegender<br />

Wohnnutzung und vere<strong>in</strong>zelten Mischgebietselementen sowie e<strong>in</strong>em nicht unerheblichen<br />

Bestand aufgelassener landwirtschaftlicher Betriebs- und Nebengebäude war auch das<br />

Verwaltungsgericht ausgegangen. Unzutreffend ist allerd<strong>in</strong>gs die weitere Argumentation<br />

des Verwaltungsgerichts, die <strong>Pferdehaltung</strong> füge sich deshalb nicht e<strong>in</strong>, weil diese<br />

Nutzung nicht "dem Nutzungskatalog des analog heranziehbaren § 4 Abs. 2 und 3<br />

BauNVO" unterfalle. Sofern die nähere Umgebung nicht e<strong>in</strong>em der Baugebiete der<br />

Baunutzungsverordnung entspricht, ist § 34 Abs. 2 BauGB nicht anwendbar mit der<br />

Folge, dass auch die Nutzungskataloge der Baunutzungsverordnung h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

zulässigen Art der baulichen Nutzung nicht maßstäblich s<strong>in</strong>d, entgegen der E<strong>in</strong>schätzung<br />

des Verwaltungsgerichts auch nicht analog. Maßstab ist vielmehr ausschließlich § 34 Abs. 1<br />

BauGB (vgl. Krautzberger <strong>in</strong> Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, Rd.Nr. 47 zu<br />

§ 34). Hiernach ist e<strong>in</strong> Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung <strong>in</strong> der Regel zulässig,<br />

wenn es sich <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong>nerhalb des aus se<strong>in</strong>er Umgebung hervorgehenden<br />

Rahmens hält (BVerwG vom 26.5.1978 a.a.O., S. 385). Dies steht auf der Grundlage der<br />

Feststellungen beim gerichtlichen Augensche<strong>in</strong> zur Überzeugung des Senats fest.<br />

63 Insoweit kann dah<strong>in</strong>gestellt bleiben, ob die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> bereits deshalb den<br />

vorgegebenen Nutzungsrahmen wahrt, weil <strong>in</strong> der näheren Umgebung des klägerischen<br />

Anwesens auch vere<strong>in</strong>zelt Tierhaltung betrieben wird oder jedenfalls bis vor kurzem<br />

betrieben wurde. So wurde nach Angaben der Kläger<strong>in</strong> im Schmiedeanwesen <strong>in</strong> der K<br />

straße bis zum Jahre 2004 e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Pferd gehalten. Diese Angabe wird durch die<br />

Erklärung des Vertreters der Beigeladenen zu 3 bestätigt, e<strong>in</strong>e Erkundigung bei der<br />

Schwester des schon etwas älteren Hufschmieds habe ergeben, dass dort seit 1. Mai 2004<br />

ke<strong>in</strong> Pferd mehr gehalten werde. Von e<strong>in</strong>er <strong>Pferdehaltung</strong> im Schmiedeanwesen war auch<br />

das Verwaltungsgericht ausgegangen. Außerdem wies der Vertreter der Beigeladenen<br />

zu 3 beim gerichtlichen Augensche<strong>in</strong> darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Anwesen an der S steige<br />

nach Angaben des Eigentümers bis 2004 e<strong>in</strong> weiteres Pferd gehalten worden sei. An der<br />

Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln besteht ke<strong>in</strong> Anlass. Damit steht zur Überzeugung<br />

des Senats fest, dass im Zeitpunkt des Bauantragstellung <strong>in</strong> der unmittelbaren Umgebung<br />

des Anwesens der Kläger<strong>in</strong> immerh<strong>in</strong> noch zwei Pferde gehalten wurden. Ungewiss ist,<br />

<strong>in</strong>wieweit diese mittlerweile aufgegebene <strong>Pferdehaltung</strong> für die Eigenart der näheren<br />

Umgebung prägend war und auch - <strong>in</strong> dem für die Beurteilung des Verpflichtungsantrags<br />

der Kläger<strong>in</strong> maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz<br />

- noch ist. Insoweit behauptet die Kläger<strong>in</strong> zwar, dass die K<strong>in</strong>der der Eigentümer des<br />

Anwesens <strong>in</strong> der S steige beabsichtigten, die noch vorhandenen Stallungen wieder<br />

- 10 -


für e<strong>in</strong>e eigene <strong>Pferdehaltung</strong> zu verwenden. Inwieweit diese behauptete Absicht <strong>in</strong><br />

tatsächlicher und rechtlicher H<strong>in</strong>sicht real ist, <strong>in</strong>sbesondere, <strong>in</strong>wieweit sich die betreffenden<br />

Eigentümer bei der Verwirklichung entsprechender Absichten noch auf Bestandsschutz<br />

berufen könnten, ist allerd<strong>in</strong>gs offen. Darüber h<strong>in</strong>aus werden nach unbestrittener<br />

Auskunft der Beigeladenen zu 3 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Anwesen an der S aktuell regelmäßig drei<br />

bis vier Schwe<strong>in</strong>e gehalten. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 und 2<br />

muss diese Schwe<strong>in</strong>ehaltung bei der Bestimmung des relevanten Nutzungsrahmens<br />

nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie vom klägerischen Grundstück zu weit<br />

entfernt wäre. Gleichwohl liefert auch die Schwe<strong>in</strong>ehaltung noch ke<strong>in</strong> verlässliches<br />

Argument dafür, dass die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> den <strong>in</strong> der näheren Umgebung<br />

vorherrschenden Nutzungsrahmen e<strong>in</strong>hält, weil Schwe<strong>in</strong>e bauplanungsrechtlich als<br />

Kle<strong>in</strong>tiere zu qualifizieren und deshalb im Rahmen des E<strong>in</strong>fügensgebots mit Pferden wohl<br />

nicht unmittelbar vergleichbar s<strong>in</strong>d (so OVG Lüneburg vom 9.11.1984 BRS 42, Nr. 71).<br />

64 Die aufgeworfenen Fragen brauchten <strong>in</strong>des nicht weiter vertieft zu werden, weil der Senat<br />

den für das E<strong>in</strong>fügensgebot nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen Rahmen aus e<strong>in</strong>em<br />

anderen Grund als gewahrt ansieht. Die nähere Umgebung des Anwesens der Kläger<strong>in</strong> wird<br />

nämlich auch durch den noch vorhandenen Altbestand ehemaliger landwirtschaftlicher<br />

Haupt- und Nebengebäude geprägt, der auf e<strong>in</strong>e Wiederaufnahme auch anderer Nutzungen<br />

als der Wohnnutzung angelegt ist.<br />

65 Für die Eigenart der näheren Umgebung s<strong>in</strong>d nicht nur die ausgeübten Nutzungsarten<br />

von Bedeutung, sondern darüber h<strong>in</strong>aus auch all das, was sich, ohne Fremdkörper<br />

zu se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der vorhandenen Bebauung niederschlägt und so den bodenrechtlichen<br />

Charakter bee<strong>in</strong>flusst. In Rechnung zu stellen ist <strong>in</strong>soweit auch, dass die Wohnnutzung<br />

als prägendes Element der näheren Umgebung des Anwesens der Kläger<strong>in</strong> nicht<br />

"planähnlich" entstanden ist, sondern durch Aufgabe anderer - landwirtschaftlicher<br />

oder kle<strong>in</strong>gewerblicher – Nutzungen lediglich als zahlenmäßig vorherrschendes Element<br />

verblieben ist. Der aus früherer Zeit noch verbliebene Altbestand an landwirtschaftlichen<br />

Haupt- und Nebengebäuden gibt der historisch gewachsenen Altstadt deshalb auch<br />

<strong>in</strong> bauplanungsrechtlicher H<strong>in</strong>sicht se<strong>in</strong> besonderes, die Wohnnutzung ergänzendes<br />

Gepräge. Dieser Altbestand ist auch nach der Verkehrsauffassung "anfällig" für die<br />

(Wieder-)Aufnahme anderer Nutzungen als dem Wohnen (ebenso BayVGH vom 19.11.1993<br />

a.a.O.). Auch mit Blick auf die Eigentumsgarantie, die dem Eigentümer im Rahmen<br />

der gesetzlichen Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14<br />

Abs. 1 Satz 2 GG) grundsätzlich e<strong>in</strong>e privatnützige Verwendung se<strong>in</strong>es Eigentums<br />

gewährleistet (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG), können hierauf bezogene Nutzungs<strong>in</strong>teressen<br />

nicht ohne Weiteres unberücksichtigt bleiben. Das Interesse an e<strong>in</strong>er angemessenen<br />

Wiederverwendung ehemaliger landwirtschaftlicher Gebäude wie Stallungen, Scheunen<br />

und Geräteschuppen ersche<strong>in</strong>t umso dr<strong>in</strong>glicher, als sich diese nur bed<strong>in</strong>gt für e<strong>in</strong>e<br />

wohnnutzungskonforme Umnutzung eignen, und auch e<strong>in</strong>e Beseitigung des Altbestandes<br />

zum Zwecke e<strong>in</strong>er baulichen Neunutzung des Grundstücks nicht selten an rechtliche,<br />

etwa denkmalschutzrechtliche, aber auch f<strong>in</strong>anzielle Grenzen stoßen wird, andererseits<br />

dem Eigentümer e<strong>in</strong> gänzlicher Leerstand auf Dauer kaum zugemutet werden kann<br />

(vgl. auch BVerfG vom 22.3.1999 BVerfGE 100, 226). Dieses spezifische Interesse an<br />

e<strong>in</strong>er angemessenen Folgenutzung für ehemals landwirtschaftlich genutzte Hauptund<br />

Nebengebäude hat der Gesetzgeber im bauplanungsrechtlichen Außenbereich<br />

mit Vorschriften zur begünstigten Entprivilegierung (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB)<br />

<strong>in</strong> besonderer Weise berücksichtigt. Diese gesetzliche Wertung muss auch im<br />

bauplanungsrechtlichen Innenbereich zum Tragen kommen, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e angemessene<br />

Wiederverwendung ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebsgebäude nicht mit dem Gebot<br />

e<strong>in</strong>er größtmöglichen Schonung des Außenbereichs konkurriert, sondern lediglich mit<br />

konfligierenden nachbarlichen Nutzungs<strong>in</strong>teressen zu e<strong>in</strong>em angemessenen Ausgleich<br />

zu br<strong>in</strong>gen ist. Wie dieser Ausgleich im E<strong>in</strong>zelfall auszusehen hat, hat der Gesetzgeber<br />

für den bauplanungsrechtlichen Innenbereich nicht konkret geregelt. Er hat aber mit<br />

dem E<strong>in</strong>fügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB e<strong>in</strong> Instrument an die Hand gegeben, das<br />

den gebotenen Ausgleich unterschiedlicher Nutzungs<strong>in</strong>teressen ermöglicht. In dieser<br />

Situation kann ke<strong>in</strong>e Seite verlangen, dass sie sich mit ihren Interessen voll gegenüber den<br />

Nutzungs<strong>in</strong>teressen der anderen Seite durchsetzt. Das bedeutet, dass die Wohnnutzung,<br />

die aufgrund des Strukturwandels <strong>in</strong> der Landwirtschaft zur überwiegenden Nutzung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong> geworden ist, sich nicht auf den gleichen Schutz berufen kann, den sie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geplanten Wohngebiet gegen störende andere Nutzungen <strong>in</strong> Anspruch nehmen<br />

- 11 -


könnte. Ihr Interesse an e<strong>in</strong>er möglichst ungestörten Wohnnutzung muss <strong>in</strong> dieser Situation<br />

vielmehr e<strong>in</strong> Stück zurücktreten, damit sich auch das Interesse der Eigentümer ehemals<br />

landwirtschaftlich genutzter Betriebsgebäude, diese Gebäude wieder e<strong>in</strong>er angemessenen<br />

Nutzung zuzuführen, <strong>in</strong> verhältnismäßiger Weise durchsetzen kann.<br />

66 Gemessen hieran fügt sich die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Eigenart der näheren<br />

Umgebung e<strong>in</strong>. Angesichts des noch zahlreich vorhandenen Altbestandes ehemaliger<br />

landwirtschaftlicher Betriebsgebäude konnten die Beigeladenen zu 1 und 2 nicht damit<br />

rechnen, dass die Eigentümer dieser Anwesen ihre Nebengebäude auf Dauer ungenutzt leer<br />

stehen lassen. Die Wohnnutzung ist Teil e<strong>in</strong>er <strong>Gemengelage</strong>, die auch durch die Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>er angemessenen Wiederverwendung dieser ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude<br />

geprägt ist, zu der auch <strong>Pferdehaltung</strong> gehört. Das gilt konkret im Falle der Kläger<strong>in</strong><br />

umso mehr, als <strong>in</strong> der näheren Umgebung des Grundstücks der Kläger<strong>in</strong> – wie dargestellt<br />

- verschiedentlich Pferde und auch Schwe<strong>in</strong>e gehalten wurden und auch jetzt noch<br />

gehalten werden, Tierhaltung also als Teil dieser <strong>Gemengelage</strong> manifest geworden ist. Der<br />

Schutzanspruch der Beigeladenen zu 1 und 2 im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB reduziert<br />

sich <strong>in</strong>soweit auf e<strong>in</strong>e Abwehr rücksichtsloser, weil unzumutbar bee<strong>in</strong>trächtigender<br />

Nutzungen. Dies führt im vorliegenden Falle dazu, dass sich auch die Beigeladenen zu 1<br />

und 2 Abstriche des von ihnen vorgestellten "Idealzustandes" e<strong>in</strong>er Wohnnutzung ohne<br />

jegliche Bee<strong>in</strong>trächtigung durch Tierhaltung gefallen lassen müssen, um auch der Kläger<strong>in</strong><br />

die Chance zu geben, von ihrem Eigentum <strong>in</strong> privatnütziger Weise Gebrauch zu machen.<br />

67 bb) Die <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> ist auch nicht rücksichtslos. Insbesondere s<strong>in</strong>d durch die<br />

Genehmigung der <strong>Pferdehaltung</strong> ke<strong>in</strong>e unzumutbaren Geruchsimmissionen am Wohnhaus<br />

der Beigeladenen zu 1 und 2 zu besorgen.<br />

68 Beim gerichtlichen Augensche<strong>in</strong> konnte der Senat ke<strong>in</strong>e unangenehmen Gerüche<br />

feststellen. Sogar <strong>in</strong> der Mistlege selbst war der Pferdemist nur schwach riechbar. Auch<br />

die beim Augensche<strong>in</strong> anwesende Vertreter<strong>in</strong> des Beklagten räumte <strong>in</strong> der mündlichen<br />

Verhandlung e<strong>in</strong>, dass nichts habe festgestellt werden können, was auf e<strong>in</strong>e Verletzung<br />

des Rücksichtnahmegebots schließen lasse. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass<br />

der Abstand der bestehenden Mistlege zum Wohnhaus der Beigeladenen zu 1 und 2 nur<br />

sehr ger<strong>in</strong>g (ca. 7 m) ist, was nach der E<strong>in</strong>schätzung des Landratsamts – Sachgebiet<br />

Immissionsschutz – erhebliche Geruchsbelästigungen jedenfalls bei ungünstigen<br />

Witterungsbed<strong>in</strong>gungen und e<strong>in</strong>er ungünstigen Beschaffenheit des Bodens nicht<br />

ausschließen lässt.<br />

69 Ob damit die nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zu bestimmende<br />

Zumutbarkeitsschwelle für Gerüche bereits überschritten ist, braucht <strong>in</strong>des nicht<br />

abschließend entschieden zu werden. Denn die zitierte Äußerung des Sachgebiets<br />

Immissionsschutz des Landratsamts bezieht sich auf die bisherige Situation, deren<br />

Verbesserung ja gerade Gegenstand der Absprachen zwischen Landratsamt und<br />

Kläger<strong>in</strong> über immissionsm<strong>in</strong>dernde Maßnahmen waren. Danach soll die bestehende<br />

Mistlege durch e<strong>in</strong>en Stellplatz für e<strong>in</strong>en Mistwagen ersetzt werden, außerdem ordnet<br />

der Genehmigungsbescheid vom 11. September 2003 <strong>in</strong> Nebenbestimmungen an,<br />

dass der Mist auf dem Anhänger <strong>in</strong> zeitlichen Abständen von längstens zehn Tagen zu<br />

entsorgen ist, dass täglich zu entmisten ist, dass die Gummimatten mit ausreichend<br />

Wasser zu unterspülen s<strong>in</strong>d und dass danach mit e<strong>in</strong>em saugfähigen Material ausreichend<br />

e<strong>in</strong>zustreuen ist. Weitere Auflagen s<strong>in</strong>d vorbehalten. Im Falle e<strong>in</strong>er Verwirklichung<br />

dieser immissionsm<strong>in</strong>dernden Maßnahmen, die die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> Klageantrag Nr.<br />

2 ausdrücklich zur Voraussetzung ihres Verpflichtungsantrags gemacht hat, s<strong>in</strong>d<br />

verbleibende Geruchsbee<strong>in</strong>trächtigungen nach der Stellungnahme des Landratsamtes<br />

– Sachgebiet Immissionsschutz – zumutbar. Der Senat hat ke<strong>in</strong>e Anhaltspunkte, dass<br />

diese immissionsschutzfachliche E<strong>in</strong>schätzung unzutreffend wäre. Die Behauptung der<br />

Beigeladenen zu 1 und 2, die Geruchsbelästigungen seien an manchen Tagen kaum<br />

auszuhalten, ist offensichtlich auf die bisherige Situation bezogen, die den Anstoß<br />

für das Genehmigungsverfahren gegeben hatte, nicht aber auf die durch bauliche<br />

Änderungen und Auflagen entschärfte neue Situation, die im Verpflichtungsantrag<br />

der Kläger<strong>in</strong> berücksichtigt ist. Die E<strong>in</strong>schätzung der Beigeladenen zu 1 und 2, dass<br />

die Geruchsbelästigung unabhängig von der Menge des Mistes und der Dauer se<strong>in</strong>er<br />

Lagerung sei, widerspricht der Bewertung des Sachgebiets Immissionsschutz, an dessen<br />

fachlicher Richtigkeit ke<strong>in</strong>e Zweifel bestehen. Anhaltspunkte für e<strong>in</strong>e bauplanungsrechtliche<br />

- 12 -


Unzumutbarkeit der zu erwartenden Geruchsimmissionen bestehen deshalb <strong>in</strong>sgesamt<br />

nicht.<br />

70 Soweit sich die Beigeladenen zu 1 und 2 auch noch gegen andere, von der <strong>Pferdehaltung</strong><br />

der Kläger<strong>in</strong> angeblich ausgehende Bee<strong>in</strong>trächtigungen und Störungen (ausbrechende<br />

Pferde, Ruhestörungen am Sonntag, Ratten etc.) wenden, s<strong>in</strong>d dies verhaltensbezogene<br />

Störungen, denen gegebenenfalls durch polizeiliches oder bauaufsichtliches E<strong>in</strong>schreiten<br />

zu begegnen wäre. Die Rechtmäßigkeit der begehrten Baugenehmigung stellen sie<br />

grundsätzlich nicht <strong>in</strong> Frage.<br />

71 Soweit sich die Beigeladenen zu 1 und 2 schließlich noch auf e<strong>in</strong>en angeschlagenen<br />

Gesundheitszustand und daraus herrührende besondere <strong>in</strong>dividuelle Empf<strong>in</strong>dlichkeiten<br />

berufen, kann dies im Bauplanungsrecht, dessen Aufgabe es ist, Nutzungen nach<br />

bodenbezogenen Kriterien e<strong>in</strong>ander zuzuordnen, ke<strong>in</strong>e Berücksichtigung f<strong>in</strong>den.<br />

72 b) Die Klage ist auch begründet, soweit die Kläger<strong>in</strong> die Aufhebung der Abhilfeentscheidung<br />

(Nr. 1 und 2 des Bescheides des Landratsamtes vom 20.7.2004) begehrt. Das<br />

Verwaltungsgericht hat die Klage <strong>in</strong>soweit zu Unrecht abgewiesen, die Abhilfeentscheidung<br />

war unter Abänderung des erst<strong>in</strong>stanzlichen <strong>Urt</strong>eils aufzuheben.<br />

73 Mit dem Anspruch der Kläger<strong>in</strong> auf Genehmigung der <strong>Pferdehaltung</strong> dem Grunde nach<br />

entfällt auch das von der Regierung und – ihr folgend - vom Landratsamt gegen e<strong>in</strong>e<br />

isolierte Genehmigung der beantragten baulichen Änderungen bei der Mistlagerung alle<strong>in</strong><br />

reklamierte Bedenken e<strong>in</strong>er fehlenden Genehmigung der <strong>Pferdehaltung</strong> dem Grunde nach.<br />

Sonstige Gründe für e<strong>in</strong>e Rechtswidrigkeit dieser vom Sachgebiet Immissionsschutz des<br />

Landratsamts empfohlenen baulichen Änderungen zur Immissionsm<strong>in</strong>derung s<strong>in</strong>d weder<br />

geltend gemacht noch ersichtlich. Die Genehmigung von 11. September 2003 war deshalb<br />

rechtmäßig, die Aufhebung dieser Genehmigung im Abhilfeverfahren über den Widerspruch<br />

der Beigeladenen zu 1 und 2 (Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 20.7.2004) ist rechtswidrig<br />

und verletzt die Kläger<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).<br />

74 c) Die Kläger<strong>in</strong> hat auch e<strong>in</strong>en Anspruch auf Erteilung e<strong>in</strong>er nachträglichen Genehmigung<br />

für den formell illegal errichteten Paddock (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Beklagte<br />

war deshalb auch zur Erteilung e<strong>in</strong>er Genehmigung für den Paddock, wie mit<br />

Genehmigungsantrag der Kläger<strong>in</strong> vom 25. Mai 2003 beantragt, zu verpflichten.<br />

75 aa) Der Paddock ist Teil der <strong>Pferdehaltung</strong> der Kläger<strong>in</strong> und fügt sich deshalb grundsätzlich<br />

wie diese bauplanungsrechtlich <strong>in</strong> die Eigenart der näheren Umgebung e<strong>in</strong>. Dass von dem<br />

Paddock besondere Emissionen oder sonstige Bee<strong>in</strong>trächtigungen ausgehen würden, die im<br />

E<strong>in</strong>zelfall für die umgebende Wohnbebauung unzumutbar und deshalb rücksichtslos se<strong>in</strong><br />

könnten, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.<br />

76 bb) § 13 Abs. 5 der Gestaltungssatzung der Beigeladenen zu 3 steht dem<br />

Genehmigungsanspruch nicht entgegen.<br />

77 Freilich kann die Kläger<strong>in</strong> nicht damit gehört werden, dass der Paddock bereits vor Erlass<br />

der Gestaltungssatzung errichtet worden sei. Wie dargestellt, fällt die Hobbypferdehaltung<br />

der Kläger<strong>in</strong> nicht unter e<strong>in</strong>en wie auch immer gearteten Bestandsschutz der<br />

vormals betriebenen landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und bedurfte deshalb als<br />

Nutzungsänderung der bauaufsichtlichen Genehmigung. Ohne Genehmigung waren<br />

die <strong>Pferdehaltung</strong> und damit auch der als Teil der <strong>Pferdehaltung</strong> errichtete Paddock<br />

formell illegal. Maßgeblich für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch<br />

auf Genehmigung des Paddocks ist deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der<br />

mündlichen Verhandlung <strong>in</strong> der Berufungs<strong>in</strong>stanz. Die im Jahre 2004 <strong>in</strong> Kraft getretene<br />

Gestaltungssatzung der Beigeladenen zu 3 war deshalb grundsätzlich zu berücksichtigen.<br />

78 Gleichwohl scheitert die Genehmigungsfähigkeit des Paddocks nicht an § 13 Abs. 5 der<br />

Gestaltungssatzung. Diese geme<strong>in</strong>dliche Satzungsvorschrift ist nämlich rechtswidrig und<br />

unwirksam.<br />

79 Die Gestaltungsvorschrift hält sich schon nicht an den Rahmen der <strong>in</strong> Betracht kommenden<br />

Rechtsgrundlagen (Art. 91 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BayBO). Die Geme<strong>in</strong>den können gemäß<br />

Art. 91 Abs. 1 Nr. 1 BayBO durch Satzung örtliche Bauvorschriften erlassen "über<br />

- 13 -


esondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und<br />

Gestaltung von Ortsbildern" und gemäß Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 BayBO unter anderem "über<br />

die Gestaltung und Ausstattung ... der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke".<br />

Mit diesen möglichen Rechtsgrundlagen ist § 13 Abs. 5 Satz 1 der Gestaltungssatzung<br />

der Beigeladenen zu 3 zwar möglicherweise <strong>in</strong>soweit vere<strong>in</strong>bar, als Zweck der Satzung<br />

die "Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern", nämlich der "Schutz des historischen<br />

Stadtbildes" und die "Gestaltung der städtebaulichen, baulichen und landschaftlichen<br />

Struktur" (Präambel Abs. 1) und speziell der "Gärten an der P sowie zwischen Bund<br />

T straße" se<strong>in</strong> soll. Nicht mit der Rechtsgrundlage im E<strong>in</strong>klang steht <strong>in</strong>des der<br />

Regelungs<strong>in</strong>halt des § 13 Abs. 5 Satz 1, soweit dar<strong>in</strong> geregelt ist, dass die "Gärten" an der<br />

P sowie zwischen B-und T straße "von weiteren baulichen Anlagen freizuhalten" s<strong>in</strong>d. Diese<br />

Regelung enthält weder "besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher<br />

Anlagen" im S<strong>in</strong>ne des Art. 91 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, noch Regelungen "über die Gestaltung<br />

und Ausstattung ... der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke" im S<strong>in</strong>ne des<br />

Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 BayBO. E<strong>in</strong>e Kompetenz zur Regelung der Bebaubarkeit bestimmter<br />

Flächen, hier der "Gärten" im betreffenden Bereich, die die Beigeladene zu 3 mit § 13<br />

Abs. 5 der Gestaltungssatzung für sich <strong>in</strong> Anspruch nimmt, weist der Landesgesetzgeber<br />

den Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> beiden Rechtsgrundlagen gerade nicht zu. Dem kann auch nicht<br />

entgegengehalten werden, dass die Gestaltung unbebauter Flächen auch durch deren<br />

Größe bee<strong>in</strong>flusst wird. Denn die Beigeladene zu 3 macht mit dem grundsätzlichen<br />

Verbot, Gärten zu bebauen, letztlich Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand<br />

rechtlicher Ordnung und bestimmt, <strong>in</strong> welcher Weise der Eigentümer se<strong>in</strong> Grundstück<br />

nutzen darf. Damit fällt die Regelung <strong>in</strong> den Kompetenzbereich des Bodenrechts bzw. des<br />

Bauplanungsrechts, das nach der föderalen Kompetenzordnung des Grundgesetzes der<br />

konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zugewiesen ist (vgl. BayVGH vom 20.12.2004<br />

BayVBl 2005, 759/761). § 13 Abs. 5 der Gestaltungssatzung verlässt damit den Rahmen<br />

der landesrechtlichen Ermächtigung und verstößt gegen den Verfassungsgrundsatz des<br />

Vorbehalts des Gesetzes.<br />

80 § 13 Abs. 5 der Gestaltungsvorschrift enthält überdies e<strong>in</strong>e verfassungswidrige, weil<br />

unverhältnismäßige und gleichheitswidrige Beschränkung der Eigentümerbefugnisse.<br />

Indem die Vorschrift gebietet, Gärten im betreffenden Bereich "von weiteren baulichen<br />

Anlagen freizuhalten" (Satz 1), und nur für Nebenanlagen e<strong>in</strong>e begrenzte Ausnahme<br />

zulässt (Satz 2), verbietet sie jegliche weitere Bebauung der betreffenden Gärten<br />

mit Hauptgebäuden, friert also die bauliche Entwicklung im betreffenden Bereich im<br />

Wesentlichen auf den baulichen Status quo e<strong>in</strong>, und zwar ohne Ansehung der bisherigen<br />

Ausnutzung des nach den Maßstäben des § 34 BauGB vorhandenen Baurechts. Sie<br />

verstößt damit e<strong>in</strong>erseits gegen den bei der Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des<br />

Eigentums (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,<br />

soweit Grundstücke betroffen s<strong>in</strong>d, die bisher nur <strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>gem Umfang bebaut s<strong>in</strong>d.<br />

Sie verstößt außerdem gegen den allgeme<strong>in</strong>en Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil sie<br />

baulich bisher nur wenig ausgenutzte Grundstücke ohne gebotene Differenzierung ebenso<br />

mit e<strong>in</strong>em Bauverbot für den Gartenbereich belegt wie Grundstücke, die bereits <strong>in</strong>tensiv<br />

baulich genutzt s<strong>in</strong>d.<br />

81 Dass sonstige öffentlich-rechtliche Rechtsvorschriften, die im Genehmigungsverfahren zu<br />

prüfen s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>er Genehmigung des Paddocks entgegenstehen könnten, ist weder geltend<br />

gemacht noch sonst ersichtlich.<br />

82 d) Da somit sowohl die <strong>Pferdehaltung</strong> dem Grunde nach als auch der Paddock<br />

genehmigungsfähig s<strong>in</strong>d und mit der Aufhebung der Abhilfeentscheidung <strong>in</strong> Nrn. 1 und 2<br />

des Bescheides vom 20. Juli 2004 auch die Baugenehmigung vom 11. September 2003<br />

für die erforderlichen baulichen Änderungen zur Immissionsm<strong>in</strong>derung wieder auflebt,<br />

entfallen auch die Voraussetzungen, deren Annahme das Landratsamt veranlasst hatten,<br />

der Kläger<strong>in</strong> auf der Grundlage des Art. 82 Satz 2 BayBO die Nutzung des Grundstücks<br />

und <strong>in</strong>sbesondere des Paddocks zur <strong>Pferdehaltung</strong> zwangsgeldbewehrt zu untersagen<br />

(Nrn. 4 und 5 des Bescheides vom 20.7.2004). Die Nutzungsuntersagung ist deshalb<br />

ebenfalls rechtswidrig (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Rechtswidrigkeit der Nutzungsänderung<br />

schlägt auf das zu ihrer Durchsetzung angedrohte Zwangsgeld durch. Die Anfechtungsklage<br />

ist auch <strong>in</strong>soweit begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), Nutzungsuntersagung und<br />

Zwangsgeldandrohung waren ebenfalls aufzuheben.<br />

- 14 -


83 Ke<strong>in</strong>er Entscheidung bedarf an dieser Stelle, ob e<strong>in</strong>e Nutzungsuntersagung aus anderen<br />

Gründen <strong>in</strong> Betracht kommt, etwa wenn die Kläger<strong>in</strong> die vom Sachgebiet Immissionsschutz<br />

des Landratsamts empfohlenen, mit Bescheid vom 11. September 2003 genehmigten<br />

baulichen Änderungen der Mistlagerung, von denen das Landratsamt e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

immissionsm<strong>in</strong>dernde Wirkung erwartet und die die Kläger<strong>in</strong> selbst zur Voraussetzung ihres<br />

Verpflichtungsantrags gemacht hat, nicht oder nicht rechtzeitig verwirklicht.<br />

84 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 3, § 162 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO. Die<br />

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708<br />

ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).<br />

85 Beschluss:<br />

86 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.000 Euro festgesetzt<br />

(§ 52 Abs. 1, § 47 GKG).<br />

© juris GmbH<br />

- 15 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!