Nr. 081 - Regierungsrat - Basel-Stadt
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Dezember 89 pibs 14<br />
KULTUR PRAKTISCH<br />
Weihnachtszauber im Museum<br />
Weihnachtsbaum im Haus zum Kirschgarten<br />
von Bettina Tobler, Infostelle der Basler Museen<br />
Seit dem 9. Dezember kann im Haus zum<br />
Kirschgarten im 2. Stock wie jedes Jahr<br />
der traditionell geschmückte Weihnachtsbaum<br />
bewundert werden.<br />
Dieser Brauch nahm in den siebziger<br />
Jahren seinen Anfang, als das Historische<br />
Museum <strong>Basel</strong> von Frau Beatrice<br />
Goppelsroeder-Sarasin einen kompletten<br />
Christbaumschmuck aus der Jahrhundertwende<br />
zum Geschenk erhielt.<br />
Der Schmuck für Christbäume wurde<br />
erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts<br />
in grossen Mengen industriell gefertigt.<br />
Von 1880 bis zum ersten Weltkrieg<br />
entwickelte sich die Dresdener Industrie<br />
zum Hauptproduzenten. Es wird daher<br />
auch vom Dresdener Christbaumschmuck<br />
gesprochen.<br />
Dieser Schmuck wurde im Hohlprägeverfahren<br />
aus Papier hergestellt. Anschliessend<br />
wurden in Heimarbeit die<br />
verschiedenen Teile zusammengesetzt,<br />
versäubert, bemalt und allenfalls noch<br />
vervollständigt. Die Bemalung erfolgte<br />
mit Silber- und Goldfarbe, um das<br />
Aussehen von Metall zu imitieren.<br />
Wer bei diesem Baumschmuck nach<br />
weihnachtlichen Motiven sucht, wird<br />
sich jedoch vergeblich bemühen: Er<br />
findet Tiere aller Art, Champagnerflaschen,<br />
Papiertüten, Flugzeuge, Lokomotiven,<br />
Schiffe, Autos, Kutschen, Musikinstrumente<br />
und - Kanonen! Diese für<br />
einen Weihnachtsbaum ziemlich befremdlichen<br />
Attribute sind einerseits<br />
Foto: Allan Eton<br />
Ausdruck der Faszination durch die<br />
Technik und anderseits spiegeln sie auch<br />
die völlige Profanation des Weihnachtsbaumes.<br />
Sie verweisen aber auch auf das<br />
sich zwischen 1890 und 1918 immer<br />
weiter steigernde Wettrüsten in Europa,<br />
das Schliesslich in den ersten Weltkrieg<br />
münden sollte.<br />
Doch zurück zum Weihnachtsbaum im<br />
Haus zum Kirschgarten. Zur Grundsammlung<br />
gesellten sich im Laufe der<br />
Jahre noch weitere Schmuckobjekte, wie<br />
etwa Weihnachtsfiguren aus Schokolade<br />
von Freddy Spillmann.<br />
Frau Dr. Irmgard Peter, die den Weihnachtsbaum<br />
des Historischen Museums<br />
betreut, hat zwischendurch versucht,<br />
auch andere Formen als die von uns als<br />
«klassisch» empfundene einzurichten,<br />
doch das Publikum ist konservativer als<br />
die Konservatorin, und so bleibt es denn<br />
alle Jahre wieder beim Standard-Prachtsbaum<br />
- die Experimente aber, auf die<br />
Frau Peter nicht verzichten will, finden<br />
zuweilen auf «Nebenbäumchen» statt.<br />
Also dann, wer alle seine Geschenklein<br />
schon gemacht hat, kann sich die<br />
Wartezeit bis Heiligabend noch mit<br />
einem Besuch im Haus zum Kirschgarten,<br />
das im übrigen noch viele andere<br />
wunderschöne Sachen in gediegenem<br />
Rahmen präsentiert, auf angenehmste<br />
Weise verkürzen!<br />
Die Museen sind am 24./25. sowie am<br />
31.12.1989 und 1.1.1990 geschlossen.<br />
Etymologie<br />
Was ist ein Philosoph!<br />
von Rene Müller<br />
Entgegen der landläufigen Meinung, der<br />
Begriff stamme aus dem Griechischen<br />
und bedeute «Freund der Weisheit»,<br />
haben neuere Sprachforschungen ganz<br />
andere, wesentlich naheliegendere und<br />
banalere Ergebnisse gezeitigt.<br />
Das Wort gehört schlicht zu den Basler<br />
Mundart-Ausdrucken, die seinerzeit allerdings<br />
nur verbal verwendet wurden.<br />
Die entsprechende Schreibweise wäre<br />
nämlich etwa «Vyll-loss-off», was soviel<br />
heisst wie «viel lasse offen».<br />
Vermutlich um sich den Anschein<br />
gehobener Bildung zu geben, haben die<br />
Vyllossoffen im Zuge der Zeit ihrem<br />
Namen einen griechischen Touch verpasst<br />
und sich fortan Philosophen geschrieben.<br />
Machte sich besser.<br />
Aus unserem Sprachgebrauch sozusagen<br />
gänzlich verschwunden sind die beiden<br />
verwandten Ausdrücke «Nytlosoph» und<br />
«Allosoph», im Basler Klartext «nütloss-off»<br />
und «alles-off». Erst wenn wir<br />
alle drei Ausdrücke kennen und miteinander<br />
vergleichen, können wir auch<br />
deren Bedeutung verstehen:<br />
Es geschah zur Zeit, als unsere Gesellschaft<br />
entdeckte, dass man zu allem und<br />
jedem ungeheuer viel Fragen stellen<br />
konnte: Zur Kultur, zur Religion, zur<br />
Politik, zur Armee, zur Landwirtschaft,<br />
zur sozialen Gerechtigkeit, zur Um- und<br />
zur 3. Welt, usw.<br />
Da haben sich auch sogleich die Fragen-<br />
Beantworter zur Stelle gemeldet. Am<br />
effizientesten waren die Nütlossoffen,<br />
bzw. die Nytlosophen, wie auch sie sich<br />
vornehm schrieben. Sie wussten immer<br />
alles. Sie waren nie um eine Antwort<br />
verlegen. Noch heute hört man sie schon<br />
von weitem an jedem Stammtisch. Auch<br />
nahezu alle Politiker gehören zu den<br />
Nytlosophen.<br />
Am Unscheinbarsten treten seit jeher die<br />
Allosophen auf. Das heisst, sie treten gar<br />
nicht auf, sondern verhalten sich still im<br />
Hintergrund. Es sind die notorischen<br />
Zweifler, die alles offen lassen und sich<br />
zu keiner Stellungnahme entschliessen<br />
können. Es handelt sich um die «ja,<br />
aber»- und «sowohl als auch»-Typen.<br />
Den vernünftigsten Mittelweg beschreiten<br />
- so deren Ansicht wenigstens - die<br />
Philosophen (wie sich die Schreibweise<br />
nun mal eingebürgert hat). Sie stellen am<br />
meisten Fragen und geben wenig Antworten.<br />
Sie beantworten nur diejenigen<br />
Fragen, die sie mit hinreichender Begründung<br />
erklären können. Viele lassen<br />
sie offen. Das hängt mit einem besonderen<br />
Wesenszug der Philosophen zusammen:<br />
Sie können mit offenen Fragen<br />
leben. Die meisten Leute dagegen bevorzugen<br />
fragwürdige Antworten, weil sie<br />
unbeantwortete Fragen schlecht ertragen.