WISSENSCHAFT - Zeitschrift für Physiotherapeuten

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Selbstwirk sam - keitserwartung Ergebniserwartung Risikowahrnehmung strengungen im Sinne von Diskrepanz reduzierenden Maßnahmen eingeleitet. Durch entsprechende Regulation ist es dem Patienten möglich, sein Handeln anzupassen. Gegebenenfalls sind kleine Hilfen zur Umsetzung oder eine Modifikation der Ziele und Planung notwendig. Diese drei Komponenten sind wesentliche Bausteine einer gelungenen Handlungskontrolle (Baumeister et al. 1994). HAPA-Modell als integratives Modell Eine Integration dieser volitionalen Komponenten kann also dazu beitragen, die Intentions-Verhaltens-Lücke zu überwinden. Das sozialkognitive Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (HAPA) berücksichtigt nun neben den bereits in vielen Modellen zugrunde liegenden motivationalen auch verstärkt volitionale Komponenten. Grundsätzlich können so zwei Prozesse voneinander abgegrenzt werden. Im motivationalen Prozess der Intentionsbildung sind vor Ziel Planung Verhalten Barrieren & Ressourcen »Non-Intender« »Intender« »Actor« Abb.5_HAPA-Modell (nach Lippke & Renneberg 2006; Schwarzer 2004) allem die Konstrukte Selbstwirksamkeit, Handlungsergebniserwartung und Risikowahrnehmung relevant. Der volitionale Prozess wird maßgeblich von den Planungsaktivitäten, den Handlungskontrollaktivitäten und der Selbstwirksamkeit beeinflusst. Innerhalb dieser Prozesse kann man das HAPA-Modell (Abb. 5) als kontinuierliches Modell verstehen. Zusätzlich werden jedoch auch stadientheoretische Annahmen integriert. Das HAPA-Modell stellt somit ein Hybridmodell dar. Betrachtet man das HAPA-Modell als Stadienmodell, so sind drei verschiedene Stadien zu unterscheiden. Auf dem Weg zur Verhaltensänderung müssen Patienten diese nacheinander durchlaufen. In jedem Stadium sind andere Interven - tionen fruchtbar, um einen Wechsel in eine höhere Stufe zu erreichen und letztlich eine Verhaltensänderung zu induzieren. Der »Non-Intender« befindet sich im motivationalen Stadium. Bei ihm steht die Bildung einer Intention im Vordergrund. Diese Phase endet mit einer konkreten Zielsetzung. In dem anschließen- WISSENSCHAFT_NARRATIVER REVIEW den volitionalen Stadium versucht der sogenannte »Intender« die gefasste Ab - sicht in die Tat umzusetzen. Hier spielen vor allem Planungsprozesse eine entscheidende Rolle. Mit der Initiierung der Handlung beginnt die aktionale Phase, das heißt ein »Intender« wird zum »Actor«. Die gewünschte Verhaltensweise wird ausgeführt. Während dieser Phase findet eine ständige Handlungsausführungskontrolle statt, bei der es letztlich darum geht, sowohl die Handlung als auch die Intention gegenüber Distraktoren abzuschirmen. Die einzelnen Kernaussagen des Modells wurden im Kontext von unterschiedlichen gesundheitlichen Verhaltenweisen untersucht. Im Fokus der Aufmerksamkeit lag dabei sowohl das Übungs- und Aktivitätsverhalten im Rahmen der kardiologischen und orthopädischen Rehabilitation als auch andere gesundheitlich relevante Verhaltensweisen, wie zum Beispiel die Zahn - seidebenutzung, die prophylaktische Eigen palpation der Brust von Frauen oder die Umsetzung bestimmter Ernährungsgewohnheiten. Im bewegungstherapeutischen Bereich belegen zahlreiche Untersuchungen die grundlegenden An - nahmen des Modells und die Exis tenz der unterschiedlichen Stadien (Überblick: vgl. Schwarzer 2008). Die stadientheoretische Annahme macht das Modell für die Therapie besonders interessant. Je nach Stadium, in dem sich der Patient befindet, können zielgerichtete Interventionen die The - rapie ergänzen und dazu beitragen, den Behandlungserfolg nachhaltig zu si chern. Im Bereich der Physiotherapie scheint das vor dem Hintergrund des begrenzten Zeitrahmens besonders in teressant. Im Bereich bewegungstherapeutischer Verhaltensweisen existieren einige Interventionsstudien, die die Wir- pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_61 [2009] 1 11 >>>

WISSENSCHAFT_NARRATIVER REVIEW kungsweise von theoriekonformen Interventionen auf Basis des HAPA- Modells analy sieren. Lippke et al. (2004) untersuchten im Rahmen einer Interventionsstudie die Effekte einer Planungsintervention bei 540 orthopädischen Patienten im Rahmen einer Rehabilitation. Am Ende der Rehabilitation wurden die Patienten randomisiert einer Kontroll- und einer Planungsgruppe zugeordnet. Die Patienten der Planungsgruppe sollten sich bis zu drei detaillierte Handlungspläne zu weiterführenden Übungsformen im Sinne der beschriebenen IMPS notieren. Die Planungsintervention dauerte 5 bis 10 Mi nuten. Die Kontrollgruppe erhielt keine Intervention. Die Patienten der Übungsgruppe absolvierten ihr Programm häufiger als die Patienten der Kontrollgruppe. Weiterhin wurde deutlich, dass die Patienten, die bereits eine Intention gefasst hatten, in höherem Maße aktiv waren als die jenigen, die noch keine Absicht gefasst hatten. Diese Tat sache spricht für die stadientheoretische Annahme und die Effektivität stadienspezifischer Interventionen. Eine weitere Untersuchung mit 114 Patienten einer kardiologischen Rehabilitation in Polen kam zu einem vergleichbaren Ergebnis (Luszczynska 2006). Auch hier nahmen die Patienten am Ende ihrer Rehabilitation an einer kurzen Intervention teil, mit dem Ziel einen konkreten Handlungsplan zu formulieren. Nach sechs Monaten gab es bei der Interventionsgruppe keinen Unterschied bezüglich der durchgeführten Übungseinheiten im Vergleich zum Ende der Rehabilitation. Sie konnten ihr Aktivitäts level halten, während die Kontrollgruppe im gleichen Zeit raum signifikante Rückgänge zu verzeichnen hatte. Sniehotta et al. (2006) untersuchten zusätzlich die Wirkungen von Bewälti- gungsplänen. Im Rahmen einer kardiologischen Rehabilitation wurden insgesamt 246 Patienten in der zweiten Woche ihrer Rehabilitation randomisiert drei Gruppen zugeordnet. In der ersten Interventionsgruppe formulierten die Patienten je drei konkrete Handlungspläne. Die Patienten der zweiten Interventionsgruppe sollten zusätzlich dazu bis zu drei Bewältigungspläne erstellen. Dies geschah in Einzelsitzungen, die bis zu 30 Minuten dau erten. Zwei Monate nach der Intervention waren die Teilnehmer der kombinierten Gruppe signifikant häufiger ak tiv als die Patienten der Kontrollgruppe. Die Untersuchung zeigt unter anderem die Effektivität einer kombinier ten Planungsintervention. Besonders eindrucksvoll er schei nen die Ergebnisse, wenn man berücksichtigt, dass die In ter vention nur einen zeitlichen Rahmen von maximal 30 Mi nuten innerhalb der dreiwöchigen Re habilitation in Anspruch genommen hat. Sniehotta et al. (2005) ergänzten den Aspekt der Handlungskontrolle und un - tersuchten die Effektivität einer Intervention zur Verbesserung der Ausführungsplanung, der Bewältigungsplanung und der Handlungskontrolle auf die körperliche Aktivität von 199 kardiologischen Rehabilitationspatienten. Mit den Pa - tien ten der ersten Treatmentgruppe wurden während der Rehabilitation je drei Ausführungspläne und drei Bewältigungspläne erarbeitet, die in einem Planungsheft notiert wurden. Nach Entlassung bekamen die Patienten der zweiten Treatmentgruppe zusätzlich zu den Planungsinterventionen in den folgenden sechs Wochen je einen wöchentlichen Fragebogen zur Erhöhung der Handlungskontrolle zugesandt. Die Patienten der Kontrollgruppe durchliefen in der Zeit ein Standardrehabilitationsprogramm. Zwei Wochen nach der Entlas- sung wiesen die Patienten der beiden Planungsgruppen eine höhere körper - liche Aktivität auf als die der Kontrollgruppe. Vier Monate nach der Intervention war dieser Effekt nur noch bei der kombinierten Intervention nachweisbar. Es konnte gezeigt werden, dass die Wochenhefte einen positiven Einfluss auf die Handlungskontrolle bewirkten. Selbst ein Jahr nach der Untersuchung ließen sich noch Verhaltensänderungen nachweisen (Sniehotta & Scholz 2006). Schlussfolgerungen Die Kernannahmen des HAPA-Modells und die Ergebnisse der Interventionsstudien führen nun zu der berechtigten Hoffnung, dass auch in einem normalen Physiotherapie-Setting das Patientenverhalten nachdrücklich durch sparsame Interventionen beeinflusst werden kann. Viele der Untersuchungen zeigen, dass volitionale Maßnahmen nur bei Personen fruchten, die bereits eine Intention gebildet haben. Ist dies noch nicht der Fall oder führt der Patient das Zielverhalten vielleicht sogar schon aus, so sind andere Interventionen erforderlich. Für eine zielgerichtete Strategie scheint also eine geeignete Stadiendiagnostik unersetzlich. Im Anschluss daran ist eine »tailored-Intervention« möglich, die im weitesten Sinn erlaubt, das therapiespezifische Verhalten nachhaltig zu beeinflussen und die Adherence des Patienten zu erhöhen. Für eine solche Intervention bietet das HAPA-Modell eine geeignete Grundlage. Zum einen werden in diesem Modell im Unterschied zu einigen anderen Stadienmodellen nur drei grundsätzliche Stadien postuliert. Das erleichtert die Konzeption stadienspezifischer Interventionen und ermöglicht deren Umsetzung auch bei limitierten 12 pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_61 [2009] 1

Selbstwirk sam -<br />

keitserwartung<br />

Ergebniserwartung<br />

Risikowahrnehmung<br />

strengungen im Sinne von Diskrepanz<br />

reduzierenden Maßnahmen eingeleitet.<br />

Durch entsprechende Regulation ist es<br />

dem Patienten möglich, sein Handeln<br />

anzupassen. Gegebenenfalls sind kleine<br />

Hilfen zur Umsetzung oder eine Modifikation<br />

der Ziele und Planung notwendig.<br />

Diese drei Komponenten sind<br />

wesentliche Bausteine einer gelungenen<br />

Handlungskontrolle (Baumeister et al.<br />

1994).<br />

HAPA-Modell als<br />

integratives Modell<br />

Eine Integration dieser volitionalen<br />

Komponenten kann also dazu beitragen,<br />

die Intentions-Verhaltens-Lücke zu überwinden.<br />

Das sozialkognitive Prozessmodell<br />

gesundheitlichen Handelns (HAPA)<br />

berücksichtigt nun neben den bereits in<br />

vielen Modellen zugrunde liegenden<br />

motivationalen auch verstärkt volitionale<br />

Komponenten. Grundsätzlich können<br />

so zwei Prozesse voneinander abgegrenzt<br />

werden. Im motivationalen Prozess<br />

der Intentionsbildung sind vor<br />

Ziel Planung Verhalten<br />

Barrieren &<br />

Ressourcen<br />

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Abb.5_HAPA-Modell (nach Lippke & Renneberg 2006; Schwarzer 2004)<br />

allem die Konstrukte Selbstwirksamkeit,<br />

Handlungsergebniserwartung und Risikowahrnehmung<br />

relevant. Der volitionale<br />

Prozess wird maßgeblich von den<br />

Planungsaktivitäten, den Handlungskontrollaktivitäten<br />

und der Selbstwirksamkeit<br />

beeinflusst. Innerhalb dieser<br />

Prozesse kann man das HAPA-Modell<br />

(Abb. 5) als kontinuierliches Modell verstehen.<br />

Zusätzlich werden jedoch auch<br />

stadientheoretische Annahmen integriert.<br />

Das HAPA-Modell stellt somit ein<br />

Hybridmodell dar.<br />

Betrachtet man das HAPA-Modell als<br />

Stadienmodell, so sind drei verschiedene<br />

Stadien zu unterscheiden. Auf dem Weg<br />

zur Verhaltensänderung müssen Patienten<br />

diese nacheinander durchlaufen. In<br />

jedem Stadium sind andere Interven -<br />

tionen fruchtbar, um einen Wechsel in<br />

eine höhere Stufe zu erreichen und letztlich<br />

eine Verhaltensänderung zu induzieren.<br />

Der »Non-Intender« befindet sich im<br />

motivationalen Stadium. Bei ihm steht<br />

die Bildung einer Intention im Vordergrund.<br />

Diese Phase endet mit einer konkreten<br />

Zielsetzung. In dem anschließen-<br />

<strong>WISSENSCHAFT</strong>_NARRATIVER REVIEW<br />

den volitionalen Stadium versucht der<br />

sogenannte »Intender« die gefasste Ab -<br />

sicht in die Tat umzusetzen. Hier spielen<br />

vor allem Planungsprozesse eine entscheidende<br />

Rolle. Mit der Initiierung der<br />

Handlung beginnt die aktionale Phase,<br />

das heißt ein »Intender« wird zum<br />

»Actor«. Die gewünschte Verhaltensweise<br />

wird ausgeführt. Während dieser<br />

Phase findet eine ständige Handlungsausführungskontrolle<br />

statt, bei der es<br />

letztlich darum geht, sowohl die Handlung<br />

als auch die Intention gegenüber<br />

Distraktoren abzuschirmen.<br />

Die einzelnen Kernaussagen des<br />

Modells wurden im Kontext von unterschiedlichen<br />

gesundheitlichen Verhaltenweisen<br />

untersucht. Im Fokus der Aufmerksamkeit<br />

lag dabei sowohl das<br />

Übungs- und Aktivitätsverhalten im<br />

Rahmen der kardiologischen und orthopädischen<br />

Rehabilitation als auch andere<br />

gesundheitlich relevante Verhaltensweisen,<br />

wie zum Beispiel die Zahn -<br />

seidebenutzung, die prophylaktische<br />

Eigen palpation der Brust von Frauen<br />

oder die Umsetzung bestimmter Ernährungsgewohnheiten.<br />

Im bewegungstherapeutischen<br />

Bereich belegen zahlreiche<br />

Untersuchungen die grundlegenden An -<br />

nahmen des Modells und die Exis tenz<br />

der unterschiedlichen Stadien (Überblick:<br />

vgl. Schwarzer 2008).<br />

Die stadientheoretische Annahme<br />

macht das Modell <strong>für</strong> die Therapie<br />

besonders interessant. Je nach Stadium,<br />

in dem sich der Patient befindet, können<br />

zielgerichtete Interventionen die The -<br />

rapie ergänzen und dazu beitragen, den<br />

Behandlungserfolg nachhaltig zu si chern.<br />

Im Bereich der Physiotherapie scheint das<br />

vor dem Hintergrund des begrenzten<br />

Zeitrahmens besonders in teressant.<br />

Im Bereich bewegungstherapeutischer<br />

Verhaltensweisen existieren einige Interventionsstudien,<br />

die die Wir-<br />

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